Urteil des BGH vom 07.04.2008

BGH (räumung, zpo, wohnung, höhe, gebrauch, frist, miete, berlin, abmahnung, anschlussberufung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 115/08 Verkündet
am:
11. März 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren ge-
mäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 7. Januar 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen sowie die Richterinnen
Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des
Kammergerichts vom 7. April 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung ihrer Mietwohnung infolge
Zahlungsverzugs in Anspruch.
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Die Beklagte mietete im Jahr 1997 eine Wohnung von der D. ,
welche diese im Jahr 2004 an die Klägerin verkaufte. Die D. verwaltete
das streitige Objekt fortan für die Klägerin, worüber die Beklagte schriftlich in-
formiert wurde.
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Die monatliche Bruttowarmmiete betrug zuletzt 265,92 €. Die D.
sprach mit Schreiben vom 15. März 2007 die fristlose Kündigung wegen eines
seit März 2006 angewachsenen Mietrückstands von 915,32 € aus.
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Mit der Klageschrift vom 16. April 2007, in der die Klägerin wegen eines
Mietrückstandes per April 2007 in Höhe von 1.072,48 € nochmals die fristlose
Kündigung erklärte, verlangt sie von der Beklagten die Räumung der Wohnung.
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Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Be-
klagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung
des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
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Die von der D. und der Klägerin unter dem 15. März 2007 und
16. April 2007 ausgesprochenen Kündigungen hätten das Mietverhältnis nicht
beendet, so dass die Beklagte nicht zur Räumung und Herausgabe der Woh-
nung nach § 546 Abs. 1 BGB verpflichtet sei.
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Es sei schon nicht ersichtlich, in wessen Namen die D. die Kün-
digung vom 15. März 2007 ausgesprochen habe. Wäre die Klägerin zu diesem
Zeitpunkt bereits als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen gewesen, hätte
die Kündigung in ihrem Namen ausgesprochen werden müssen. Dass die
D. in diesem Fall als Hausverwalterin ebenfalls zur Kündigung im Na-
men der Klägerin berechtigt gewesen sei, lasse sich den Informationsschreiben
vom 4. und 10. Oktober 2004 nicht entnehmen. Fehle es schon an der bei einer
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Kündigung durch Bevollmächtigte notwendigen Fremdbezogenheit, könne offen
bleiben, ob eine etwaige Hausverwaltervollmacht der D. diese über-
haupt zur Kündigung berechtigt habe.
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Die von der Klägerin in der Klageschrift vom 16. April 2007 ausgespro-
chene Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen
Frist im Sinne von § 314 Abs. 3 BGB ausgesprochen worden sei. § 314 Abs. 3
BGB enthalte eine allgemeine und auch auf Mietverhältnisse anwendbare Re-
gelung, die der beschleunigten Herbeiführung klarer Verhältnisse diene und der
zu Grunde liege, dass nach längerem Zuwarten auch die Fortsetzung eines
Vertragsverhältnisses nicht mehr unzumutbar erscheine. Hier habe die Klägerin
vorprozessual in zahlreichen Schreiben der D. trotz Vorliegens eines
nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB kündigungsrelevanten Mietrückstandes
von dem ihr zustehenden Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Vor der
Kündigung vom 16. April 2007 hätte die Klägerin der Beklagten daher einen
eindeutigen Hinweis erteilen müssen, dass sie den behaupteten Mietrückstand
nicht mehr hinnehme und bei Nichtbegleichung die fristlose Kündigung tatsäch-
lich aussprechen werde. Da ein solcher Hinweis nicht erfolgt sei, sei die Kündi-
gung vom 16. April 2007 rechtsmissbräuchlich und daher unbeachtlich.
Soweit die Klägerin den Räumungsanspruch schließlich auf die im Beru-
fungsverfahren mit Schriftsatz vom 31. März 2008 ausgesprochene Kündigung
stütze, sei diese deshalb unbeachtlich, weil es sich um eine Klageänderung
handele, die als neuer Klagegrund ausschließlich im Rahmen einer Anschluss-
berufung nach § 524 ZPO hätte geltend gemacht werden können. Eine in der
Klageänderung liegende Anschlussberufung sei gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2
ZPO verspätet.
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II.
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Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Die Revision ist - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung -
unbeschränkt zugelassen. Das Berufungsgericht hat nach den Urteilsgründen
die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und inwieweit
§ 314 Abs. 3 BGB für den Ausspruch einer auf Zahlungsrückstand gestützten
Kündigung zu berücksichtigen sei, zugelassen. Hierin liegt keine wirksame Be-
schränkung der Zulassung der Revision, weil die Frage keinen tatsächlich und
rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs betrifft, auf den die Revisi-
onsklägerin selbst ihre Revision hätte beschränken können (vgl. Senatsurteile
vom 16. Juni 2007 - VIII ZR 57/07, WuM 2008, 556, Tz. 14; und vom 28. Juli
2006 - VIII ZR 124/05, WuM 2006, 513, Tz. 9).
2. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist die
Beklagte gemäß § 546 BGB zur Räumung der Mietwohnung verpflichtet, weil
die Klägerin das Mietverhältnis wirksam gekündigt hat.
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a) Ob dem Berufungsgericht darin zu folgen ist, dass der Wirksamkeit
der Kündigung vom 15. März 2007 entgegenstand, dass sie nicht ausdrücklich
im Namen der Klägerin erklärt war, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls
die Kündigung vom 16. April 2007 hat das zwischen den Parteien bestehende
Mietverhältnis beendet.
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b) Die Klägerin war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zur fristlosen
Kündigung berechtigt, weil sich die Beklagte, wie für das Revisionsverfahren zu
unterstellen ist, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug
befand, der die Miete für zwei Monate erreichte.
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Kündigung vom
16. April 2007 nicht deshalb gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie nicht
innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin von
dem Kündigungsgrund erfolgt wäre. Dabei bedarf die im rechtswissenschaftli-
chen Schrifttum umstrittene Frage, ob § 314 Abs. 3 BGB bei der Wohnraum-
miete im Rahmen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB überhaupt Anwendung
finden kann (vgl. dazu Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 543 BGB,
Rdnr. 123 f.; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., § 314 BGB Rdnr. 10; Lammel,
Wohnraummietrecht, 3.
Aufl., §
543 Rdnr.
175, 183, 185; MünchKomm
BGB/Bieber, 5. Aufl., § 543 Rdnr. 53; MünchKommBGB/Gaier, aaO, § 314
BGB, Rdnr. 9; Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 314 BGB, Rdnr. 6; Weth in:
jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 314 Rdnr. 5, 40; Erman/Jendrek, aaO, § 543 BGB
Rdnr. 3, Rdnr. 21 a.E.; vgl. zur Gewerbemiete auch BGH, Urteil vom 21. März
2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886, Tz. 21 für eine auf die Nichtleistung
der Kaution gestützte Kündigung) keiner Entscheidung. Denn auch bei einer
Anwendung von § 314 Abs. 3 BGB ist die von der Klägerin am 16. April 2007
erklärte Kündigung wirksam.
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Der Umstand, dass die Klägerin nicht sogleich im November 2006 ge-
kündigt hat, als mit 534,45 € bereits ein zur fristlosen Kündigung berechtigender
Rückstand von zwei Monatsmieten erreicht war, vermag eine illoyale Verspä-
tung der am 16. April 2007 - wegen eines fast doppelt so hohen Mietrückstands
erklärten - fristlosen Kündigung von vornherein nicht zu begründen. Für ein Ver-
trauen der Beklagten, die Klägerin werde den Mietrückstand hinnehmen und
auch bei einem weiteren Anstieg des Rückstands von ihrem Kündigungsrecht
keinen Gebrauch machen, gibt es in dieser Situation keine Grundlage.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Kündigung der
Klägerin vom 16. April 2007 auch nicht deshalb missbräuchlich, weil sie zuvor
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nicht ausdrücklich eine fristlose Kündigung angedroht hat. Gemäß § 543 Abs. 3
Satz 2 Nr. 3 BGB bedarf es bei einer auf Zahlungsverzug des Mieters gestütz-
ten Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB keiner vorherigen Fristset-
zung oder Abmahnung. Dass der Vermieter einen sich aufbauenden Mietrück-
stand nicht sofort zum Anlass einer fristlosen Kündigung nimmt, ändert daran
nichts und lässt eine ohne Abmahnung erfolgte Kündigung noch nicht treuwidrig
erscheinen.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist
daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endent-
scheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, ob
die von der Beklagten behaupteten Mängel bestehen, eine Mietminderung in
Höhe der von ihr einbehaltenen Beträge rechtfertigen und ob die Beklagte den
Zahlungsrückstand zu vertreten hat.
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Ball
Dr. Frellesen
Hermanns
Dr. Milger
Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 30.08.2007 - 9 C 173/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.04.2008 - 8 U 202/07 -