Urteil des BFH vom 03.06.2014

Erhebung der Grunderwerbsteuer für Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft aufgrund Abspaltung bei einer Gesellschafterin

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 3.6.2014, II R 1/13
Erhebung der Grunderwerbsteuer für Gesellschafterwechsel bei einer grundbesitzenden
Personengesellschaft aufgrund Abspaltung bei einer Gesellschafterin
Leitsätze
1. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG ist auch dann erfüllt, wenn die
Gesellschafterstellung einer zu 100 % am Vermögen einer grundbesitzenden
Personengesellschaft beteiligten GmbH aufgrund Abspaltung auf eine andere
Personengesellschaft übergeht, an deren Vermögen der Alleingesellschafter der GmbH zu 100 %
beteiligt ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1
Satz 1 GrEStG sind in einem solchen Fall nicht erfüllt.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, war im Jahr 2005
Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter lagen.
Ihre Geschäftsleitung befand sich im Bezirk des Beklagten und Revisionsbeklagten
(Finanzamt --FA--). An ihrem Vermögen war im Innenverhältnis allein ihre einzige
Kommanditistin, die ... GmbH (GmbH 1) beteiligt. Das Stammkapital ihrer Komplementär-
GmbH (GmbH 2) wurde ebenfalls von der GmbH 1 gehalten. Alleiniger Gesellschafter der
GmbH 1 war A. Diese Beteiligungsverhältnisse bestanden bereits seit dem Jahr 1998.
2 Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. August 2005 übertrug die GmbH 1 einen
Teilbetrieb als Gesamtheit durch Abspaltung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2 des
Umwandlungsgesetzes (UmwG) auf die dadurch neu entstandene ... GmbH & Co. KG (KG 2).
Übertragen wurden insbesondere die Beteiligungen der GmbH 1 an der Klägerin und an der
GmbH 2. A wurde der einzige Kommanditist der KG 2. Die GmbH 2 wurde die persönlich
haftende Gesellschafterin der KG 2 ohne Beteiligung an deren Vermögen im Innenverhältnis.
Die Abspaltung wurde am 15. Dezember 2005 in das Handelsregister eingetragen.
3 Das FA nahm an, dass durch die Abspaltung der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) verwirklicht worden sei, und stellte demgemäß
gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 8. Oktober 2008 die Besteuerungsgrundlagen
für die Grunderwerbsteuer auf den 15. Dezember 2005 mit Ausnahme der Grundstückswerte
gesondert fest. Der Einspruch blieb erfolglos. Während des Klageverfahrens erklärte das FA
durch die Änderungsbescheide vom 27. Mai und 25. August 2010 die Feststellung gemäß
§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung hinsichtlich der Frage, ob die
Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S. des § 138 des Bewertungsgesetzes als
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist bzw. ob die Steuer
nach § 8 Abs. 2 GrEStG (§ 17 Abs. 3a GrEStG) zu bemessen ist, für vorläufig.
4 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, der Tatbestand des § 1
Abs. 2a Satz 1 GrEStG sei durch die Abspaltung verwirklicht worden. Die Voraussetzungen
des § 6 Abs. 3 GrEStG für eine Nichterhebung der Steuer seien nicht erfüllt. Dass der vor der
Abspaltung mittelbar am Vermögen der Klägerin beteiligte A Kommanditist der KG 2 sei,
spiele insoweit keine Rolle. Die an der Klägerin ursprünglich als Gesellschafterin beteiligte
GmbH 1 sei nämlich im Hinblick auf § 6 Abs. 3 GrEStG nicht transparent. Das Urteil des FG ist
in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 315 veröffentlicht.
5 Mit der Revision vertritt die Klägerin die Ansicht, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1
i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG für eine Nichterhebung der Steuer seien erfüllt.
6 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2009
und die Feststellungsbescheide vom 8. Oktober 2008, 27. Mai 2010 und 25. August 2010
aufzuheben.
7 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8 II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, dass durch die
Abspaltung der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG verwirklicht wurde und die
Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Steuer nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1
Satz 1 GrEStG nicht erfüllt sind.
9 1. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde durch die Abspaltung verwirklicht.
10 a) Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und
ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar
dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue
Gesellschafter übergehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG als ein auf die
Übereignung dieses Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes
Rechtsgeschäft.
11 Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden
Personengesellschaft liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft
zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht (Urteile des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2013 II R 3/11, BFHE 242, 169, BStBl II 2013, 963,
Rz 8, m.w.N., und vom 25. September 2013 II R 17/12, BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268,
Rz 14). Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle (BFH-Urteile vom
29. Februar 2012 II R 57/09, BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917, Rz 10 ff.; vom 16. Januar
2013 II R 66/11, BFHE 240, 191, BStBl II 2014, 266, Rz 18; vom 24. April 2013 II R 17/10,
BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 10, und in BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268, Rz 14).
Neue Mitglieder einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2a Satz 1
GrEStG können natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein.
Personen- und Kapitalgesellschaften werden dabei auf der Tatbestandsebene dieser
Vorschrift (anders als bei der Nichterhebung der Steuer gemäß § 6 GrEStG, vgl. dazu unten
II.2.) gleich behandelt (BFH-Urteile in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917; in BFHE 241, 53,
BStBl II 2013, 833, Rz 10, und in BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268, Rz 14). Ob der
ausscheidende Gesellschafter an der Personen- oder Kapitalgesellschaft, auf die sein Anteil
an der grundbesitzenden Personengesellschaft übergeht, beteiligt ist, ist für den Tatbestand
des § 1 Abs. 2a GrEStG unerheblich (BFH-Urteil in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917,
Rz 11, und in BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268, Rz 14).
12 Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden
Personengesellschaft kann auch auf Umwandlungsvorgängen wie etwa einer Abspaltung
beruhen (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 10. Aufl., § 1 Rz 104; Pahlke,
Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., § 1 Rz 294; Fischer in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 833).
13 b) Der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG wurde demgemäß im Wege einer
unmittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes der Klägerin dadurch verwirklicht,
dass mit der Eintragung der Abspaltung in das Handelsregister gemäß § 135 Abs. 1 i.V.m.
§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG die an der Klägerin bestehende Kommanditbeteiligung der
GmbH 1, die zu 100 % an deren Vermögen beteiligt war, auf die KG 2 übergegangen ist. Die
an der GmbH 1 und der KG 2 bestehenden Beteiligungsverhältnisse spielen insoweit keine
Rolle.
14 2. Die Annahme des FG, der Erhebung der Steuer für diesen Erwerbsvorgang stehe § 6
Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht entgegen, ist ebenfalls zutreffend.
15 a) Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand
wird nach diesen Vorschriften die Steuer nicht erhoben, soweit Anteile der Gesellschafter am
Vermögen der erwerbenden Gesamthand den jeweiligen Anteilen dieser Gesellschafter am
Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen. § 6 GrEStG ist auf alle steuerbaren
Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG anwendbar, auch auf den fiktiven Erwerbsvorgang nach
§ 1 Abs. 2a GrEStG. Die Steuer wird in den Fällen des fiktiven Erwerbsvorgangs nach § 1
Abs. 2a GrEStG nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht
erhoben, soweit die Gesellschafter der --fiktiv-- übertragenden Personengesellschaft an der -
-fiktiv-- aufnehmenden Personengesellschaft beteiligt bleiben. Bei doppelstöckigen
Gesamthandsgemeinschaften, bei denen eine Gesamthand unmittelbar an einer anderen
beteiligt ist, ist dabei nicht die Gesamthand als solche als Zurechnungssubjekt anzusehen,
sondern ein Rückgriff auf die am Vermögen der Gesamthand Beteiligten geboten (BFH-
Urteile in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917, Rz 17, und in BFHE 243, 404, BStBl II 2014,
268, Rz 17).
16 b) Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind im Streitfall
nicht erfüllt.
17 aa) Die zunächst allein am Vermögen der Klägerin beteiligte GmbH 1 hat aufgrund der
Abspaltung ihre Stellung als Gesellschafterin der Klägerin verloren. An ihre Stelle ist im
Hinblick auf § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG A getreten, der seit dem
Wirksamwerden der Abspaltung allein am Vermögen der KG 2 beteiligt ist, die ihrerseits
neue Gesellschafterin der Klägerin wurde und allein an deren Vermögen beteiligt ist. Es fehlt
somit an der erforderlichen Gesellschafteridentität zwischen der --fiktiv-- übertragenden
Personengesellschaft (Klägerin vor der Abspaltung) an der --fiktiv-- aufnehmenden
Personengesellschaft (Klägerin nach der Abspaltung). Dass A vor der Abspaltung über die
GmbH 1 und die GmbH 2 mittelbar an der Klägerin beteiligt gewesen war, kann die
Gesellschafteridentität nicht begründen. Kapitalgesellschaften sind im Rahmen des § 6
Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG anders als Personengesellschaften nicht
transparent; denn der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist nicht wie von § 6 Abs. 3
Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG vorausgesetzt dinglich an dem zum
Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehörenden Grundstück mitberechtigt
(BFH-Urteile in BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268, Rz 27 ff., und vom 25. September 2013
II R 2/12, BFHE 243, 398, BStBl II 2014, 329, Rz 14 ff.).
18 bb) Aus den von der Klägerin zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen
Ausführungen des BFH im Urteil in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917, Rz 19 ff., zur
Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG auf den Anteil der S GmbH
an der grundbesitzenden S KG lässt sich nichts anderes entnehmen. Der BFH hat seine
Entscheidung nicht damit begründet, dass die S GmbH im dortigen Fall im Rahmen dieser
Vorschriften ebenso wie eine Personengesellschaft transparent sei. Er hat vielmehr in Rz 20
des Urteils ausgeführt, dass anders als bei an Personengesellschaften beteiligten
Gesamthandsgemeinschaften für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nicht durch die
unmittelbar beteiligte Kapitalgesellschaft auf die dahinter stehenden --mittelbar-- Beteiligten
durchgeschaut werden könne, da Kapitalgesellschaften im Rahmen der §§ 5 und 6 GrEStG
grundsätzlich nicht als transparent angesehen würden und ihnen als dinglich Berechtigten
grunderwerbsteuerrechtlich das Vermögen der Personengesellschaft zugeordnet werde. Wie
sich aus Rz 24 des Urteils ergibt, sah es der BFH für die Entscheidung des seinerzeitigen
Streitfalls als entscheidend an, dass die H AG ihre Beteiligungen an der S KG und an deren
weiterer Gesellschafterin, der S GmbH, auf eine weitere KG (H KG) übertragen hatte, an
deren Kapital die H AG zu 100 % beteiligt war. Als im Hinblick auf § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m.
Abs. 1 Satz 1 GrEStG transparent angesehen wurde die H KG, nicht aber die S GmbH.
19 Die im BFH-Urteil in BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917 genannten Voraussetzungen für die
Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG sind im Streitfall nicht
erfüllt. A war vor der Abspaltung weder unmittelbar an der Klägerin beteiligt noch hat er seine
Beteiligung an der GmbH 1 auf eine andere Personengesellschaft übertragen. Er war
vielmehr nach der Abspaltung weiterhin Alleingesellschafter der GmbH 1. Auf die KG 2
übergegangen ist die Kommanditbeteiligung der GmbH 1 an der Klägerin. Da das Vermögen
der Klägerin vor der Abspaltung grunderwerbsteuerrechtlich der GmbH 1 zugeordnet war,
kann A für Zwecke des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG der GmbH 1 nicht
gleichgestellt werden.
20 Davon abgesehen hat der BFH im Urteil in BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833 entschieden,
dass eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an einer im maßgeblichen
Fünfjahreszeitraum unmittelbar an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt
gebliebenen Kapital- oder Personengesellschaft diese nur dann fiktiv zu einer neuen
Gesellschafterin werden lässt, wenn sich in diesem Zeitraum deren Gesellschafterbestand
unmittelbar oder mittelbar, d.h. auf den weiteren Beteiligungsebenen, im wirtschaftlichen
Ergebnis vollständig geändert hat.
21 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze war in dem Streitfall, der dem BFH-Urteil in
BFHE 237, 244, BStBl II 2012, 917 zugrunde lag, die Steuer insgesamt nach § 6 Abs. 3
Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht zu erheben, weil hinsichtlich des Anteils der
S GmbH an der grundbesitzenden S KG weder ein unmittelbarer Gesellschafterwechsel
noch --abweichend von der in diesem Urteil in Rz 19 vertretenen Ansicht-- ein mittelbarer
Gesellschafterwechsel eingetreten war. Die S GmbH war zivilrechtlich an der S KG beteiligt
geblieben. Sie war auch nicht als fiktiv neue Gesellschafterin der S KG anzusehen, da sich
auf der Ebene der H AG bzw. auf der Ebene von deren Gesellschaftern keine für einen
mittelbaren Gesellschafterwechsel erforderliche Änderung ergeben hatte. Die S GmbH war
somit --anders als im hiesigen Streitfall die GmbH 1-- i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1
Satz 1 GrEStG Altgesellschafterin der S KG geblieben.