Urteil des BFH vom 05.06.2014

Zur Frage der Anwendung der sog. Mindestbemessungsgrundlage bei steuerpflichtiger Verpachtung an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 5.6.2014, XI R 44/12
Zur Frage der Anwendung der sog. Mindestbemessungsgrundlage bei steuerpflichtiger
Verpachtung an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer
Leitsätze
1. Die sog. Mindestbemessungsgrundlage ist bei Leistungen an einen zum vollen Vorsteuerabzug
berechtigten Unternehmer jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn der vom Leistungsempfänger in
Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerberichtigung i.S. des § 15a UStG
unterliegt.
2. Weist der leistende Unternehmer in einer berichtigten Rechnung über eine steuerpflichtige
Leistung (Nachberechnung) einen höheren Steuerbetrag aus, als er nach dem Gesetz schuldet,
entsteht die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des
Voranmeldungszeitraums, in dem die berichtigte Rechnung erteilt worden ist (entgegen Abschn.
13.7. Satz 2 UStAE).
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine aus den Eheleuten X bestehende
Grundstücksgemeinschaft.
2 Im Jahr 2005 begann sie auf einem im Eigentum der Gemeinschafter stehenden Grundstück
mit der Errichtung einer Schweinezuchtanlage. Die vorsteuerbelasteten Anschaffungs- und
Herstellungskosten betrugen für die Gebäude und die damit verbundenen
Betriebsvorrichtungen ... EUR und für sonstige Betriebsvorrichtungen ... EUR.
3 Mit Pachtvertrag vom 1. Oktober 2005 verpachtete die Klägerin diese Anlage unter Verzicht
gemäß § 9 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12
Satz 1 Buchst. a UStG ab Juni 2006 an den gemeinsamen Sohn der Gemeinschafter, S, der
einen landwirtschaftlichen Betrieb führte, auf die Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG
verzichtet hatte (§ 24 Abs. 4 UStG) und deshalb gemäß § 15 UStG zum vollen
Vorsteuerabzug berechtigt war. Als monatlicher Pachtzins wurden ... EUR zzgl.
Mehrwertsteuer vereinbart. Ab dem 1. Juli 2020 beträgt der Pachtzins ... EUR netto pro
Monat.
4 Die im Zusammenhang mit der Anschaffung und Herstellung anfallenden Vorsteuerbeträge
machte die Klägerin in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2007 geltend.
Aus der Verpachtung erklärte sie steuerpflichtige Umsätze für das Streitjahr 2006 zu 16 % in
Höhe von ... EUR und für das Streitjahr 2007 zu 19 % in Höhe von ... EUR.
5 Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass als
Bemessungsgrundlage der Verpachtungsumsätze der Klägerin nicht der vereinbarte --dem S
(zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer) in Rechnung gestellte-- Pachtzins in
Höhe von ... EUR netto pro Monat, sondern die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10
Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG anzusetzen sei. Der Prüfer ermittelte unter
Berücksichtigung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Stalles und der
Betriebsvorrichtungen unter Verteilung der Kosten für das Gebäude auf zehn Jahre und der
für die Betriebsvorrichtungen auf fünf Jahre eine Mindestbemessungsgrundlage in Höhe von
... EUR netto pro Monat.
6 Das FA erhöhte die monatlichen Umsätze der Klägerin dementsprechend um ... EUR und
setzte mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 22. Februar 2010 die Umsatzsteuer für
das Streitjahr 2006 auf ... EUR sowie für das Streitjahr 2007 auf ... EUR fest. Mit
Einspruchsentscheidung vom 24. März 2011 wies das FA die Einsprüche der Klägerin als
unbegründet zurück.
7 Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) setzte unter Änderung der angefochtenen
Umsatzsteuerbescheide die Umsatzsteuer für die Streitjahre antragsgemäß auf ... EUR bzw.
... EUR herab.
8 Es führte in den Gründen seiner Entscheidung aus, § 10 Abs. 5 UStG sei --möglicherweise
entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)-- nicht anwendbar, wenn --wie
vorliegend-- Leistungsbeziehungen zwischen voll zum Vorsteuerabzug berechtigten
Unternehmern betroffen seien.
9 Denn die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 5 UStG sei nicht durch die ihr zugrunde
liegende Ratsermächtigung gemäß Art. 27 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates
vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) gedeckt, soweit der fragliche Umsatz zwischen zum
Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen stattfinde, weil auf dieser Stufe keine
Steuerhinterziehung oder -umgehung stattfinden könne. Dies entspreche auch Art. 80 Abs. 1
der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), auf dem zwar die Vorschrift des § 10 Abs. 5 UStG
nicht beruhe, der aber allgemeine Grundsätze beinhalte, die bei der richtlinienkonformen
Auslegung der Sonderregelung in § 10 Abs. 5 UStG zu beachten seien.
10 Es komme demnach nicht darauf an, ob sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 80 Abs. 1 der
MwStSystRL berufen könne, und ob im Streitfall ein marktübliches Entgelt ermittelbar bzw.
gezahlt worden sei.
11 Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 402 veröffentlicht.
12 Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
13 Es bringt im Wesentlichen vor, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zum BFH-Urteil
vom 24. Januar 2008 V R 39/06 (BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786), wonach eine Gefahr
für eine Steuerumgehung, die zur Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG führen müsse, auch
dann vorliege, wenn diese Gefahr sich --wie hier-- erst später verwirkliche. Das FG habe
insoweit nicht berücksichtigt, dass S als Leistungsempfänger mit Wirkung zum 1. Januar
2012 --mithin noch innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums des § 15a Abs. 1
UStG-- wieder zur Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zurückgekehrt sei.
14 Die Grundstücksgemeinschaft könne --trotz der Rückkehr des S zur
Durchschnittssatzbesteuerung-- weiterhin auf die Steuerfreiheit ihrer Vermietungsumsätze
verzichten und müsse ihren Vorsteuerabzug selbst nicht i.S. des § 15a UStG berichtigen. Bei
S wäre ab 2012 --ohne Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage-- ein zu niedriger
Umsatzsteuerbetrag nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG vom Vorsteuerausschluss betroffen.
15 Der Gefahr einer Steuerumgehung, die bei Rechtsgeschäften zwischen nahen Angehörigen
grundsätzlich bestehe, könne nur durch § 10 Abs. 5 UStG begegnet werden, wenn nicht
ausschließlich der Zeitpunkt der Leistungserbringung betrachtet werde. Eine Anwendung
des § 10 Abs. 5 UStG erst in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum widerspreche
wegen des Überwachungsaufwands und der damit steigenden Gefahr des Steuerausfalls
dem Neutralitätsgrundsatz.
16 Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 26. April 2012 C-
621/10 und C-129/11 --Balkan and Sea Properties-- (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2012,
435, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 675) obliege es dem nationalen
Gericht zu prüfen, ob Steuerpflichtige vorhanden seien, die zum vollen Vorsteuerabzug
berechtigt seien, und damit keine Gefahr einer Steuerumgehung bestehe. Der EuGH
überlasse es in Rz 48 dieses Urteils den nationalen Gerichten, unter welchen zeitlichen
Aspekten ein Unternehmer als Leistungsempfänger gelte, der zum vollen Vorsteuerabzug
berechtigt sei.
17 Selbst wenn das FG die Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG zu Recht auf Leistungen
zwischen nicht zum vollen Vorsteuerabzug Berechtigten beschränkt hätte, wären die
angefochtenen Steuerfestsetzungen rechtmäßig, weil die Klägerin am 2. März 2010 den sich
bei einer Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 UStG
ergebenden Betrag dem S zuzüglich Mehrwertsteuer nachberechnet habe, sodass insoweit
ein unrichtiger Steuerausweis i.S. des § 14c Abs. 1 UStG vorliege. Nach dem BFH-Urteil
vom 8. September 2011 V R 5/10 (BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620) entstehe die Steuer in
den Fällen des unrichtigen Steuerausweises in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer --
vorliegend in den Streitjahren-- entstanden sei.
18 Zudem ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 13
Abs. 1 Nr. 3 UStG, dass ein nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldeter Mehrbetrag gemäß § 13
Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 UStG nur dann mit der Ausgabe der Rechnung entstehe, soweit über
eine nicht steuerbare oder steuerfreie Leistung abgerechnet werde, was hier nicht der Fall
sei.
19 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
20 Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die
Rechtswidrigkeit der Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 vom 22. Februar 2010
festzustellen.
21 Sie tritt der Revision entgegen und führt dazu im Kern aus, die
Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG
komme --wie sich aus dem EuGH-Urteil --Balkan and Sea Properties-- in UR 2012, 435,
HFR 2012, 675 ergebe-- schon deshalb nicht zur Anwendung, weil der Leistungsempfänger
--der S-- in den Streitjahren zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei.
22 Die vom FA behauptete Veränderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden
Verhältnisse zum 1. Januar 2012 rechtfertige die Anwendung der
Mindestbemessungsgrundlage in den Streitjahren 2006 und 2007 nicht.
23 Der Vorsteuerabzug des Pächters S als Leistungsempfänger unterliege --anders als der des
Empfängers einer Lieferung, wozu der BFH in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786
entschieden habe-- keiner Vorsteuerberichtigung. Die in den Streitjahren bei S angefallenen
Vorsteuerbeträge seien endgültig.
24 Das FA könne mit seinem neuen tatsächlichen Vorbringen zu der am 2. März 2010
ausgestellten Rechnung, mit der die Klägerin den sich nach der
Mindestbemessungsgrundlage ergebenden Mehrbetrag dem S zuzüglich Mehrwertsteuer
nachberechnet habe, im Revisionsverfahren nicht mehr gehört werden. Im Übrigen entstehe
die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Steuer erst mit Ausstellung der Rechnung und nicht
schon rückwirkend in den Festsetzungszeiträumen, in denen die Umsätze ausgeführt
worden seien, für die eine zu hohe Steuer ausgewiesen werde.
Entscheidungsgründe
25 II. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
26 Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die infolge des Verzichts auf die
Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1, § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG in vollem Umfang
steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin aus der Verpachtung einer Schweinezuchtanlage
nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 UStG, sondern nach dem Entgelt i.S. des § 10 Abs. 1 UStG zu bemessen sind. Es kann
im Streitfall dahinstehen, ob --wie das FG meint-- die Vorschriften über die sog.
Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG) nicht
anwendbar sind, soweit Leistungsbeziehungen zwischen voll zum Vorsteuerabzug
berechtigten Unternehmern betroffen sind.
27 1. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG unterliegen entgeltliche Leistungen, die Körperschaften,
Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre
Anteilseigner, Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen
ausführen, der sog. Mindestbemessungsgrundlage. Gegenüber nahestehenden Personen --
wie dem S-- erfolgt die Besteuerung dann nicht auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts,
sondern nach den Bemessungsgrundlagen des § 10 Abs. 4 UStG (vgl. dazu BFH-Urteil in
BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.a).
28 a) § 10 Abs. 5 UStG stellt eine abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 395 Abs. 1 der MwStSystRL-- dar. Die Vorschrift ist als
abweichende nationale Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -
umgehungen eng auszulegen und darf nur angewandt werden, soweit dies hierfür unbedingt
erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1997 XI R 8/86, BFHE 183, 314, BStBl II
1997, 840; in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786; vom 27. Februar 2008 XI R 50/07, BFHE
221, 410, BStBl II 2009, 426; vom 29. Mai 2008 V R 12/07, BFHE 221, 525, BStBl II 2009,
428; vom 7. Oktober 2010 V R 4/10, BFHE 232, 537, BFH/NV 2011, 930; vom 19. Juni 2011
XI R 8/09, BFHE 234, 455, BFH/NV 2011, 2184; ferner EuGH-Urteil vom 29. Mai 1997 C-
63/96 --Skripalle--, Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 22 f.)
29 b) Der EuGH hat zu Art. 80 der MwStSystRL --der die Bestimmungen des Art. 11 Teil A
Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG in der durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom
24. Juli 2006 geänderten Fassung übernommen hat-- für den Fall der Lieferung von
Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen zu einem künstlich niedrigen oder
hohen Preis, der zwischen Beteiligten vereinbart wird, die beide zum vollen Vorsteuerabzug
berechtigt sind, entschieden, dass auf dieser Stufe keine Steuerhinterziehung oder -
umgehung stattfinde (vgl. EuGH-Urteil --Balkan and Sea Properties-- in UR 2012, 435, HFR
2012, 675, Rz 47). Erst beim Endverbraucher oder bei einem eine "Mischung" von Umsätzen
bewirkenden Steuerpflichtigen, der nur zu einem Pro-Rata-Abzug berechtigt sei, könne ein
künstlich hoher oder niedriger Preis zu einem Steuerausfall führen. Nur wenn die von dem
Vorgang betroffene Person nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sei, bestehe ein
Risiko von Steuerhinterziehung oder -umgehung, dem die Mitgliedstaaten vorbeugen dürften
(vgl. EuGH-Urteil --Balkan and Sea Properties-- in UR 2012, 435, HFR 2012, 675, Rz 48).
30 c) Gemessen daran kommt die Mindestbemessungsgrundlage --wie das FG zutreffend
entschieden hat und wovon das FA inzwischen auch selbst ausgeht-- in den Streitjahren
nicht zur Anwendung; denn S war in den Streitjahren zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.
31 Über die Situation ab 2012 ist vorliegend nicht zu befinden.
32 d) Soweit das FA vorbringt, eine Anwendung des § 10 Abs. 5 UStG erst in einem
nachfolgenden Besteuerungszeitraum widerspräche wegen des Überwachungsaufwands
und der damit steigenden Gefahr des Steuerausfalls dem Neutralitätsgrundsatz, rechtfertigt
dies nicht die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1
i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in den Streitjahren.
33 Denn als bloße Vereinfachungsregelung für die Steuererhebung darf die Vorschrift nicht
herangezogen werden (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 183, 314, BStBl II 1997, 840; in
BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786; ferner EuGH-Urteil --Skripalle-- in Slg. 1997, I-2847,
BStBl II 1997, 841, Rz 30).
34 e) Danach bedarf es --entgegen der Ansicht des FA-- keiner Erörterung, ob vorliegend die
Mindestbemessungsgrundlage das marktübliche Entgelt übersteigt (vgl. dazu EuGH-Urteil --
Skripalle-- in Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841, Rz 26).
35 2. Dies steht im Ergebnis im Einklang mit der Rechtsprechung des V. Senats des BFH in
BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786.
36 a) Nach der --vor dem EuGH-Urteil --Balkan and Sea Properties-- in UR 2012, 435, HFR
2012, 675 ergangenen-- Rechtsprechung des V. Senats des BFH besteht die Gefahr von
Steuerhinterziehungen und -umgehungen grundsätzlich bei Rechtsgeschäften zwischen
nahestehenden Personen, und zwar nicht nur bei Leistungen an Personen, die nicht oder
nur eingeschränkt zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, sondern auch bei Leistungen an
Personen, die den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG vollumfänglich in Anspruch nehmen
können (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.b), wenn nach
Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 184 der MwStSystRL-- und § 15a UStG ggf.
eine Berichtigung des vom Leistungsempfänger in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs
bei einer späteren Änderung der hierfür maßgeblichen Verhältnisse in Betracht kommt. Die
Berichtigung nach § 15a UStG beziehe sich auf den Vorsteuerabzug des
Leistungsempfängers und erfolge somit auf der Grundlage des Entgelts für die an diesen
erbrachte Leistung. Wäre § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG aufgrund der Berechtigung des
Leistungsempfängers zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG nicht anwendbar, würden
Berichtigungen nach § 15a UStG auf der Grundlage eines Vorsteuerbetrags vorgenommen,
der auf einem verbilligten Entgelt beruhe, woraus sich die Gefahr von Steuerumgehungen
ergebe (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786, unter II.2.b).
37 Die Finanzverwaltung hat sich dem angeschlossen und festgelegt, dass es der Anwendung
der Mindestbemessungsgrundlage nicht entgegenstehe, wenn über eine ordnungsgemäß
durchgeführte Lieferung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer abgerechnet
werde (Abschn. 10.7. Abs. 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).
38 b) Auch danach wären vorliegend die streitigen Umsätze nicht nach der
Mindestbemessungsgrundlage zu bemessen.
39 Denn auch soweit S --wie das FA nunmehr vorbringt, wozu das FG jedoch keine
Feststellungen getroffen hat-- zum 1. Januar 2012 von der allgemeinen Besteuerung zur
Durchschnittssatzbesteuerung zurückgekehrt sein sollte, was nach § 15a Abs. 7 UStG als
eine Änderung der Verhältnisse zu werten wäre, kommt keine Berichtigung des in den
Streitjahren 2006 und 2007 aus dem streitigen Leistungsbezug in Anspruch genommenen
Vorsteuerabzugs i.S. des § 15a Abs. 1 und 2 UStG in Betracht, sodass vorliegend eine die
Anwendung der abweichenden Vorschriften über die Mindestbemessungsgrundlage
rechtfertigende Gefahr von Steuerhinterziehung und -umgehung nicht besteht.
40 aa) Im Streitjahr 2006 galt § 15a Abs. 4 UStG in der durch das Gesetz zur Umsetzung von
EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-
Umsetzungsgesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) eingefügten Fassung. Die
Vorschrift lautete: "Die Absätze 1 und 2 sind auf sonstige Leistungen, die nicht unter
Absatz 3 Satz 1 fallen, entsprechend anzuwenden." Danach war der Vorsteuerabzug zu
berichtigen, wenn der Unternehmer eine sonstige Leistung bezieht, die nicht in einen
Gegenstand eingeht oder an diesem ausgeführt wird und deren Verwendung anders zu
beurteilen ist, als dies im Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigt war (vgl. Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 6. Dezember 2005 IV A 5-S 7316-25/05,
BStBl I 2005, 1068, Rz 43).
41 Eine sonstige Leistung, die unter die Berichtigungspflicht nach § 15a Abs. 4 UStG fiel, war
u.a. die Anmietung eines Wirtschaftsguts (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 1068, Rz 44).
Hiernach war die Pacht der Schweinezuchtanlage grundsätzlich eine nach § 15a Abs. 4
UStG berichtigungspflichtige sonstige Leistung.
42 bb) Allerdings wurde es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn der
Unternehmer die Berichtigung des Vorsteuerabzugs auf solche sonstigen Leistungen
beschränkte, für die in der Steuerbilanz ein Aktivposten gebildet werden müsste. Dies galt
jedoch nicht, soweit es sich um sonstige Leistungen handelte, für die der
Leistungsempfänger bereits für einen Zeitraum vor Ausführung der sonstigen Leistung den
Vorsteuerabzug vornehmen konnte (Voraus- und Anzahlung). Unerheblich war, ob der
Unternehmer nach den §§ 140, 141 der Abgabenordnung (AO) tatsächlich zur Buchführung
verpflichtet war (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 1068, Rz 46; Abschn. 217c Abs. 3 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2008).
43 cc) Diese Verwaltungsregelung wurde ab dem 1. Januar 2007 Gesetz. Nach der mit Wirkung
zum 1. Januar 2007 durch Art. 8 Nr. 1 Buchst. b des Ersten Gesetzes zum Abbau
bürokratischer Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft
(BürokratieabbauG) vom 22. August 2006 (BGBl I 2006, 1970) geänderten Fassung des
§ 15a Abs. 4 UStG ist die Berichtigung auf solche sonstigen Leistungen zu beschränken, für
die in der Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot bestünde (§ 15a Abs. 4 Satz 2 UStG). Dies gilt
jedoch nicht, soweit es sich um sonstige Leistungen handelt, für die der Leistungsempfänger
bereits für einen Zeitraum vor Ausführung der sonstigen Leistung den Vorsteuerabzug
vornehmen konnte (§ 15a Abs. 4 Satz 3 UStG). Unerheblich ist, ob der Unternehmer nach
den §§ 140, 141 AO tatsächlich zur Buchführung verpflichtet ist (§ 15a Abs. 4 Satz 4 UStG).
44 Nach der Gesetzesbegründung zum BürokratieabbauG wird durch § 15a Abs. 4 Sätze 2 bis
4 UStG "klargestellt, welche sonstigen Leistungen der Berichtigung des Vorsteuerabzugs
unterliegen" (BRDrucks 302/06, S. 25).
45 dd) Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei sonstigen Leistungen, die --wie im Streitfall--
nicht unter § 15a Abs. 3 UStG fallen, ist demnach --mit Ausnahme für sonstige Leistungen,
für die der Unternehmer wie bei An- oder Vorauszahlungen den Vorsteuerabzug geltend
machen kann, bevor er die Leistung bezogen hat-- auf solche zu beschränken, für die in der
Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot besteht, wobei es nicht darauf ankommt, ob der
Unternehmer nach den §§ 140, 141 AO selbst zur Buchführung verpflichtet ist (vgl. dazu
Bunjes/Heidner, UStG, 12. Aufl., § 15a Rz 53; Nieskens in Rau/Dürrwächter,
Umsatzsteuergesetz, § 15a A 27 bis A 29).
46 Dies ist hier nicht der Fall. Denn ein --wie hier von S-- fortlaufend gezahltes Leistungsentgelt
kann nicht als Anschaffungskosten eines immateriellen Wirtschaftsguts "Nutzungsrecht"
aktiviert werden (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 19. Juni 1997 IV R 16/95, BFHE 183, 484,
BStBl II 1997, 808, unter II.3.; vom 20. November 2012 VIII R 31/09, BFH/NV 2013, 527,
Rz 17; ferner Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 5 Rz 176, jeweils m.w.N.). Zwar ist
das aus einem Mietverhältnis --gleiches gilt für ein hier vorliegendes Pachtverhältnis--
folgende Nutzungsrecht durch einen laufend zu entrichtenden Mietzins entgeltlich erworben;
gleichwohl ist das Nutzungsrecht nicht zu bilanzieren, weil ihm ein schwebendes Geschäft
zugrunde liegt, das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung nicht in die Bilanz
aufzunehmen ist, solange --wie hier-- das bestehende Gleichgewicht zwischen Rechten und
Pflichten nicht durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände gestört ist (vgl. dazu z.B. BFH-
Urteile in BFHE 183, 484, BStBl II 1997, 808, unter II.3.; in BFH/NV 2013, 527, Rz 17; ferner
zur Aktivierung von Nutzungsrechten aus einem Mietvertrag Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O.,
§ 5 Rz 100, Beispiele). Die von S aus der in den Streitjahren 2006 und 2007 von der
Klägerin mit gesondertem Steuerausweis in Rechnung gestellten Pacht der
Schweinezuchtanlage in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge sind mithin --selbst bei
einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 7
UStG-- bei S nicht zu berichtigen.
47 3. Es kann dahinstehen, ob --wie die Klägerin meint-- bei der vom Senat zu treffenden
Revisionsentscheidung unberücksichtigt bleiben muss, dass --wie das FA nunmehr unter
Hinweis auf § 14c Abs. 1 UStG vorbringt, wozu das FG zwar keine Feststellungen getroffen
hat, was die Klägerin jedoch mit Schriftsatz vom 8. Mai 2014 eingeräumt hat-- diese am
2. März 2010 den sich nach der Mindestbemessungsgrundlage ergebenden Mehrbetrag dem
S zuzüglich Umsatzsteuer nachträglich in Rechnung gestellt hat (zur grundsätzlichen
Nichtberücksichtigung von neuem tatsächlichen Vorbringen im Revisionsverfahren vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 28. Januar 2014 VII R 26/10, BFHE 244, 480, BFH/NV 2014, 990, Rz 16).
Die Revision des FA wäre selbst bei Berücksichtigung dieses neuen Sachverhalts
unbegründet, weil eine von der Klägerin mit Rechnung vom 2. März 2010 ausgewiesene
überhöhte Steuer nicht in den Streitjahren 2006 und 2007 entstanden wäre.
48 a) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen
höheren Steuerbetrag ausgewiesen, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet
(unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG).
Die Steuer entsteht in diesem Fall gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG in dem Zeitpunkt, in dem
die Steuer für die Lieferung oder sonstige Leistung entsteht, spätestens jedoch mit der
Ausgabe der Rechnung. § 13 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 UStG wurde auf Initiative des
Bundesrats durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften
(Steueränderungsgesetz --StÄndG-- 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645)
eingefügt.
49 Dies entspricht dem Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten können --da der Steuertatbestand bei
einer zu hoch ausgewiesenen Steuer die Ausgabe der Rechnung ist-- gemäß Art. 10 Abs. 2
Unterabs. 3 Spiegelstrich 1 der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 66 Satz 1 Buchst. a
der MwStSystRL-- als Entstehungszeitpunkt spätestens die Ausstellung der Rechnung
vorsehen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 25).
50 b) Wird über eine bisher steuerfreie oder nicht steuerbare Leistung erstmals mit
Umsatzsteuer abgerechnet, entsteht die Steuer bei richtlinienkonformer Auslegung des § 13
Abs. 1 Nr. 3 UStG erst im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung (vgl. dazu BFH-Urteil in
BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 25, m.w.N.). Dem hat sich die Finanzverwaltung in
Abschn. 13.7. Satz 3 UStAE angeschlossen (vgl. dazu auch Abschn. 13.7. Beispiel 2
UStAE).
51 c) Nichts anderes gilt, wenn der leistende Unternehmer --was hier mit der Nachberechnung
des sich nach der Mindestbemessungsgrundlage ergebenden Mehrbetrags zuzüglich
Mehrwertsteuer vom 2. März 2010 der Fall wäre-- in einer berichtigenden Rechnung über
eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung einen höheren Steuerbetrag ausweist, als er
nach dem Gesetz schuldet. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung in Abschn. 13.7.
Satz 2 UStAE (vgl. dazu auch Abschn. 13.7. Beispiel 1 UStAE) kann auch in diesem Fall die
nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Steuer jedenfalls nicht vor Ablauf des
Voranmeldungszeitraums entstehen, in dem die Rechnung erteilt worden ist (vgl. Nieskens
in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 389; Bunjes/Leonard, a.a.O., § 13 Rz 28; Bunjes/Korn,
a.a.O., § 14c Rz 30; Reiß/Seite in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13 Rz 51; Leipold in
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 13 Rz 85; ferner Hundt-Eßwein in Offerhaus/Söhn/Lange,
§ 14c UStG Rz 7).
52 aa) Zwar hatten die gesetzgebenden Körperschaften --worauf das FA zutreffend hinweist
und wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt-- bei Einfügung des § 13 Abs. 1 Nr. 3
Halbsatz 2 UStG, wonach die Steuer im Fall des § 14c Abs. 1 UStG "spätestens jedoch im
Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung" entsteht, (nur) den Fall des überhöhten
Steuerausweises bei Berechnung von Umsatzsteuer für nicht steuerbare oder steuerfreie
Umsätze im Blick (vgl. dazu Gesetzesentwurf der Fraktionen, BTDrucks 15/1562, S. 45;
Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 15/1621, S. 5; Stellungnahme des
Bundesrats, BRDrucks 630/03 --Beschluss--, S. 20 f.; Unterrichtung durch die
Bundesregierung, BTDrucks 15/1798, S. 9; Beschlussempfehlung des Finanzausschusses,
BTDrucks 15/1928, S. 29).
53 bb) Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist jedoch --entgegen der Ansicht des FA--
richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete
Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem eine Rechnung,
mit der der Unternehmer über einen Mehrbetrag abrechnet und insoweit einen überhöhten
Steuerbetrag ausweist, erteilt worden ist.
54 Steuertatbestand ist nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr
Art. 62 Abs. 1 der MwStSystRL-- der Tatbestand, durch den die gesetzlichen
Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden. Das ist für eine überhöht
ausgewiesene Steuer i.S. des § 14c Abs. 1 UStG nicht die Bewirkung der Lieferung oder
Leistung, sondern die Begebung der Rechnung (vgl. Bunjes/Leonard, a.a.O., § 13 Rz 28).
Denn in den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG wird der die Mehrsteuer auslösende Tatbestand
erst in dem Moment verwirklicht, in dem der Unternehmer in einer Rechnung überhöht
Umsatzsteuer ausgewiesen hat (vgl. Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 387).
Soweit Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG --nunmehr Art. 63 der
MwStSystRL-- den Entstehungszeitpunkt bei Leistungen an die Bewirkung des Umsatzes
anknüpft, betrifft dies allein die Entstehung der gesetzlichen Umsatzsteuerschuld (vgl.
Nieskens in Rau/ Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 387; Leipold in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 13
Rz 85).
55 cc) Dem entspricht der allgemeine Grundsatz des § 38 AO, wonach die Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis erst mit Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands entstehen (vgl.
Nieskens in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 13 Rz 387; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 14c
Rz 183).
56 dd) Danach ist die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Mehrsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3
UStG nicht bereits in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die (gesetzliche) Steuer für die
Lieferung oder sonstige Leistung entstanden ist, sondern erst im Zeitpunkt der Ausgabe der
den überhöhten Steuerausweis betreffenden Rechnung. Dies wäre bezogen auf den
Streitfall der 2. März 2010 und beträfe daher nicht die Umsatzsteuer für die Streitjahre 2006
und 2007.
57 d) Soweit der V. Senat des BFH mit Urteil in BFHE 221, 388, BStBl II 2009, 786 entschieden
hat, dass die Steuerschuld aufgrund einer Rechnungserteilung auf das Jahr der
Leistungserbringung zurückwirkt (s.a. BFH-Urteil vom 13. November 2003 V R 79/01, BFHE
204, 332, BStBl II 2004, 375), hat er inzwischen klargestellt, dass dies --was das FA
verkennt-- lediglich die vor Inkrafttreten des StÄndG 2003 geltende Fassung des § 13 Abs. 1
Nr. 3 UStG betrifft, die ausschließlich auf die Steuerentstehung für die Leistung abstellte (vgl.
dazu BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, Rz 26).