Urteil des BFH vom 20.03.2014

Wechsel zur Fahrtenbuchmethode

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.3.2014, VI R 35/12
Wechsel zur Fahrtenbuchmethode
Leitsätze
1. Die Fahrtenbuchmethode bestimmt den Wert der Privatnutzung als Anteil an den gesamten
Fahrzeugaufwendungen und an der gesamten Fahrleistung des Fahrzeugs.
2. Die Fahrtenbuchmethode ist nur dann zu Grunde zu legen, wenn der Arbeitnehmer das
Fahrtenbuch für den gesamten Veranlagungszeitraum führt, in dem er das Fahrzeug nutzt; ein
unterjähriger Wechsel von der 1 %-Regelung zur Fahrtenbuchmethode für dasselbe Fahrzeug ist
nicht zulässig.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob der Arbeitnehmer hinsichtlich der Besteuerung seiner privaten
Dienstwagennutzung von der 1 %-Regelung zur Fahrtenbuchmethode auch im laufenden
Kalenderjahr wechseln kann.
2 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 2008 als kaufmännischer
Angestellter bei der Firma C-Werke beschäftigt, die ihm einen Dienstwagen zur Verfügung
gestellt hatte, den er auch privat nutzen durfte. Für dieses Fahrzeug --einen Audi-- hatte der
Kläger ein Fahrtenbuch erst ab dem 1. Mai 2008 geführt, nachdem zuvor für die Monate
Januar bis April der Vorteil nach der sog. 1 %-Methode angesetzt worden war. Ab dem
31. Oktober 2008 hatte der Kläger von seinem Arbeitgeber ein anderes Fahrzeug zur
Verfügung, für das er dann sogleich ein Fahrtenbuch führte.
3 Der Kläger erklärte im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer als Einnahmen aus
nichtselbstständiger Arbeit den vom Arbeitgeber bescheinigten Bruttoarbeitslohn. Darin waren
die geldwerten Vorteile für die private Nutzung des Audi für die Monate Januar bis April nach
der sog. 1 %-Methode und ab Mai nach der Fahrtenbuchmethode berechnet.
4 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte den Kläger zunächst
erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluss an eine beim
Arbeitgeber des Klägers durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung änderte das FA allerdings
den Einkommensteuerbescheid für 2008, indem es einen um 3.594 EUR höheren Arbeitslohn
ansetzte. Das FA begründete dies damit, dass auch für die Monate Mai bis Oktober 2008 der
Vorteil aus der Privatnutzung des Dienstwagens nach der 1 %-Methode zu berechnen sei, da
nach R 8.1 Abs. 9 der Lohnsteuer-Richtlinien das Verfahren bei demselben Kraftfahrzeug
während des laufenden Kalenderjahres nicht gewechselt werden dürfe.
5 Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2012, 1450 veröffentlichten Gründen abgewiesen und die Revision
zugelassen.
6 Der Kläger wendet sich dagegen mit der Revision und rügt eine Verletzung materiellen
Rechts.
7 Er beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 27. April 2012 4 K 3589/09 E und die
Einspruchsentscheidung des FA vom 18. September 2009 aufzuheben sowie den
Änderungsbescheid des FA vom 21. August 2009 dahingehend zu ändern, dass die
Einkommensteuer auf ... EUR herabgesetzt wird.
8 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass ein
Wechsel der Bewertungsmethode für dasselbe Fahrzeug innerhalb eines
Veranlagungszeitraums nicht möglich ist.
10 1. Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen
Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2008 geltenden Fassung (EStG) zu
erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Denn der Arbeitnehmer ist um
den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er
sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (vgl. zuletzt
Senatsurteile vom 13. Dezember 2012 VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385; vom
21. März 2013 VI R 31/10, BFHE 241, 167, BStBl II 2013, 700; VI R 42/12, BFHE 241, 180,
BStBl II 2013, 918; jeweils m.w.N.).
11 a) Der Wert der privaten Nutzung ist nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG entsprechend § 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 2 EStG mittels der 1 %-Regelung zu ermitteln. Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG kann
der Wert nach den Sätzen 2 und 3, nämlich der Wert der privaten Nutzung eines
betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten, statt mit der 1 %-Regelung aber auch mit
dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte entfallenden Teil der "gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen" angesetzt
werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug "insgesamt entstehenden Aufwendungen" durch
Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und
Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch
nachgewiesen werden.
12 aa) Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ist zwar
gesetzlich nicht weiter bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat ein
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch aber sicherzustellen, dass der Nachweis des zu
versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung eine hinreichende Gewähr für dessen
Vollständigkeit und Richtigkeit bietet und mit vertretbarem Aufwand auf seine materielle
Richtigkeit hin überprüfbar ist. Deshalb muss ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zeitnah
und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder
Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen sowie Datum, Fahrtziele
und grundsätzlich auch die jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder
jedenfalls den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufführen (ständige
Senatsrechtsprechung, zuletzt Urteile vom 1. März 2012 VI R 33/10, BFHE 236, 497, BStBl II
2012, 505; vom 13. November 2012 VI R 3/12, BFH/NV 2013, 526; Schneider, Neue
Wirtschafts-Briefe 2012, 1892; jeweils m.w.N.).
13 bb) Die Fahrtenbuchmethode ist indessen nicht allein schon dann anzuwenden, wenn ein
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt wird, welches das Verhältnis der privaten Fahrten
und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten nachweist.
Denn § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG setzt weiter voraus, dass zum einen der Wert der Privatnutzung
als Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt wird und zum anderen, dass
die durch Belege nachzuweisenden Kosten die durch das Kraftfahrzeug insgesamt
entstehenden Aufwendungen umfassen. Die Fahrtenbuchmethode gründet damit auf dem
Zusammenspiel der Gesamtfahrleistung durch die im Fahrtenbuch selbst vollständig
dokumentierten Strecken einerseits und einer vollständigen Bemessungsgrundlage dafür
andererseits, nämlich dem Ansatz der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen mittels
belegmäßiger Erfassung der durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden
Aufwendungen.
14 b) Angesichts dieser tatbestandlich vorausgesetzten Berücksichtigung der gesamten
Fahrzeugaufwendungen sowie der aus der Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs folgenden
Berücksichtigung der Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs kann der Steuerpflichtige nur dann
statt der 1 %-Regelung die Fahrtenbuchmethode wählen, wenn er das Fahrtenbuch
mindestens für den gesamten Veranlagungszeitraum führt, in dem er das Fahrzeug nutzt.
Dies entspricht auch der von der Literatur soweit ersichtlich überwiegend vertretenen
Auffassung (vgl. Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 136 f.; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rz 448; Kister in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 8
EStG Rz 107; für den gesamten Nutzungszeitraum Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 8
Rz 54; a.A.: Paus, Steuerwarte 1996, 113; Steiner in Lademann, EStG, § 8 EStG Rz 123), die
sich im Wesentlichen darauf stützt, dass allein schon aus Praktikabilitätsgesichtspunkten ein
unterjähriger Methodenwechsel angesichts der aufzuteilenden Fixkosten ausscheidet. Im
Ergebnis lässt sich nur mit einer mindestens den gesamten Veranlagungszeitraum
einbeziehenden Betrachtungsweise der zu versteuernde Privatanteil an der
Gesamtfahrleistung nach Maßgabe der insgesamt entstehenden Aufwendungen für das
Kraftfahrzeug belegen.
15 aa) Zutreffend weist das FG darauf hin, dass dieser Auffassung § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4
i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht entgegenstehen, auch wenn dort jeweils auf den
Kalendermonat bezogene Werte zu Grunde gelegt werden, indem die 1 %-Regelung für
jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises ansetzt und die 0,03 %-Regelung
jeweils einen auf den Kalendermonat bezogenen Wertzuschlag normiert. Denn der
Monatsbezug regelt lediglich den Zuflusszeitpunkt des Nutzungsvorteils. Der
Nutzungsvorteil, der schon in der Überlassung des Kraftfahrzeugs selbst begründet ist
(Senatsurteile in BFHE 241, 167, BStBl II 2013, 700; in BFHE 241, 180, BStBl II 2013, 918;
jeweils m.w.N.), wird damit nicht einmalig mit dem gesamten Wert im Zeitpunkt der
Überlassung des Kraftfahrzeugs, sondern zeitanteilig erfasst. Der Vorteil ist für Zwecke des
Lohnsteuerabzugs monatlich mit 1 % und nicht jährlich mit 12 % oder dem noch höheren
Wert des gesamten Zeitraums der voraussichtlichen Nutzungsüberlassung anzusetzen.
16 bb) Der Senat verkennt dabei nicht, dass die 1 %-Regelung eine nur grob typisierende
Regelung darstellt, die alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzutritt. Sie ist jedoch gerade im
Hinblick auf dieses Wahlrecht trotz dieser grob typisierenden Form als verfassungsrechtlich
unbedenklich zu beurteilen (Senatsurteil in BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385, m.w.N.). Denn
einem Steuerpflichtigen bleibt es unbenommen, statt der grob typisierenden 1 %-Regelung
die Fahrtenbuchmethode von vornherein zu wählen oder für den folgenden
Veranlagungszeitraum dazu überzugehen.
17 2. Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat das FG im Ergebnis zutreffend die Klage
abgewiesen und den Arbeitslohn des Klägers aus der Überlassung des Dienstwagens zur
auch privaten Nutzung für die Monate Mai bis Oktober 2008 zutreffend nach der 1 %-
Regelung bewertet.