Urteil des BFH vom 29.07.2015

Zur umsatzsteuerrechtlichen Anerkennung einer privaten Arbeitsvermittlerin als sonstige Einrichtung mit sozialem Charakter

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 29.7.2015, XI R 35/13
Zur umsatzsteuerrechtlichen Anerkennung einer privaten Arbeitsvermittlerin als sonstige
Einrichtung mit sozialem Charakter
Leitsätze
Eine private Arbeitsvermittlerin, die in den Jahren 2004 bis 2006 Vermittlungsleistungen an
Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g SGB III erbracht und ihr
Honorar deshalb unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat, ist eine
anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der
Richtlinie 77/388/EWG. Sie kann sich --mangels entsprechender Steuerbefreiung im UStG--
für die von ihr erbrachten Arbeitsvermittlungsleistungen an Arbeitsuchende unmittelbar auf
die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung berufen.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Finanzgerichts vom 17. Juli 2013 4 K 32/11 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten
vom 18. Januar 2011 aufgehoben.
Die Umsatzsteuer wird unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide des Beklagten für die
Jahre 2004, 2005 und 2006 vom 10. Oktober 2008 für das Jahr 2004 auf ... EUR, für das
Jahr 2005 auf ... EUR und für das Jahr 2006 auf ... EUR festgesetzt.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erbrachte in den
Besteuerungszeiträumen 2004 bis 2006 (Streitjahre) u.a. Leistungen als
Arbeitsvermittlerin.
2 Ihre Leistungen bestanden darin, Arbeitsuchende durch Vermittlung eines geeigneten
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses wieder in den Arbeitsmarkt zu
integrieren. Dazu schloss die Klägerin einen "Vermittlungsvertrag" mit dem jeweiligen
Arbeitsuchenden ab, in dem sie sich verpflichtete, diesen mittels ihres
Internetsystems bei der Erstellung eines umfassenden Bewerberprofils zu
unterstützen und ihm nach Erstellung des Bewerberprofils geeignete Stellen
vorzuschlagen. Die Leistung der Klägerin umfasste neben der Erstellung des Profils
der beruflichen Fähigkeiten des Bewerbers und der Suche nach geeigneten
Arbeitsplätzen außerdem ein individuelles Bewerbungstraining, die Optimierung der
Bewerbungsunterlagen, die Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch sowie die Vor-
und Nachbereitung von Bewerbungen. Der Arbeitsuchende verpflichtete sich zur
Zahlung eines Vermittlungshonorars in bestimmter Höhe; der Anspruch darauf
entstand mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen ihm und einem von der
Klägerin vorgeschlagenen Unternehmen. Außerdem bestätigte er u.a., dass er seit
mehr als drei Monaten arbeitslos gemeldet und im Besitz eines von seinem
zuständigen Arbeitsamt erteilten Vermittlungsgutscheins sei. Er verpflichtete sich, der
Klägerin im Fall einer erfolgreichen Vermittlung eine von dem neuen Arbeitgeber
ausgefüllte und unterschriebene Vermittlungsbestätigung zurückzugeben und wurde
darauf hingewiesen, dass die Klägerin diese Bestätigung und den
Vermittlungsgutschein dem Arbeitsamt vorlegen müsse, weil andernfalls die
Vermittlungsprovision nicht vom Arbeitsamt gezahlt werde.
3 Ein vertragliches Verhältnis zwischen der Klägerin und der Bundesagentur für Arbeit
(BA) bestand nicht.
4 Nach erfolgreicher Vermittlung beantragte die Klägerin bei der BA mit einem von
dieser herausgegebenen Vordruck unter Vorlage der Vermittlungsbestätigung und des
Vermittlungsgutscheins die direkte Zahlung der vereinbarten Vermittlungsprovision
gemäß § 421g Abs. 2 Satz 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) --
Arbeitsförderung-- durch die BA. Die Klägerin behandelte die ihr daraufhin von der BA
gezahlten Vermittlungsprovisionen als Entgelte für umsatzsteuerfreie Leistungen.
5 Nach einer Außenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --
FA--) die den von der Klägerin vereinnahmten Vermittlungsprovisionen zu Grunde
liegenden Umsätze als zum Regelsteuersatz steuerpflichtig an und erließ am
10. Oktober 2008 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006.
6 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des
Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1615
veröffentlicht.
7 Das FG führte aus, für die von der Klägerin gegenüber den Arbeitsuchenden
erbrachten Vermittlungsleistungen komme keine Steuerbefreiung nach nationalem
Recht in Betracht; ihre Leistungen seien keine Vorträge, Kurse oder andere
Veranstaltungen belehrender Art i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes (UStG), noch dienten sie unmittelbar dem Schul- oder
Bildungszweck i.S. von § 4 Nr. 21 UStG.
8 Die Klägerin könne sich auch nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG) berufen, da die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Zwar erbringe sie eine Leistung, die eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen
Sicherheit verbunden sei. Sie sei jedoch keine anerkannte Einrichtung mit sozialem
Charakter im Sinne dieser Bestimmung.
9 Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
10 Entgegen der Ansicht des FG sei für ihre Anerkennung als sonstige Einrichtung mit
sozialem Charakter i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG
nicht erforderlich, dass unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen ihr und
einem Träger der sozialen Sicherheit bestünden.
11 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA vom 18. Januar 2011
aufzuheben sowie die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 vom 10. Oktober
2008 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Umsatzsteuer für 2004 um
... EUR, für 2005 um ... EUR und für 2006 um ... EUR vermindert wird.
12 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
13 Es hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
14 II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und der
Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
15 Die Klägerin, deren Leistungen --wie das FG zu Recht dargelegt hat-- in den
Streitjahren nach nationalem Recht nicht von der Umsatzsteuer befreit waren, kann
sich --entgegen der Auffassung des FG-- unmittelbar auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Steuerbefreiung berufen (vgl. zur
Berufungsmöglichkeit auf diese Bestimmung z.B. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union --EuGH-- Zimmermann vom 15. November 2012 C-174/11,
EU:C:2012:716, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 35, Rz 31 bis 33; Urteile des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II
2008, 634, unter II.2., Rz 27 und 28; vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475,
BStBl II 2013, 976, Rz 13 ff.; vom 16. Oktober 2013 XI R 19/11, BFH/NV 2014, 190,
Rz 19 ff.).
16 1. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG befreien die
Mitgliedstaaten von der Steuer die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen
Sicherheit verbundenen Dienstleistungen ... durch Einrichtungen des öffentlichen
Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit
sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen".
17 Diese Richtlinienbestimmung war in den Streitjahren lediglich dadurch "umgesetzt"
worden, dass das UStG die bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG
vorhandenen, teilweise bereits im UStG 1951 enthaltenen
Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat (vgl.
BFH-Urteile vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143,
unter II.2.d, Rz 40; vom 17. Februar 2009 XI R 67/06, BFHE 224, 183, BFH/NV 2009,
869, unter II.2., Rz 34; vom 8. Juni 2011 XI R 22/09, BFHE 234, 448, BFH/NV 2011,
1804, Rz 24; in BFH/NV 2014, 190, Rz 20).
18 Eine Umsetzung erfolgte für den Bereich der Arbeitsförderung nach dem SGB III erst
mit Wirkung vom 1. Januar 2015 durch die Einfügung von § 4 Nr. 15b UStG (vgl.
Art. 9 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 28 Abs. 5 des Gesetzes zur Anpassung des
nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer
steuerlicher Vorschriften).
19 2. Wie das FG zutreffend im Einzelnen dargelegt hat und auch zwischen den
Beteiligten nicht umstritten ist, sind die streitgegenständlichen Leistungen der Klägerin
eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Umsätze (vgl.
auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. April 2010 2 K 998/05, EFG 2010, 2037,
Rz 46 f. sowie die Gesetzesbegründung zu dem ab 2015 geltenden § 4 Nr. 15b UStG,
BTDrucks 18/1529, S. 76).
20 3. Entgegen der Auffassung des FG war die Klägerin in den Jahren 2004 bis 2006 mit
den streitgegenständlichen Umsätzen als Einrichtung mit sozialem Charakter
anerkannt.
21 a) Der Begriff der "Einrichtung" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie
77/388/EWG ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH weit genug,
um auch natürliche Personen, die --wie die Klägerin-- ein Unternehmen mit
Gewinnerzielungsabsicht betreiben, zu erfassen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Gregg vom
7. September 1999 C-216/97, EU:C:1999:390, UR 1999, 419, Rz 17 und 21;
Kingscrest Associates und Montecello vom 26. Mai 2005 C-498/03, EU:C:2005:322,
UR 2005, 453, Rz 35 und 36; "go fair" Zeitarbeit vom 12. März 2015 C-594/13,
EU:C:2015:164, UR 2015, 351, Rz 27; ebenso BFH-Urteile in BFHE 211, 543, BStBl II
2006, 143, unter II.2.d cc (2), Rz 49; vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232,
232, BFH/NV 2011, 712, Rz 25).
22 b) Die "Anerkennung" einer Einrichtung als Einrichtung mit sozialem Charakter kann
sich ergeben aus spezifischen Vorschriften --seien es nationale oder regionale,
Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im
Bereich der sozialen Sicherheit--, dem mit den Tätigkeiten des betreffenden
Steuerpflichtigen verbundenen Gemeinwohlinteresse, der Tatsache, dass andere
Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen
Anerkennung kommen, und dem Gesichtspunkt, dass die Kosten der fraglichen
Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen
Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (vgl. z.B. EuGH-Urteile
Kügler vom 10. September 2002 C-141/00, EU:C:2002:473, UR 2002, 513, Rz 57 und
58; Kingscrest Associates und Montecello, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 52 und
53; Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 31; "go fair" Zeitarbeit,
EU:C:2015:164, UR 2015, 351, Rz 20). Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein
Ermessen (vgl. z.B. EuGH-Urteile Zimmermann, EU:C:2012:716, UR 2013, 35,
Rz 26; "go fair" Zeitarbeit, EU:C:2015:164, UR 2015, 351, Rz 19, jeweils m.w.N.).
23 c) Hierzu hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die
Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter auch
aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder
andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden kann (vgl. z.B. BFH-
Urteile in BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143, unter II.2.d cc (2), Rz 52; in BFHE 219,
428, BStBl II 2008, 634, unter II.2.b cc, Rz 41; in BFHE 232, 232, BFH/NV 2011, 712,
Rz 34; in BFHE 234, 448, BFH/NV 2011, 1804, Rz 38; vom 8. August 2013 V R 8/12,
BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119, Rz 40, jeweils m.w.N.).
24 d) Die Anerkennung der Klägerin folgte aus der in § 421g und § 296 SGB III
geregelten Kostenübernahme durch die BA.
25 aa) Beide Vorschriften wurden durch das Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der
Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat vom 23. März 2002 (BGBl I 2002, 1130) zur
Einführung des sog. Vermittlungsgutscheins geändert, wodurch für arbeitslose
Leistungsbezieher die Möglichkeit eröffnet werden sollte, auf Kosten des
Arbeitsamtes einen (privaten) Vermittler zu beauftragen (Gesetzesbegründung zu
§ 421g Abs. 1 SGB III, BTDrucks 14/8546, S. 10). Dieses Verfahren trat an die Stelle
der ansonsten kostenfreien Vermittlung durch die BA selbst (Urteil des
Bundessozialgerichts --BSG-- vom 6. April 2006 B 7a AL 56/05 R, BSGE 96, 190,
Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 1902, Rz 20).
26 Nach § 421g Abs. 1 SGB III (in der in den Streitjahren 2004 und 2005 geltenden
Fassung) haben bestimmte Personen Anspruch auf Erteilung eines
Vermittlungsgutscheins gegenüber der BA (Satz 1). Mit diesem
Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die BA, den Vergütungsanspruch eines vom
Anspruchsberechtigten eingeschalteten Vermittlers, der diesen in eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens
15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe bestimmter Bestimmungen zu
erfüllen (Satz 2; ab 2005: § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III). Die Zahlung erfolgt
unmittelbar an den Vermittler (§ 421g Abs. 2 Satz 4 SGB III; ab 2005: § 421g Abs. 2
Satz 3 SGB III).
27 Ergänzend bestimmte § 296 Abs. 4 SGB III: "Ein Arbeitsuchender, der dem Vermittler
einen Vermittlungsgutschein vorlegt, kann die Vergütung abweichend von § 266 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs in Teilbeträgen zahlen. Die Vergütung ist nach Vorlage des
Vermittlungsgutscheins bis zu dem Zeitpunkt gestundet, in dem die Agentur für Arbeit
nach Maßgabe von § 421g gezahlt hat."
28 Wenn mithin einerseits der Arbeitsvermittler seinen privatrechtlichen Anspruch gegen
den Vermittelten nicht durchsetzen kann (§ 296 Abs. 4 SGB III), andererseits an die
Stelle dieses privatrechtlichen Anspruchs eine Verpflichtung der BA zur unmittelbaren
Zahlung an den Vermittlungsmakler tritt (§ 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III; ab 2005:
§ 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III), so wird der Vermittler selbst Inhaber eines öffentlich-
rechtlichen gesetzlichen Zahlungsanspruchs gegen die BA (vgl. BSG-Urteil in BSGE
96, 190, NJW 2007, 1902, Rz 15).
29 bb) Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin in allen streitgegenständlichen
Fällen Zahlungen der insoweit als Träger der sozialen Sicherheit handelnden BA
aufgrund von Vermittlungsgutscheinen erhalten. Die Kosten wurden demgemäß in
vollem Umfang --aufgrund eines entsprechenden öffentlich-rechtlichen gesetzlichen
Zahlungsanspruchs-- tatsächlich von einer Einrichtung der sozialen Sicherheit
übernommen. Das reicht für eine Anerkennung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g
der Richtlinie 77/388/EWG aus (vgl. auch Meyer, EFG 2013, 1617, 1618).
30 cc) Dem vom FG für seine Auffassung angeführten Urteil in BFHE 219, 428, BStBl II
2008, 634 lag ein anderer Sachverhalt zu Grunde. Denn die dortigen Kläger waren als
Sozialarbeiter selbständig in der ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe im
Auftrag eines als gemeinnützig anerkannten Vereins tätig; sie erhielten --im
Gegensatz zur Klägerin im Streitfall-- keine direkten Zahlungen aufgrund eines
entsprechenden öffentlich-rechtlichen gesetzlichen Zahlungsanspruchs von einem
Träger der sozialen Sicherheit.
31 Zwar hat der BFH in seinem Urteil in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 ausgeführt,
die Anerkennung lasse sich nicht schon daraus ableiten, dass die Einrichtung (hier
der Verein), an die die Kläger als deren Subunternehmer ihre Leistungen erbracht
haben, vom Mitgliedstaat ausdrücklich oder zumindest aufgrund unmittelbarer
vertraglicher Beziehungen zu dem örtlichen Träger der Sozialversicherung anerkannt
worden sei. Die Anerkennung des betreffenden Mitgliedstaates als eine "Einrichtung
mit vergleichbarer Zielrichtung" --hierauf bezieht sich das FG in Rz 36 seines Urteils--
setze "zumindest eine unmittelbare vertragliche --Inhalt, Umfang sowie Verantwortung
für die vertragsgemäße Durchführung konkretisierende-- Beziehung zwischen diesem
bzw. seinen Untergliederungen und dem Unternehmer voraus" (vgl. unter II.2.b cc,
Rz 43 der Entscheidungsgründe). Diese Formulierung des BFH bezog sich aber
erkennbar allein auf das im dortigen Streitfall vorliegende Subunternehmerverhältnis
(vgl. auch II.2.b cc, Rz 42 der Entscheidungsgründe). Zudem hatte der BFH vor
dieser Aussage die Rechtsprechung wiedergegeben, die Anerkennung eines
Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter könne auch aus der
Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere
Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden (vgl. unter II.2.b cc, Rz 41 der
Entscheidungsgründe). Wenn der BFH dort fortfährt, "so" könne "für die Anerkennung
auch gewürdigt werden, dass der Leistende die begünstigten Leistungen aufgrund
vertraglicher Vereinbarungen mit Trägern der Sozialversicherung erbracht" habe,
bedeutet dies nicht, dass nur bei Vorliegen (unmittelbarer) vertraglicher
Vereinbarungen eine Anerkennung in Betracht komme. Eine derartige Einschränkung
stünde auch nicht im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH, die -
-wie unter II.3.b dargelegt-- (lediglich) darauf abstellt, ob "die Kosten der fraglichen
Leistungen ... von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden".
32 Dem BFH-Urteil in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634 lässt sich deshalb nicht
entnehmen, dass die Klägerin im vorliegenden Streitfall zwingend ein
Vertragsverhältnis mit den zuständigen Trägern der Arbeitsverwaltung hätte haben
müssen, um als "Einrichtung mit sozialem Charakter" anerkannt zu werden
(zutreffend Weigel, Der Umsatz-Steuer-Berater --UStB-- 2013, 257, 258).
33 dd) Einer Anerkennung der Klägerin steht auch nicht der vom FG ferner genannte
BFH-Beschluss vom 26. Januar 2012 V R 52/10 (BFH/NV 2012, 817) entgegen,
wonach die nachträgliche Kostenübernahme nach Einzelfallprüfung für eine
Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter nicht genügt, da bereits im
Zeitpunkt der Leistung feststehen müsse, ob die Leistungen steuerbefreit seien oder
nicht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 817, Rz 4). Denn im Streitfall war die BA
aufgrund des Vermittlungsgutscheins --bei Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzungen-- zur Zahlung verpflichtet, ein Ermessen bestand nicht (vgl. § 421g
Abs. 1 Satz 2 SGB III bzw. ab 1. Januar 2005: § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III; ebenso
Weigel, UStB 2013, 257, 258).
34 4. Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Berufung der Klägerin auf das
Unionsrecht entgegenstehen. Die Leistungen der Klägerin sind keine solchen, die i.S.
von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG als für die soziale
Sicherheit "nicht unerlässlich" anzusehen sind oder die im Wesentlichen dazu
bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu
verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer
unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden (vgl. dazu BFH-Urteil in
BFH/NV 2014, 190, Rz 26).
35 5. Ob sich für private Arbeitsvermittler die Voraussetzungen für eine Anerkennung als
Einrichtung mit sozialem Charakter durch die Notwendigkeit einer vorherigen
Zulassung in § 176 Abs. 1, § 178 SGB III mit Wirkung vom 1. April 2012 geändert
haben, hat der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Eine vergleichbare Zulassung
war für private Arbeitsvermittler in den Streitjahren 2004 bis 2006 nicht erforderlich.
36 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.