Urteil des BFH vom 23.02.2015

Gewerblicher Grundstückshandel: Übertragung von Eigentumswohnungen vor sachenrechtlich vollzogener Teilung eines Mietwohngrundstücks

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 23.2.2015, X B 71/14
Gewerblicher Grundstückshandel: Übertragung von Eigentumswohnungen vor sachenrechtlich
vollzogener Teilung eines Mietwohngrundstücks
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2014 3 K 3150/10 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
Gründe, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigen könnten, liegen --soweit die Klägerin sie
überhaupt in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt hat-- nicht
vor.
2 1. Die Revision kann nicht zugelassen werden, weil die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordern würde (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
3 a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO setzt voraus,
dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer
entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, das
Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des
Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner
Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt haben, der mit
den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen
Gerichts nicht übereinstimmt. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört
nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, dass die vermeintlichen Divergenzentscheidungen
hinreichend genau bezeichnet und tragende, abstrakte Rechtssätze aus dem
angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten
Divergenzentscheidungen andererseits gegenübergestellt werden, um so die
Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist darzulegen, dass es sich im
Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage
handelt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2013
X B 132-133/12, BFH/NV 2013, 1593).
4 b) Die Klägerin sieht eine Divergenz der finanzgerichtlichen Entscheidung zum Urteil des
BFH vom 5. Mai 2011 IV R 34/08 (BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787), in dem dieser
entschieden hat, selbständiges Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze sei grundsätzlich
jedes selbständig veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt (Grundstück,
grundstücksgleiches Recht oder Recht nach dem Wohnungseigentumsgesetz --WEG--),
und zwar unabhängig von seiner Größe, seinem Wert und anderen Umständen. Hierbei
folge nach ständiger Rechtsprechung die selbständige Veräußerbarkeit grundsätzlich der
sachenrechtlichen Qualifizierung. Der BFH stelle damit --so die Klägerin-- auf die
sachenrechtliche Teilung eines Objekts ab. Da bei der Teilung eines Mehrfamilienhauses
nach dem WEG deren sachenrechtliche Wirksamkeit erst mit dem Anlegen der
Wohnungsgrundbücher eintrete, wie sich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG ergebe, habe sie
unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung lediglich ein Objekt veräußert.
Demgegenüber gehe das FG ausdrücklich davon aus, dass jede der im Zeitraum von
Dezember 1996 bis März 1997 verkauften Wohnungen ein Objekt im Sinne der
sogenannten Drei-Objekt-Grenze sei, obwohl im Zeitpunkt des Abschlusses der
Kaufverträge sachenrechtlich nur ein ungeteiltes Gesamtobjekt vorgelegen habe.
5 Die Klägerin übersieht bei ihrem Vorbringen, dass sich die beiden Sachverhalte in einem
--wesentlichen-- Punkt unterscheiden.
6 Die Klägerin des Verfahrens in BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787 veräußerte einem Käufer
ein Grundstück kurz vor Fertigstellung der noch zu errichtenden Häuser, wobei sie sich
verpflichtete, diese schlüsselfertig zu errichten und eine
Abgeschlossenheitsbescheinigung nach dem WEG zu beschaffen. In dieser
Divergenzentscheidung musste der BFH damit die Frage beantworten, wie der
Kaufgegenstand eines Vertrages im Hinblick auf die Rechtsprechungsgrundsätze zum
gewerblichen Grundstückshandel zu beurteilen ist.
7 Auf den in diesem Urteil entscheidungserheblichen Rechtssatz, der im Übrigen vom BFH
dadurch ergänzt wurde, dass die dem Grundsatz nach an das bürgerliche Recht
anknüpfende Bestimmung des "Objekts" allerdings durch wirtschaftliche Gesichtspunkte
unter Beachtung der Verkehrsanschauung geprägt wird, kommt es im Streitfall indes aus
den folgenden Erwägungen nicht an.
8 Vorliegend veräußerte die Klägerin nach Einholung der
Abgeschlossenheitsbescheinigung fünf --wenn auch sachenrechtlich noch nicht
getrennte-- Eigentumswohnungen an fünf unterschiedliche Erwerber. Damit sind fünf
Veräußerungsvorgänge gegeben, die sich zwangsläufig auf fünf unterschiedliche Objekte
beziehen müssen.
9 Inwieweit bereits alle sachenrechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der
veräußerten Eigentumswohnungen erfüllt wurden, ist für die Frage der Nachhaltigkeit der
Veräußerungsaktivitäten der Klägerin unerheblich, da nicht auf das dingliche
Rechtsgeschäft im Sinne des Veräußerungsbegriffs des § 16 des
Einkommensteuergesetzes, sondern auf das obligatorische Geschäft abzustellen ist
(BFH-Urteil vom 5. Dezember 2002 IV R 57/01, BFHE 201, 169, BStBl II 2003, 291).
10 Die in dem Vorbringen der Klägerin anklingenden Zweifel, ob es möglich sei, einen
Kaufvertrag über die noch abzutrennenden Eigentumswohnungen abzuschließen,
bestehen im Übrigen nicht (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November
1985 V ZR 113/84, Neue Juristische Wochenschrift 1986, 845).
11 Damit sind im Streitfall aufgrund der in der Zeit von Dezember 1996 bis März 1997
abgeschlossenen notariellen Kaufverträge fünf Eigentumswohnungen und damit fünf
Zählobjekte übertragen worden.
12 c) Die von der Klägerin gerügte Abweichung des Urteils des FG von den BFH-Urteilen
vom 17. Dezember 2009 III R 101/06 (BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541) und vom
27. September 2012 III R 19/11 (BFHE 240, 278, BStBl II 2013, 433) liegt nicht vor.
13 In diesen Urteilen stellt der BFH fest, die durch das Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze
indizierte innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs
könne vornehmlich durch Gestaltungen des Steuerpflichtigen widerlegt werden, die in
zeitlicher Nähe zum Erwerb (bzw. zur Bebauung oder Erschließung) stünden und eine
Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder
unwirtschaftlicher machen würden. Dies könne z.B. eine langfristige Finanzierung oder
eine langfristige Vermietung bzw. Verpachtung sein, wenn diese sich im Falle einer
Veräußerung voraussichtlich ungünstig auswirkten oder zusätzliche finanzielle
Belastungen auslösten.
14 Anders als die Klägerin meint, ist das FG zur Begründung seiner Entscheidung von der
vorgenannten BFH-Rechtsprechung ausgegangen. Das Gericht hat nicht nur die BFH-
Urteile genannt, sondern es hat die dargestellten Rechtssätze auf den zu entscheidenden
Einzelfall angewendet, wenn auch mit einem von der Auffassung der Klägerin
abweichenden Ergebnis.
15 Wenn die Klägerin vorträgt, das FG habe bei der Beurteilung der bestehenden
langfristigen Mietverträge sowie der zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung die vom
BFH in den beiden Urteilen entwickelten Rechtssätze falsch angewendet, lässt sie außer
Acht, dass die Anwendung dieser Grundsätze notwendigerweise eine tatrichterliche
Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls erfordert. Ihre Einwände gelten in
Wahrheit der im Verfahren der Revisionszulassung unbeachtlichen Subsumtion des vom
FG ermittelten Sachverhalts unter die prinzipiell nicht mehr klärungsbedürftigen
Rechtsgrundsätze der typisierenden Anwendung der Drei-Objekt-Grenze in Bezug auf
das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels (vgl. auch Senatsbeschluss vom
1. August 2005 X B 32/05, BFH/NV 2005, 2223; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --
HHSp--, § 115 FGO Rz 183, m.w.N.). Hiermit wird aber keine Rechtsprechungsdivergenz
i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO dargelegt (BFH-Beschluss vom 16. August
2007 VIII B 210/06, BFH/NV 2007, 2286).
16 d) Soweit die Klägerin auch eine Divergenz des finanzgerichtlichen Urteils zu dem
Senatsurteil vom 28. Januar 2009 X R 35/07 (BFH/NV 2009, 1249) geltend macht, vermag
der angerufene Senat keine Entscheidungserheblichkeit zu erkennen. In dem
bezeichneten Urteil hatte der Senat nicht über das im Streitfall bedeutsame Vorliegen
einer bedingten Veräußerungsabsicht bei der Veräußerung von mehr als drei Objekten zu
befinden. Er hatte vielmehr zu beurteilen, ob bei der Veräußerung von weniger als vier
Objekten andere gewichtige Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen
lassen. Dies sei dann der Fall, wenn sich aus diesen Umständen ergebe, dass die
maßgebenden Tätigkeiten (Anschaffung, Bebauung) in unbedingter Veräußerungsabsicht
vorgenommen worden seien (siehe Senatsurteil in BFH/NV 2009, 1249, unter II.1.b).
17 e) Die Klägerin hat auch keine greifbare Gesetzwidrigkeit der Vorentscheidung dargelegt.
Zwar ist die Revision auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar
gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Eine greifbare Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn
die angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich erscheint, auf sachfremden
Erwägungen beruht und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B.
Senatsbeschluss vom 21. August 2014 X B 159/13, BFH/NV 2014, 1743, unter 3.,
m.w.N.). Unterhalb dieser Grenze liegende erhebliche Rechtsfehler reichen nicht aus, um
die Revision zuzulassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. März
2011 IX B 144/10, BFH/NV 2011, 1367, m.w.N.). Anhaltspunkte für eine derart
gesetzwidrige Entscheidung sind im Streitfall nicht erkennbar.
18 2. Das FG hat nicht dadurch gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1
FGO) verstoßen, dass es nicht durch Beiziehung der Grundbuchakten den genauen
Zeitpunkt der sachenrechtlichen Teilung des Mietwohngrundstücks festgestellt hat. Die
Klägerin übersieht bei ihrer Verfahrensrüge, dass eine fehlende Sachaufklärung nur
vorliegen kann, wenn das FG eine nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung
notwendige weitere Aufklärung des Sachverhaltes unterlassen hat (ständige BFH-
Rechtsprechung, vgl. z.B. vom 13. April 2005 IX B 153/04, BFH/NV 2005, 1356; siehe
auch Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 225, m.w.N.). Das FG hat im Streitfall indes
entscheidend und zu Recht bei der Prüfung der Voraussetzungen der Drei-Objekt-Grenze
auf den Abschluss der notariellen Kaufverträge im Dezember 1996 und März 1997
abgestellt, so dass die Frage des Zeitpunkts der sachenrechtlichen Teilung des
Mietwohngrundstücks für das Gericht nicht relevant war.
19 3. Warum das FG dadurch eine Überraschungsentscheidung getroffen haben und damit
Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 76 FGO und § 96 FGO verletzt haben soll, dass es
von ausreichenden Zählobjekten im Sinne der Drei-Objekt-Grenze ausgegangen ist,
erschließt sich dem angerufenen Senat nicht. Sowohl im Einspruchs- als auch im
Klageverfahren war unstreitig, dass die Klägerin im Zeitraum von Dezember 1996 und bis
März 1997 fünf Kaufverträge über Eigentumswohnungen abgeschlossen hatte. Der Streit
bezog sich vielmehr auf die unterschiedliche Bewertung der Parteien, wie diese
Vorgänge unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalls im Hinblick auf die
höchstrichterliche Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel zu beurteilen
waren.
20 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
21 5. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der
Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.