Urteil des BFH vom 25.02.2016

Investitionsabzugsbetrag - Betreiben einer Photovoltaikanlage und eines Autohauses als einheitlicher Gewerbebetrieb

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 25.2.2016, X B 130, 131/15; X B 130/15; X B
131/15
Investitionsabzugsbetrag - Betreiben einer Photovoltaikanlage und eines Autohauses als
einheitlicher Gewerbebetrieb
Tenor
I. Die Verfahren X B 130/15 und X B 131/15 werden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1
der Finanzgerichtsordnung zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerde der Kläger zu 1. und 2. wegen Nichtzulassung der Revision gegen das
Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 1. Juli 2015 5 K 842/14 betreffend die
Einkommensteuer 2010 und die Beschwerde des Klägers zu 1. gegen das Urteil des
Finanzgerichts Nürnberg vom 1. Juli 2015 5 K 843/14 betreffend den
Gewerbesteuermessbetrag 2010 werden als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten für das Verfahren betreffend den Gewerbesteuermessbetrag 2010 hat der Kläger
zu 1. zu tragen.
Im Übrigen tragen die Kläger zu 1. und 2. die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 I. Die verheirateten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden im Streitjahr 2010
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a.
gewerbliche Einkünfte (§ 15 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) aus dem
Betrieb eines Autohauses (Kfz-Reparaturwerkstatt, Kfz-Handel, Mietwagen). Den
Gewinn des Einzelunternehmens ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4
Abs. 1, § 5 EStG).
2 In den am 23. Dezember 2011 bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt
--FA--) eingereichten Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für 2010 brachte
der Kläger bei der Ermittlung des Gewinns aus dem Autohaus einen
Investitionsabzugsbetrag (§ 7g Abs. 1 EStG i.d.F. des Streitjahres) in Höhe von
25.000 EUR (knapp 40 % der voraussichtlichen Kosten von 64.000 EUR) für die
geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage gewinnmindernd in Ansatz. Das FA
berücksichtigte den Investitionsabzugsbetrag insgesamt nicht, weil der Betrieb der
Photovoltaikanlage einen eigenen Gewerbebetrieb "Stromerzeugung" darstelle, der mit
der Anschaffung der Anlage neu entstanden sei (Neugründung). Da die tatsächliche
Anschaffung erst im Februar 2012 erfolgt sei, müsse der Kläger unter den für
Neugründungen geltenden erhöhten Anforderungen nachweisen, dass eine
Investitionsabsicht bereits am Schluss des Wirtschaftsjahres 2010 bestanden habe.
3 Entsprechende Nachweise legten die Kläger nicht vor.
4 Stattdessen wandten sie ein, aufgrund der Eingliederung der Photovoltaikanlage in das
Autohaus sei nach wie vor von einem einheitlichen Gewerbebetrieb auszugehen mit
der Folge, dass die vom FA verlangten Nachweise nicht erbracht werden müssten. Die
Anlage befinde sich auf dem Dach des Betriebsgebäudes des Autohauses, der
erzeugte Strom werde nicht in Gänze in das öffentliche Stromnetz eingespeist,
sondern in einem Umfang von 21,3 % von der Kfz-Werkstatt des Autohauses
verbraucht, und auch die Verwaltung bzw. buchhalterische Abwicklung der Anlage
erfolge über das Autohaus. Außerdem werde das Autohaus im Rahmen der
Verwendung des erzeugten Stroms für eigene Zwecke gegen zukünftige
Strompreissteigerungen abgesichert. Zuletzt belege die Errichtung der
Photovoltaikanlage (wohl im Sinne eines Werbeeffekts), dass der Betrieb des Klägers,
der sich durch die umweltfreundliche Umrüstung herkömmlicher Fahrzeuge auf
Autogas einen Namen gemacht habe, selbst zur Reduzierung von Treibhausgasen
beitrage.
5 Dem folgte das FA nicht. Einsprüche und Klagen gegen die Bescheide über die
Festsetzung der Einkommensteuer und des Gewerbesteuermessbetrags für 2010
blieben ohne Erfolg.
6 Das Finanzgericht (FG) kam unter Zugrundelegung der Senatsrechtsprechung in den
Urteilen vom 15. September 2010 X R 21/08 (BFH/NV 2011, 235) und vom
24. Oktober 2012 X R 36/10 (BFH/NV 2013, 252) "im Rahmen der Gesamtwürdigung
aller Umstände des Streitfalls" zu der Überzeugung, dass der Betrieb der
Photovoltaikanlage einen eigenständigen Gewerbebetrieb darstelle. Dabei hob es
maßgeblich auf die Ungleichartigkeit der beiden Betätigungen (Erzeugung von Strom
auf der einen Seite, Verkauf/Reparatur von Kfz auf der anderen Seite) sowie den nur
untergeordneten Verbrauch des erzeugten Stroms im Autohaus ab (ob dies bei einem -
-hier unstreitig nicht gegebenen-- vollständigen gewerblichen Eigenverbrauch des
Stroms durch das Autohaus anders zu beurteilen wäre, ließ es ausdrücklich offen).
Den von den Klägern bei der Gewinnermittlung für das Autohaus begehrten
Investitionsabzugsbetrag sprach ihnen das FG nicht zu.
7 Da die Kläger zudem weiterhin keinerlei Nachweis für das Bestehen einer
Investitionsabsicht bereits am Schluss des Wirtschaftsjahres 2010 erbracht hatten,
gewährte ihnen die Vorinstanz auch in Bezug auf den Betrieb der Photovoltaikanlage
als selbständigen Gewerbebetrieb keinen Investitionsabzugsbetrag.
8 Die Revision gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2015, 2050
veröffentlichte Urteil betreffend die Einkommensteuer für 2010 und das gleichfalls am
1. Juli 2015 gesondert ergangene Urteil betreffend den Gewerbesteuermessbetrag für
2010 (5 K 843/14) ließ das FG nicht zu. Das FA hat sich zu den dagegen gerichteten
Nichtzulassungsbeschwerden nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
9 II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
10 Sie sind --bei Zweifeln daran, ob die gesetzlichen Darlegungsanforderungen aus § 116
Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) überhaupt eingehalten sind--
jedenfalls in der Sache unbegründet.
11 1. Der in den inhaltsgleichen Begründungsschriften jeweils ausschließlich geltend
gemachte Revisionszulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des
Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts liegt nicht vor.
12 a) Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO setzt
voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen "zur Fortbildung des Rechts" zu
entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der Nr. 1 und gestattet eine
Zulassung nur, wenn im Allgemeininteresse über bisher ungeklärte abstrakte
Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung,
8. Aufl., § 115 Rz 41).
13 b) Dies zugrunde gelegt, erweist sich die von den Klägern zur Beantwortung gestellte
Frage,
"ob eine PV-Anlage, in der neben der Einspeisung des erzeugten Stroms ins
öffentliche Netz auch ein nicht unwesentlicher Teil (über 10 %) des erzeugten Stroms
im bereits vorhandenen Gewerbebetrieb verbraucht wird, zusammen mit diesem
einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellt, wenn die erforderliche organisatorische
und finanzielle Verflechtung gegeben ist oder ob eine PV-Anlage immer einen
eigenständigen Gewerbebetrieb bildet, wenn nicht neben dem Selbstverbrauch noch
andere Umstände hinzukommen, die einen einheitlichen Gewerbebetrieb
rechtfertigen, der Selbstverbrauch allein also für die erforderliche wirtschaftliche
Verflechtung nicht ausreichend wäre",
nicht als klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage in diesem Sinne.
14 Der Senat hat in seinen bereits von der Vorinstanz angeführten Urteilen in BFH/NV
2011, 235 (unter II.2.a. aa) und BFH/NV 2013, 252 (unter II.1.a) klargestellt, dass es
für die Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein und derselbe
Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zusammenzufassen
sind, auch bei der nachträglichen Anschaffung bzw. dem Betrieb von
Photovoltaikanlagen stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt. Der von
den Klägern ins Zentrum ihrer Nichtzulassungsbeschwerden gerückte Umstand,
dass der von der Photovoltaikanlage erzeugte Strom zu einem nicht unerheblichen
Anteil in dem vom Kläger betriebenen Autohaus genutzt wird, stellt nach dieser
Judikatur unzweifelhaft --im Sinne von nicht weiter klärungsbedürftig-- einen im
Rahmen der erforderlichen Gesamtschau aller Umstände zu berücksichtigenden
Teilaspekt dar. Dementsprechend hat ihn auch das FG in seine Abwägung
einbezogen (vgl. jeweils S. 11 der angegriffenen Urteile). Mehr war insoweit aus
Rechtsgründen nicht erforderlich.
15 Dass die Vorinstanz dabei zu einer von der Sichtweise der Kläger abweichenden
Überzeugung gelangt ist, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen.
Denn die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage zielt in diesem Punkt auf die
Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls. Damit fehlt es ihr aber an
der erforderlichen Abstraktheit (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse
vom 10. November 2010 VIII B 159/09, BFH/NV 2011, 300, unter b, und vom
10. August 2011 V B 84/10, BFH/NV 2011, 2010, unter 2.c; s. auch Gräber/
Ratschow, a.a.O., § 115 Rz 41, vorletzter Absatz). Allenfalls dann, wenn sich die
Gesamtwürdigung des FG als "greifbar gesetzwidrig", weil z.B. offenkundig von
sachfremden Erwägungen getragen, darstellen würde (sog. qualifizierter
Rechtsanwendungsfehler), läge ein die Revisionszulassung ermöglichender Unterfall
der 2. Alternative des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor (allgemein dazu Gräber/Ratschow,
a.a.O., § 115 Rz 68 ff.). Dies ist hier jedoch ersichtlich nicht der Fall.
16 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
17 3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung
sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.