Urteil des BFH vom 28.01.2015

Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes bei Kapitalerträgen aus Darlehen zwischen Ehegatten bei finanzieller Beherrschung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28.1.2015, VIII R 8/14
Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes bei Kapitalerträgen aus Darlehen zwischen Ehegatten
bei finanzieller Beherrschung
Leitsätze
1. Gewährt der Steuerpflichtige seinem Ehegatten ein Darlehen zur Anschaffung einer
fremdvermieteten Immobilie und erzielt er hieraus Kapitalerträge, ist die Anwendung des
gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG nach §
32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige auf den von
ihm finanziell abhängigen Ehegatten bei der Gewährung des Darlehens einen beherrschenden
Einfluss ausüben kann.
2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3
Abs. 1 GG, da er nicht an das persönliche Näheverhältnis der Ehegatten anknüpft, sondern auf
der finanziellen Abhängigkeit des Darlehensnehmers vom Darlehensgeber beruht.
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 28. Januar 2014 12 K
3373/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
2 In den Jahren 2007 bis 2009 schloss der Kläger mit der Klägerin schriftliche Verträge über
die Gewährung fest verzinslicher Darlehen ab. Die teilweise besicherten Darlehen dienten
der Anschaffung und Renovierung des fremd vermieteten Elternhauses durch die Klägerin,
die mangels eigener finanzieller Mittel und Kreditwürdigkeit auf die Darlehensgewährung
durch den Kläger angewiesen war. Die Darlehensvaluta belief sich zum 31. Dezember
2009 auf insgesamt 283.203 EUR. Der vereinbarte Zinssatz lag zwischen 4 % und 5,35 %.
Die in den Jahren 2007 und 2008 fälligen Zinsen waren bis zum Jahr 2009 gestundet und
wurden von der Klägerin im Jahr 2009 an den Kläger gezahlt.
3 Der Kläger erklärte in der Einkommensteuererklärung für 2009 Kapitalerträge aus den der
Klägerin gewährten Darlehen in Höhe von 27.196 EUR, die dem gesonderten Steuertarif
für Kapitaleinkünfte gemäß § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 2009 (EStG)
unterliegen. Die Klägerin machte einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von
42.520 EUR bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Verlust
beruhte in Höhe von 27.196 EUR auf den an den Kläger gezahlten Schuldzinsen für die
Jahre 2007 bis 2009.
4 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr die Zinserträge des Klägers als
Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Den von den Klägern
hiergegen erhobenen Einspruch wies es mit der Begründung zurück, dass gemäß § 32d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes
ausgeschlossen sei, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander
nahestehende Personen seien. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht
(FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1393 veröffentlichten
Urteil vom 28. Januar 2014 12 K 3373/12 als unbegründet ab.
5 Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor, dass der Ausschluss des
Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG bei der
Darlehensgewährung zwischen Ehegatten Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletze,
wenn die Darlehensverträge einem Fremdvergleich standhielten und ein
Gestaltungsmissbrauch ausgeschlossen sei. Dies sei vorliegend der Fall. Die Darlehen
entsprächen hinsichtlich der Vertragsgestaltung, Finanzierungskonditionen und
Sicherheiten dem zwischen fremden Dritten Üblichen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass
die Klägerin den Erwerb und die Renovierung des von den Eltern hinterlassenen
Vermietungsobjekts mangels eines festen Arbeitseinkommens weder aus eigenen Mitteln
hätte bezahlen noch von einer Bank finanzieren lassen können, so dass hinsichtlich der
Finanzierung keinerlei Gestaltungsspielraum bestanden habe.
6 Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 28. Januar 2014 12 K 3373/12, den Ablehnungsbescheid des
FA vom 16. Januar 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2012
aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 25. Januar 2012 die
tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um 27.196 EUR zu verringern, die
nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte unter Gewährung des Sparer-
Pauschbetrags um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend
herabzusetzen.
7 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
8 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil des FG ist rechtmäßig. Das FG
ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Anwendung des gesonderten
Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG gemäß § 32d
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen ist (1.). Dies verletzt weder Art. 6
Abs. 1 GG noch Art. 3 Abs. 1 GG (2.). Dabei kann die Frage, ob die Darlehensverhältnisse
überhaupt einem Fremdvergleich standhalten, im Ergebnis offen bleiben (3.).
9 1. Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach
§ 32d Abs. 1 EStG ist gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen.
10 a) Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des
§ 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn
Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das
Bundesministerium der Finanzen hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands in
seinen Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94)
und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953) --jeweils Rz 134--
für das Streitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt,
dass der Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den
Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder
Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen
Besteuerung unterliegen. Dies war bei der Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin
hinsichtlich der an den Kläger gezahlten Kapitalerträge der Fall.
11 b) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 29. April 2014 VIII R 9/13 (BFHE 245, 343, BStBl
II 2014, 986), VIII R 35/13 (BFHE 245, 357, BStBl II 2014, 990) und VIII R 44/13 (BFHE
245, 361, BStBl II 2014, 992) entschieden hat, fallen unter den Begriff der "nahestehenden
Person" nach dem Wortsinn alle natürlichen Personen, die zueinander in enger
Beziehung stehen. Diese Voraussetzung ist bei den Klägern als Eheleuten erfüllt, da
bereits das auf der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung
schließen lässt.
12 c) Indes reicht nach dem in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a EStG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (BTDrucks 16/4841,
S. 61) ein lediglich aus der Eheschließung abgeleitetes persönliches Interesse nicht aus,
um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.
Danach liegt ein Näheverhältnis u.a. nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige auf die
Person des Darlehensnehmers einen beherrschenden Einfluss ausüben kann
(Senatsurteile in BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986; in BFHE 245, 357, BStBl II 2014,
990, und in BFHE 245, 361, BStBl II 2014, 992).
13 Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Vortrag der Kläger verblieb der Klägerin
hinsichtlich der Finanzierung kein eigener Entscheidungsspielraum, da ein fremder Dritter
den Erwerb und die Renovierung des Objekts durch die Klägerin nicht zu 100 % finanziert
hätte. Danach war die Klägerin bei der Aufnahme der Darlehen von dem Kläger als
Darlehensgeber (absolut) finanziell abhängig, so dass ein Beherrschungsverhältnis
vorliegt, das gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG zum Ausschluss der Anwendung
des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte führt.
14 2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG in
der vorstehenden Auslegung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
15 a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches
gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die
vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt
dabei nicht nur vor, wenn der Gesetzgeber mehrere Personengruppen ohne sachlichen
Grund verschieden behandelt, sondern auch dann, wenn die Gerichte im Wege der
Auslegung gesetzlicher Vorschriften zu einer derartigen, dem Gesetzgeber verwehrten
gerichtlichen Differenzierung gelangen.
16 Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es, Ehegatten im Vergleich zu Ledigen allein
deshalb steuerlich schlechter zu stellen, weil sie verheiratet sind. Die Berücksichtigung
der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten
besonderen Lage der Ehegatten darf nicht dazu führen, dass eine missbräuchliche
Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes unwiderlegbar vermutet wird (Senatsurteil in
BFHE 245, 343, BStBl II 2014, 986, m.w.N.).
17 Liegen jedoch unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen vor,
die für die Annahme gleichgerichteter wirtschaftlicher Interessen sprechen, ist der
Einwand, Verheiratete seien gegenüber Ledigen schlechter gestellt, unbegründet; denn
insoweit folgt die Benachteiligung der Verheirateten im Verhältnis zu Ledigen nicht aus
einer unwiderlegbaren Vermutung eines Gestaltungsmissbrauchs, die an die Ehe
anknüpft, sondern ergibt sich aufgrund von konkreten Anhaltspunkten, die für eine enge
Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten im Einzelfall sprechen (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, BVerfGE 69, 188).
18 b) Nach diesen Grundsätzen wird im vorliegenden Fall der Schutz der Familie (Art. 6
Abs. 1 GG) durch den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nicht verletzt. Denn dieser
beruht bei verfassungskonformer Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG
nicht auf dem aufgrund der Eheschließung vermuteten persönlichen Näheverhältnis der
Kläger, sondern auf dem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis der Klägerin von dem
Kläger. Da kein fremder Dritter der Klägerin eine Gesamtfinanzierung zum Erwerb und der
Sanierung des Elternhauses gewährt hätte und die Klägerin im Streitjahr kaum in der
Lage war, die für das Jahr 2009 vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen zu
erbringen, waren die Chancen und Risiken bei der Gewährung der Darlehen durch den
Kläger nicht in fremdüblicher Weise verteilt. Es liegen somit Beweisanzeichen vor, die --
unabhängig von der ehelichen Lebensgemeinschaft-- für die Annahme einer personellen
Verflechtung durch gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen und gegen eine
fremdübliche Kreditgewährung sprechen. Die Kläger werden hierdurch gegenüber
Ledigen nicht schlechter gestellt, weil sie verheiratet sind, da auch bei diesem
Personenkreis ein wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis der vorliegenden Art ein
Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG begründen würde, mit
der Folge, dass der Abgeltungsteuersatz ausgeschlossen wäre.
19 c) Zudem würde im vorliegenden Fall bei einer Gewährung des gesonderten Steuertarifs
für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG das vom Gesetzgeber mit
der Einführung des Abgeltungsteuersatzes verfolgte Lenkungsziel verfehlt, die
Standortattraktivität der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb für
private Anleger zu erhöhen, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im
Ausland anlegen könnten (s. hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom 29. April 2014
VIII R 23/13, BFHE 245, 352, BStBl II 2014, 884); denn ist der Erwerb einer Immobilie
durch einen Ehegatten nur dann möglich, wenn ihm der andere Ehegatte die finanziellen
Mittel zur Verfügung stellt, ist weder die Verlagerung des Kapitals in das Ausland, noch
eine Anlage des Kapitals und eine Kreditaufnahme im Inland eine Alternative zu dieser
Investition. Die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs führt hier zu keiner Ungleichheit,
sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch den
Ausschluss von Mitnahmeeffekten eine größere Gleichheit her (Senatsurteil in BFHE 245,
352, BStBl II 2014, 884).
20 3. Offen bleiben kann, ob die Darlehensverhältnisse der Besteuerung deshalb nicht
zugrunde gelegt werden können, weil sie einem Fremdvergleich nicht standhalten. Das
FG hat in seiner Entscheidung hierzu keine Feststellungen getroffen, sondern dies
lediglich unterstellt. Zwar wären, wenn die Darlehensverhältnisse einem Fremdvergleich
nicht standhalten, die streitigen Kapitaleinkünfte des Klägers der Besteuerung nicht
zugrunde zu legen, so dass die Klage insoweit Erfolg hätte. Jedoch wären in diesem Fall
im Rahmen der bei der Zusammenveranlagung vorzunehmenden Fehlersaldierung nach
§ 177 der Abgabenordnung (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 25. Juni 2003 X R 66/00,
BFH/NV 2004, 19) die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung
hinsichtlich des gewährten Schuldzinsenabzugs in gleicher Höhe zu erhöhen. Danach
würde die Versagung der steuerlichen Berücksichtigung der Darlehensverhältnisse zu
demselben Ergebnis führen wie der Ausschluss des gesonderten Tarifs für die Einkünfte
aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, so dass die
Revision in jedem Fall keinen Erfolg hat.
21 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.