Urteil des BFH vom 10.03.2015

Tilgungsbestimmung bei Vollstreckung gegen einen Ehegatten

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.3.2015, VII R 26/13
Tilgungsbestimmung bei Vollstreckung gegen einen Ehegatten
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 11. April 2013 11 K
2623/09 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde für das Jahr 2001 zusammen mit
ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Die Steuerschuld war allein durch die
Einkünfte des Ehemanns verursacht und wurde durch Vollstreckung in Konten des
Ehemanns getilgt. Dies war möglich, weil die Klägerin nach Erlass der entsprechenden
Pfändungs- und Einziehungsverfügungen von ihren Sparkonten insgesamt
249.157,74 EUR auf eines der Konten des Ehemanns überwiesen hatte.
2 Nachdem die Klägerin die getrennte Veranlagung beantragt und der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen Bescheid nach § 26a des
Einkommensteuergesetzes erlassen hatte, verlangte die Klägerin die Erstattung der von ihr
auf das Konto des Ehemanns geleisteten Zahlungen. Dies lehnte das FA mit
Abrechnungsbescheid vom 16. Oktober 2008 ab.
3 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der
Abrechnungsbescheid sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nichtig.
Insbesondere sei er trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ablehnung des geltend gemachten
Erstattungsanspruchs inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 der Abgabenordnung --
AO--). Die erforderliche Begründung sei spätestens mit der Einspruchsentscheidung
nachgeholt worden (§§ 121, 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO).
4 Darüber hinaus habe das FA hinsichtlich der Zahlungen der Klägerin auf das Konto des
Ehemanns zu Recht einen Erstattungsanspruch verneint. Nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme bestünde insbesondere keine ausdrückliche oder konkludente
Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin. Die Gründe sind in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2013, 1379 veröffentlicht.
5 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, der Abrechnungsbescheid sei nichtig, da das
FA den geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht ausdrücklich abgelehnt und sie, die
Klägerin, bewusst in die Irre geführt habe. Darüber hinaus sei der Bescheid zumindest
rechtswidrig, da das zu Vorauszahlungen ergangene Senatsurteil vom 22. März 2011
VII R 42/10 (BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607) nicht auf die Abschlusszahlung des
Streitfalls anwendbar sei. Jedenfalls sei Vertrauensschutz zu gewähren. Im Übrigen habe
das FG unzutreffend eine Tilgungsbestimmung zu ihren Gunsten abgelehnt. Dies folge aus
den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung des FG sowie --unter
Berücksichtigung von Art. 6 des Grundgesetzes-- aus den besonderen Umständen des
Streitfalls.
6 Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den
Abrechnungsbescheid vom 16. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
24. Juli 2009 dahingehend zu ändern, dass für den Veranlagungszeitraum ein Guthaben
der Klägerin in Höhe von 249.157,74 EUR ausgewiesen wird.
7 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
8 Es folgt der Begründung des FG und macht ergänzend geltend, bei der Beitreibung einer
Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung gegen einen Gesamtschuldner sei von
vornherein keine Tilgungsbestimmung zu Gunsten des anderen Gesamtschuldners
möglich. Selbst wenn eine solche Tilgungsbestimmung möglich gewesen sein sollte, fehle
sie im Streitfall. Dies folge bereits daraus, dass sich der Ehemann als Pfändungsschuldner
jeder Verfügung über das Kontoguthaben habe enthalten müssen (§ 309 Abs. 1 AO). Die
Klägerin selbst habe zwar freiwillig gezahlt, aber lediglich an ihren Ehemann. Dabei habe
man aufgrund der erkennbaren Umstände eine intakte Lebens- und
Wirtschaftsgemeinschaft annehmen müssen.
Entscheidungsgründe
9 II. Der Senat kann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2015 in der
Sache entscheiden, obwohl für die Klägerin niemand erschienen ist. Der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist ordnungsgemäß geladen worden unter Hinweis
darauf, dass bei seinem Ausbleiben in der mündlichen Verhandlung auch ohne ihn
verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--
). Der Prozessbevollmächtigte ist dem Termin ohne Angabe von Gründen ferngeblieben.
10 Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
FGO). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht
entschieden, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) weder
nichtig noch rechtswidrig ist.
11 1. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt der Umstand, dass der
Abrechnungsbescheid keine ausdrückliche Ablehnung des geltend gemachten
Erstattungsanspruchs enthält, nicht zu dessen Nichtigkeit.
12 Das Fehlen der ausdrücklichen Ablehnung des Erstattungsanspruchs macht den
Bescheid nicht wegen mangelnder Bestimmtheit nichtig (§ 119 Abs. 1 AO i.V.m. § 125
Abs. 1 AO). Zwar muss ein Abrechnungsbescheid die streitigen Steueransprüche
grundsätzlich im Einzelnen bezeichnen und nach Steuerart, Jahr und Betrag aufgliedern
(Senatsbeschluss vom 18. Oktober 1994 VII S 16/94, BFH/NV 1995, 474). Jedenfalls
dann, wenn das Für und Wider des Bestehens eines Erstattungsanspruchs --wie im
Streitfall-- vor dem Erlass des Abrechnungsbescheids in mehreren Schriftsätzen
ausdrücklich erörtert worden ist, gilt dies aber nicht für Steueransprüche, die nach
Auffassung des Finanzamts von vornherein nicht entstanden sind. Darüber hinaus bezieht
sich der Abrechnungsbescheid im Streitfall auf die gesamte Einkommensteuer 2001, so
dass bereits daraus die Ablehnung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs folgt. Es
liegt allenfalls ein Begründungsmangel vor, der jedenfalls durch die
Einspruchsentscheidung geheilt worden ist (§§ 121, 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).
13 2. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist auch rechtmäßig. Der Klägerin steht kein
weiterer Erstattungsanspruch zu.
14 Entgegen der Auffassung des FG kommt es hierfür aber nicht auf die Rechtsprechung des
Senats zur Tilgungsbestimmung bei Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der
Ehepartner sowie auf die daraus resultierenden Folgen für einen Erstattungsanspruch an.
Denn die vom FG zitierte Rechtsprechung ist bei einer Beitreibung im Wege der
Zwangsvollstreckung nicht anwendbar (Senatsbeschluss vom 18. April 2013 VII B 66/12,
BFH/NV 2013, 1217; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
14. Januar 2015 IV A 3 - S 0160/11/10001, Tz. 2.4.3.). Aufgrund der
Vollstreckungsmaßnahme --im Streitfall dem Erlass der Pfändungs- und
Einziehungsverfügungen bezüglich der Konten des Ehemanns-- fehlt bereits eine
Zahlung an das FA, die mit einer Tilgungsbestimmung hätte versehen werden können.
Die vollstreckten Beträge sind vielmehr ausschließlich für Rechnung desjenigen bewirkt,
gegen dessen Vermögen sich die Vollstreckung richtet. Dies war im Streitfall der
Ehemann der Klägerin.
15 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.