Urteil des BFH vom 15.09.2015

Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer wegen Forderungsausfalls setzt rechtzeitige Anmeldung zur Insolvenztabelle voraus

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.9.2015, VII B 164/14
Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer wegen Forderungsausfalls setzt rechtzeitige
Anmeldung zur Insolvenztabelle voraus
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Hamburg vom 18. September 2014 4 K 195/13 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss im Jahr 2003 mit einer
GmbH eine Vereinbarung zur Nutzung von Betriebstankstellen. Die GmbH war danach
berechtigt, mit den ihr überlassenen Tankkarten an bestimmten Tankstellen Kraftstoffe
zu beziehen. Nachdem die Geschäftsbeziehung --soweit ersichtlich-- zunächst
problemlos verlief, sind Zahlungen ab Februar 2007 abweichend vom vereinbarten
Zahlungsziel erst 20 bis 30 Tage nach Rechnungseingang eingegangen. Bis Mitte
Oktober 2007 sperrte die Klägerin die Tankkarten, schaltete sie jedoch Ende Oktober
2007 auf Bitten der GmbH wieder frei. Die Rechnung vom 30. November 2007 war am
18. Dezember 2007 und die Rechnung vom 31. Dezember 2007 war am 18. Januar
2008 fällig. Beide Rechnungen wurden von der GmbH nicht beglichen. Auf
Veranlassung der Klägerin wurde der GmbH ein Mahnbescheid und später ein
Vollstreckungsbescheid zugestellt.
2 Am 8. April 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH
eröffnet. Die Frist zur Anmeldung von Forderungen wurde auf den 2. Juni 2008
festgesetzt. Berichts- und Prüfungstermin war nach dem Eröffnungsbeschluss der
9. Juli 2008. Erst am 29. Dezember 2009 wurden die ausstehenden Forderungen der
Klägerin zur Insolvenztabelle angemeldet. Ausweislich der Insolvenztabelle wurden die
vom Insolvenzverwalter in voller Höhe anerkannten Forderungen am 1. August 2011
festgestellt. Für nachträglich angemeldete Forderungen wurden mehrere schriftliche
Prüfungstermine angesetzt.
3 Den von der Klägerin am 23. Dezember 2009 gestellten Antrag auf Entlastung von der
Energiesteuer gemäß § 60 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) lehnte der
Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit der Begründung ab,
die Klägerin habe ihren Anspruch durch die verspätete Anmeldung zur Insolvenztabelle
nicht konsequent gerichtlich verfolgt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
4 Das Finanzgericht (FG) urteilte, ein Entlastungsanspruch nach § 60 EnergieStG stehe
der Klägerin nicht zu, weil sie die Forderung weder bis zum Abschluss der
Anmeldefrist, d.h. bis zum 2. Juni 2008, noch bis zum Prüfungstermin am 9. Juli 2008
angemeldet habe. Erst am 29. Dezember 2009 sei die Anmeldung erfolgt. Mit ihrem
Vorbringen, sie habe die Forderung bereits mit Schreiben vom 13. Mai 2008, das an
diesem Tag erstellt und zur Abholung durch einen Dienstleister in den Postausgang
gegeben worden sei, zur Insolvenztabelle angemeldet, könne die Klägerin nicht
durchdringen. Allein die Abholung durch einen Postdienstleister könne den
erforderlichen Zugang beim Insolvenzverwalter nicht belegen. Hinsichtlich des
Zugangs der Anmeldung zur Insolvenztabelle trage die Klägerin die Feststellungslast.
Zudem habe es die Klägerin unterlassen, sich vom rechtzeitigen Eingang der
Anmeldung zu vergewissern.
5 Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, ob die Fristen, die im Rahmen eines
Insolvenzverfahrens zur Forderungsanmeldung gesetzt werden und keinen
Ausschlusscharakter haben oder Notfristen darstellen, im Entlastungsverfahren nach
§ 60 EnergieStG wie Ausschlussfristen zu behandeln sind, insbesondere, wenn der
Antragsteller die Frist unverschuldet versäumt habe. Die Entscheidung des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Januar 2011 VII R 11/10 (BFH/NV 2011, 1022) sei
nicht auf den Streitfall anwendbar, weil sie im Streitfall sowohl Kenntnis vom
Insolvenzverfahren als auch von der Frist zur Anmeldung zur Tabelle und auch
Kenntnis vom ersten Prüfungstermin gehabt habe. Lediglich das einem Kurierdienst
übergebene Schriftstück mit der Anmeldung zur Insolvenztabelle sei auf dem Weg
zum Insolvenzverwalter verloren gegangen. Das FG habe die unverschuldete
Versäumung der Anmeldefrist wie die Versäumung einer Not- oder Ausschlussfrist
behandelt. Im Mineralölhandel würden dadurch die Pflichten eines ordentlichen
Kaufmanns über § 347 des Handelsgesetzbuchs hinaus ausgedehnt. Dieser Punkt sei
klärungsbedürftig. Zudem bestehe eine nicht die entscheidungstragenden Gründe
betreffende Divergenz zum Senatsbeschluss vom 2. Februar 1999 VII B 247/98
(BFHE 188, 217, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1999, 305).
6 Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es hält die von der Klägerin
aufgeworfene Rechtsfrage für nicht klärungsbedürftig.
Entscheidungsgründe
7 II. Die Beschwerde ist unbegründet, denn der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage
kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
8 1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie
klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so
dass mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung,
7. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch,
wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut
und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu
beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die
Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom
18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom
31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage
auch nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung des BFH
hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen
sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH
geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 IX B 38/99, BFHE 188,
395, BStBl II 1999, 587).
9 a) In seinem Urteil in BFH/NV 2011, 1022 hat der BFH entschieden, dass zur
gerichtlichen Geltendmachung eines Kaufpreisanspruchs nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 der
Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) auch die rechtzeitige
Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle innerhalb der in § 28 Abs. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) festgelegten Anmeldefrist gehört. Diese Entscheidung kann
auf § 60 EnergieStG übertragen werden, denn das Erfordernis der rechtzeitigen
Mahnung ist auch nach der Aufhebung der MinöStV und dem Inkrafttreten des
EnergieStG unverändert geblieben (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 3 MinöStV und § 60 Abs. 1
Nr. 3 EnergieStG). Das Tatbestandsmerkmal "rechtzeitig", das sich nach der
Rechtsprechung des BFH nicht nur auf die Beantragung eines Mahnbescheids,
sondern auch auf die gerichtliche und insolvenzrechtliche Geltendmachung bezieht
(vgl. Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, § 60
EnergieStG Rz 26 f., m.w.N.), ist nur dann erfüllt, wenn der Mineralölhändler die
ausstehenden Forderungen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, spätestens im
Prüfungstermin, zur Insolvenztabelle anmeldet. Versäumt er dies und verschlechtert
er dadurch die Chancen auf eine zumindest teilweise Realisierung seiner
Forderungen, kann er die Folgen seiner Säumnis nicht auf die Allgemeinheit
abwälzen. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ist daher bereits geklärt und
bedarf keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren.
10 b) Soweit die Klägerin die Klärung der aufgeworfenen Frage unter dem Gesichtspunkt
einer unverschuldeten Versäumung insolvenzrechtlich festgelegter Fristen begehrt,
fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Das FG hat ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass es im Streitfall offenbleiben kann, inwieweit die Klägerin
schuldhaft gehandelt hat, weil sie das Risiko des Zugangs der Forderungsanmeldung
trägt und weil sie erst über ein Jahr nach Ablauf der Anmeldefrist des § 28 Abs. 1
InsO tätig geworden ist. Auch habe sie sich nicht über den Eingang der
Forderungsanmeldung vergewissert. Diese Ausführungen tragen die erstinstanzliche
Entscheidung, so dass auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens an einer
nicht fristgerechten Forderungsanmeldung der von der Beschwerde formulierten
Frage keine Klärungsbedürftigkeit zukommt.
11 2. Mit ihren Ausführungen zur Rechtsauffassung des FG, dass der Anmelder einer
Insolvenzforderung und Antragsteller nach § 60 EnergieStG den Zugang des
Schriftstücks beim Insolvenzverwalter nachweisen müsse, wendet sich die Klägerin
gegen die materiell-rechtliche Würdigung durch das FG. Dieses Vorbringen kann
jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen. Fehler bei der Auslegung und
Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich
gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl.
Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 VII B 94/13, BFH/NV 2014, 697, m.w.N.;
Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Denn das
prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die
Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten (Senatsbeschluss
vom 27. Juni 2012 VII B 57/11, BFH/NV 2012, 1623).
12 3. Soweit die Klägerin eine Abweichung des Urteils des FG von der
Senatsentscheidung in BFHE 188, 217, ZfZ 1999, 305 geltend macht, genügen die
Ausführungen nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine
entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den
Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche
Entscheidung gebieten. Rügt er eine Abweichung von Entscheidungen des BFH, so
muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG
einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits
herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu
verdeutlichen (Senatsbeschlüsse vom 5. Juni 2014 VII B 49/13, BFH/NV 2014, 1756,
und vom 7. Mai 2013 VII B 102/12, BFH/NV 2013, 1428).
13 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, denn entsprechend
herausgearbeitete und gegenübergestellte Rechtssätze zur Darlegung der
vermeintlichen Divergenz sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Darüber hinaus führt die Klägerin selbst aus, dass die von ihr behauptete Divergenz
nicht in den entscheidungstragenden Gründen besteht. Eine Abweichung wäre somit
nicht entscheidungserheblich, so dass es auch aus diesem Grund keiner Zulassung
der Revision bedarf.
14 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.