Urteil des BFH vom 30.03.2015

Verbindliche Zolltarifauskunft: Zulässigkeit der Erhebung von abweichenden Einfuhrabgaben für gleiche Waren

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.3.2015, VII B 117/14
Verbindliche Zolltarifauskunft: Zulässigkeit der Erhebung von abweichenden Einfuhrabgaben
für gleiche Waren
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts Hamburg vom 11. Juni 2014 4 K 147/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin
(Klägerin) formulierte Rechtsfrage, ob die von ihr vertriebenen Waren --wie der Beklagte
und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) mit den streitigen verbindlichen
Zolltarifauskünften (vZTA) meint-- in die Unterpos. 8472 90 70 der Kombinierten
Nomenklatur --KN-- (andere Büromaschinen und -apparate) oder in die von der Klägerin
für richtig gehaltene Unterpos. 8422 40 00 KN (andere Maschinen und Apparate zum
Verpacken oder Umhüllen von Waren) einzureihen sind, gibt der Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
2 1. Der Klärungsbedarf dieser Einreihungsfrage ergibt sich entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht daraus, dass die nämliche Ware mit der britischen vZTA GB … vom
27. November 2013 in die Pos. 8422 KN eingereiht wurde.
3 a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die für die Einfuhrabfertigung zuständige
Zollstelle bei der Einreihung der Einfuhrware in die KN rechtlich nicht an die Tarifierung
dieser Ware anlässlich anderer Einfuhrabfertigungen durch eine andere Zollstelle
gebunden.
4 Zwar folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
aus dem Gleichheitssatz sowie aus dem Gebot der einheitlichen Anwendung des
Unionsrechts, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung
ihres Sinns und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten
verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und
einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteile vom 29. Juli 2010 C-151/09-UGT-FSP-,
Slg. 2010, I-7591; vom 21. Oktober 2010 C-467/08-SGAE-, Slg. 2010, I-10055, jeweils
m.w.N.).
5 Aus dem Gleichheitssatz folgt allerdings nicht die Verpflichtung der Zollbehörde, bei der
tariflichen Einreihung einer bestimmten Ware die Tarifauffassung anderer Zollstellen ohne
Rücksicht auf deren Richtigkeit zu übernehmen. Entscheidend ist vielmehr allein, welche
zolltarifliche Einreihung die zutreffende ist. Erweist sich daher die Tarifierung einer
bestimmten Ware durch eine Zollstelle als unzutreffend, kann in einem anderen Einfuhrfall
der Einführer nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der für ihn zuständigen
Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung
zugrunde legt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2011 VII B 133/10, BFH/NV 2011,
1200, m.w.N.).
6 Eine gegebenenfalls erforderliche einheitliche Auslegung erhalten klärungsbedürftige
Zolltariffragen entweder durch eine zolltarifliche Entscheidung des EuGH auf Vorlage
eines nationalen Gerichts in einem bestimmten Streitfall oder --bei voneinander
abweichenden vZTA für dieselbe Ware-- durch eine Maßnahme der Kommission gemäß
dem Verfahren nach Art. 9 der Zollkodexdurchführungsverordnung (Senatsurteil vom
30. Juli 2003 VII R 40/01, BFH/NV 2004, 835, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --
ZfZ-- 2004, 126).
7 b) Jedenfalls hat das HZA zu Recht darauf hingewiesen, dass die britische Zollverwaltung
die von ihr erteilte vZTA zwischenzeitlich aufgehoben hat (die unter dem 18. März 2015
zuletzt aktualisierte vZTA-Datenbank der Europäischen Kommission enthält die vZTA
GB … nicht mehr).
8 2. Dem sonstigen Vorbringen der Klägerin kann der Senat keine Anhaltspunkte für eine
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache entnehmen.
9 Geht es --wie im Streitfall-- allein darum, ob die betreffende Ware zutreffend in den Zolltarif
eingereiht worden ist, beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche
Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll, auf die Frage der zutreffenden
Tarifierung, so kommt der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer
ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Der
Beschwerdeführer muss unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen
Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der
einschlägigen Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.) Zweifel an der Einreihung
der Ware durch das Finanzgericht (FG) wecken und aufzeigen, aus welchen Gründen
seiner abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor derjenigen des FG
gegeben werden könnte (Senatsbeschluss vom 11. Februar 2002 VII B 136/01, BFHE
198, 242, ZfZ 2002, 229).
10 Der Beschwerdebegründung ist --zusammengefasst-- nur zu entnehmen, dass die
Klägerin die Wareneinreihung in die Pos. 8472 KN durch das HZA und das FG für "nicht
korrekt", demgegenüber die Einreihung in die Pos. 8422 KN für "ohne Weiteres möglich
und ... auch richtig" hält. Wie sich nämlich schon aus der von der Klägerin selbst
gewählten Formulierung, "die Auslegung ... des Finanzgerichts engt den
Anwendungsbereich der Position 8422 zu sehr und unzulässig ein" ergibt, zeigt die
Klägerin keinen vom FG seiner Entscheidung zu Grunde gelegten abstrakten Rechtssatz
auf, der einer grundsätzlichen Überprüfung im Revisionsverfahren bedürfte, sondern
wendet sich gegen die Subsumtion der streitigen Waren unter die für falsch gehaltene
Tarifposition. Damit aber macht sie einen Rechtsanwendungsfehler des FG im Einzelfall
geltend, der unter keinen der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten
Revisionszulassungsgründe fällt. Zwar ist die Revision auch zuzulassen, wenn ein
Rechtsfehler des FG zu einer "greifbar gesetzwidrigen", auf sachfremden Erwägungen
beruhenden und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbaren Entscheidung geführt
hat. Anhaltspunkte dafür finden sich in der ausführlich und nachvollziehbar begründeten
FG-Entscheidung nicht. Unterhalb dieser Grenze liegende Rechtsfehler reichen --wenn
sie denn vorlägen-- nicht aus, um die Revision zuzulassen (ständige Rechtsprechung,
vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 21. August 2014 X B 159/13, BFH/NV 2014,
1743, m.w.N.).
11 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.