Urteil des BFH vom 10.03.2016

Berücksichtigung des Verlusts aus der Veräußerung einer Beteiligung am Arbeitgeber als Werbungskosten - Keine grundsätzliche Bedeutung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 10.3.2016, VI B 132/15
Berücksichtigung des Verlusts aus der Veräußerung einer Beteiligung am Arbeitgeber als
Werbungskosten - Keine grundsätzliche Bedeutung
Tenor
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des
Finanzgerichts München vom 20. November 2015 8 K 2376/13 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe
1 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss
zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen
der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vertretenen Ansicht kommt der
Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
2 a) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Verlust aus der Veräußerung
einer Kapitalbeteiligung am Arbeitgeber (hier: Aktien) als Erwerbsaufwand bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen ist, weil ein
Beteiligungserwerb Voraussetzung für das Arbeitsverhältnis (Einnahmequelle) war, hat
keine grundsätzliche Bedeutung.
3 b) Ob (und unter welchen Voraussetzungen) ein Beteiligungsverlust zu
Werbungskosten führt, ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
hinreichend geklärt. Für eine neuerliche Leitentscheidung besteht kein Klärungsbedarf.
Entsprechend der einkommensteuerlichen Systematik bleiben Verluste in der privaten
Vermögenssphäre bei der Einkünfteermittlung im Rahmen der Überschusseinkünfte
i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) --
abgesehen von den in §§ 17 und 23 EStG genannten Ausnahmen-- außer Betracht.
Dieser Grundsatz gebietet es auch, Wertänderungen eines Wirtschaftsguts im Falle
seiner Veräußerung (Veräußerungsgewinn bzw. -verlust) außer Ansatz zu lassen
(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466,
BStBl II 1990, 830, 836; Senatsurteil vom 24. Mai 2000 VI R 28/97, BFHE 191, 552,
BStBl II 2000, 474; Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013 VI B 7/13, BFH/NV 2013, 1922;
vgl. auch Grube in Festschrift für Franz Klein, Steuerrecht, Verfassungsrecht,
Finanzpolitik 1994, S. 913, 923).
4 c) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können allerdings private
Vermögensverluste unter Beachtung des objektiven Nettoprinzips als Erwerbsaufwand
berücksichtigt werden, wenn besondere Umstände den Schluss rechtfertigen, dass die
Gründe für die unfreiwilligen (völligen oder teilweisen) Verluste in der Berufs- bzw.
Erwerbssphäre liegen. So wurde Erwerbsaufwand anerkannt, wenn der Verlust bei der
beruflichen Verwendung eintritt oder die Einwirkung auf das betreffende Wirtschaftsgut
aus in der Berufssphäre liegenden Gründen erfolgt (Senatsurteil vom 17. September
2009 VI R 24/08, BFHE 226, 321, BStBl II 2010, 198; vgl. Senatsbeschlüsse vom
29. April 2009 VI B 126/08, BFH/NV 2009, 1267; vom 20. August 2008 VI B 17/08,
BFH/NV 2009, 13; vom 22. Februar 2007 VI B 99/06, BFH/NV 2007, 1297; vom
10. November 2005 VI B 47/05, BFH/NV 2006, 296, m.w.N.; Schmidt/Loschelder,
EStG, 34. Aufl., § 9 Rz 75 ff. und 85; Schneider, Der Betrieb, Beilage 6/2006, S. 51,
56 f.; umfassend: Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 190 ff., und
Anmerkung von Kühnen in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 831, 832 mit
einschlägigen Beispielsfällen). Gemeinsam ist solchen berücksichtigungsfähigen
Verlusten, dass das Wirtschaftsgut einem spezifischen Risiko der Erwerbshandlung
ausgesetzt und aus diesem Grunde der Verlust eingetreten ist.
5 d) Daraus ergibt sich, dass allenfalls der Verlust privater Wirtschaftsgüter, nicht jedoch
bloße Wertveränderungen infolge von Verwertungsmaßnahmen zu Werbungskosten
führen können. Die Gründe, die zu einer Verwertung geführt haben, spielen dabei
grundsätzlich keine Rolle (Senatsbeschlüsse in BFH/NV 2006, 296, und in BFH/NV
2013, 1922). Deshalb liegt nach Ansicht des BFH bei wertender Betrachtung
beispielsweise kein hinreichend --den Bezug zum Vermögen überlagerndes--
berufsspezifisches Risiko vor, wenn der Erwerb der Beteiligung Voraussetzung für die
Teilnahme an einem Anreizlohnprogramm ist und die Anzahl der erworbenen Aktien
dessen Bemessungsgrundlage bildet (Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 1922) oder
der Arbeitnehmer (Partner einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) den Aktienverlust zur
Vermeidung einer Kündigung realisiert, weil sein Arbeitgeber nach Übernahme des
Mandats der betreffenden Aktiengesellschaft zur Wahrung von Unabhängigkeitsregeln
auf dem Verkauf der Anteile besteht (Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 13).
6 e) Gleiches gilt für den Streitfall. Auch hier betrifft das Schicksal der Kapitalanlage die
private Vermögenssphäre des Klägers. Einen hinreichenden Bezug des
Veräußerungsverlustes (wie auch eines etwaigen Veräußerungsgewinns) auf die
Erwerbs-und Berufssphäre des Klägers konnte das Finanzgericht --bei wertender
Betrachtung-- rechtsfehlerfrei verneinen. Denn allein der Umstand, dass der Erwerb
der Beteiligung Voraussetzung für die Anstellung des Klägers war, genügt hierfür nicht.
Auch stellt die Veräußerung der Aktien eine selbständig zu würdigende
Vermögensverfügung dar, die nicht zwingend auf denselben Motiven gründen muss
wie der zeitlich vorangehende Erwerb der Beteiligung selbst (vgl. Senatsurteil vom
25. November 2010 VI R 34/08, BFHE 232, 86, BStBl II 2012, 24).
7 2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
8 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.