Urteil des BFH vom 10.03.2016

Rückwirkende Bildung einer Rücklage nach § 6c EStG bei Erhöhung der Gegenleistung aus einer Grundstücksveräußerung - Begriff des Wirtschaftsguts - notwendige Beiladung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.3.2016, IV R 41/13
Rückwirkende Bildung einer Rücklage nach § 6c EStG bei Erhöhung der Gegenleistung aus einer Grundstücksveräußerung -
Begriff des Wirtschaftsguts - notwendige Beiladung
Leitsätze
Der Steuerpflichtige kann die Rücklage nach § 6c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6b Abs. 3 EStG rückwirkend bilden, wenn sich der
Veräußerungspreis in einem späteren Veranlagungszeitraum erhöht und dadurch erstmals ein Veräußerungsgewinn
entsteht.
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. Oktober 2013 3 K 487/12
aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 26. November 2012 wird mit der Maßgabe geändert, dass die
Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 17.659 EUR
festgesetzt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
1
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger ist Landwirt und ermittelt den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Einnahmen-
Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2009) maßgebenden
Fassung (EStG).
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Im Februar 2007 schloss der Kläger mit der Windpark X GmbH & Co. KG (KG) einen Nutzungsvertrag.
Vertragszweck war die Überlassung von Flächen durch den Kläger an die KG zur Errichtung und zum Betrieb einer
Windenergieanlage. Nach § 13 Nr. 2 des Nutzungsvertrages verpflichtete sich der Kläger, bei einem
Eigentümerwechsel der belasteten Fläche in den zugrunde liegenden Übertragungsvertrag eine Klausel
aufzunehmen, wonach der Erwerber in alle Verpflichtungen eintrete, die sich aus diesem Nutzungsvertrag sowie der
im Grundbuch eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit und Vormerkung gegenüber den Berechtigten,
insbesondere dem Anlagenbetreiber und der finanzierenden Bank ergeben. Eine Genehmigung für die Errichtung des
Windparks lag zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vor.
3
Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2007 (im Folgenden Kaufvertrag) veräußerte der Kläger einen Teil der
mit dem Nutzungsrecht belasteten Grundstücksflächen mit einer Gesamtgröße von 161.979 qm für einen
"Kaufpreis" in Höhe von 114.000 EUR an den Käufer B. Der Übergang von Nutzungen und Lasten fand mit der
Zahlung am 28. Februar 2008 statt. Der Buchwert der veräußerten Flächen betrug 120.779,79 EUR.
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Nach § 3 Buchst. b des Kaufvertrages wurden alle in dem Nutzungsvertrag vereinbarten Verpflichtungen von dem
Käufer übernommen. In § 3 Buchst. a dieses Vertrages wurde für den Fall, dass "die Firma [...] den vorgenannten
Grundbesitz mit Windenergieanlagen bebauen" sollte, vereinbart, dass der Käufer eine einmalige
Entschädigungsprovision in Höhe des mit dem Faktor Elf multiplizierten Jahrespachtpreises als
Gesamtentschädigungsbetrag an den Kläger zu leisten habe.
5
In der Anlage zu der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 ermittelte der Kläger aus dem Verkauf des
Grund und Bodens einen gemäß § 55 Abs. 6 EStG nichtabzugsfähigen Verlust in Höhe von 6.779,79 EUR (=
114.000 EUR ./. 120.779,79 EUR).
6
Im Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010 wurde der von dem Kläger veräußerte Grundbesitz mit
Windenergieanlagen bebaut. Der Käufer zahlte entsprechend der Vereinbarung im Kaufvertrag eine
"Entschädigungsprovision" in Höhe von insgesamt 123.780,35 EUR im Jahr 2010 an den Kläger.
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Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr legten die Kläger eine Berichtigung der Anlage zu der
Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 vor und behandelten die Zahlung in Höhe von 123.780,35 EUR als
nachträgliche Kaufpreiszahlung für den Grund und Boden. Sie beantragten, den dadurch entstandenen Gewinn aus
der Veräußerung in Höhe von 117.000,56 EUR --ebenfalls rückwirkend für das Wirtschaftsjahr 2007/2008-- in eine
Rücklage nach § 6c EStG einzustellen. Von dieser sollten für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 17.650 EUR (zuzüglich
Zinsen in Höhe von von 2.118 EUR) --und damit hälftig im Streitjahr-- gewinnerhöhend aufgelöst werden.
8
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dieser Erklärung nicht und sah die
"Entschädigungsprovision" nicht als nachträglichen Veräußerungserlös für den Grund und Boden, sondern als
Entschädigung für die Übertragung der Rechte aus dem Nutzungsvertrag an. Da das FA die Bildung der Rücklage
nicht zuließ, verminderte es den für das Kalenderjahr 2009 in Höhe von 17.699 EUR erklärten Gewinn aus Land-
und Forstwirtschaft um (17.650 EUR + 2.118 EUR = 19.768 EUR / 2 =) 9.884 EUR auf 7.815 EUR und setzte die
Einkommensteuer für das Streitjahr durch Einkommensteuerbescheid vom 1. September 2011 mit Null EUR fest.
9
Der Einspruch blieb erfolglos. Obwohl während des finanzgerichtlichen Verfahrens am 26. November 2012 ein
geänderter Einkommensteuerbescheid 2009 erging, in dem der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde,
wies das Finanzgericht (FG) die gegen den Einkommensteuerbescheid vom 1. September 2011 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2012 gerichtete Klage, mit der eine Erhöhung des Gewinns aus Land- und
Forstwirtschaft lediglich um 9.844 EUR beantragt worden ist, mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2014, 126 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die "Entschädigungsprovision"
sei als nachträgliche Kaufpreiszahlung für die Veräußerung von Grund und Boden zu beurteilen und könne in eine
Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG eingestellt werden. Das Nutzungsrecht sei untrennbar mit dem Grund und Boden
verbunden und könne nicht separat veräußert werden. Verfahrensfehlerhaft sei der Käufer der Grundstücksfläche
nicht notwendig beigeladen worden. Darüber hinaus habe das FG im Rahmen der Vertragsauslegung nicht
beachtet, dass bei der Frage, ob eine Entschädigungszahlung ein immaterielles Wirtschaftsgut oder eine
nachträgliche Kaufpreiserhöhung darstelle, der Vergleich des veräußerten Grundstücks mit einer anderen
unbebauten, landwirtschaftlich genutzten Grundstücksfläche gleicher Güte von großer Wichtigkeit sei. Es hätte
ermitteln müssen, wie hoch die Differenz des Verkehrswerts eines Grundstücks mit und ohne Genehmigung zur
Errichtung eines Windparks sei.
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Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 26. November
2012 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften aus Land- und
Forstwirtschaft in Höhe von 17.659 EUR festgesetzt wird.
12
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Das FA führt im Wesentlichen aus, die "Entschädigungsprovision" sei kein Teil der Gegenleistung für den Grund und
Boden, sondern Gegenleistung für das vereinbarte Nutzungsrecht zur Errichtung eines Windparks. Dokumentiert
werde dies durch die Höhe des Kaufpreises für den Grund und Boden. Der für die veräußerten Flächen erzielte
Kaufpreis in Höhe von 114.000 EUR entspreche etwa dem Verkehrswert in Höhe von 106.000 EUR. § 6b EStG
begünstige nur die Veräußerung des Grund und Bodens als solchen, aber nicht die Veräußerung von Rechten, den
Grund und Boden zu nutzen, also z.B. nicht die Veräußerung eines Erbbaurechts, Nießbrauchs oder Pachtrechts.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des
angefochtenen Bescheids dahingehend, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Einkünften aus
Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 17.659 EUR festzusetzen ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--).
15
1. Das Urteil des FG ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.
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a) Es kann keinen Bestand haben, weil das FG über den nicht mehr wirksamen Einkommensteuerbescheid 2009
vom 1. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Oktober 2012 entschieden hat. Das FA hat
während des Klageverfahrens am 26. November 2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2009
erlassen, der gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist (vgl. z.B. Urteile des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. März 2001 VIII R 44/99, BFH/NV 2001, 1133; vom 28. Mai 2015 IV R 27/12,
BFHE 249, 544, BStBl II 2015, 837). Dem FG-Urteil liegt damit ein in seiner Wirkung suspendierter Bescheid
zugrunde.
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Daraus folgt jedoch noch nicht, dass das Verfahren zwingend an das FG zurückzuverweisen ist. Berührt der
Änderungsbescheid --wie im Streitfall-- die streitige Frage nicht, stellen die Kläger in diesem Zusammenhang keinen
weiter gehenden Antrag und gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass das FG bewusst über den früheren Bescheid
entschieden hat, bedarf es keiner Zurückverweisung. Im Hinblick auf den Normzweck des § 68 FGO, das Verfahren
aus prozessökonomischen Gründen fortzusetzen, reicht nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Richtigstellung
in der Rechtsmittelentscheidung aus (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 15/10, BFHE 241, 323, BStBl II 2013, 858,
m.w.N.). Die vorliegend streitigen Punkte sind unverändert geblieben; der Senat sieht daher wegen Spruchreife der
Sache von einer Zurückverweisung ab und entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO in
der Sache selbst.
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b) Zutreffend hat das FG davon abgesehen, den Käufer des Grund und Bodens nach § 60 Abs. 3 FGO notwendig
beizuladen.
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Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO hat eine Beiladung dann zu erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte
derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist
der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar
Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (z.B. BFH-
Urteil vom 19. April 1988 VII R 56/87, BFHE 153, 472, BStBl II 1988, 789).
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Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Ausgang des Rechtsstreits wirkt sich nicht auf Rechte des Käufers aus.
Eine Wertverknüpfung dergestalt, dass der bei dem Kläger angesetzte Veräußerungspreis auch für den B bindend
wäre, sieht das Gesetz nicht vor, so dass durch den Rechtsstreit steuerrechtliche Belange des B nicht betroffen
sind.
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2. Die Klage ist zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass sich die Kläger gegen einen
Bescheid wenden, mit dem die Einkommensteuer für das Streitjahr auf Null EUR festgesetzt wurde. Zwar belastet
eine solche Steuerfestsetzung den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht, weshalb eine Anfechtungsklage gegen einen
sog. Nullbescheid im Allgemeinen unzulässig ist. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die zu
niedrige Steuerfestsetzung sich in bindender Weise auf einem anderen rechtlichen Gebiet ungünstig auswirkt, weil
der Regelungsgehalt des Steuerbescheids ausnahmsweise über die bloße Steuerfestsetzung hinausreicht (z.B. BFH-
Urteil vom 7. Mai 2013 VIII R 17/09, BFH/NV 2013, 1581, Rz 14). Das ist hier der Fall. Denn über die Frage, ob und
in welchem Umfang eine Rücklage nach § 6c EStG wirksam gebildet worden ist, wird erstmals und ausschließlich in
dem Einkommensteuerbescheid verbindlich entschieden, in dem sich die Bildung, Auflösung oder teilweise
Übertragung der Rücklage auf ein Reinvestitionsobjekt erstmalig gewinnwirksam auswirkt. Dies ist hier der
Einkommensteuerbescheid des Streitjahres (dazu unten II.3.c cc).
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3. Die Klage ist auch begründet. Zu Unrecht hat das FG den als "Entschädigungsprovision" bezeichneten Teil des
Kaufpreises für den Verkauf des unbebauten Grund und Bodens als Entgelt für ein selbständiges Wirtschaftsgut
"Nutzungsrecht" angesehen und die Bildung einer Rücklage gemäß § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 6b EStG
abgelehnt.
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a) Steuerpflichtige, die Grund und Boden veräußern, können nach § 6b Abs. 1 EStG und bei Vorliegen der in § 6b
Abs. 4 EStG genannten, im Streitfall nicht streitigen Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr der Veräußerung einen
Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns von Anschaffungs- und Herstellungskosten
bestimmter anderer Wirtschaftsgüter abziehen. Soweit dieser Abzug nicht vorgenommen wird, kann im
Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 EStG).
Ermittelt der Steuerpflichtige --wie im Streitfall der Kläger-- seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, ist § 6b EStG mit
Ausnahme des § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG entsprechend anzuwenden. Soweit nach § 6b Abs. 3 EStG eine
Rücklage gebildet werden kann, ist ihre Bildung als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als
Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem
die Rücklage bestanden hat (§ 6c Abs. 1 Satz 2 EStG). Soweit eine nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete
Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach Abs. 3 abgezogen wird, ist
nach § 6b Abs. 7 EStG der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle
Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen.
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§ 6b Abs. 1 EStG begünstigt nur die Veräußerung des "nackten" Grund und Bodens. Der Begriff "Grund und Boden"
wird daher enger gefasst als der Begriff "Grundstück" nach bürgerlichem Recht (§ 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
--BGB--). Ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne kann einkommensteuerrechtlich aus mehreren
Wirtschaftsgütern bestehen, nämlich einerseits aus dem Grund und Boden und andererseits beispielsweise aus
dem aufstehenden Gebäude, Anlagen auf oder im Grund und Boden, aber auch einem im Grund und Boden
ruhenden, aber bereits entdeckten und in den wirtschaftlichen Verkehr gebrachten Bodenschatz (BFH-Urteil vom
24. August 1989 IV R 38/88, BFHE 158, 250, BStBl II 1989, 1016, m.w.N.). Bei der Veräußerung eines
Grundstücks, welches einkommensteuerrechtlich aus zwei oder mehr selbständigen Wirtschaftsgütern besteht,
muss dann der auf den Grund und Boden entfallende Anteil am Veräußerungsgewinn ggf. gesondert ermittelt
werden, da z.B. die nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG bestehenden Übertragungsmöglichkeiten bei den einzelnen
veräußerten Wirtschaftsgütern unterschiedlich sind oder, wie bei der Veräußerung eines Bodenschatzes, gar keine
Übertragungsmöglichkeit besteht (BFH-Urteil vom 20. März 2003 IV R 27/01, BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878).
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b) Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, dass der Kläger neben dem "nackten" Grund und Boden noch ein
selbständiges Wirtschaftsgut "Nutzungsrecht" veräußert hat und mithin der Veräußerungserlös in Höhe von
114.000 EUR auf den Grund und Boden einerseits und in Höhe von 123.780,35 EUR auf das Nutzungsrecht
andererseits aufzuteilen ist. Vielmehr betrug der Gesamtkaufpreis für den veräußerten Grundbesitz
237.780,35 EUR, weil die Möglichkeit, auf der streitbefangenen Landwirtschaftsfläche eine Windenergieanlage zu
betreiben, lediglich einen wertbildenden Faktor darstellt.
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aa) Der Begriff des Wirtschaftsguts ist weit gespannt. Nach der Rechtsprechung gehören dazu Sachen, Rechte oder
tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich
etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere
Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 202,
256, BStBl II 2003, 878, m.w.N.; das Erfordernis der Mehrjährigkeit des Vorteils verneinend BFH-Urteil vom
26. November 2014 X R 20/12, BFHE 248, 34, BStBl II 2015, 325, Rz 32). Von den selbständigen
Wirtschaftsgütern abzugrenzen sind die unselbständigen Teile, die wertbildenden Faktoren, wie z.B.
geschäftswertbildende Rechtsreflexe oder Nutzungsvorteile eines Wirtschaftsguts.
27
bb) Ausgehend von dieser Definition hat der BFH etwa in dem durch die Milch-Garantiemengen-Verordnung
geschaffenen Milchanlieferungsrecht, das dem Berechtigten Vorteile gewährt, weil er für weiter gehende
Anlieferungen Abgaben zu zahlen hat, ein eigenständiges, vom Grund und Boden abgespaltenes, immaterielles
Wirtschaftsgut gesehen (Urteile vom 5. März 1998 IV R 23/96, BFHE 185, 435, BStBl II 2003, 56; vom 24. August
2000 IV R 11/00, BFHE 192, 547, BStBl II 2003, 64; vgl. auch Urteil vom 10. Juni 2010 IV R 32/08, BFHE 230,
332, BStBl II 2012, 551). Ebenso hat der erkennende Senat entschieden, dass das betriebsgebundene
Zuckerrübenlieferrecht ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut und nicht Bestandteil des Grund und Bodens
ist (BFH-Urteile vom 24. Juni 1999 IV R 33/98, BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58; vom 11. September 2003
IV R 53/02, BFHE 203, 454, BStBl II 2010, 184; vom 9. September 2010 IV R 2/10, BFHE 230, 453, BStBl II 2011,
171). Auch Bodenschätze wie Salz-, Kies-, Stein- und Sandvorkommen werden danach, sobald sie zur nachhaltigen
Nutzung in den Verkehr gebracht werden, als selbständige, neben dem Grund und Boden bestehende
Wirtschaftsgüter bewertet (BFH-Urteile vom 4. September 1997 IV R 88/96, BFHE 184, 400, BStBl II 1998, 657;
vom 24. Januar 2008 IV R 45/05, BFHE 220, 366, BStBl II 2009, 449; vgl. aber auch BFH-Urteil vom 13. Juli 2006
IV R 51/05, BFH/NV 2006, 2064; zur "Ackerprämienberechtigung" s. BFH-Urteil vom 30. September
2010 IV R 28/08, BFHE 231, 144, BStBl II 2011, 406). Die gleiche Beurteilung als gesondertes Wirtschaftsgut gilt
auch für die durch die Aussolung eines Salzstockes entstehenden Hohlräume, wenn sie in einem anderen Nutzungs-
und Funktionszusammenhang stehen als die Oberfläche des Grund und Bodens (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1982
IV R 19/79, BFHE 137, 255, BStBl II 1983, 203).
28
cc) In Abgrenzung dazu hat der Senat ein vom Grund und Boden verselbständigtes Wirtschaftsgut "Auffüllrecht für
die Verbringung von Klärschlamm auf ein Grundstück" verneint. Das Auffüllrecht am Grundstück sei als
Nutzungsberechtigung von der erteilten Baugenehmigung zur Errichtung eines Klärschlammzwischenlagers erfasst.
Die Möglichkeit, ein Grundstück unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften für ein konkretes
Bauvorhaben zu nutzen, sei untrennbar mit dem Grund und Boden verbunden und habe nicht zur Folge, dass diese
Nutzungsmöglichkeit als besonderes Wirtschaftsgut neben dem Grund und Boden anzusehen sei. Erst die
Errichtung der von der Baugenehmigung erfassten baulichen Anlage führe zur Entstehung eines weiteren,
gegenüber dem Grund und Boden selbständigen Wirtschaftsguts "bauliche Anlage". Eine Verselbständigung des
Auffüllrechts komme auch nicht deshalb in Betracht, weil die Kaufvertragsparteien dem Auffüllrecht bei der
Kaufpreisgestaltung einen eigenen Wert beigemessen hätten. Die bloße Möglichkeit der Nutzung des Grundstücks
für die konkreten betrieblichen Zwecke des Käufers stelle für diesen lediglich einen wertbildenden Faktor des
Grundstücks dar, dem allein für die grundsätzliche Kaufentscheidung und für die Kaufpreisgestaltung Bedeutung
zukomme (BFH-Urteil in BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878).
29
dd) Unter Heranziehung dieser Rechtsprechung ist die Möglichkeit, auf der streitbefangenen Landwirtschaftsfläche
eine Windenergieanlage zu betreiben, nicht als selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut, sondern als
wertbildender Faktor anzusehen.
30
(1) Die Möglichkeit des Grundstückskäufers B, Erträge, hier in Form von Nutzungsentgelten, mit dem Grundbesitz
zu erzielen, lässt noch kein selbständiges Wirtschaftsgut "Nutzungsrecht" entstehen, das einer selbständigen
Bewertung zugänglich ist. Der Möglichkeit, auf der Landwirtschaftsfläche eine Windenergieanlage zu errichten, zu
unterhalten und zu betreiben sowie die Zuwegungen zu errichten und zu benutzen und Anschlüsse an das
öffentliche Stromleitungsnetz zu verlegen, kann keine andere Bedeutung beigemessen werden als der
Bebauungsmöglichkeit einer Landwirtschaftsfläche. Zwar weist ein bisher etwa als Ackerfläche genutztes
Grundstück, welches aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften bebaut werden kann, gegenüber einer
nicht bebaubaren Ackerfläche einen erheblich höheren Verkehrswert auf. Gleichwohl folgt aus der baurechtlichen
Genehmigungsfähigkeit eines grundstücksbezogenen Bauvorhabens nicht, dass im Fall des Grundstücksverkaufs der
Kaufpreis auf den Grund und Boden und die Bebauungsberechtigung aufgespalten werden könnte. Die baurechtliche
Nutzungsmöglichkeit ist vielmehr lediglich eine dem Grundstück anhaftende wertbildende Eigenschaft, die
regelmäßig in die Kaufpreisfindung einfließen wird (BFH-Urteil in BFHE 231, 144, BStBl II 2011, 406, Rz 22).
31
Nichts anderes kann für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs
eines Windparks gelten, da auch sie nur an eine bestimmte Nutzungsmöglichkeit für das Grundstück anknüpft. Die
Möglichkeit, ein Grundstück unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die Errichtung und den
Betrieb einer konkreten Anlage zu nutzen, ist untrennbar mit dem Grund und Boden verbunden und hat nicht zur
Folge, dass diese Nutzungsmöglichkeit als besonderes Wirtschaftsgut neben dem Grund und Boden anzusehen
wäre. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Windpark-Gesamtvorhabens ist ein vorhaben- oder
anlagenbezogener und standortbezogener Verwaltungsakt, der in seinem Umfang auch andere die Anlage
betreffende Genehmigungen, insbesondere eine Baugenehmigung, einschließt (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2004 4 C 9/03, BVerwGE 121, 182). Von der Genehmigung zur
Errichtung und zum Betrieb des Windparks ist damit gleichzeitig die Nutzung des betreffenden Grund und Bodens
als Standort der einzelnen Windenergieanlage im Rahmen des Gesamtvorhabens umfasst. Die Nutzung hängt
daher untrennbar mit dem Recht auf Errichtung und Betrieb der Anlage zusammen und ist keiner isolierten
rechtlichen Betrachtung und Bewertung zugänglich. Erst die Errichtung der von der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung erfassten Windenergieanlage und der Zuwegung führt zur Entstehung von weiteren, gegenüber
Grund und Boden selbständigen Wirtschaftsgütern (s. dazu BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 IV R 41/10,
BFH/NV 2014, 847, m.w.N.).
32
(2) Darüber hinaus konnte der Kläger ein "Nutzungsrecht" schon deshalb nicht veräußern, weil dieses aufgrund der
vor der Veräußerung abgeschlossenen Nutzungsvereinbarung nur dem Anlagenbetreiber zustand. Der
Grundstückskäufer hat mit dem Kaufvertrag (§ 3 Buchst. b) nur die dem Kläger gegenüber dem Anlagenbetreiber
aus der Nutzungsvereinbarung obliegenden Pflichten übernommen und damit die gesetzliche Rechtsfolge "Kauf
bricht nicht Miete" (s. § 593b BGB i.V.m. § 567a BGB i.V.m. § 566 BGB) ausgelöst. Mit dem Grundstück wurde
daher nicht ein Nutzungsrecht, sondern dessen abstrakte Nutzungsmöglichkeit erworben. Diese an den
baurechtlichen Gegebenheiten orientierte Nutzungsmöglichkeit ist aber --wie oben dargelegt-- ein wertbildender
Faktor des Grundstücks und kein selbständiges Wirtschaftsgut. Anders als das FG und das FA meinen, konnte ein
selbständiges Wirtschaftsgut "Nutzungsrecht" deshalb auch nicht dadurch entstehen, dass die Parteien des
Kaufvertrags der Bebauung des Grundbesitzes mit Windenergieanlagen durch die KG und der damit verbundenen
Pachtzahlung durch den Energieanlagenbetreiber bei der Kaufpreisgestaltung einen eigenen Wert beigemessen
haben. Tatsächlich konnte der Kläger nur Grundstücke an B verkaufen, welche aufgrund ihrer Eigenschaften und
Lage dem Erwerber die Verpachtung an Energieanlagenbetreiber ermöglichten, weil diese dort unter Beachtung der
öffentlich-rechtlichen Vorschriften Windenergieanlagen im Rahmen eines Windpark-Gesamtvorhabens errichten und
betreiben konnten. Diese Möglichkeit des B, Nutzungsentgelte mit dem Grundbesitz zu erzielen, stellt für diesen
einen wertbildenden Faktor des Grund und Bodens dar, dem allein für die grundsätzliche Kaufentscheidung und für
die Kaufpreisgestaltung Bedeutung zukommt.
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c) Wurde vom Kläger somit lediglich Grund und Boden veräußert, so konnte der Kläger die Rücklage nach § 6c
Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 6b Abs. 3 EStG rückwirkend für das Wirtschaftsjahr der Veräußerung 2007/2008 in
Höhe von 117.000,56 EUR bilden und daher im Wirtschaftsjahr 2009/2010 als Betriebseinnahme in Höhe von
17.650 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 2.118 EUR auflösen.
34
aa) Da eine den Gewinn mindernde Rücklage in Höhe des Veräußerungsgewinns nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG nur
im Wirtschaftsjahr der Veräußerung --im Streitfall mithin im Wirtschaftsjahr 2007/2008, in dem der Übergang des
wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber stattfand-- gebildet werden darf und der Veräußerungsgewinn gemäß
§ 6b Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG lediglich auf Ersatzwirtschaftsgüter übertragbar ist, die innerhalb eines bestimmten
Zeitraums nach der Veräußerung angeschafft oder hergestellt werden, hat der BFH (Urteil vom 13. September
2000 X R 148/97, BFHE 193, 129, BStBl II 2001, 641) zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich entschieden,
dass bei einer nachträglichen Erhöhung des Kaufpreises der Veräußerungsgewinn nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
der Abgabenordnung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Veräußerung zu korrigieren ist. Eine nach § 6b EStG
begünstigte Veräußerung wird nach der gesetzlichen Regelung als einheitlicher, in sich geschlossener Vorgang
angesehen, der vom laufenden Gewinn zu trennen ist und besonderen Regeln unterliegt. Angesichts des
Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gewinnermittlungsarten gelten diese Rechtsgrundsätze entsprechend bei
der im Streitfall vorliegenden Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.
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bb) Der Veräußerungsgewinn muss zudem auch dann rückwirkend auf den Zeitpunkt der Veräußerung korrigiert
werden, wenn --wie hier-- die nachträgliche Erhöhung des Kaufpreises vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung
abhängt. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4
Abs. 3 EStG ermittelt, die Rücklage gemäß § 6c EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder nach dem bei der
Einnahmen-Überschussrechnung geltenden Zuflussprinzip im Wirtschaftsjahr des Zuflusses des gesamten bzw. des
ersten Teils des ratierlich zu zahlenden Veräußerungserlöses zu bilden ist, weil im Streitfall beide genannten
Alternativen zu demselben Ergebnis --Bildung der Rücklage im Wirtschaftsjahr 2007/2008-- führen.
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(1) Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 BGB folgt zivilrechtlich, dass das
aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme --hier: am 18. Dezember 2007--
vollendet und voll gültig ist --die Parteien daher fortan bindet-- und seine Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall ipso
iure eintritt; nur die Rechtswirkungen des bedingten Rechtsgeschäfts befinden sich bis zum Bedingungseintritt in der
Schwebe (einhellige Auffassung; vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. September 1994 VIII ZR 257/93, BGHZ
127, 129; BFH-Urteile vom 8. Februar 2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318; vom 10. Februar 2015
IX R 23/13, BFHE 249, 149, BStBl II 2015, 487).
37
(2) Durch die Bebauung des Grundbesitzes mit Windenergieanlagen im Wirtschaftsjahr 2009/2010 ist die in § 3
Buchst. a des Kaufvertrages vereinbarte aufschiebende Bedingung eingetreten, die die Erhöhung des Kaufpreises
für den Grund und Boden um 123.780,35 EUR bewirkte. Dieses Entgelt ist als zusätzlicher Kaufpreis für die
Übertragung des Grundbesitzes zu werten. Der Veräußerungsgewinn beträgt daher 117.000,56 EUR (=
237.780,35 EUR ./. 120.779,79 EUR). Entsprechend dem Zweck des Begünstigungstatbestands des § 6b EStG,
den durch eine Veräußerung von Anlagevermögen entstandenen Gewinn zu Reinvestitionszwecken zu neutralisieren
und bestimmte Reinvestitionen zu erleichtern (BFH-Urteil vom 19. März 1981 IV R 167/80, BFHE 133, 54, BStBl II
1981, 527), muss auch der aufgrund des Eintritts der aufschiebenden Bedingung ipso iure entstehende
Veräußerungsgewinn auf Ersatzwirtschaftsgüter übertragen werden können. Dies ist aber nur gewährleistet, wenn
die durch den Eintritt der aufschiebenden Bedingung bewirkte Erhöhung des Veräußerungspreises steuerrechtlich
auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückbezogen wird.
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cc) Über die Zulässigkeit der rückwirkenden Bildung der Rücklage nach § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 6b Abs. 3
EStG im Wirtschaftsjahr 2007/2008 wird verbindlich in dem streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid
entschieden, da sich eine Gewinnauswirkung erstmals im Streitjahr durch die teilweise Auflösung der Rücklage und
den damit einhergehenden Ansatz einer fiktiven Betriebseinnahme ergibt.
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Zwar fallen die Veräußerung des Grund und Bodens im Wirtschaftsjahr 2007/2008 und der im Wirtschaftsjahr
2010/2011 erfolgte Zufluss der Entschädigungsprovision in Höhe von 123.780,35 EUR, die zu einer Erhöhung des
Kaufpreises für den Grund und Boden und damit erstmals zu einem Veräußerungsgewinn führte, in unterschiedliche
Wirtschaftsjahre bzw. Veranlagungszeiträume. Die Bildung der Rücklage ist jedoch gemäß § 6c Abs. 1 Satz 2 EStG
als Betriebsausgabe im Wirtschaftsjahr 2007/2008, dem Jahr der Veräußerung bzw. des Zuflusses des ersten Teils
des Kaufpreises, zu behandeln. Aus der in § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG für die Ermittlung des nach § 6c EStG
begünstigten Gewinns normierten entsprechenden Anwendung des § 6b Abs. 2 EStG und dem oben genannten
Zweck des Begünstigungstatbestands des § 6b EStG folgt, dass der Veräußerungsgewinn durch den Ansatz einer
fiktiven Betriebseinnahme in Höhe des vollen Veräußerungserlöses in das Jahr der Veräußerung ohne Rücksicht auf
den Zeitpunkt des tatsächlichen Zufließens der Entschädigungsprovision --mithin entgegen dem Zuflussprinzip in
§ 11 Abs. 1 EStG-- vorverlegt wird (ebenso R 6c Abs. 1 Sätze 2 und 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--
2012 und H 6c der Hinweise zu den EStR 2014). Im Ergebnis ist daher die Bildung der Rücklage im Wirtschaftsjahr
2007/2008 gewinnneutral.
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Verfahrensrechtlich hat dieser Befund zur Folge, dass eine Änderung des Einkommensteuerbescheids des
Veräußerungsjahres mangels Änderung der festgesetzten Steuer bzw. bei einem Gewinnfeststellungsbescheid des
festgestellten Gewinns nicht in Betracht kommt. Im Streitfall fehlt es insoweit an dem Rechtsschutzbedürfnis für
eine Anfechtung des Einkommensteuerbescheids des Veräußerungsjahres, da sich die Entscheidung über die Bildung
der Rücklage nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer auswirkt. Es ist daher in solchen Fällen geboten, dass
über die Frage, ob und in welchem Umfang eine Rücklage im Wirtschaftsjahr der Veräußerung wirksam gebildet
worden ist, erstmals und ausschließlich in dem Einkommensteuerbescheid verbindlich entschieden wird, in dem sich
die Bildung, Auflösung oder teilweise Übertragung der Rücklage auf ein Reinvestitionsobjekt erstmalig
gewinnwirksam auswirkt. Dies ist hier der Einkommensteuerbescheid des Streitjahres.
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3. Da das FG die Zahlung von 123.780,35 EUR als Entgelt für ein selbständiges Wirtschaftsgut "Nutzungsrecht"
angesehen hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben und der
Einkommensteuerbescheid 2009 antragsgemäß zu ändern. Die anzusetzenden Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft in Höhe von 17.659 EUR ergeben sich aus der Addition des bisherigen Ansatzes von 7.815 EUR und
der vom Kläger beantragten Erhöhung von 9.844 EUR.
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Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Einkommensteuerbetrags nach Maßgabe der Gründe dieser
Entscheidung wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).