Urteil des BFH vom 12.07.2016

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter einer Auflage

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 12.7.2016, II R 57/14
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter einer Auflage
Leitsätze
Grundstücksschenkungen unter einer Auflage unterliegen hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer, wenn
die Auflage bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Unerheblich ist, ob die Auflage tatsächlich bei der Schenkungsteuer
abgezogen wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Grundstücksschenkung insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 21. Oktober 2014 5 K 2894/12
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein gemeinnütziger Verein. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom
21. März 2012 erlangte er im Wege einer Schenkung den hälftigen Miteigentumsanteil an einem bebauten
Grundstück. Die im Zeitpunkt der Schenkung fast 90 Jahre alte Schenkerin behielt sich das dingliche Recht zur
alleinigen und ausschließlichen Nutzung der Wohnung im Obergeschoss des Hauses sowie zur Mitbenutzung aller
Gemeinschaftsräume und Einrichtungen vor.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 5. April 2012 die
Grunderwerbsteuer auf 428 EUR fest. Als Bemessungsgrundlage legte er den Kapitalwert des Wohnungsrechts in
Höhe von 17.128 EUR (Jahresmietwert 4.200 EUR x Vervielfältiger 4,078) zugrunde und rechnete diesen hälftig dem
Kläger zu.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG)
ist die Grundstücksschenkung zwar grundsätzlich nach § 3 Nr. 2 Satz 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG)
von der Besteuerung ausgenommen. Eine Ausnahme gelte nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG aber bei einer Schenkung
unter Auflage. Der Wert der Auflage unterliege der Grunderwerbsteuer, wenn die Auflage bei der Schenkungsteuer
abziehbar sei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 317, veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision. Der Kläger rügt eine Verletzung von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG. Der Wert der Auflage
habe nicht bei der Schenkungsteuer abgezogen werden können, da die Zuwendung nach § 13 Nr. 16 Buchst. b des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von der Schenkungsteuer befreit gewesen sei.
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Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 5. April 2012 und die
Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2012 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Auflage zu bemessen ist,
obwohl die Zuwendung des Grundstücks an den Kläger nicht der Schenkungsteuer unterliegt.
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1. Der Wert des Wohnungsrechts unterliegt der Grunderwerbsteuer.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines
inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Von der Besteuerung ausgenommen sind nach § 3
Nr. 2 Satz 1 GrEStG Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S. des ErbStG. Schenkungen unter einer Auflage
unterliegen der Besteuerung jedoch hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar
sind (§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG).
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b) Eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) in Gestalt einer
Nutzungs- oder Duldungsauflage liegt vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung, sondern
auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom
20. November 2013 II R 38/12, BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 9, m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn die
Grundstücksschenkung unter der Auflage einer Nießbrauchsbestellung oder der Bestellung eines dinglichen
Wohnungsrechts (§§ 1090, 1093 BGB) zugunsten des Schenkers oder eines Dritten vorgenommen wird (BFH-
Urteile vom 13. April 2011 II R 27/09, BFHE 233, 174, BStBl II 2011, 730, Rz 12, und in BFHE 243, 411, BStBl II
2014, 479, Rz 9).
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c) Derartige Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern bei der Schenkungsteuer die Bereicherung i.S. des § 10
Abs. 1 Satz 1 ErbStG (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 10, m.w.N.). Dies gilt für
Besteuerungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2008 auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem Schenker
oder dessen Ehegatten zusteht; denn das insoweit früher in § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorgesehene Abzugsverbot
wurde durch Art. 1 Nr. 20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom 24. Dezember
2008 (BGBl I 2008, 3018) mit Wirkung ab 1. Januar 2009 aufgehoben und gilt daher gemäß § 37 Abs. 1 ErbStG
i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG nicht mehr für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008
entsteht (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 10, m.w.N.).
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d) Im Streitfall liegt eine Grundstücksschenkung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Die Schenkung erfolgte unter
dem Vorbehalt eines Wohnungsrechts. Dabei handelt es sich um eine Nutzungs- oder Duldungsauflage, deren Wert
bei der Schenkungsteuer abziehbar ist. Die Abziehbarkeit bei der Schenkungsteuer hat nach § 3 Nr. 2 Satz 2
GrEStG zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt.
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2. Der Wert der Auflage unterliegt nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer, obwohl die
Grundstücksschenkung im Streitfall insgesamt von der Schenkungsteuer befreit ist.
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a) § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG stellt seinem Wortlaut nach allein darauf ab, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer
"abziehbar ist". Dadurch hat der Gesetzgeber im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
15. Mai 1984 1 BvR 464/81 u.a. (BVerfGE 67, 70, BStBl II 1984, 608, unter C.IV.) klargestellt, dass Auflagen, die
bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind, sondern nur zu einer Stundung der Steuer nach § 25 ErbStG a.F.
führen, der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243,
411, BStBl II 2014, 479, Rz 13, m.w.N.). Hätte der Gesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass eine
Schenkung unter einer Auflage nur insoweit der Grunderwerbsteuer unterliegt, als der Wert der Auflage bei der
Schenkungsteuer tatsächlich abgezogen wurde, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung regeln
können und müssen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479, Rz 14). Es spielt für die Festsetzung der
Grunderwerbsteuer daher keine Rolle, ob Schenkungsteuer tatsächlich festgesetzt wurde und ggf. mit welchem
Wert die Auflage sich dabei bereicherungsmindernd auswirkte (BFH-Urteil in BFHE 243, 411, BStBl II 2014, 479,
Rz 12, m.w.N.). Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von Grunderwerbsteuer andererseits haben
verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden
Vorschriften zu erfolgen (Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl., § 3 Rz 100).
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b) Nach diesen Grundsätzen ist es nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ohne Bedeutung, dass die freigebige Zuwendung
des Grundstücks an den Kläger zwar steuerbar ist, aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG steuerfrei bleibt.
Ausreichend ist, dass der Wert des Wohnungsrechts dem Grunde nach vom Erwerb im schenkungsteuerrechtlichen
Sinn abziehbar ist. Das ist --wie ausgeführt-- hier der Fall.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung auf § 121 Abs. 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.