Urteil des BFH vom 10.03.2005

Schenkungsteuerrechtlich kein Durchgangserwerb des Kindes bei Zuwendung an das Schwiegerkind - Kettenschenkung - keine Berücksichtigung von im Revisionsverfahren neu vorgetragenen Tatsachen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.3.2005, II R 54/03
Schenkungsteuerrechtlich kein Durchgangserwerb des Kindes bei Zuwendung an das
Schwiegerkind - Kettenschenkung - keine Berücksichtigung von im Revisionsverfahren neu
vorgetragenen Tatsachen
Leitsätze
Übertragen (Schwieger-)Eltern unter Mitwirkung ihres Kindes schenkweise
Grundstückseigentum unmittelbar auf den Ehegatten ihres Kindes (Schwiegerkind), kann hierin
auch dann kein schenkungsteuerrechtlich beachtlicher Durchgangserwerb des Kindes liegen,
wenn die Zuwendung "auf Veranlassung des Kindes" erfolgen soll und als "ehebedingte
Zuwendung" des Kindes bezeichnet wird. Eine Schenkung des Kindes an seinen Ehegatten
kommt unter diesen Umständen nicht in Betracht (gegen FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.
Februar 1999 4 K 2011/98, EFG 1999, 617).
Tatbestand
1 I. Die Schwiegereltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) waren zu je 1/2
Eigentümer einer Eigentumswohnung. In einem notariellen Vertrag vom 24. August 1998
trafen sie mit dem Kläger und dessen Ehefrau (E) die folgende Vereinbarung:
2 "Die Übergeber übergeben
3 a) ihrer Tochter ... einen Miteigentumsanteil von 1/2 ...,
4 b) und auf Veranlassung der Tochter als deren ehebedingte Zuwendung ihrem Ehemann
... einen Miteigentumsanteil von 1/2 ... .
5 Wir sind darüber einig, dass das Eigentum an dem übergebenen Grundeigentum auf die
Übernehmer übergeht. Die Übergeber bewilligen und die Übernehmer beantragen die
Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch. Das Eigentum ist einzutragen für
6 a) die ... (E) zu 1/2,
7 b) den ... (Kläger) zu 1/2."
8 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte am 8. Juli 1999 gegen
den Kläger Schenkungsteuer wegen eines Erwerbs von seiner Schwiegermutter (S) im
Umfang der Hälfte des auf ihn entfallenden hälftigen Miteigentumsanteils auf 21 760 DM
fest. Im Einspruchs- und Klageverfahren vertrat der Kläger --unter Berufung auf das Urteil
des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 18. Februar 1999 4 K 2011/98
(Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 617)-- die Auffassung, es habe sich
um eine Schenkung der E gehandelt, für die wegen der entsprechenden Freibeträge
keine Schenkungsteuer festzusetzen sei.
9 Das FG wies die Klage ab (EFG 2004, 148).
10 Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Das FG hätte den Vertrag
dahin gehend würdigen müssen, dass zunächst E die gesamte Eigentumswohnung habe
erhalten sollen, dann aber aufgrund eigener Entscheidung die Hälfte davon an den Kläger
habe weiterverschenken wollen. Dem FG sei vermutlich nicht bekannt gewesen, dass der
Kläger und E bereits vor Abschluss des Übergabevertrags eine Baugenehmigung für eine
Erweiterung des Wohnhauses beantragt hätten. Eine Fremdfinanzierung dieser
Baumaßnahme wäre bei Alleineigentum der E, die damals nicht über eigenes
Einkommen verfügt habe, nicht möglich gewesen. Daraus ergebe sich, dass E bereits vor
Abschluss des Übergabevertrags eine Dispositionsmöglichkeit geprüft und ausgeübt
habe.
11 Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den
Schenkungsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
12 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
13 II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
14 Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine freigebige
Zuwendung der S an den Kläger angenommen.
15 1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter
Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Wird dem Bedachten der Schenkungsgegenstand nicht unmittelbar von dessen
ursprünglichem Inhaber zugewendet, sondern noch ein Dritter zwischengeschaltet, kommt
es für die Bestimmung der Person des Zuwendenden darauf an, ob der Dritte über eine
eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Verwendung des
Schenkungsgegenstands verfügte (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Oktober
1993 II R 92/91, BFHE 172, 520, BStBl II 1994, 128). Maßgeblich für die Beurteilung
dieser Frage sind die Ausgestaltung der Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen
Abstimmung untereinander sowie die mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten
Ziele der Parteien.
16 2. Das FG hat seine Würdigung, der E habe im Streitfall ein eigener
Entscheidungsspielraum hinsichtlich des auf den Kläger übergegangenen
Miteigentumsanteils gefehlt, auf die Regelung der gesamten Übertragung in einem
einheitlichen Vertrag und auf das Fehlen einer Auflassung zugunsten der E gestützt. An
diese Tatsachenwürdigung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden; sie lässt im
Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler, insbesondere Verstöße gegen
Denkgesetze oder Erfahrungssätze, nicht erkennen.
17 Die Angriffe der Revision erschöpfen sich darin, an die Stelle der durch das FG
vorgenommenen Würdigung eine andere Würdigung setzen zu wollen, ohne jedoch die
Voraussetzungen der aus § 118 Abs. 2 FGO folgenden Bindungswirkung in Frage zu
stellen. Auch kann ein Vortrag neuer Tatsachen im Revisionsverfahren nicht
berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 VIII R 81/02, BFHE 203, 484,
BStBl II 2004, 118, unter II. 2.); dies betrifft im Streitfall die Behauptungen zu dem
geplanten Erweiterungsbau, dessen beabsichtigter Finanzierung und den
Einkommensverhältnissen der E. Abgesehen davon vermag der Senat nicht zu erkennen,
inwiefern aus der Behauptung, der einkommenslosen E sei eine Finanzierung des
geplanten Bauvorhabens nicht möglich gewesen, ein eigener Entscheidungsspielraum
der E über die Verwendung des --ohnehin zu keinem Zeitpunkt auf sie übergegangenen--
Miteigentumsanteils folgen soll.
18 3. Zutreffend hat das FG es bei der Anwendung der unter 1. dargestellten Grundsätze auf
den Streitfall für unerheblich gehalten, dass es sich bei der zwischengeschalteten Person
um den Ehegatten des endgültigen Empfängers der Schenkung handelt und im Vertrag
die Formulierung, die Übertragung erfolge "auf Veranlassung der Tochter als deren
ehebedingte Zuwendung", verwendet worden ist. Weder die Besonderheiten des Rechts
der unbenannten Zuwendung noch die des ehelichen Güterrechts rechtfertigen es, eine
zwischenzeitliche Bereicherung der E anzunehmen, obwohl der Gegenstand der
Schenkung weder zu irgendeinem Zeitpunkt auf sie übergegangen ist noch sie --nach den
bindenden Feststellungen des FG-- eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich
seiner Verwendung hatte. Soweit das FG Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung in EFG
1999, 617, auf die der Kläger sich beruft, eine andere Auffassung vertreten haben sollte,
vermag der Senat dem nicht zu folgen.
19 Aus dem Institut der unbenannten ehebedingten Zuwendung kann der Kläger schon
deshalb nichts ihm Günstiges herleiten, weil die Rechtsprechung der Zivilgerichte die für
dieses Institut geltenden Regelungen auch auf unmittelbare Zuwendungen der
Schwiegereltern an ihr Schwiegerkind anwendet (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom
12. April 1995 XII ZR 58/94, BGHZ 129, 259). Insoweit unterscheiden sich die
Rechtsfolgen eines Direkterwerbs von den Schwiegereltern nicht von denen eines
Durchgangserwerbs vom Ehegatten.
20 Soweit E durch die im Vertrag verwendete Formulierung die Chance erworben haben
sollte, für den Fall der späteren Durchführung eines güterrechtlichen Zugewinnausgleichs
eine --der Höhe nach ungewisse-- Anrechnungsposition (§ 1380 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) geltend machen zu können, ist darin in schenkungsteuerrechtlicher
Hinsicht keine gegenwärtige Bereicherung der E zu sehen, mit der sie dem Kläger den
Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung verschafft haben könnte. Denn die
ungewisse künftige Anrechnungsposition einerseits und der Miteigentumsanteil
andererseits stellen unterschiedliche Bereicherungsgegenstände dar.