Urteil des BFH vom 18.01.2017

In Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 18. Januar 2017 II R 3/14 - Zurückweisung einer im EU-Ausland niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft wegen geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen für inländische Steuerpflichtige

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.1.2017, II R 5/14
ECLI:DE:BFH:2017:U.180117.IIR5.14.0
In Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 18. Januar 2017 II R 3/14 - Zurückweisung einer im EU-Ausland
niedergelassenen Steuerberatungsgesellschaft wegen geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen für inländische
Steuerpflichtige
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 10. April 2013 5 K 718/10 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft britischen Rechts mit einer Niederlassung in
den Niederlanden. Zu ihrem Tätigkeitsgebiet zählt u.a. die Steuerberatung. Sie tritt im Bezirk des Finanzgerichts (FG)
Köln in einer Vielzahl von Verfahren als Prozessbevollmächtigte auf, obwohl sie in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland) nicht gemäß § 32 Abs. 3, § 49 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als
Steuerberatungsgesellschaft anerkannt ist.
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Die Klägerin trat u.a. im Haftungsverfahren der O gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA-
-) auf. Das FA wies in dem gegen einen Haftungsbescheid gerichteten Einspruchsverfahren der O die Klägerin mit
Bescheid vom 22. Januar 2009 gemäß § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung in der bis einschließlich 2016 geltenden
Fassung (AO) als Bevollmächtigte der O zurück. Der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid blieb erfolglos.
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Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Befugnis der Klägerin zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen
ergebe sich weder aus § 3a StBerG noch aus der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft --EG--; jetzt Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV--
). Die Klägerin falle unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht (Art. 43 ff. EG; jetzt Art. 49 ff.
AEUV), da sie in Deutschland nicht nur vorübergehend tätig sei, sondern ihre Leistungen in stabiler und
kontinuierlicher Weise erbringe. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 737
veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin insbesondere eine Verletzung von Art. 49 EG. Sie könne sich auf die
Dienstleistungsfreiheit berufen, obwohl sie bei Ergehen des Bescheids vom 22. Januar 2009 noch nicht über eine
Berufshaftpflichtversicherung verfügt habe. Vor dem gegen sie ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
21. Juli 2011 II R 6/10 (BFHE 234, 474, BStBl II 2011, 906) habe es keine entsprechende Versicherung gegeben
(Revisionsbegründung vom 10. März 2014, S. 19).
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Der Senat setzte mit Beschluss vom 16. September 2014 das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) über das ebenfalls die Klägerin betreffende Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom
20. Mai 2014 II R 44/12 (BFHE 246, 278, BStBl II 2014, 907) aus. Der EuGH hat darüber inzwischen mit Urteil X-
Steuerberatungsgesellschaft vom 17. Dezember 2015 C-342/14 (EU:C:2015:827) entschieden.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2010 und den Bescheid
vom 22. Januar 2009 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen, das dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) beigetreten ist, beantragt ebenfalls, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, 4 FGO). Das FG hat den Bescheid
vom 22. Januar 2009 im Ergebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen.
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1. Entgegen der Auffassung des FG reicht es für die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über
das Niederlassungsrecht auf eine steuerberatende Tätigkeit in Deutschland nicht aus, dass ein in einem anderen
Mitgliedstaat ansässiger Dienstleister in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in Deutschland
ausübt. Vielmehr muss der Dienstleister in Deutschland auch über eine ständige Präsenz (Geschäftsräume)
verfügen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2016 II R 44/12, BFHE 255, 367, Rz 40 bis 43). Dass dies im Streitfall
zutreffe, hat das FG nicht festgestellt.
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2. Dies führt indes nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung; denn diese stellt sich aus anderen Gründen als richtig
dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Das FA hat die Klägerin im Ergebnis zu Recht gemäß § 80 Abs. 5 AO als Bevollmächtigte
zurückgewiesen, weil sie bei Ergehen des Bescheids vom 22. Januar 2009 nicht über die erforderliche
Berufshaftpflichtversicherung oder einen anderen individuellen oder kollektiven Schutz in Bezug auf die
Berufshaftpflicht verfügte.
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a) §§ 51 ff. der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und
Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) gelten aufgrund des mit diesen Vorschriften verfolgten Schutzzwecks auch
für ausländische Steuerberatungsgesellschaften, die nach den Vorschriften des StBerG (§ 2 Satz 1, § 3 Nr. 3, § 3a,
§ 32 Abs. 3, §§ 49 ff.) nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen i.S. des § 80 Abs. 5 AO befugt sind und
diese Befugnis daher unmittelbar aus der Dienstleistungsfreiheit ableiten wollen. Verfügt eine solche Gesellschaft
nicht über einen den Anforderungen der §§ 51 ff. DVStB entsprechenden Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht,
kann sie die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen auch nicht auf die Dienstleistungsfreiheit stützen
(BFH-Urteile in BFHE 234, 474, BStBl II 2011, 906, und in BFHE 255, 367, Rz 62 f., 68). Das Bestehen dieses
Schutzes muss die ausländische Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO ggf. i.V.m. § 76
Abs. 1 Satz 4 FGO durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachweisen. In dem Erfordernis eines Schutzes in
Bezug auf die Berufshaftpflicht liegt keine unzulässige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Dies ist aufgrund
der im BFH-Urteil in BFHE 234, 474, BStBl II 2011, 906, Rz 28 ff. angeführten Rechtsprechung des EuGH bereits
geklärt. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV ist somit nicht erforderlich.
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b) Die Klägerin war danach bei Ergehen des Bescheids vom 22. Januar 2009 nicht zur geschäftsmäßigen Hilfe in
Steuersachen i.S. des § 80 Abs. 5 AO befugt. Sie hat nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen
nachgewiesen, dass sie seinerzeit über den erforderlichen Schutz in Bezug auf die Berufshaftpflicht verfügte. Sie hat
vielmehr in der Revisionsbegründung eingeräumt, dass dies nicht der Fall war. Es ist daher nicht erforderlich, die
Sache an das FG zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, das Bestehen eines
Haftpflichtversicherungsschutzes am 22. Januar 2009 nachzuweisen. Einem etwaigen später erfolgten Abschluss
einer Haftpflichtversicherung kommt keine auf den 22. Januar 2009 zurückwirkende Bedeutung zu. Für die Prüfung
der Rechtmäßigkeit eines Zurückweisungsbescheids nach § 80 Abs. 5 AO sind die Verhältnisse bei dessen Ergehen
maßgebend (BFH-Urteil in BFHE 255, 367, Rz 12, 27, 44, 47 f., 67).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.