Urteil des BFH vom 30.03.2015

Zur Abgrenzung einer Versicherung von einer Bürgschaft bei Verträgen zwischen Konzerngesellschaften

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.3.2015, II B 79/14
Zur Abgrenzung einer Versicherung von einer Bürgschaft bei Verträgen zwischen
Konzerngesellschaften
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts
Köln vom 6. Mai 2014 2 K 430/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115
Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch zur Fortbildung des Rechts nach
§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen. Die von der Klägerin und
Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfenen Rechtsfragen sind, soweit die
Beschwerdebegründung überhaupt den Darlegungsanforderungen nach § 116 Abs. 3
Satz 3 FGO genügt, nicht klärungsbedürftig bzw. in einem künftigen Revisionsverfahren
nicht klärungsfähig.
3 a) Der Begriff des Versicherungsverhältnisses i.S. des § 1 Abs. 1 des
Versicherungsteuergesetzes (VersStG) ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt.
4 Unter dem Versicherungsverhältnis sind das durch Vertrag oder auf sonstige Weise
entstandene Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und
seine Wirkungen zu verstehen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juni
2013 II R 26/11, BFHE 241, 431, BStBl II 2013, 1060, m.w.N.). Wesentliches Merkmal für
ein "Versicherungsverhältnis" i.S. des § 1 Abs. 1 VersStG ist das Vorhandensein eines
vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses. Der Begriff der Versicherung
ist weit gefasst und nach den besonderen Zwecken des Versicherungsteuerrechts zu
deuten.
5 Die Klägerin hat keine Gesichtspunkte vorgetragen, die eine erneute Entscheidung des
BFH zu den Voraussetzungen eines Versicherungsverhältnisses erforderlich machen
würden.
6 b) Die Rechtsfrage, wie Versicherungsverträge von Bürgschaften abzugrenzen sind, ist
weder klärungsbedürftig noch im Streitfall klärungsfähig.
7 aa) Der BFH hat in dem von der Klägerin zitierten Urteil vom 9. Dezember 1969 II 103/63
(BFHE 99, 60) ausgeführt, dass die Grenzen zwischen Bürgschaft und Versicherung
fließend seien. Für die Bürgschaft gelte der Grundsatz der Akzessorietät, d.h. die
Nebenverpflichtung des Bürgen sei vom Bestand der Hauptschuld des Schuldners
abhängig. Dementsprechend stelle die Bürgschaft gerade auf die Person des
Hauptschuldners ab. Die Bürgschaft werde --auch wenn sie eine Vielzahl ähnlich
gelagerter Fälle betreffe und entgeltlich (z.B. Zollbürgschaft, Bankbürgschaft) vereinbart
werde-- in der Regel als Einzelgeschäft nach der Beschaffenheit des Einzelfalls geleistet,
und zwar gegen ein Entgelt, das im Wesentlichen nur die Verwaltungskosten und den
erstrebten Gewinn umschließe.
8 Bei der Versicherung handele es sich dagegen unter planmäßiger Herstellung einer
Gefahrengemeinschaft um ein Massengeschäft, bei dem ein Versicherungswagnis gegen
eine Prämie übernommen werde und die von den Versicherungsnehmern gezahlten
Prämien den Risikoausgleich ermöglichten. Insoweit ist der BFH der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 11. Juli 1960 II ZR 254/58, BGHZ 33, 97) gefolgt, der
für die Unterscheidung zwischen Bürgschaft und Versicherung darauf abgestellt hat, dass
bei einer Versicherung gleichartige Risiken planmäßig zu einer Gefahrengemeinschaft
zusammengefasst werden. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht von diesem
Versicherungsbegriff aus (vgl. Urteil vom 29. September 1992 1 A 26/91, Neue
Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1993, 289).
9 Aufgrund dieser Rechtsprechung ist bereits geklärt, nach welchen Kriterien eine
Bürgschaft von einer Versicherung zu unterscheiden ist. Ob ein Vertrag als
Bürgschaftsvertrag oder als Versicherungsvertrag einzuordnen ist, kann nur nach den
Umständen des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden.
10 bb) Das Finanzgericht (FG) hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, dass die Klägerin
gegen Entgelt ein fremdes Wagnis, nämlich das Wagnis der Vertriebsgesellschaften
übernommen hat, dass deren Kundenforderungen ausfallen. Aufgrund der mit allen
Vertriebsgesellschaften geschlossenen Verträge wurden Forderungsausfälle in
grundsätzlich unbegrenzter Höhe abgesichert. Die Prämienzahlungen versetzten die
Klägerin in die Lage, die alle Vertriebsgesellschaften in vergleichbarer Weise und
unmittelbar treffende Gefahr eines Forderungsausfalls abzumildern und im Schadensfalle
Ersatz zu leisten. Die Prämien wurden als Entgelte für die Übernahme des Ausfallrisikos -
-wie dies für eine Warenkreditversicherung typisch ist-- nach einem festen,
umsatzabhängig gestaffelten Prozentsatz erhoben; sie waren nicht abhängig vom
jeweiligen Kunden und dessen Bonitätsdaten bzw. Zahlungsverhalten. Mit den
streitgegenständlichen Verträgen sind die zuvor bis Ende 2003 bei einem
Versicherungsunternehmen bestehenden Warenkreditversicherungen in modifizierter
Form fortgesetzt worden. Die Verträge erwähnen ausdrücklich, dass es sich um eine
Ausfallbürgschaft im Sinne einer Warenkreditversicherung handelt. Der wesentliche Inhalt
der Verträge ergibt sich aus den in der Versicherungswirtschaft verwendeten Allgemeinen
Bedingungen für die Warenkreditversicherung, auf die Bezug genommen wird.
11 Ausgehend von diesen nach § 118 Abs. 2 FGO den BFH bindenden Feststellungen hat
das FG den Sachverhalt dahin gewürdigt, dass die an die Klägerin gezahlten Prämien
Versicherungsentgelte sind. Diese Würdigung wäre revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden.
12 c) Ebenfalls geklärt ist die Rechtsfrage, ob eine Versicherungsteuerpflicht auch dann
eintritt, wenn Versicherungsgeschäfte ohne die dafür erforderliche Erlaubnis gemäß § 5
Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) vorgenommen werden und ein
derartiger Verstoß gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 VAG strafbar ist. Die Steuerbarkeit der
Zahlungen von Versicherungsentgelten nach § 1 Abs. 1 VersStG hängt nicht davon ab, ob
einer juristischen Person der Abschluss von Versicherungen erlaubt ist (vgl. BFH-Urteil
vom 20. April 1977 II R 36/76, BFHE 122, 352, BStBl II 1977, 688) oder ob ein der
Versicherungsaufsicht unterliegendes Versicherungsunternehmen gehandelt hat (vgl.
BFH-Urteil vom 29. November 2006 II R 78/04, BFH/NV 2007, 513).
13 d) Nicht hinreichend dargelegt ist die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage, ob eine
Versicherungsteuerpflicht auch bei einem lediglich konzerninternen Ausgleich eintritt. Die
Klägerin trägt zwar vor, dass die Errichtung konzerninterner Absicherungsinstrumente
innerhalb einer Unternehmensgruppe keine Versicherungsteuerpflicht auslösen könne,
weil lediglich ein Fall der Eigendeckung gegeben sei. Nähere Erläuterungen hierzu
fehlen aber. Insbesondere wird nicht dargelegt, aus welchen Gründen mit der
Absicherung des Forderungsausfallrisikos der rechtlich selbständigen
Vertriebsgesellschaften ein eigener Schaden der Klägerin ausgeglichen werden soll.
14 e) Die von der Klägerin gestellte Rechtsfrage, ob die in einem Konzern von einer
Tochtergesellschaft der Konzernmutter mit verschiedenen Enkelgesellschaften
abgeschlossenen Vereinbarungen über eine Ausfallbürgschaft ein
Versicherungsverhältnis begründen oder vielmehr als Bürgschaften zu qualifizieren sind,
die nicht nach § 2 Abs. 2 VersStG der Versicherungsteuer unterliegen, hat keine
grundsätzliche Bedeutung. Denn die Beantwortung hängt von den tatsächlichen
Besonderheiten des konkreten Streitfalls ab. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der
Rechtsfrage ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
zukommen soll und insoweit allgemeine abstrakte Grundsätze durch den BFH
aufzustellen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2008 VIII B 253/05, BFH/NV 2008,
740). Hinzu kommt, dass § 2 Abs. 2 VersStG Sachverhalte betrifft, in denen sich der
Versicherer verpflichtet, Dritten gegenüber für den Versicherungsnehmer Bürgschaft zu
leisten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 431, BStBl II 2013, 1060, Rz 24), und daher die von
der Klägerin übernommene "Ausfallbürgschaft" zum Ausgleich von Forderungsausfällen
der Versicherungsnehmer (Vertriebsgesellschaften) nicht erfasst.
15 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Von einer weiteren Begründung
wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.