Urteil des BFH vom 30.07.2014

Steuermindernde Berücksichtigung einer Abstockung auf den gemeinen Wert sowie eines Übernahmeverlusts bei sog. Aufwärtsverschmelzung von Lebensversicherungsunternehmen

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 30.7.2014, I R 58/12
Steuermindernde Berücksichtigung einer Abstockung auf den gemeinen Wert sowie eines
Übernahmeverlusts bei sog. Aufwärtsverschmelzung von Lebensversicherungsunternehmen
Leitsätze
1. Bei einer Aufwärtsverschmelzung sind die Anteile an der übertragenden Körperschaft bei der
übernehmenden Körperschaft nach § 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006
zum steuerlichen Übertragungsstichtag mit dem Buchwert, erhöht um Abschreibungen, die in
früheren Jahren steuerwirksam vorgenommen worden sind, sowie um Abzüge nach § 6b EStG
2002 und ähnliche Abzüge, höchstens mit dem gemeinen Wert, anzusetzen. Liegt der gemeine
Wert der Anteile an der übertragenden Körperschaft unter dem Buchwert, muss hiernach vor der
Verschmelzung eine Abstockung der Anteile vorgenommen werden. Der daraus errechnete
Beteiligungskorrekturverlust ist bei der Ermittlung des Einkommens nach § 8b Abs. 3 Satz 3
(i.V.m. Abs. 2 Satz 1) KStG 2002 im Allgemeinen nicht zu berücksichtigen. Letzteres gilt nach §
8b Abs. 8 Satz 1 KStG 2002 jedoch nicht für Anteile, die bei einem
Lebensversicherungsunternehmen den Kapitalanlagen zuzurechnen sind (Abweichungen vom
BMF-Schreiben vom 11. November 2011, BStBl I 2011, 1314, dort Tz. 12.03 Satz 4 i.V.m. Tz.
04.06 Satz 1).
2. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 ist bei der Aufwärtsverschmelzung auf einen
Übernahmegewinn i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 in dem Umfang, in dem die
übernehmende Muttergesellschaft unmittelbar an der übertragenden Tochtergesellschaft
beteiligt ist, § 8b KStG 2002 anzuwenden. Auf einen Übernahmeverlust findet § 12 Abs. 2 Satz 2
UmwStG 2006 hingegen keine Anwendung. Ein solcher Verlust bleibt vielmehr nach § 12 Abs.
2 Satz 1 UmwStG 2006 bei der übernehmenden Körperschaft außer Ansatz. So verhält es sich
auch für Anteile, auf die bei einem Lebensversicherungsunternehmen § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG
2002 anzuwenden ist. Art. 7 Fusions-RL ändert daran nichts (Bestätigung des BMF-Schreibens
vom 11. November 2011, BStBl I 2011, 1314, dort Tz. 12.06 Satz 1 und 2).
Tatbestand
1 A. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine AG, die das
Lebensversicherungsgeschäft betreibt. Sie war im Streitjahr 2006 an einem anderen
Lebensversicherungsunternehmen in der Rechtform der AG, der X-AG, beteiligt. Dem
Beteiligungserwerb vorangegangen waren langwierige Auseinandersetzungen und
Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit einem sog. Squeeze out (gemäß §§ 327a ff.
des Gesetzes betreffend die Aktiengesellschaften), die im Ergebnis bei der Klägerin zu
Anschaffungskosten für die Beteiligung von insgesamt … EUR führten. Anfang 2007 wurde
die X-AG rückwirkend zum 31. Dezember 2006 im Wege der Verschmelzung durch
Aufnahme nach § 2 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes auf die Klägerin verschmolzen.
2 Die Klägerin erklärte aufgrund der --sich aus § 8b Abs. 8 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) herleitenden-- Steuerverstrickung der
untergegangenen Beteiligung als Folge der Verschmelzung einen abzugsfähigen Verlust
in Höhe von … EUR, den sie wie folgt errechnete: Der Unterschiedsbetrag in Höhe von
… EUR zwischen dem gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz
des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 2006) angesetzten gemeinen Wert der Anteile
an der X-AG von … Mio. EUR einerseits und den Anschaffungskosten in Höhe von … EUR
andererseits ergab zunächst den sog. Abstockungsverlust. Dieser Verlust wurde sodann
um den Unterschiedsbetrag in Höhe von … EUR zwischen dem gemeinen Wert der
Beteiligung von … Mio. EUR und dem nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG
2006 anzusetzenden Verschmelzungswert der übergegangenen Wirtschaftsgüter von
… Mio. EUR erhöht. Der so errechnete Verschmelzungsverlust belief sich insgesamt auf
… EUR (im Urteil der Vorinstanz rechnerisch unzutreffend angegeben).
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht; er ließ den
Abzug des gesamten Betrags unter Hinweis auf § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG 2006
nicht zu.
4 Die Klage gegen die hiernach ergangenen Bescheide über die Festsetzung der
Körperschaftsteuer sowie die Festsetzung und Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags
2006 war erfolgreich. Ihr wurde durch Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg
vom 9. Juli 2012 6 K 5258/09 (juris) stattgegeben: Ein Übernahmeverlust werde von der
Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG 2006 i.V.m. § 8b Abs. 7 und 8 KStG 2002
umfasst. Aus dem uneingeschränkten Verweis in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 auf
§ 8b KStG 2002 lasse sich folgern, dass der Gesetzgeber bei dieser Bezugnahme auch die
steuerliche Behandlung von Übernahmeverlusten bei den Körperschaftsteuersubjekten i.S.
des § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG 2002 gesehen und gebilligt habe. Allein dieses
Rechtsverständnis stehe in Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom
23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die
Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften
verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
1990, Nr. L-225, 1) --Fusionsrichtlinie (Fusions-RL)--.
5 Seine Revision stützt das FA auf die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-
Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7 Dem Revisionsverfahren ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten. Es
hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, ohne eigene Anträge zu stellen.
8 Im Laufe des Revisionsverfahrens hat das FA die angefochtenen Steuerbescheide durch
Bescheide vom 10. April 2013 aus anderen Gründen geändert. Die Beteiligten haben
übereinstimmend erklärt, dass der Streitstoff davon nicht berührt wird.
Entscheidungsgründe
9 B. I. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben,
weil die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide vom
10. April 2013 an die Stelle der ursprünglich angefochtenen Bescheide getreten sind.
Damit liegen dem FG-Urteil nicht mehr existierende Bescheide zugrunde, was zur Folge
hat, dass das angefochtene Urteil keinen Bestand haben kann. Die Bescheide vom
10. April 2013 wurden nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand
des Revisionsverfahrens. Da die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des
Streitstoffs durch die Änderung der angefochtenen Verwaltungsakte unberührt geblieben
sind, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO (z.B. Senatsurteil
vom 7. September 2011 I R 12/11, BFHE 235, 225, BStBl II 2012, 194). Das
finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG
insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht
weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des
Senats.
10 II. Der Senat verweist die Sache auf dieser Basis an die Vorinstanz zurück. Diese hat den
Abzug des sog. Übernahmeverlusts als Betriebsausgabe zu Unrecht nach Maßgabe von
§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 i.V.m. § 8b Abs. 8 KStG 2002 zugelassen. Allerdings
wirkt sich das unmittelbar nur auf den errechneten Verschmelzungsverlust in Höhe von
… EUR aus. Der von der Klägerin zunächst nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 errechnete sog. Abstockungsverlust könnte in Gänze
oder jedenfalls im Umfang eines Teils abziehbar sein. Im Einzelnen bedarf es dazu aber
weiterer Sachaufklärung, welche der Vorinstanz in einem zweiten Rechtsgang zu
überantworten ist.
11 1.a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 hat die übernehmende Körperschaft im Falle
einer Verschmelzung die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit dem in der
steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Wert i.S. des
§ 11 UmwStG 2006 zu übernehmen. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 gilt § 4
Abs. 1 Satz 2 und 3 UmwStG 2006 entsprechend. Bezogen auf § 4 Abs. 1 Satz 2
UmwStG 2006 bedeutet das: Die Anteile an der übertragenden Körperschaft sind bei dem
übernehmenden Rechtsträger zum steuerlichen Übertragungsstichtag mit dem Buchwert,
erhöht um Abschreibungen, die in früheren Jahren steuerwirksam vorgenommen worden
sind, sowie um Abzüge nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) und
ähnliche Abzüge, höchstens mit dem gemeinen Wert, anzusetzen.
12 b) Ergibt sich nach Maßgabe dieser Wertansätze ein Gewinn oder ein Verlust, so bleibt
ein solcher Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG
2006 in Höhe des Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile an der
übertragenden Körperschaft und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter
zu übernehmen sind, abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang, außer Ansatz.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 ist § 8b KStG 2002 anzuwenden, soweit der
Gewinn im Sinne des Satzes 1 abzüglich der anteilig darauf entfallenden Kosten für den
Vermögensübergang dem Anteil der übernehmenden Körperschaft an der übertragenden
Körperschaft entspricht. Letzteres bezieht sich in dem hier interessierenden
Zusammenhang in erster Linie auf § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002, wonach bei der
Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer
Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu
Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG 2002 gehören, außer
Ansatz bleiben.
13 c) Das alles gilt nach Maßgabe von § 19 Abs. 1 UmwStG 2006 und § 7 Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes 2002 auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags.
14 2. Die Klägerin ist auf der Grundlage dieser Vorschriften folgerichtig vorgegangen, indem
sie zunächst --auf einer ersten Ermittlungsstufe-- den Übernahmewert nach § 12 Abs. 1
UmwStG 2006 errechnet hat. Sie hat dabei der Besonderheit Rechnung getragen, dass
der gemeine Wert der übernommenen Anteile an der X-AG als der
Bewertungshöchstbetrag unterhalb des angesetzten Buchwerts lag, woraus sich als
Beteiligungskorrekturverlust ein Abstockungsverlust von … EUR ergab. Diesen Betrag
hat sie sodann --auf einer zweiten Stufe-- um … EUR erhöht und den Gesamtbetrag in
voller Höhe von … EUR als Übernahmeverlust nach Maßgabe von § 12 Abs. 2 Satz 2
UmwStG 2006 i.V.m. § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG 2002 einerseits und § 8b Abs. 2 Satz 1 und
Abs. 3 Satz 3 KStG 2002 andererseits steuerlich außer Ansatz gelassen. Ersterem ist im
Grundsatz beizupflichten (nachfolgend a), Letzterem nicht (nachfolgend b).
15 a) Der durch § 12 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 zur entsprechenden Anwendung in Bezug
genommene § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 bestimmt den gemeinen Wert der
übernommenen Anteile zum Ansatzhöchstwert. Liegt der gemeine Wert unter dem
Buchwert, verlangt das in der Konsequenz zunächst eine Wertabstockung. Dass die
Wertabstockung sich auf das Übernahmeergebnis und dessen steuerliche Behandlung
nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 auswirkt und damit unmittelbar
verschmelzungsbedingt ist, widerspricht dem beschriebenen zweistufigen Vorgehen
nicht. Dieses Vorgehen findet seinen Grund unabhängig davon in § 12 Abs. 1 Satz 1
UmwStG 2006 --in einer juristischen Sekunde-- auf einer Ermittlungsvorstufe im Rahmen
des gesetzlich angeordneten Wertansatzes.
16 aa) Die tatbestandlichen Erfordernisse des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 sind im
Streitfall jedenfalls dem Grunde nach erfüllt. Das scheitert bei verständiger Lesart ebenso
wie nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht daran, dass der maßgebende gemeine
Wert der Anteile unterhalb des Buchwerts der Anteile liegt. Zwar ist es richtig, dass die
Vorschrift ihrem Wortlaut nach davon ausgeht, dass der Buchwert unter dem gemeinen
Wert liegt und nicht umgekehrt der gemeine Wert unter dem Buchwert. Das ergibt sich
daraus, dass strenggenommen nur im ersteren Fall der Buchwert um steuerwirksame
Abschreibungen und Abzüge nach § 6b EStG 2002 usf. bis zum gemeinen Wert "erhöht"
werden kann. Doch erfordert es der der Vorschrift zugrundeliegende Regelungsbefehl --
der Ansatz mit dem gemeinen Wert als Bewertungsobergrenze--, das Normverständnis
zunächst auf die Grundaussage zu verengen --den auf die besagte Obergrenze
"gedeckelten" Buchwertansatz-- und die in der Vorschrift aufgelisteten Werterhöhungen
danebenstehend als Korrekturtatbestände zu begreifen, die lediglich im Regelfall als
buchwerterhöhend wirken.
17 Dem BMF-Schreiben vom 11. November 2011 (BStBl I 2011, 1314), dort unter Tz. 12.03
Satz 4 i.V.m. Tz. 04.06 (sowie auch in Tz. 04.05), könnte in diesem Punkt allerdings ggf.
etwas anderes entnommen werden. Dazu konzediert das dem Revisionsverfahren
beigetretene BMF in seiner schriftsätzlichen Stellungnahme jedoch selbst, "dass die
Bewertungsobergrenze (= gemeiner Wert) betreffend die Anteile an der Übertragerin
gleichermaßen gilt, ob Teilwertabschreibungen etc. vorgenommen worden sind oder
nicht; insoweit ist die Aussage in der Randnr. 04.05 UmwSt-Erlass 2011 missverständlich,
die --anders als die hier einschlägige Randnr. 12.03 UmwSt-Erlass-- keine
wortlautgetreue Wiedergabe des Gesetzestextes enthält". Der Senat stimmt damit in
Einklang denn auch der Rechtsauffassung zu, wie sie im Schrifttum (z.B.) von
Krohn/Greulich (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 646), Schnitter (in Frotscher/Maas,
KStG/GewStG/UmwStG, § 4 UmwStG Rz 6), Schönherr/Krüger (in Haase/Hruschka,
UmwStG, § 4 Rz 51), Schmitt (in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz,
Umwandlungssteuergesetz, 6. Aufl., § 4 UmwStG Rz 52, § 12 UmwStG Rz 19, auch
Rz 46) und wohl auch von Rödder (in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl.,
§ 12 Rz 59) vertreten wird, nicht aber der Gegenmeinung (z.B.) von van Lishaut (in
Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, daselbst, § 4 Rz 47) und von Pung (in
Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungssteuerrecht, 7. Aufl., § 4 UmwStG Rz 14a).
18 bb) Der aus dem Abstockungsbetrag errechnete Beteiligungskorrekturverlust gehört nicht
zum Übernahmeergebnis. Er unterfällt den allgemeinen Grundsätzen und deswegen
unabhängig von § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 auch der Vorschrift des § 8b KStG
2002 und hierbei dem Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG 2002. Danach sind
Gewinnminderungen bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen,
vorausgesetzt, sie entstehen im Zusammenhang mit dem in § 8b Abs. 2 KStG 2002
genannten Anteil. Das wiederum ist nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 ein Anteil an
einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu
Einnahmen (u.a.) i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 gehören; Gewinne aus der
Veräußerung eines solchen Anteils bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer
Kapitalgesellschaft ihrerseits außer Ansatz. Allerdings gebietet § 8b Abs. 8 KStG 2002 in
seinem Satz 1 --und vorbehaltlich bestimmter Rückausnahmen in seinen Sätzen 2 und 3--
, dass § 8b Abs. 1 bis 7 KStG 2002, also auch dessen Absätze 2 und 3, nicht auf Anteile
anzuwenden ist, die (u.a. und soweit hier relevant) bei Lebensversicherungsunternehmen
den Kapitalanlagen zuzurechnen sind.
19 Die tatbestandlichen Erfordernisse sowohl des § 8b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 als
auch des § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG 2002 sind im Streitfall, wie unter den Beteiligten im
Ergebnis auch unstreitig ist, erfüllt, und die gesetzlich in § 8b Abs. 8 Satz 2 und 3 KStG
2002 vorbehaltenen (Rück-)Ausnahmen sind nicht einschlägig. Bleibt damit aber (auch)
§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG 2002 unanwendbar, ist der betreffende Korrekturverlust vollen
Umfangs als Betriebsausgabe abziehbar.
20 cc) Zweifelhaft könnte unter den Gegebenheiten des Streitfalls jedoch sein, ob der
errechnete Korrekturbetrag auf Vorgänge solcherart zurückzuführen ist, wie sie in § 4
Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 aufgeführt sind, nämlich auf Vorgänge, welche bei der
beteiligten Gesellschaft sich zuvor in steuerwirksamer Weise auf den Wert ausgewirkt
haben --Abschreibungen, die in früheren Jahren steuerwirksam vorgenommen worden
sind, sowie Abzüge nach § 6b EStG 2002 und ähnliche Abzüge-- und welche deswegen
nunmehr erhöhend hinzuzurechnen sind. Dazu fehlen derzeit noch die notwendigen
tatrichterlichen Feststellungen. Das FG wird diese zu treffen haben. Es hat dann zugleich
Gelegenheit, die unter den Beteiligten jedenfalls vorinstanzlich noch umstrittene Frage
nach der Höhe des gemeinen Werts der Anteile als des Bewertungsgrenzwerts
aufzuklären.
21 b) Der nach diesem ersten Berechnungsschritt anschließend ermittelte Übernahmeverlust
wird infolge des vorrangig ermittelten Beteiligungskorrekturverlusts gemindert. Anders als
der Korrekturverlust unterfällt er dem Regelungsbereich des § 12 Abs. 2 UmwStG 2006.
Und ebenfalls abweichend von dem Korrekturverlust ist er steuerlich außer Ansatz zu
lassen.
22 aa) Ein verschmelzungsbedingtes Übernahmeergebnis wird Veräußerungsgewinnen i.S.
von § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 im Ergebnis gleichgestellt (vgl. den Regierungsentwurf
zu dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, BTDrucks 16/2710,
S. 41; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 12 Rz 86) und ist im
Grundsatz steuerbefreit. Das gilt nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 allgemein und
insbesondere unabhängig davon, ob die aufnehmende Gesellschaft bereits vor dem
Umwandlungsvorgang an der übergehenden Gesellschaft beteiligt gewesen ist (vgl.
Senatsurteil vom 9. Januar 2013 I R 24/12, BFHE 240, 115). War die aufnehmende
Gesellschaft aber --wie im Streitfall-- bereits zuvor an der übergehenden Gesellschaft
beteiligt, handelt es sich also um eine sog. Aufwärtsverschmelzung, dann bestimmt sich
die Reichweite des umwandlungssteuerrechtlichen "Außerachtlassens" des
Verschmelzungsergebnisses im quotalen Umfang der (zuvorigen) Beteiligung der
übernehmenden Gesellschaft --allein-- nach Maßgabe von § 8b KStG 2002 und damit
auch der Einschränkungen, welche § 8b KStG 2002 gegenüber der "absolut" wirkenden
Freistellung der Verschmelzungsergebnisse nach § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006
anordnet.
23 bb) Das folgt aus Satz 2 der letzteren Vorschrift und bedeutet zugleich, dass zwar ein
Übernahmegewinn, ein Übernahmeverlust im Grundsatz aber nicht in die Freistellung
nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 einzubeziehen ist. Denn freigestellt wird hiernach --
das ergibt sich letztlich zweifelsfrei aus dem Regelungstext in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG
2006 ("... der Gewinn i.S. des Satzes 1 ...") und darüber wurde vom Senat auch bereits für
§ 8b Abs. 2 KStG 2002 in dessen unmittelbarer Anwendung entschieden (Urteil vom
13. Oktober 2010 I R 79/09, BFHE 231, 529)-- lediglich der Gewinn aus der vermittels
§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 einer Veräußerung gesetzlich gleichgestellten
Übernahme der betreffenden Kapitalanteile. Dass in § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006
von "ein(em)" Gewinn die Rede ist, der außer Ansatz bleibt, in § 12 Abs. 2 Satz 2
UmwStG 2006 demgegenüber von "dem" Gewinn (im Sinne des Satzes 1), ist ganz
offensichtlich der Syntax und dem Sprachfluss geschuldet und kann in der Sache keinen
tragfähigen Unterschied ausmachen. Mit den Anteilen in Zusammenhang stehende
Verluste werden von der Freistellung nach § 8b (Abs. 2 Satz 1) KStG 2002 sonach von
vornherein nicht erfasst. Dieses Regelungsverständnis entspricht im Ergebnis der
Verwaltungspraxis im BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 1314, dort Tz. 12.06.
24 cc) Das alles ist gleichermaßen für Lebensversicherungsunternehmen von Bedeutung.
25 aaa) Zwar enthält der Querverweis auf § 8b KStG 2002 in § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG
2006 als solcher keine tatbestandlichen Beschränkungen; die Bezugsnorm ist also vollen
Umfangs anzuwenden, einschließlich deren Abs. 8 Satz 1, und danach ist § 8b Abs. 1 bis
7 KStG 2002 --wie oben unter B.II.2.a bb bereits beschrieben-- nicht anzuwenden auf
Anteile, die bei Lebensversicherungsunternehmen den Kapitalanlagen zuzurechnen sind.
Die Inbezugnahme auch von § 8b Abs. 8 KStG 2002 durch § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG
2006 entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. den Bericht des
Finanzausschusses zu dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung
der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften,
BTDrucks 16/3369, S. 10), wiederum der Verwaltungspraxis (BMF-Schreiben in BStBl I
2011, 1314 Tz 12.06) und der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (z.B.
Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 52; Schießl in
Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz 267.31; Widmann, daselbst, § 4
UmwStG Rz 578.10 f.; Ley/Bodden, Finanz-Rundschau --FR-- 2007, 265;
Benecke/Schnitger, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2007, 22; Dötsch in
Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 47, sowie derselbe in
Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG Rz 46 f.; Heinemann,
GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2012, 133, 137; Perwein, GmbHR 2008, 747, 752;
Füllbier/Beckert, Die Unternehmensbesteuerung --Ubg-- 2009, 774; Frotscher in
Frotscher/Maas, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 75; anders z.B. Rödder in
Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 12 Rz 89 ff.; Rödder/Schmidt-Fehrenbacher in
Flick Gocke Schaumburg/BDI, Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, § 12 UmwStG
UmwStE Rz 12.06; Schaflitzl/Götz, Der Betrieb, Beilage 1/2012, 25, 30;
Neu/Schiffers/Watermeyer, GmbHR 2011, 729, 734; Blümich/Klingberg, § 12 UmwStG
2006 Rz 51).
26 bbb) Bleibt § 8b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 KStG 2002 damit abermals
unanwendbar, erwirkt § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 indessen keine Einschränkung
gegenüber der in Satz 1 der Vorschrift angeordneten allgemeinen Aussage, dass Verluste
aus der Verschmelzung steuerlich außer Ansatz zu belassen sind. Der in § 12 Abs. 2
Satz 2 UmwStG 2006 angeordnete --und auf Verschmelzungsgewinne verengte--
Anwendungsbefehl betreffend § 8b KStG 2002 ist unmissverständlich und eindeutig. Er
erschöpft sich in jener in § 8b Abs. 8 Satz 1 KStG 2002 bestimmten partiellen
Nichtanwendung für Gewinne; auf Verluste wirkt sich der Anwendungsbefehl hingegen
nicht aus (im Ergebnis ebenso z.B. Schießl in Widmann/Mayer, a.a.O., § 12 UmwStG
Rz 267.32 ff.; Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 47;
L. Wagner in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., Anh § 7 Rz 995; s.a. Gosch, KStG,
2. Aufl., § 8b Rz 72d; Blümich/Klingberg, § 12 UmwStG Rz 33; Füllbier/ Beckert, Ubg
2009, 774; Rödder in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 12 Rz 92; anders z.B.
Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22, 26; Ley/Bodden, FR 2007, 265, 273 f.; Schmitt in
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 54 ff.; Frotscher in Frotscher/Maas,
a.a.O., § 12 UmwStG Rz 72).
27 Dadurch bestätigt sich im Ergebnis zwar der gelegentlich --und auch von der Klägerin--
erhobene Einwand einer "systematischen Verwerfung" in der Gleichbehandlung von
Übernahmegewinnen einerseits und Übernahmeverlusten andererseits (vgl. z.B. Ruoff in
Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Rz 12.1; Herfort/Viebrock
in Haase/Hruschka, a.a.O., § 12 Rz 141 ff., 144; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 12
UmwStG Rz 42; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369, 372 ff.; Rödder in
Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 12 Rz 92; s. insoweit auch Füllbier/Beckert,
Ubg 2009, 774). Und zuzugestehen ist, dass diese "Verwerfung" für
Umwandlungsvorgänge letztlich genau zu jenem Auseinanderfallen von
handelsbilanziellem Ausweis einerseits und steuerbilanziellem Ausweis andererseits
führt, welche vermittels der Sonderregelung in § 8b Abs. 8 KStG 2002 für die
einbezogenen Versicherungsunternehmen vermieden werden soll, weil sich nach dem
handelsbilanziellen Ergebnis die Zuführungen zur Rückstellung für
Beitragsrückerstattungen nach Maßgabe von § 21 Abs. 2 KStG 2002 richten. Doch nimmt
das Gesetz die sich daraus ergebende "Unwucht" ersichtlich in Kauf. Sie rechtfertigt sich
wohl aus der teleologischen Erwägung, dass Übernahmeverluste regelmäßig (bloße)
Buchverluste repräsentieren, welche die Leistungsfähigkeit der übernehmenden
Körperschaft nicht vermindern und diese infolge der Übernahme insoweit steuerlich nicht
belasten; eine steuerliche Belastung tritt erst ein, wenn die im übergegangenen
Vermögen enthaltenen stillen Reserven realisiert werden (s. dazu --allerdings noch zu
§ 15 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 1977-- Senatsurteil vom 18. Oktober 1989 I R 158/85, BFHE
159, 31, BStBl II 1990, 92; Schießl in Widmann/Mayer, a.a.O., § 12 Rz 267.35 ff., m.w.N.).
Die von der Klägerin behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem
Abzugsausschluss drängen sich in Anbetracht dessen jedenfalls nicht auf.
28 ccc) Dafür, dass § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 i.V.m. § 8b Abs. 8 KStG 2002 über
seinen Regelungswortlaut hinaus sowohl für Gewinne als auch für Verluste gegenüber
§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 eine uneingeschränkte verdrängende Wirkung
beizumessen wäre, geben weder Sinn und Zweck noch die vom FG umfassend
hergeleitete Entstehungsgeschichte der Vorschriften (s. BTDrucks 15/1684, 15/1584,
15/1665, 16/2710, 16/3315, 16/3369) Hinreichendes her, das eine rechtsfortbildende
Regelungsauslegung, wie von der Klägerin eingefordert, erzwingen könnte. Auch aus
Art. 7 Fusions-RL, auf welche die Vorinstanz ihr Urteil maßgeblich gestützt hat, folgt nichts
Gegenteiliges. FA und BMF weisen zutreffend darauf hin, dass es hierbei darum geht, bei
grenzüberschreitenden Umstrukturierungen für die mögliche Besteuerung eines
Veräußerungsgewinns, der sich aus dem Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert
und dem steuerlichen Wert des übertragenen Aktiv- und Passivvermögens ergeben
könnte, einen Steueraufschub vorzusehen. Dieser Steueraufschub wird gewährt, soweit
die übernehmende Gesellschaft die steuerlichen Werte des übernommenen Aktiv- und
Passivvermögens fortführt und diese einer eigenen Betriebsstätte der übernehmenden
Gesellschaft im Staat der übertragenden Gesellschaft zuzurechnen sind. Regelungen zur
Erfassung von Übernahmeverlusten enthält die Fusionsrichtlinie indessen keine. Dass sie
umgekehrt --worauf die Klägerin hinweist-- gegenüber einer Anwendung auf
Übernahmeverluste auch keine "Sperrwirkung" entfaltet, ist richtig, führt in der Sache aber
nicht weiter.
29 3. Das FG hat dem ersten Punkt --der steuerlichen Behandlung des nach § 12 Abs. 1
i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 zu errechnenden Übernahmewerts-- keine
Beachtung geschenkt und zum zweiten Punkt --der steuerlichen Behandlung des
Übernahmeverlusts nach Maßgabe von § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG 2006-- eine
abweichende Rechtsauffassung vertreten. Deswegen und ohnehin auch aus den unter
B.I. erwähnten formalen Gründen wegen der zwischenzeitlich ergangenen
Änderungsbescheide vom 10. April 2013 ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die
Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit die noch ausstehende Sachaufklärung zu
den nach § 12 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006 anzusetzenden Werte
nachgeholt werden kann. Im Übrigen war das Verfahren einzustellen, soweit die Klägerin
ihre Klage wegen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags 2006 in der mündlichen
Verhandlung zurückgenommen hat (§ 121 Abs. 1 Satz 1, § 72 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 2 FGO).