Urteil des BFH vom 23.04.2014

Berechnung des Zusatzzolls nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 bei Unkenntnis des cif-Einfuhrpreises

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 23.4.2014, VII R 2/13
Berechnung des Zusatzzolls nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 bei Unkenntnis des cif-
Einfuhrpreises
Leitsätze
1. Der nach Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 der VO (EG) Nr. 1484/95 in der Fassung vor Änderung durch
die VO (EG) Nr. 816/2009 für die Berechnung des Zusatzzolls maßgebliche cif-Einfuhrpreis ist der
fob-Preis des letzten drittländischen Verkäufers zuzüglich der tatsächlichen Transport- und
Versicherungskosten. Dies gilt auch dann, wenn nach dem tatsächlichen Verbringen in das
Zollgebiet der Union erst ein späterer Erwerber die Ware zum freien Verkehr anmeldet.
2. Bei Unkenntnis des cif-Einfuhrpreises wegen fehlender Vorlage der Handelsrechnung des
letzten drittländischen Veräußerers kann zur Berechnung des Zusatzzolls auf den repräsentativen
Preis nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1484/95 zurückgegriffen werden.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb von der in Dänemark ansässigen
N A/S 990 Kartons gefrorene Hühnerteile (Codenummer 0207 1410 00 0). Die N A/S hatte
die Hühnerteile zuvor von einem brasilianischen Ausführer erworben. Ursprungsland der
Hühnerteile war ebenfalls Brasilien.
2 Die Klägerin meldete die gefrorenen Hühnerteile am 21. April 2005 zur Überführung in den
freien Verkehr an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--)
berechnete die Einfuhrabgaben auf Grundlage der von der N A/S gestellten
Handelsrechnung.
3 Im Rahmen einer Nachprüfung kontrollierte das HZA, ob der festgesetzte Zusatzzoll der
Verordnung (EG) Nr. 1484/95 (VO Nr. 1484/95) der Kommission vom 28. Juni 1995 mit
Durchführungsbestimmungen zur Regelung der zusätzlichen Einfuhrzölle und der
Festsetzung der repräsentativen Preise in den Sektoren Geflügelfleisch und Eier ...
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 145/47) in der für den Streitfall
geltenden Fassung nach Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 684/1999 der
Kommission vom 29. März 1999 (ABlEG Nr. L 86/6) entspricht. Auf eine entsprechende
Anforderung des HZA konnte die Klägerin Belege zu den Transport- und
Versicherungskosten, nicht aber die vom brasilianischen Ausführer an die N A/S gerichtete
Rechnung vorlegen. Die N A/S stellte diese Rechnung nicht zur Verfügung.
4 Das HZA forderte daraufhin gemäß Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) Einfuhrabgaben
nach. Da die Klägerin nicht den für die Bestimmung des cif-Einfuhrpreises erforderlichen fob-
Preis im Ursprungsland mitgeteilt habe, müsse der Zusatzzoll nach der VO Nr. 1484/95
anhand des repräsentativen Preises in Höhe von 148,20 EUR/100 kg berechnet werden.
5 Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe
bei der Bestimmung des cif-Einfuhrpreises grundsätzlich auf die von dem brasilianischen
Ausführer gestellte Rechnung zuzüglich der tatsächlichen Transport- und
Versicherungskosten abstellen müssen. Denn nach Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 VO Nr. 1484/95
sei derjenige Preis maßgeblich, zu dem ein im Unionsgebiet ansässiger Marktteilnehmer
eine Ware aus einem Drittland erwerbe. Auf den Zeitpunkt der Überführung in den freien
Verkehr komme es nicht an. Da die Klägerin glaubhaft versichert habe, mangels Kenntnis
von der Rechnung des brasilianischen Ausführers keinen auf dieser Grundlage berechneten
cif-Einfuhrpreis angeben zu können, habe das HZA bei der Berechnung des Zusatzzolls zu
Recht auf den repräsentativen Preis zurückgegriffen. Letztlich handele es sich dabei um
einen für vergleichbare Einfuhren ermittelten Durchschnittspreis, so dass er eine
sachgerechte Schätzung des cif-Einfuhrpreises darstelle. Entsprechende Verfahren seien
auch aus dem Zollwertrecht bekannt (Art. 30, 31 ZK). Außerdem werde diese
Herangehensweise durch die Berechnung der Sicherheit nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 1484/95
bestätigt.
6 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, für die Bestimmung des cif-Einfuhrpreises i.S.
des Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1484/95 komme es auf den Preis an, den derjenige bezahle, der die
Ware zur Überführung in den freien Verkehr anmelde.
7 Die Kommission sei im Rahmen der VO Nr. 1484/95 vom Grundfall eines direkten Erwerbs
der Ware durch den Anmelder im Ursprungsland ausgegangen. Für den Fall, dass die Ware
nicht direkt, sondern über Zwischenhändler in Drittländern erworben werde, habe der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Parallelproblematik in der Verordnung
(EWG) Nr. 1626/85 (VO Nr. 1626/85) vom 14. Juni 1985 über Schutzmaßnahmen bei der
Einfuhr von bestimmten Sauerkirschen (ABlEG Nr. L 156/13) entschieden, der zur
Berechnung des cif-Einfuhrpreises erforderliche fob-Preis im Ursprungsland sei anhand des
fob-Preises zu bestimmen, den der letzte drittländische Zwischenhändler verlange (Urteil
vom 2. August 1993 C-81/92 -Dinter-, Slg. 1993, I-4601). Auch die Kommission habe das
Problem der Verkäuferketten erkannt und die Definition des cif-Einfuhrpreises in Art. 2 Abs. 1
Anstrich 2 VO Nr. 1484/95 durch die Verordnung (EG) Nr. 816/2009 (VO Nr. 816/2009) der
Kommission vom 7. September 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 ...
(Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- Nr. L 236/5) gestrichen.
8 Die Rechtsprechung des EuGH in Slg. 1993, I-4601 müsse auch für die im Streitfall
anwendbare Fassung der VO Nr. 1484/95 sowie für Verkäuferketten zwischen dem
Erreichen des Zollgebiets der Union und der Überführung der Ware in den freien Verkehr
gelten. Hierfür spreche zunächst der Wortlaut der VO Nr. 1484/95. Da mit dem Begriff
"Einführer" der zollverfahrensrechtliche Einführer gemeint sei, müsse auch der Begriff
"Einfuhrpreis" zollverfahrensrechtlich bestimmt werden. Nur so könne verhindert werden,
dass sich die Begriffe Einfuhr und Einführer auf verschiedene Vorgänge beziehen und
dadurch Widersprüche entstehen. Darüber hinaus gehe die vom FG vertretene Auffassung
zur Bestimmung des cif-Einfuhrpreises über den in den Erwägungsgründen der VO
Nr. 1484/95 genannten Zweck, eine Störung des Unionsmarkts zu verhindern, hinaus. Die
eingeführten Waren konkurrierten auf dem Binnenmarkt erst nach einer Überführung in den
freien Verkehr mit den in der Union produzierten Waren. Außerdem verweist die Klägerin auf
das eigentliche Ziel des Übereinkommens über die Landwirtschaft (WTO-
Landwirtschaftsübereinkommen), einen ungehinderten Marktzugang zu gewähren. Deshalb
sei im Zweifel immer diejenige Auslegung zu wählen, die dem freien Handel Vorrang
einräume. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der endgültige Zollanmelder regelmäßig nicht
die cif-Einfuhrpreise seiner vorgelagerten Zwischenhändler erfahre. Diese seien vielmehr
daran interessiert, ihre eigenen Einkaufspreise geheim zu halten.
9 Darüber hinaus könne für den Fall, dass sich kein cif-Einfuhrpreis ermitteln lasse, jedenfalls
nicht auf den repräsentativen Preis abgestellt werden. Vielmehr sei der maßgebliche Preis in
diesem Fall unter analoger Anwendung der Zollwertvorschriften in Art. 29 ff. ZK zu
bestimmen.
10 Das HZA schließt sich der Begründung des FG an und macht geltend, für die Anwendung
einer abweichenden Berechnungsmethode des cif-Einkaufspreises bestehe keine
Rechtsgrundlage. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils in Slg. 1993, I-
4601. Die dort überprüfte VO Nr. 1626/85 sehe in Art. 3 Abs. 3 eine Berechnungsmethode für
den cif-Einkaufspreis vor, die in der im Streitfall maßgeblichen VO Nr. 1484/95 gerade nicht
(mehr) enthalten sei. Außerdem habe der EuGH in seinem Urteil vom 6. Dezember 2005 C-
461/03 -Gaston Schul Douane-expediteur- (Slg. 2005, I-10513) zur Verordnung (EG)
Nr. 1423/95 der Kommission vom 23. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 141/16; nunmehr Verordnung
(EG) Nr. 951/2006 der Kommission vom 30. Juni 2006, ABlEU Nr. L 178/24) die
Maßgeblichkeit des cif-Einkaufspreises ohne Erwähnung etwaiger Besonderheiten bei
Verkäuferketten bestätigt, obwohl der Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 30. Juni
2005 von einer mit der VO Nr. 1484/95 vergleichbaren Definition des cif-Einfuhrpreises
ausgegangen sei.
11 Sofern der cif-Einfuhrpreis nicht zu ermitteln sei, könne der repräsentative Preis als
Grundlage zur Berechnung des Zusatzzolls dienen. Dass der repräsentative Preis unter
anderem anhand der üblichen Preise auf den Märkten in Drittländern bestimmt werde,
spreche nicht gegen diese Auffassung. Denn abweichend vom Zollwertrecht sei für die
Bemessung des Zusatzzolls auch im Normalfall der Preis in einem Drittland, nämlich dem
Ursprungs- bzw. Versendungsland, maßgeblich.
Entscheidungsgründe
12 II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass es bei der Bestimmung des cif-Einfuhrpreises i.S.
des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 VO Nr. 1484/95 grundsätzlich auf die von dem brasilianischen
Ausführer gestellte Rechnung zuzüglich der tatsächlichen Transport- und
Versicherungskosten ankommt. Da diese Rechnung nicht zur Verfügung steht, konnte das
HZA im Streitfall den repräsentativen Preis zugrunde legen.
13 1. Dass es bei der Bestimmung des cif-Einfuhrpreises i.S. des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 VO
Nr. 1484/95 grundsätzlich nicht auf die Handelsrechnung eines Zwischenhändlers im
Unionsgebiet, sondern auf die Handelsrechnung des letzten drittländischen
Zwischenhändlers ankommt, ergibt sich sowohl aus dem klaren Wortlaut als auch aus der
Systematik und dem Sinn und Zweck der zugrunde liegenden Vorschriften.
14 a) Nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 VO Nr. 1484/95 ist der Zusatzzoll auf Grundlage des cif-
Einfuhrpreises der betreffenden Sendung zu berechnen. Eine Definition des cif-
Einfuhrpreises, die ausdrücklich für die gesamte VO Nr. 1484/95 gelten soll, findet sich in
Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2. Danach besteht der cif-Einfuhrpreis aus dem fob-Preis im
Ursprungsland und den tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten "bis zum Ort des
Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft". Damit wird derjenige Ort bezeichnet, an
dem die Ware tatsächlich die Grenze zum Zollgebiet der Gemeinschaft überschreitet, d.h.
gerade nicht der Ort der --gegebenenfalls späteren-- Überführung in den freien Verkehr.
15 b) Die Auslegung nach dem Wortlaut wird sowohl durch eine systematische als auch durch
eine teleologische Auslegung bestätigt.
16 Grundlage der VO Nr. 1484/95 ist für den Sektor Geflügelfleisch die Verordnung (EWG)
Nr. 2777/75 (VO Nr. 2777/75) des Rates vom 29. Oktober 1975 (ABlEG Nr. L 282/77) in der
durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABlEU Nr. L 122/1)
geänderten Fassung. Nach Art. 5 VO Nr. 2777/75 darf ein zusätzlicher Einfuhrzoll erhoben
werden, wenn die Bedingungen des Art. 5 WTO-Landwirtschaftsübereinkommen, das im
Rahmen der multinationalen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde als Anhang 1A.3
zum Abkommen über die Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994
geschlossen wurde (genehmigt durch Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember
1994, ABlEG Nr. L 336/1) erfüllt sind. Hierbei wird sowohl in der VO Nr. 2777/75 als auch im
WTO-Landwirtschaftsübereinkommen auf den cif-Einfuhrpreis abgestellt. Besondere
Bedingungen für den Fall von Verkäuferketten sind nicht vorgesehen. Stattdessen wird in
Abs. 4 der Erwägungsgründe ausdrücklich davon gesprochen, dass die Gemeinschaft zur
Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes für Geflügelfleisch eine einheitliche
Handelsregelung "an ihren Außengrenzen" einführen müsse. Außerdem heißt es in Abs. 6,
dass die Abschöpfungen um einen Zusatzbetrag zu erhöhen sind, sofern die
"Angebotspreise frei Grenze" unter den festgesetzten Einschleusungspreisen liegen. Daraus
wird deutlich, dass auch die der VO Nr. 1484/95 zugrunde liegenden Regelungen auf den
Ort des tatsächlichen Verbringens in das Unionsgebiet und nicht auf die Anmeldung zur
Überführung in den freien Verkehr abstellen.
17 Entgegen der Auffassung der Klägerin greifen im Streitfall auch nicht die in Art. 5 Abs. 1 VO
Nr. 2777/75 vorgesehenen Ausnahmen, wenn die Einfuhr keine Störung des
Gemeinschaftsmarkts verursachen kann oder die Auswirkungen des zusätzlichen
Einfuhrzolls in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Zwar hätte grundsätzlich die
Möglichkeit bestanden, im Fall von Verkäuferketten auf die Anmeldung zur Überführung in
den freien Verkehr abzustellen. Um eine Störung des Unionsmarkts auszuschließen, ist es
aber gerechtfertigt, den tatsächlichen Grenzübertritt für maßgeblich zu erachten. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass auch Waren, die nach dem Grenzübertritt, aber noch vor einer
Anmeldung zum freien Verkehr von einem im Unionsgebiet ansässigen Großhändler
innerhalb des Unionsgebiets vertrieben werden, in einem Konkurrenzverhältnis zu der auf
gleicher Handelsebene vertriebenen Unionsware stehen.
18 Die Maßgeblichkeit des tatsächlichen Verbringens der Ware in das Zollgebiet für die
Bestimmung des cif-Einfuhrpreises deckt sich darüber hinaus mit den Vorschriften des
Zollwertrechts. Auch hier ist für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage grundsätzlich auf
das tatsächliche Verbringen in das Zollgebiet der Union abzustellen (Art. 32 Abs. 1
Buchst. e, Art. 33 Buchst. a ZK i.V.m. Art. 163 der Zollkodex-Durchführungsverordnung).
19 c) Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch die Streichung der Definition des cif-
Einfuhrpreises in Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 VO Nr. 1484/95 durch die VO Nr. 816/2009 zu
keinem anderen Auslegungsergebnis führen. Zum einen gilt die alte Fassung des Art. 2
Abs. 1 VO Nr. 1484/95 für das Streitjahr. Zum anderen ergeben sich aus den
Erwägungsgründen der VO Nr. 816/2009 keine Anhaltspunkte, dass die Streichung zu einer
abweichenden Bestimmung des cif-Einfuhrpreises führen sollte. Vielmehr wird in den
Erwägungsgründen allein auf die Gründe für die geänderte Ermittlung der repräsentativen
Preise hingewiesen.
20 d) Aus der EuGH-Rechtsprechung lässt sich ebenfalls kein anderes Ergebnis ableiten. Dies
gilt insbesondere für die Entscheidung in Slg. 1993, I-4601, da es in diesem Fall lediglich um
Verkäuferketten außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ging. Im Urteil in Slg. 2005, I-
10513 sowie in der zuvor ergangenen Entscheidung vom 13. Dezember 2001 C-317/99 -
Kloosterboer Rotterdam- (Slg. 2001, I-9863) befasste sich der EuGH lediglich mit der Frage,
ob es zulässig ist, nur unter der Voraussetzung eines entsprechenden Antrags auf den cif-
Einfuhrpreis abzustellen. Wie der cif-Einfuhrpreis zu bestimmen ist, war nicht Gegenstand
dieser Entscheidungen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der
Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 30. Juni 2005 (Slg. 2005, I-10516 und 10519)
den cif-Einfuhrpreis ähnlich wie in Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 VO Nr. 1484/95 definiert und auf
den Preis abgestellt hat, zu dem die Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangt bzw.
eintritt.
21 2. Mangels Vorlage der von dem brasilianischen Ausführer gestellten Rechnung hat das
HZA den Zusatzzoll zutreffend anhand des repräsentativen Preises berechnet.
22 Der grundsätzlich maßgebliche cif-Einfuhrpreis kann wegen der fehlenden Rechnung des
brasilianischen Ausführers nicht berechnet werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin
ist in einem solchen Fall kein Rückgriff auf die Zollwertbestimmungsmethoden der Art. 30, 31
ZK erforderlich. Vielmehr sieht die VO Nr. 1484/95 mit dem repräsentativen Preis einen
eigenständigen Alternativwert vor.
23 Zwar hat der EuGH mit den Urteilen in Slg. 2001, I-9863 und in Slg. 2005, I-10513
entschieden, dass für die Bestimmung des Zusatzzolls ausnahms- und bedingungslos der
cif-Einfuhrpreis heranzuziehen ist, da der repräsentative Preis nach der VO Nr. 2777/75 nur
zur Überprüfung dienen dürfe. Sofern diese Überprüfung keine Bestätigung des cif-
Einfuhrpreises ergibt und damit kein --jedenfalls kein zutreffender-- cif-Einfuhrpreis zur
Verfügung steht, schließt dies aber nicht aus, bei der Berechnung des Zusatzzolls auf den
repräsentativen Preis zurückzugreifen. Vielmehr ist dies auf Grundlage der Systematik der
VO Nr. 1484/95 und der VO Nr. 2777/75 naheliegend. Denn nach beiden Verordnungen ist
der repräsentative Preis --was auch der EuGH nicht anders beurteilt-- zur Überprüfung des
cif-Einfuhrpreises geeignet. Damit muss er selbst einen möglichen, wenn auch nicht den
tatsächlichen cif-Einfuhrpreis darstellen.
24 Eine entsprechende Regelung sieht Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 für den Fall vor, dass bei
einem über dem repräsentativen Preis liegenden cif-Einfuhrpreis der Einführer die
zusätzlichen Nachweispflichten des Art. 3 Abs. 2 und 4 VO Nr. 1484/95 nicht erfüllt. Auch in
diesem Fall berechnet sich der Zusatzzoll auf Grundlage des repräsentativen Preises. Dass
der tatsächliche cif-Einfuhrpreis höher als der repräsentative Preis sein kann und damit zu
einem niedrigeren Zusatzzoll führen würde, geht zu Lasten des Einführers. Entsprechendes
muss aber auch dann gelten, wenn --wie im Streitfall-- bei einer Verkäuferkette kein
(zutreffender) cif-Einfuhrpreis berechnet werden kann, da der Einführer nicht in der Lage ist,
die hierfür notwendigen Unterlagen vorzulegen.
25 3. Der Senat hält diese Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Demnach
besteht kein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil
vom 6. Oktober 1982 283/81 -C.I.L.F.I.T.-, Slg. 1982, 3415).