Urteil des BFH vom 03.06.2014

Steuerbefreiung für letztwillige Zuwendung eines Wohnungsrechts an Familienwohnung an längerlebenden Ehegatten

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 3.6.2014, II R 45/12
Steuerbefreiung für letztwillige Zuwendung eines Wohnungsrechts an Familienwohnung an
längerlebenden Ehegatten
Leitsätze
Ein steuerbegünstigter Erwerb eines Familienheims i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG liegt
nur vor, wenn der längerlebende Ehegatte von Todes wegen endgültig zivilrechtlich Eigentum oder
Miteigentum an einer als Familienheim begünstigten Immobilie des vorverstorbenen Ehegatten
erwirbt und diese zu eigenen Wohnzwecken selbst nutzt. Die von Todes wegen erfolgende
Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechts an dem Familienheim erfüllt nicht die
Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung.
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist zu 1/3 Miterbin ihres im August 2009
verstorbenen Ehemanns (E). Weitere Miterben sind die beiden Kinder des E.
2 Zum Nachlass gehörte u.a. ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück.
Entsprechend den testamentarischen Verfügungen des E wurde das Eigentum an diesem
Grundstück jeweils zur Hälfte an die beiden Kinder übertragen und der Klägerin unentgeltlich
ein lebenslanges, dinglich gesichertes Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an der in dem
Haus befindlichen Wohnung eingeräumt, die die Klägerin und E bis zu dessen Tod
gemeinsam bewohnt hatten.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, die
Steuerbefreiung für Familienheime gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sei auf den Erwerb von bloßen Wohnungsrechten nicht
anwendbar, und bezog daher den Kapitalwert des der Klägerin eingeräumten Wohnungs- und
Mitbenutzungsrechts in die Ermittlung von deren steuerpflichtigem Erwerb ein. Der Einspruch
blieb erfolglos.
4 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG sei
auf den Erwerb eines bloßen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts weder dem Wortlaut nach
noch entsprechend anwendbar. Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf den Erwerb von
Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim sei verfassungsgemäß. Das Urteil des
FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2220 veröffentlicht.
5 Mit der Revision wendet sich die Klägerin gegen diese Auffassung. In verfahrensrechtlicher
Hinsicht regt sie an, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) über den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. September 2012
II R 9/11 (BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899) gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
auszusetzen.
6 Durch den während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom
14. Dezember 2012 erklärte das FA die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
der Abgabenordnung (AO) für vorläufig hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des
ErbStG.
7 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid
vom 14. Dezember 2012 dahingehend zu ändern, dass der steuerpflichtige Erwerb ohne
Berücksichtigung des Kapitalwerts des ihr eingeräumten Wohnungs- und
Mitbenutzungsrechts an der Familienwohnung ermittelt und die Erbschaftsteuer entsprechend
herabgesetzt wird.
8 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9 II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der
Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand,
über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 FGO). An die
Stelle des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 1. August 2012, über den das FG
entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 14. Dezember
2012 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens
geworden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn ein angefochtener Bescheid lediglich um
einen Vorläufigkeitsvermerk ergänzt wird (BFH-Urteil vom 24. April 2013 II R 65/11, BFHE
240, 404, BStBl II 2013, 633). Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und
aufzuheben (BFH-Urteile vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, und vom 17. April
2013 II R 12/11, BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740, jeweils m.w.N.).
10 Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da
sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten
nichts geändert hat (BFH-Urteile vom 15. Dezember 2010 II R 45/08, BFHE 232, 218, BStBl
II 2012, 292, und vom 12. Januar 2011 II R 30/09, BFH/NV 2011, 755). Die vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die
Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht
weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (BFH-Urteile in
BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633, und in BFHE 241, 386, BStBl II 2013, 740).
11 III. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der
angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren
Rechten. Die Zuwendung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Klägerin
unterliegt als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG der Erbschaftsteuer. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG
steht der Klägerin nicht zu.
12 1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG bleibt u.a. der Erwerb von Todes wegen des
Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S. des
§ 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten
steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen
Wohnzwecken genutzt hat und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu
eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Der Erwerber kann die Steuerbefreiung
nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG jedoch nicht in Anspruch nehmen, soweit er das
begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des
Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Dritter in diesem Sinn kann auch ein Miterbe
sein (a.A. für die vorliegende Fallgestaltung Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13
Rz 68). Erfüllt der Dritte die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, steht ihm die
Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift zu.
13 2. Die von Todes wegen erfolgte Zuwendung eines dinglichen Wohnungs- und
Mitbenutzungsrechts an einer vom Erblasser bis zum Eintritt des Erbfalls zu eigenen
Wohnzwecken genutzten Wohnung an den überlebenden Ehegatten erfüllt nicht die
Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1
ErbStG.
14 a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder
Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die
Begriffe "Eigentum" und "Miteigentum" sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie
sich auch aus dem systematischen Zusammenhang zu den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift
ergibt, liegt ein Erwerb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nur vor, wenn der Erblasser
zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer (§ 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --
BGB--) des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum
oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt (Geck in Kapp/Ebeling,
§ 13 ErbStG Rz 39.7; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG Rz 35; Kobor in
Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 13 Rz 36; Jochum in Wilms/Jochum,
ErbStG, § 13 Rz 84; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 13 Rz 68). Die Einräumung
eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts gewährt dem Rechtsinhaber
demgegenüber nur ein Nutzungsrecht (§ 1093 BGB), lässt aber die zivilrechtlichen
Eigentumsverhältnisse unberührt und genügt daher nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1
Nr. 4b Satz 1 ErbStG (Reimann, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2010, 174,
178). Davon abgesehen begründet ein solches Recht entgegen der Ansicht der Klägerin
auch kein wirtschaftliches Eigentum des Berechtigten i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO (BFH-
Urteil vom 29. März 2007 IX R 14/06, BFH/NV 2007, 1471, m.w.N.).
15 b) Der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG rechtfertigt ebenfalls nicht die
Anwendung der Vorschrift auf den Erwerb eines dinglichen Wohnungs- und
Mitbenutzungsrechts durch den überlebenden Ehegatten.
16 Eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut eines Gesetzes kommt nur in Betracht,
wenn die wortgetreue Gesetzesanwendung offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers
widerspricht und zu einem offenbar sinnwidrigen Ergebnis führt, das durch die beabsichtigte
Auslegung vermieden oder jedenfalls entscheidend gemindert würde, ohne andere
Wertungswidersprüche hervorzurufen (vgl. BFH-Urteile vom 1. August 1974 IV R 120/70,
BFHE 113, 357, BStBl II 1975, 12; vom 28. Oktober 1983 III R 129/79, BFHE 139, 416, BStBl
II 1984, 91, und vom 11. Juni 2013 II R 4/12, BFHE 241, 392, BStBl II 2013, 742).
17 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt. Die
Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG auf den
Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim ist nicht sinnwidrig. Sie
entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf
den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung (Bericht des Finanzausschusses,
BTDrucks 16/11107, S. 8) dient die Regelung über die Steuerfreistellung von Wohneigentum
für Ehegatten und Lebenspartner "neben dem Schutz des gemeinsamen familiären
Lebensraums dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers"
und der krisenfesten Erhaltung des besonders geschützten Familiengebrauchsvermögens in
Gestalt des Familienheims von Ehegatten und Lebenspartnern. Das mit der Vorschrift
verfolgte Ziel, die Substanz des begünstigten Immobilienvermögens innerhalb der ehelichen
Lebensgemeinschaft zu erhalten, kommt auch in den Regelungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b
Sätze 2 und 3 ErbStG zum Ausdruck. Durch den darin normierten Wegfall der
Steuerbefreiung für den Fall, dass der überlebende Ehegatte das Familienheim aufgrund
einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten
überträgt oder im Rahmen der Nachlassteilung auf einen Miterben überträgt, soll
sichergestellt werden, dass nur demjenigen eine Steuerbefreiung gewährt wird, der
endgültig das Eigentum an dem Familienheim erhält (Jochum in Wilms/Jochum, a.a.O., § 13
Rz 84) und dieses selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
18 c) Aus diesen Gründen scheidet auch eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b
Satz 1 ErbStG aus. Eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt
nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten
Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer
gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH-Urteile
vom 22. Dezember 2011 III R 5/07, BFHE 236, 137, BStBl II 2012, 678, und vom 29. August
2012 II R 49/11, BFHE 238, 499, BStBl II 2013, 104, jeweils m.w.N.).
19 An einer solchen planwidrigen Gesetzeslücke fehlt es vorliegend. Angesichts der mit der
Steuerfreistellung verfolgten Ziele und der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Sätze 2 und 3 ErbStG
getroffenen Regelungen zum Wegfall der Steuerbefreiung bei Weitergabe des
Wohneigentums ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst dafür
entschieden hat, nur die Übertragung des Wohneigentums auf den überlebenden Ehegatten
und nicht auch die Einräumung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts am
Familienheim zu begünstigen. An diese gesetzgeberische Entscheidung sind die
Finanzverwaltung und die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG)
gebunden.
20 d) Ob eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG zu gewähren wäre, wenn
der überlebende Ehegatte das ihm letztwillig zugewendete Eigentum oder Miteigentum an
dem Familienheim unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts auf einen Dritten überträgt, ohne
hierzu verpflichtet zu sein, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Denn der
Ehegatte hätte in einem solchen Fall --anders als in der Streitsache-- jedenfalls
unbeschränktes Eigentum erworben, über das er frei verfügen könnte.
21 3. Es ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Besteuerung vereinbar, dass
die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nur eingreift, wenn der
überlebende Ehegatte das Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim erwirbt, ohne
es aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen
Dritten übertragen zu müssen, nicht aber, wenn ihm lediglich ein dingliches Wohnungsrecht
an der Familienwohnung zugewendet wird.
22 a) Weder der durch Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Schutz der Ehe noch die Gewährleistung des
Erbrechts durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordern die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG
vorgesehene Steuerbefreiung oder deren Ausdehnung auf weitere Fallgruppen.
23 Der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschlüsse vom 22. Juni
1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671; vom 28. Oktober
1997 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1, und vom 21. Juli 2010 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07,
BVerfGE 126, 400) aufgrund dieser grundrechtlichen Bindungen die familiäre Verbundenheit
der nächsten Angehörigen zum Erblasser auch erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen.
Das im Verfassungsrecht verankerte Familienprinzip gibt dem Erbschaftsteuerrecht Maß und
Richtung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 400, unter B.I.3.a cc). Der steuerliche Zugriff
ist danach bei nahen Familienangehörigen, also insbesondere Ehegatten, eingetragenen
Lebenspartnern und Kindern, derart zu mäßigen, dass diesen der jeweils überkommene
Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig
steuerfrei zugute kommt (Beschlüsse in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I.2.b
aa, und in BVerfGE 126, 400, unter B.I.3.a cc (1)). Eine vollständige Steuerbefreiung des von
Todes wegen erfolgenden Erwerbs vom verstorbenen Ehegatten ist hingegen
verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 1, unter B.I.2.a).
24 Die verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung des Familienprinzips geschieht
regelmäßig durch die Gewährung der Freibeträge nach § 16 Abs. 1 ErbStG und die
Abstufung des Steuertarifs nach dem Grad der verwandtschaftlichen Beziehungen gemäß
§§ 15, 19 ErbStG (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 400, unter B.I.3.a cc (1); BFH-Urteil
vom 18. Juli 2013 II R 35/11, BFHE 242, 153, BStBl II 2013, 1051, Rz 11, 20). Der dem
überlebenden Ehegatten gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zustehende Freibetrag von
500.000 EUR ermöglicht ihm, ein durchschnittliches Einfamilienhaus vom Erblasser von
Todes wegen steuerfrei zu erwerben, und genügt somit den verfassungsrechtlichen
Anforderungen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.I.2.b
aa i.V.m. BVerfG-Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II
1995, 655, unter C.II.5.a; BFH-Beschluss vom 1. September 2004 II B 35/03, BFH/NV 2005,
210). Eine zusätzliche Steuerbefreiung des Erwerbs eines Familienheims oder eines
Wohnungsrechts daran durch den überlebenden Ehegatten ist verfassungsrechtlich nicht
geboten.
25 b) Die Einführung der in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG vorgesehenen Steuerbefreiung
verpflichtet den Gesetzgeber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dazu, die Steuerbefreiung auf den Erwerb eines
dinglichen Wohnungsrechts an der Ehewohnung durch den überlebenden Ehegatten zu
erstrecken. Der Gesetzgeber durfte vielmehr die in der Steuerbefreiung liegende Ausnahme
von der Besteuerung des gesamten Erwerbs aus den oben unter III.2. genannten Gründen
auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim beschränken,
ohne den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum zu überschreiten. Es handelt sich
dabei um sachlich einleuchtende Gründe für die gesetzliche Differenzierung.
26 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG vorgesehene
Steuerbefreiung ihrerseits erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. Die vom
Senat im Urteil in BFHE 242, 153, BStBl II 2013, 1051, Rz 11, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG
a.F. erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen im vorliegenden
Zusammenhang gleichermaßen (vgl. H.-U. Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 13 ErbStG
Rz 49; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, a.a.O., § 13 ErbStG Rz 35; Birk/Desens/Tappe,
Steuerrecht, 16. Aufl., Rz 1601). Wie das BVerfG im Beschluss in BVerfGE 93, 121, BStBl II
1995, 655, unter C.II.5.a ausgeführt hat, muss der Gesetzgeber bei der Steuerfreistellung des
zur individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens Grundeigentümer und Inhaber
anderer Vermögenswerte in einem gleichen Individualbedarf steuerlich gleichbehandeln. Es
erscheint zweifelhaft, ob § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG mit diesem
Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist. Eine Anwendung dieser Vorschrift über ihren
Wortlaut hinaus wäre jedenfalls verfassungsrechtlich noch bedenklicher und ist somit
ausgeschlossen.
27 4. Da die Steuerfestsetzung durch den Änderungsbescheid vom 14. Dezember 2012
hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG für vorläufig erklärt wurde,
braucht das Verfahren nicht bis zur Entscheidung des BVerfG über den Vorlagebeschluss
des BFH in BFHE 238, 241, BStBl II 2012, 899 ausgesetzt zu werden. Aufgrund der
Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung droht der Klägerin kein Rechtsverlust (vgl. BFH-Urteile
vom 18. September 2007 IX R 42/05, BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26, und vom
30. September 2010 III R 39/08, BFHE 231, 7, BStBl II 2011, 11, Rz 51, jeweils m.w.N.).
Sollte aufgrund einer Entscheidung des BVerfG die Steuerfestsetzung wegen
Verfassungswidrigkeit des ErbStG aufzuheben sein, ist diese Aufhebung aufgrund des
Vorläufigkeitsvermerks von Amts wegen vorzunehmen.