Urteil des BFH vom 10.04.2014

Verlust einer Darlehensforderung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.4.2014, VI R 57/13
Verlust einer Darlehensforderung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit
Leitsätze
1. Der Verlust einer aus einer Gehaltsumwandlung entstandenen Darlehensforderung eines
Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber kann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit führen, als der Arbeitnehmer ansonsten keine Entlohnung für seine
Arbeitsleistung erhalten hätte, ohne seinen Arbeitsplatz erheblich zu gefährden.
2. Der Umstand, dass ein außenstehender Dritter, insbesondere eine Bank, dem Arbeitgeber kein
Darlehen mehr gewährt hätte, ist lediglich ein Indiz für eine beruflich veranlasste
Darlehenshingabe, nicht aber unabdingbare Voraussetzung für den Werbungskostenabzug eines
Darlehensverlustes bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
Tatbestand
1 I. Streitig ist, ob der Verlust von Genussrechtskapital, soweit es durch Umwandlung eines
Überstundenguthabens entstanden ist, zu Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit führt.
2 Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden vom Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt --FA--) für das Streitjahr 2007 zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt.
3 Der Kläger war Arbeitnehmer (Tarifangestellter) der Firma ... (GmbH). Das Stammkapital der
GmbH betrug 15.000.000 DM.
4 Am 24. März 1999 schloss die Geschäftsführung der GmbH mit dem Betriebsrat zur
Regelung der Arbeitszeit für den verlängerten Ausgleichszeitraum vom 1. Januar 1999 bis
zum 31. Dezember 2002 eine "Ergänzende Betriebsvereinbarung zur Rahmenvereinbarung
gemäß § 4, Nr. 2 Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung vom 30. November 1998". Darin
heißt es u.a.:
"1. Ergänzungen im Rahmen der Betriebsvereinbarung über die Einführung einer
bedarfsorientierten gleitenden Arbeitszeitregelung
1.1 Dauer der Arbeitszeit
Für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2000 gilt für alle Angestellten eine tägliche
Regelarbeitszeit von 7,5 Stunden. Für Mitarbeiter nach § 3 Ziff. 3 MTV und außertarifliche
Angestellte umfasst die tägliche Regelarbeitszeit 8,5 Stunden. Als Sollarbeitszeit gelten
weiterhin je nach Arbeitsvertrag 7 bzw. 8 Stunden täglich
1.2 Aufbau von Investitionsstunden
Durch die Erhöhung der täglichen Regelarbeitszeit erfolgt ein Stundenaufbau von 0,5
Stunden je Anwesenheitstag. Dieser Stundenaufbau von 0,5 Stunden je Anwesenheitstag
wird automatisch im Arbeitszeitsystem auf einem separaten Konto (Investitionskonto)
gutgeschrieben. Alle übrigen Stundendifferenzen werden wie bisher im Gleitzeitkonto
erfasst.
1.3 Normale Arbeitszeit
Als normale Arbeitszeit für die Berechnung bezahlter Ausfallzeiten gelten weiterhin die
Bestimmungen der Betriebsvereinbarung über die Einführung einer bedarfsorientierten
gleitenden Arbeitszeitregelung.
1.4 Sonstige Regelungen
Alle übrigen Regularien der bestehenden Betriebsvereinbarung über die Einführung einer
bedarfsorientierten gleitenden Arbeitszeit bleiben weiter bestehen ...
3.4 Arbeitszeitausgleich in der Abbauphase
Als Abbauphase der Investitionsstunden ist die Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2002
vorgesehen.
Über die Regularien und die Möglichkeiten des Abbaues der aufgebauten
Investitionsstunden werden im 2. Halbjahr 2000 Verhandlungen zwischen den
Betriebsparteien aufgenommen. Es besteht Einigkeit darüber, dass beim Abbau der
Investitionsstunden zwischen den Betriebsparteien eine einvernehmliche Lösung gefunden
wird, bei der die betrieblichen Belange Berücksichtigung finden müssen.
... Diese ergänzende Betriebsvereinbarung tritt rückwirkend zum 01.01.1999 in Kraft und
endet zum gleichen Zeitpunkt wie die entsprechende Rahmenvereinbarung am 31.12.2002."
5 Am 13. Dezember 2001 schloss die Geschäftsführung der GmbH mit dem Betriebsrat eine
Betriebsvereinbarung mit folgendem Inhalt:
"1. Die Geschäftsleitung wird den Mitarbeitern ein Genussrecht an der ... GmbH einräumen,
das den Arbeitnehmern die Möglichkeit bietet, sich an den Chancen und Risiken des
Unternehmens zu beteiligen.
2. Alle Mitarbeiter können entsprechend den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen
Bestimmungen sowie den Regelungen der Genussrechtsbedingungen der ... GmbH
Einzahlungen aus dem Nettoeinkommen vornehmen.
3. Die Genussrechtsbedingungen und ihre Anlagen sind Bestandteil dieser
Betriebsvereinbarung."
6 Die am 10. Dezember 2001 schriftlich fixierten Genussrechtsbedingungen hatten im
Wesentlichen folgenden Inhalt:
§ 1 regelte die Entstehung des Genussrechts. Nach § 2 Abs. 1 begründete das Genussrecht
einen schuldrechtlichen Anspruch des Mitarbeiters auf Beteiligung am Gewinn des
Unternehmens, jedoch keinerlei gesellschaftsrechtlich geprägte Mitgliedschaftsrechte. § 3
regelte Einzelheiten zur Zusammensetzung des Genussrechtskapitals, das zum einen aus
einer freiwilligen unentgeltlichen Einräumung von Genussrechten durch das Unternehmen
und zum anderen durch Zuzahlungen des Mitarbeiters entstand. Nach § 3 Abs. 5 war das
Genussrechtskapital nicht insolvenzgesichert, sondern haftete unmittelbar vor dem
Stammkapital der GmbH. § 4 Abs. 1 sicherte vorbehaltlich einer Verminderung des
Stammkapitals der GmbH eine Mindestverzinsung von 2 % zu. Darüber hinaus war nach § 4
Abs. 2 eine gewinnabhängige Vergütung entsprechend der Eigenkapitalrendite der GmbH
und nach einer besonderen Staffelung lt. Anlage 1 der Genussrechtsbedingungen
vorgesehen. Hiernach bewirkte eine Eigenkapitalrendite zwischen 2 % und 8 % eine
Vergütung des Genussrechts mit demselben Prozentsatz. Bei einer Eigenkapitalrendite über
8 % verminderte sich die zusätzliche Vergütung auf 3/4, ab 14 % auf 1/2, ab 20 % auf 1/4 des
Prozentsatzes der Eigenkapitalrendite. Zur Frage der Berechnung des Eigenkapitals und der
Eigenkapitalrendite bestimmte § 4 Abs. 4 Buchst. c, dass als Eigenkapital das gesamte
handelsrechtliche Eigenkapital inklusive des Genussrechtskapitals im Verlauf des
Geschäftsjahres anzusehen sei. Das Genussrecht hatte nach § 6 eine Laufzeit von fünf
Jahren und verlängerte sich auf unbestimmte Zeit, sofern es nicht mit einer Zwei-Jahres-Frist
gekündigt wurde. Nach Ablauf der fünf Jahre konnte es mit derselben Kündigungsfrist zum
Monatsende gekündigt werden. Außerdem führte das Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem
Unternehmen zu einer Beendigung des Genussrechts ohne gesonderte Kündigung. Darüber
hinaus waren in § 6 bestimmte Gründe für eine Kündigung aus wichtigem Grund geregelt;
dies galt u.a. bei Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz. Nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses war das Genussrechtskapital nach § 7 zu seinem Nennwert
zurückzuzahlen.
7 In einer "Regelungsabsprache" vom 19. Juni 2002 vereinbarten die Geschäftsleitung und der
Betriebsrat der GmbH, ein vorhandenes Investitionsstundenguthaben eines Mitarbeiters
könne im Jahre 2002 in Genussrechtskapital umgewandelt werden, und zwar in Höhe des
Netto-Auszahlungsbetrages nach Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen.
Im Einzelnen heißt es in der Absprache u.a.:
"... Es besteht die Möglichkeit, zum 30.06.2002 Investstunden-Guthaben in
Genussrechtskapital umzuwandeln. Nach Absprache mit dem Betriebsrat besteht für jeden
Einzelnen nur die Möglichkeit, jeweils 1/3 seines Investstunden-Guthabens umzuwandeln.
Ein weiteres Drittel kann zum 30.09.2002 und das letzte Drittel zum 31.12.2002
umgewandelt werden. Durch die Umwandlung entstehen Sozialversicherungsbeiträge sowie
Lohnsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer. Der nach
Abzug des Arbeitnehmeranteils am Sozialversicherungsbeitrag und der steuerlichen Abzüge
vom umzuwandelnden Investstunden-Guthaben verbleibende Netto-Betrag wird dem
Genussrechtskonto mit Wertstellung zum 30.06.2002 gutgeschrieben. Auch für diese
Umwandlung gelten die oben aufgeführten Abgabefristen ..."
8 Darüber hinaus hat die GmbH am 30. August 2002 ein weiteres Informationsschreiben für
die Arbeitnehmer herausgegeben. Hierin heißt es u.a.:
" ... Die Abzüge (für Steuern und Sozialversicherung) sind genauso hoch, als wenn dem
Mitarbeiter das umzuwandelnde Investstunden-Guthaben ausgezahlt würde. Eine
Auszahlung der Investstunden-Guthaben kommt jedoch nicht in Betracht. Neben der
Umwandlung in Genussrechtskapital gibt es nur die Möglichkeit des Arbeitszeitausgleichs.
Für das Jahr 2002 gibt es wieder ein steuerfreies Geschenk von der Firma in Höhe der
eigenen Einzahlung des Mitarbeiters, maximal jedoch 154,- EUR. Dieses Geschenk wird
zum 31.12.2002 dem Genussrechtskonto gutgeschrieben und bezieht sich auf alle
Einzahlungen aus umgewandelten Investstunden-Guthaben. Gemäß der bisherigen
Entwicklung im Jahr 2002 und der Plandaten für das zweite Halbjahr 2002 ist mit einer
Vergütung von über 12 % für das gesamte Jahr 2002 zu rechnen. Genussrechtskapital, das
jetzt mit Wertstellung 30.09.2002 eingezahlt wird, wird mit einem Viertel der
Jahresverzinsung vergütet, also voraussichtlich über 3 %. Ab dem Jahr 2003 erhält dieses
Genussrechtskapital die volle Jahresvergütung ..."
9 Eine weitere Ergänzung zur Betriebsvereinbarung "Genussrechtskapital" zwischen
Geschäftsführung und Betriebsrat der GmbH vom 11. März 2004 passte die steuer- und
sozialversicherungsfreien Arbeitgeberanteile zum Genussrechtskapital mit Wirkung ab
1. Januar 2004 auf max. 135 EUR an. In einem Informationsschreiben vom 11. September
2006 ging die Personalleitung der GmbH auf Details zur Einzahlung auf das
Genussrechtskapital ein.
Auf dieser Grundlage hat der Kläger wie folgt Investstunden-Guthaben in
Genussrechtskapital umgewandelt:
Vereinbarung
vom
Umwandlungsstichtag Investstunden Entspricht
Arbeitslohn
(brutto)
Entspricht
Arbeitslohn
(netto)
12.12.2001
31.12.2002
45
1.220,40 EUR
743,16 EUR
24.03.2003
31.03.2003
45
1.276,65 EUR
869,74 EUR
11.03.2004
31.03.2004
44
1.418,12 EUR
878,14 EUR
Gesamt
3.915,17 EUR
2.491,04 EUR
11 Außerdem haben der Kläger und sein Arbeitgeber folgende weitere Zuzahlungen in das
Genussrechtskapital geleistet:
Arbeitgeber
Kläger
31.12.2001
153,39 EUR
160,00 EUR
31.12.2002
154,00 EUR
31.12.2003
154,00 EUR
31.12.2004
135,00 EUR
31.12.2005
135,00 EUR
135,00 EUR
Gesamt
731,39 EUR
295,00 EUR
12 Gesamteinzahlung Genussrechtskapital:
Arbeitgeber
731,39 EUR
Zuzahlungen Kläger
295,00 EUR
Umwandlung Investstunden-
Guthaben
2.491,04 EUR
Gesamt
3.517,43 EUR
13 Der Kläger erhielt vor dem Streitjahr Vergütungen auf sein Genussrechtskapital, die bei der
Steuerfestsetzung nicht erfasst wurden, weil die Einnahmen der Kläger aus Kapitalvermögen
jeweils unter 1.602 EUR lagen.
14 Über das Vermögen der GmbH eröffnete das Amtsgericht A im Jahre 2007 das
Insolvenzverfahren. Die Gesellschaft wurde gemäß Handelsregistereintrag vom ... April 2007
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst.
15 Mit Schreiben vom 26. April 2007 informierte die GmbH den Kläger darüber, dass sein
Genussrechtskapitalkonto mit Ablauf des 31. März 2007 einen Saldo von 3.517,43 EUR
aufweise. Die Forderung sei aber im Insolvenzverfahren "bestenfalls" nachrangig und könne
daher im Forderungsanmeldebogen nicht berücksichtigt werden. Mit Schreiben vom
23. Januar 2008 wies auch der Insolvenzverwalter der GmbH den Kläger darauf hin, dass es
sich bei den Forderungen aus den Genussrechten um sogenannte nachrangige
Insolvenzforderungen handele. Darüber hinaus teilte der Insolvenzverwalter mit, dass zum
damaligen Zeitpunkt nicht davon auszugehen sei, dass nachrangige Insolvenzforderungen
berücksichtigt werden könnten. Zwischen den Beteiligten besteht insoweit in tatsächlicher
Hinsicht Einigkeit darüber, dass die Forderung des Klägers auf Rückzahlung des
Genussrechtskapitals bereits im Jahr 2007 mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der GmbH wertlos war. Es stand bereits im Jahr 2007 für den Kläger erkennbar
fest, dass auf diese Forderung keinerlei Zahlung erfolgen wird.
16 Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2007 machten die Kläger den Verlust des der
GmbH zur Verfügung gestellten Genussrechtskapitals in Höhe von 3.517,43 EUR vergeblich
als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers geltend.
Der daraufhin eingelegte Einspruch blieb ebenfalls ohne Erfolg. Denn der Verlust der
Kapitalforderung sei nicht beruflich veranlasst. Es handele sich vielmehr um einen
steuerunerheblichen Vorgang in der privaten Vermögenssphäre.
17 Mit der sodann erhobenen Klage verfolgten die Kläger ihr Anliegen weiter. Sie begehrten
allerdings nur noch einen Kapitalverlust in Höhe von 2.491,04 EUR zum
Werbungskostenabzug bei den Einkünften des Klägers aus § 19 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzulassen, da die Kapitalforderung nur in dieser Höhe
durch Umwandlung des Überstundenguthabens entstanden sei.
18 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Überlasse ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber
ein zur Sicherung des Arbeitsplatzes in Genussrechtskapital umgewandeltes
Überstundenguthaben, sei der Verlust der Kapitalforderung als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen (Entscheidungen der
Finanzgerichte 2013, 1652).
19 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
20 Es beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 22. Mai 2013 7 K 187/10 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
21 Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
22 II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat den Verlust von Genussrechtskapital in Höhe
von 2.491,04 EUR, da es insoweit durch Umwandlung des Überstundenguthabens
entstanden ist, zu Recht als Verlust einer sonstigen Kapitalforderung i.S. von § 20 Abs. 1
Nr. 7 EStG beurteilt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juni 2005
VIII R 73/03, BFHE 210, 272, BStBl II 2005, 861). Ebenfalls zutreffend hat das FG den
Verlust dieser Kapitalforderung im Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften des
Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
23 1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung,
Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dazu rechnen alle Aufwendungen, die durch die
Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43,
BStBl II 1978, 105; Senatsurteil vom 7. Februar 2008 VI R 75/06, BFHE 220, 407, BStBl II
2010, 48). Veranlasst in diesem Sinne sind die Aufwendungen, wenn sie in einem
Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten beruflichen Tätigkeit stehen und
zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit getragen werden. Werbungskosten bei
den Lohneinkünften liegen danach vor, wenn die Aufwendungen den Beruf des
Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern. Zu diesen Aufwendungen i.S. des § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG zählen alle Vermögensabflüsse in Geld und Geldeswert (vgl. z.B. Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830,
unter C.III.2.d aa) einschließlich den Arbeitnehmer unfreiwillig treffende Substanzverluste
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 407, BStBl II 2010, 48, m.w.N.).
24 a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei
der sie erwachsen sind. Besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen zu
mehreren Einkunftsarten, entscheidet nach ständiger Rechtsprechung der engere und
wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang. Danach sind Aufwendungen der
Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen
Einkünften verdrängt (z.B. Senatsurteile vom 16. November 2011 VI R 97/10, BFHE 236, 61,
BStBl II 2012, 343; vom 25. November 2010 VI R 34/08, BFHE 232, 86, BStBl II 2012, 24;
vom 7. Februar 2008 VI R 75/06, BFHE 220, 407, BStBl II 2010, 48, sowie BFH-Urteile vom
28. Februar 2013 IV R 49/11, BFHE 240, 333, BStBl II 2013, 802; vom 5. April 2006
IX R 111/00, BFHE 213, 341, BStBl II 2006, 654, und vom 30. März 1999 VIII R 70/96,
BFH/NV 1999, 1323). Insoweit gelten die Rechtsgrundsätze, die auch für die Frage
heranzuziehen sind, ob eine Zuwendung des Arbeitgebers auf dem Arbeitsverhältnis oder
auf anderen Rechtsbeziehungen gründet (Senatsurteile vom 22. März 1985 VI R 170/82,
BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 17. Juni 2009 VI R 69/06, BFHE 226, 47, BStBl II
2010, 69; vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898; vom 20. Mai 2010 VI R 12/08,
BFHE 230, 136, BStBl II 2010, 1069; jeweils m.w.N.; Schneider, Der Betrieb 2006, Beilage
Nr. 6, S. 51 ff.), entsprechend.
25 b) Maßgebend sind insoweit die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls. Die Frage,
welchem Bereich dieser Leistungsaustausch zuzurechnen ist, entscheidet sich deshalb
aufgrund einer in erster Linie der Tatsacheninstanz obliegenden tatsächlichen Würdigung,
die revisionsrechtlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn die Tatsachenwürdigung
verfahrensrechtlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die Würdigung nicht gegen
Denkgesetze verstößt oder Erfahrungssätze verletzt.
26 aa) Gewährt ein Arbeitnehmer ein Darlehen, um Zinsen zu erwirtschaften, stehen
regelmäßig die Einkünfte aus Kapitalvermögen im Vordergrund. Geht in einem solchen Fall
die Darlehensvaluta verloren, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH zu § 20
EStG i.d.F. vor dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008, dass Aufwendungen, die das
Kapital selbst betreffen, wie Anschaffungskosten, Tilgungszahlungen oder der Verlust des
Kapitals selbst, im Rahmen der Einkunftsart des § 20 EStG grundsätzlich nicht abziehbar
sind (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 1991 VIII R 100/87, BFHE 165, 31, BStBl II 1992, 234,
unter 2.a).
27 bb) Der Verlust der Darlehensforderung kann allerdings als Werbungskosten bei den
Einkünften aus § 19 EStG zu berücksichtigen sein, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des
Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen hat und daher
jedenfalls nicht die Nutzung des Geldkapitals zur Erzielung von Zinseinkünften im
Vordergrund stand. Als Indiz für solche beruflichen Gründe gilt nach der Rechtsprechung des
erkennenden Senats beispielsweise der Umstand, dass ein außenstehender Dritter,
insbesondere eine Bank, kein Darlehen mehr gewährt hätte (Senatsurteile in BFHE 236, 61,
BStBl II 2012, 343; in BFHE 232, 86, BStBl II 2012, 24).
28 2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es gelangte
dabei zu dem Ergebnis, dass der Verlust des Genussrechtskapitals (vgl. zu Arbeitslohn im
Zusammenhang mit der Veräußerung von Genussrechten BFH-Urteil vom 5. November
2013 VIII R 20/11, BFHE 243, 481, BStBl II 2014, 275), soweit es durch Umwandlung des
Überstundenguthabens entstanden ist, in einem einkommensteuerrechtlich erheblichen
Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis steht. Es hat sich dabei im
Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger ansonsten keine Entlohnung für die unbezahlt
geleisteten Überstunden erhalten hätte, ohne seinen Arbeitsplatz erheblich zu gefährden.
Diese Würdigung verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze und ist
revisionsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden.
29 Entgegen der Auffassung der Revision konnte das FG vorliegend deshalb auch offenlassen,
ob der Kläger diese Umwandlungen zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, in dem keine
Bank oder ein Dritter dem Arbeitgeber mehr Kredit gewährt hätte. Entgegen der Auffassung
des FA ist ein solcher Sachverhalt lediglich ein Indiz für eine beruflich veranlasste
Darlehenshingabe, nicht aber unabdingbare Voraussetzung für den Werbungskostenabzug
eines Darlehensverlustes bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.