Urteil des BFH vom 02.04.2014

Landwirtschaftlich bewirtschaftetes Grundstück als Betriebsstätte i.S. von § 12 AO

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 2.4.2014, I R 68/12
Landwirtschaftlich bewirtschaftetes Grundstück als Betriebsstätte i.S. von § 12 AO
Leitsätze
Bewirtschaftete Grundstücksflächen, die zu einem inländischen landwirtschaftlichen Betrieb
gehören und im grenznahen Ausland (hier: den Niederlanden) belegen sind, können als
Betriebsstätte i.S. von § 12 AO zu qualifizieren und die hierdurch erzielten Einkünfte deshalb
gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 n.F. vom sog. Progressionsvorbehalt auszunehmen
sein.
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Streitjahr 2008 einen
grenzüberschreitenden landwirtschaftlichen Mischbetrieb (Ackerbau- und Milchwirtschaft).
Von den insgesamt bewirtschafteten Flächen (73,09 Hektar), die sich im Streitjahr ohne
Ausnahme im Umkreis von weniger als zehn Kilometern zur inländischen Hofstelle befunden
haben, waren 87,10 % (63,64 Hektar) in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und
die restlichen Flächen (sog. Traktatland) in den Niederlanden belegen (9,45 Hektar, entspricht
12,90 %). Auf den niederländischen Flächen, die nicht im Eigentum des Klägers standen,
wurden im Streitjahr Feldfrüchte angebaut; nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG)
waren sie teilweise einseitig mit einer Sträucherhecke eingezäunt.
2 Die vom buchführungspflichtigen Kläger ermittelten Gewinne beliefen sich im Wirtschaftsjahr
2007/2008 auf 44.138 EUR, im Wirtschaftsjahr 2008/2009 auf 50.992 EUR. Für das Streitjahr
ergaben sich demgemäß nach der Zuordnungsregel des § 4a Abs. 2 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in
Höhe von 47.565 EUR (= 1/2 [44.138 EUR zuzüglich 50.992 EUR]). Zwischen den Beteiligten
ist unstreitig, dass hiervon ein Gewinnanteil von 3.068 EUR den in den Niederlanden
belegenen Flächen zuzurechnen ist.
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unterwarf diesen Einkünfteanteil
dem sog. Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002, weil der Kläger in
den Niederlanden keine Betriebsstätte i.S. von § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 43a
Satz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008,
2794, BStBl I 2009, 74) --EStG 2002 n.F.-- unterhalten habe. Der Einspruch gegen den
hiernach ergangenen Einkommensteuerbescheid 2008 blieb ohne Erfolg. Der daraufhin
erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (FG Köln, Urteil vom 5. September
2012 4 K 351/11, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 2288).
4 Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
5 Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
6 II. Die Revision ist zurückzuweisen. Dem FG ist darin beizupflichten, dass im Streitfall die
Voraussetzungen des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 n.F. erfüllt sind und deshalb der
auf die in den Niederlanden belegenen Parzellen entfallende Gewinn aus Land- und
Forstwirtschaft nicht dem Progressionsvorbehalt untersteht.
7 1. Der Kläger war im Streitjahr in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1
Abs. 1 EStG 2002); seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG 2002)
unterliegen deshalb nach dem sog. Welteinkommensprinzip des § 2 Abs. 1 EStG 2002 auch
insoweit der inländischen Besteuerung, als sie aus der Bewirtschaftung der in den
Niederlanden belegenen Grundstücke erzielt wurden. Unerheblich ist hierbei, dass diese
Flächen nicht im Eigentum des Klägers standen; ebenso kommt es nicht darauf an, ob sie --
wozu das FG keine Feststellungen getroffen hat-- dem Kläger auf der Grundlage von
Pachtverträgen oder unentgeltlich zur landwirtschaftlichen Nutzung überlassen wurden
(Schmidt/Kulosa, EStG, 33. Aufl., § 13 Rz 71).
8 2. Allerdings gebührt das Besteuerungsrecht für die Einkünfte, soweit diese aus der
Bewirtschaftung der in den Niederlanden belegenen Flächen resultieren, nach Art. 4 des
Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der
Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung
anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1782, BStBl I
1960, 382) --DBA Niederlande 1959-- dem sog. Belegenheitsstaat, hier also den
Niederlanden. In Deutschland sind sie deshalb nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens
von der inländischen Besteuerung auszunehmen. Das betrifft nach Art. 4 Abs. 2 DBA-
Niederlande 1959 alle aus der unmittelbaren und jeder anderen Art der Nutzung des
unbeweglichen Vermögens (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen
Nebenbetriebe) erzielten Einkünfte. Nicht von Bedeutung ist, ob die landwirtschaftlichen
Einkünfte vom Grundstückseigentümer oder einem Nutzungsberechtigten erzielt werden
(Ellsel in Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 6 OECD-MA Rz 322; Mick in Wassermeyer,
Doppelbesteuerung, Niederlande Art. 4 Rz 20; Wassermeyer in Wassermeyer, a.a.O., MA
Art. 6 Rz 16, m.w.N.) oder im Quellenstaat die inhaltlichen Anforderungen erfüllt werden, die
eine (unternehmerische) Betriebsstätte kennzeichnen (Wassermeyer in Wassermeyer,
a.a.O., MA Art. 6 Rz 16a; vgl. zum DBA-Spanien Senatsurteil vom 27. Oktober 2011
I R 26/11, BFHE 236, 6, BStBl II 2012, 457). Auch gibt der Abkommenstext keinen Anhalt
dafür, diese Besteuerungszuordnung nicht auf land- und forstwirtschaftliche Einkünfte zu
erstrecken, die aus grenznahen Flächen erzielt werden (hier: sog. Traktatländereien; vgl.
hierzu Bericht der Bundesregierung zu Reparationsschäden und Regressansprüchen,
BTDrucks VI/248; Oberfinanzdirektion --OFD-- Düsseldorf, Verfügung vom November 1980
1980-11-00 S 2342/7, juris; Mick in Wassermeyer, a.a.O., Niederlande Art. 4 Rz 15; Lieber in
Schönfeld/Dietz, DBA, Art. 6 Rz 172).
9 Nach den Feststellungen der Vorinstanz entfällt von den im Streitjahr gemäß § 4a Abs. 2
Nr. 1 EStG 2002 anzusetzenden und nach inländischem Recht zu ermittelnden
landwirtschaftlichen Einkünften (47.565 EUR) ein Anteil in Höhe von 3.068 EUR auf die
niederländischen Flächen. Diese tatsächliche Würdigung ist von den Beteiligten nicht
angegriffen worden; sie ist gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den
Senat bindend (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 1997
I R 95/96, BFHE 185, 16, BStBl II 1998, 260 zur indirekten Gewinnaufteilung). Demgemäß ist
im Streitfall auch nicht darauf einzugehen, dass die zur Gewinnaufteilung für sog.
Traktatländereien getroffene Verständigungsvereinbarung (vgl. Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 30. November 2001 IV B 6-S 1301 Ndl-
70/01, juris; Hutmacher, Die Information für Steuer und Wirtschaft --INF-- 2007, 460), auf die
das FG bei seiner Würdigung Bezug genommen hat, für sich genommen den Senat nicht
bindet (vgl. z.B. Senatsurteil vom 13. Juni 2012 I R 41/11, BFHE 237, 360, BStBl II 2012,
880, m.w.N.; zu § 2 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO-- i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010
--AO n.F.-- vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394; s. Drüen in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 2 AO Rz 43b ff.).
10 3. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande 1959 werden die Steuern für die Einkünfte,
die Deutschland zur Besteuerung überlassen sind, jedoch nach dem Satz erhoben, der dem
Gesamteinkommen der steuerpflichtigen Person entspricht.
11 a) Die Beteiligten gehen dabei zu Recht davon aus, dass auch dann, wenn --in Einklang mit
der Fassung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande 1959-- der Wortlaut des
einschlägigen Methodenartikels eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
den Progressionsvorbehalt für steuerfrei gestellte ausländische Einkünfte ausdrücklich
vorschreibt, deren Einbeziehung in das sog. Steuersatz-Einkommen auf dem deutschen
Einkommensteuergesetz beruht und deshalb der Gesetzgeber einen abkommensrechtlich
vorgesehenen Progressionsvorbehalt ausschließen kann (Senatsurteile vom 17. Oktober
1990 I R 182/87, BFHE 162, 307, BStBl II 1991, 136 zu § 2a EStG (a.F.); vom 20. September
2006 I R 13/02, BFH/NV 2007, 410; Grotherr in Gosch/Kroppen/Grotherr, a.a.O.,
Art. 23A/Art. 23B OECD-MA Rz 132 f., m.w.N.).
12 b) Das ist in § 32b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 n.F. geschehen: Hat ein
unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte bezogen, die nach einem Abkommen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG
2002 n.F. zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Doch gilt
das nicht für Einkünfte aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen land- und
forstwirtschaftlichen Betriebsstätte; Drittstaat in diesem Sinne ist ein Staat, der nicht
Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) ist, § 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2a Abs. 2a Satz 1
Nr. 1 EStG 2002 n.F.), unter der Voraussetzung einer fehlenden wechselseitigen
Auskunftserteilung auch ein Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) anwendbar ist (§ 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2a Abs. 2a Satz 2 EStG
2002 n.F.). Ob eine solche Betriebsstätte allein durch die Bewirtschaftung eines Grundstücks
im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs unterhalten werden kann --und die
Einbeziehung der abkommensrechtlich freigestellten Einkünfte in den Progressionsvorbehalt
damit ausgeschlossen wird--, ist indessen kontrovers.
13 aa) Im Schrifttum wird das zum Teil verneint, weil der Begriff der Betriebsstätte i.S. von § 12
AO regelmäßig eine Summe von Wirtschaftsgütern voraussetze und die bloße Belegenheit
landwirtschaftlicher Grundstücke im Ausland hierfür nicht ausreiche (Kuhn/Kühner und
Herkenroth/Striegel in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 32b EStG Rz 128 i.V.m. § 2a EStG
Rz 27; Gosch in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 2a Rz 16; OFD Koblenz, Verfügung vom
30. August 2010 S 2230 A-St 31 1, juris, zu 4.5. mit Hinweis auf die abweichende
Behandlung von Gewächshäusern einer Gärtnerei). Nach anderer Ansicht begründen
hingegen bei einem grenzüberschreitenden Hof mit Geschäftsleitung im Inland die im
Ausland belegenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke eine Betriebsstätte
(Blümich/Wagner, § 2a EStG Rz 54, § 32b EStG Rz 67; Hutmacher, INF 2007, 460, 462;
Märkle/ Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 11. Aufl., Rz 153; Mössner in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2a Rz B 26; Leingärtner/Zaisch, Besteuerung der
Landwirte, Kap. 2, Rz 125).
14 bb) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Auszugehen ist hierbei
davon, dass der Betriebsstättenbegriff des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 n.F. nach
§ 12 AO zu bestimmen ist. Vorrangige Sonderregelungen (vgl. die Zusammenstellung bei
Buciek in Beermann/Gosch, AO § 12 Rz 2) sind nicht ersichtlich; sie ergeben sich mit der
gebotenen Bestimmtheit (dazu BFH-Urteil vom 5. Juni 1986 IV R 268/82, BFHE 146, 447,
BStBl II 1986, 659) auch nicht aus den Gesetzesmaterialien. Zwar wird dort erläutert, dass
nach der --ergänzend zur Neufassung des § 2a EStG getroffenen-- Regelung des § 32b
Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 (n.F.) für die Einkünfte, die nach den zwischen den Mitgliedstaaten
der EU sowie des EWR-Abkommens geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung freigestellt werden, der positive und negative Progressionsvorbehalt
ausgeschlossen werden soll (BRDrucks 545/08, 77). Gleichwohl kann hierin --jedenfalls für
den Streitfall-- kein Rückgriff auf den Betriebsstättenbegriff des Abkommens zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung abgeleitet werden, da die vom Kläger erzielten landwirtschaftlichen
Einkünfte abkommensrechtlich den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Art. 4 DBA-
Niederlande 1959) zugeordnet sind, der Begriff der Betriebsstätte des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2
DBA-Niederlande 1959 hingegen die Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von
Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Art. 5 DBA-Niederlande 1959 erfordert (vgl. --zum DBA-Spanien--
auch Senatsurteil in BFHE 236, 6, BStBl II 2012, 457, m.w.N.). Ein Rückgriff auf das DBA-
Niederlande 1959 hätte mithin zur Folge, dass die Regelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
EStG 2002 n.F. keine Anwendung finden könnte und deshalb die aus den Niederlanden
stammenden Einkünfte --entgegen der Absicht des Gesetzgebers-- auch dann dem
Progressionsvorbehalt unterfielen, wenn die Anforderungen an eine Betriebsstätte i.S. von
§ 12 AO erfüllt werden. Dies kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden.
15 c) Nach § 12 Satz 1 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage,
die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebsstätten sind nach der beispielhaften
Aufzählung in Satz 2 der Vorschrift insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung (Nr. 1)
sowie Fabrikations- oder Werkstätten (Nr. 4) anzusehen. Da § 12 Satz 1 --im Gegensatz zur
früheren Regelung in § 16 des Steueranpassungsgesetzes-- nicht mehr die Ausübung eines
stehenden Gewerbes, sondern allgemein die unternehmerische Tätigkeit fordert, werden von
§ 12 AO auch Betriebsstätten erfasst, die einem Betrieb der selbständigen Arbeit oder --wie
vorliegend-- der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sind (BFH-Urteil vom 5. Juni 1986
IV R 338/84, BFHE 146, 452, BStBl II 1986, 661; Anwendungserlass des BMF zur AO zu
§ 12, Nr. 1). Demgemäß sind auch die dem Beispielskatalog des § 12 Satz 2 AO zugrunde
liegenden Wertungen bei der Bestimmung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte
zu berücksichtigen.
16 d) Nach ständiger Rechtsprechung ist als Geschäftseinrichtung i.S. von § 12 Satz 1 AO jeder
körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände zu
behandeln, der (die) geeignet ist (sind), Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein. Da
dem Betriebsstättenbegriff die Funktion zufällt, unternehmerische Tätigkeiten und damit auch
die Besteuerungstatbestände örtlich zuzuordnen, setzt die Betriebsstätte (i.S. von § 12 AO)
eine "feste" Geschäftseinrichtung mit einer festen Beziehung zu einem bestimmten Teil der
Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens
dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat
(z.B. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 12/92, BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12;
Senatsurteile vom 3. Februar 1993 I R 81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462; vom
17. September 2003 I R 12/02, BFHE 203, 400, BStBl II 2004, 396, jeweils m.w.N.). Eine
feste Einrichtung i.S. von § 12 AO erfordert jedoch weder besondere Vorrichtungen noch für
den Aufenthalt von Menschen geeignete Räume (BFH-Urteil vom 8. März 1988
VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 12 Rz 7, m.w.N.).
17 aa) Die in den Niederlanden belegenen Grundstücke haben im Streitjahr der
unternehmerischen Tätigkeit des Klägers i.S. von § 12 Satz 1 AO gedient. Die Ackerflächen
bilden die eigentliche Grundlage der von § 13 EStG 2002 erfassten Urproduktion (hier Abs. 1
Nr. 1: Pflanzengewinnung mit Hilfe der Naturkräfte); sie machen das Wesen der
landwirtschaftlichen Betätigung aus (BFH-Urteil vom 31. Mai 2001 IV R 73/00, BFHE 195,
551, BStBl II 2001, 673).
18 bb) Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG ist der Kläger auf den
niederländischen Parzellen nachhaltig tätig geworden; sie unterlagen zudem seiner nicht nur
vorübergehenden Verfügungsbefugnis.
19 cc) Auch waren die Grundstücke aufgrund ihrer Bewirtschaftung in den Streitjahren als
Geschäftseinrichtung anzusehen. Dies setzt nicht die Zusammenfassung mehrerer
Wirtschaftsgüter voraus; vielmehr kann hierfür auch nur ein körperlicher Gegenstand
ausreichend sein. Demgemäß hat bereits der Reichsfinanzhof (RFH) einen einzelnen
Lagerplatz als Betriebsstätte angesehen, wenn er der nicht nur vorübergehenden
unternehmerischen Betätigung dient (RFH-Beschluss vom 8. Oktober 1941 VI B 11/41,
RStBl 1941, 814; zustimmend z.B. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 12 Rz 7: abgrenzbare
unbebaute Flächen, z.B. Lager, Bauplätze; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 181, 356, BStBl II
1997, 12). Nichts anderes gilt demgemäß für die vom Kläger bewirtschafteten
niederländischen Flächen. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um mehrere Grundstücke
gehandelt hat, kann der Senat nicht erkennen, weshalb gerade für die Annahme einer
landwirtschaftlichen Betriebsstätte weiter gehende Anforderungen gelten sollen (z.B. eine
besondere Herrichtung von Zufahrtswegen oder die Errichtung von Gewächshäusern).
Vielmehr spricht die Grundwertung des § 12 Satz 2 Nr. 4 AO, nach dem (gewerbliche)
Fabrikationsstätten als Betriebsstätten anzusehen sind, dafür, die vom Kläger
bewirtschafteten Grundstücke nicht nur als die landwirtschaftliche Urproduktion
kennzeichnende Betriebsgrundlagen, sondern --davon umfasst-- als Geschäftseinrichtung
i.S. von § 12 Satz 1 AO zu qualifizieren.
20 dd) Nicht durchgreifen kann die Erwägung des FA, die Geschäftseinrichtung setze eine feste
Verbindung zum Grund und Boden voraus und könne deshalb "denklogisch" nicht mit
diesem gleichgesetzt werden. Der Einwand verkennt bereits im Ausgangspunkt, dass das
Regelmerkmal der festen Beziehung zur Erdoberfläche nicht unmittelbar dem Wortlaut des
§ 12 AO zu entnehmen, sondern aus dem Tatbestandsmerkmal der "festen
Geschäftseinrichtung" abgeleitet worden ist, um das Erfordernis der örtlichen Verwurzelung
der unternehmerischen Tätigkeit zum Ausdruck zu bringen (BFH-Urteil in BFHE 170, 263,
BStBl II 1993, 462). Demgemäß hat der BFH einen für den Tatbestand des § 12 AO
hinreichenden örtlichen Bezug für eine unterirdisch verlegte Rohrleitung bejaht, obwohl
diese keinen Bezug zur Erdoberfläche habe; maßgeblich sei, dass die unterirdische
Geschäftseinrichtung in besonders qualifizierter Weise mit dem Erdboden verbunden ist
(BFH-Urteil in BFHE 181, 356, BStBl II 1997, 12). Ebenso ist für landwirtschaftlich genutzte
Grundstücke zu entscheiden; sie erfüllen in jeder Hinsicht die von § 12 AO geforderte
örtliche Verwurzelung. Nur dies erklärt auch, weshalb Lagergrundstücke zu den
Geschäftseinrichtungen gehören können. Hiernach bedarf es auch keiner Erörterung, ob --
wie vom Kläger geltend gemacht-- im Rahmen von § 12 AO zwischen der bei
bewirtschafteten Flächen regelmäßig bearbeiteten Ackerkrume (Geschäftseinrichtung) und
dem darunterliegenden Erdreich (als Bezugspunkt der festen Verbindung) zu unterscheiden
sein könnte.
21 ee) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass zu den
ausländischen Einkünften i.S. von § 34d EStG 2002 nach Nr. 1 der Vorschrift die Einkünfte
aus der in einem ausländischen Staat betriebenen Land- und Forstwirtschaft gehören (vgl.
auch § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002). Auch wenn diese Bestimmung vom Belegenheitsprinzip
bestimmt wird (vgl. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 34d Rz 6), kann hieraus keine auf die
Einschränkung des in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 n.F. verwendeten
Betriebsstättenbegriffs gerichtete Erwägung abgeleitet werden. Abgesehen davon, dass
hierfür jeder Anhalt im Gesetz fehlt, gibt auch im Streitfall der offenkundige Gesetzeszweck
des § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 n.F. keine Veranlassung, dessen
Regelungszusammenhang zu § 12 AO aufzubrechen und damit die in den anderen
Mitgliedstaaten der EU erzielten Einkünfte dem Progressionsvorbehalt des § 32b Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 zu unterstellen.
22 4. Die Sache ist spruchreif. Da zwischen den Beteiligten lediglich die Einbeziehung der in
den Niederlanden erzielten landwirtschaftlichen Einkünfte in das Steuersatz-Einkommen
umstritten ist und im Übrigen keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des
angefochtenen Einkommensteuerbescheids bestehen, hat das FG der Klage zu Recht
stattgegeben. Die Revision ist demnach zurückzuweisen.