Urteil des BFH vom 10.11.2009

BFH: Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers, Berücksichtigung der subjektiven Vorstellungen des Versenders in Ausfuhrfällen, Verlust des Rügerechts, eugh

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 10.11.2009, VII R 39/08
Kein wirksames Steueraussetzungsverfahren ohne Bezugsberechtigung des Empfängers - Berücksichtigung der subjektiven
Vorstellungen des Versenders in Ausfuhrfällen - Verlust des Rügerechts
Leitsätze
1. Die wirksame Eröffnung eines innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahrens, mit dem verbrauchsteuerpflichtige
Erzeugnisse unter Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat befördert werden können, setzt eine Zulassung des
Empfängers als Steuerlagerinhaber oder berechtigter Empfänger voraus .
2. Wird an einen Nichtberechtigten geliefert, entsteht die Mineralölsteuer nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 mit der Entfernung
des Mineralöls aus dem Steuerlager, ohne dass es darauf ankommt, dass das Mineralöl im Steuergebiet verbraucht wird .
3. Die Regelung der Steuerentstehung in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 verstößt weder gegen das Bestimmungslandprinzip noch
gegen verfassungsrechtliche Vorgaben .
4. Die Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu den Voraussetzungen für eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferung und zum Gutglaubensschutz kann nicht auf verbrauchsteuerrechtliche Sachverhalte übertragen werden .
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die mit Mineralölen handelt und über ein als Steuerlager
zugelassenes Tanklager verfügt, belieferte im Zeitraum vom Juli 2004 bis zum Mai 2005 u.a. insgesamt acht Firmen
mit Sitz in Polen mit unversteuertem Gasöl der Pos. 2710 1941 der Kombinierten Nomenklatur. Auf entsprechende
Anfragen der Klägerin vom Februar, März und Juni 2005 teilte das Hauptzollamt Stuttgart, das in Deutschland für
entsprechende Auskünfte im Verfahren SEED (System of Exchange of Excise Data) zuständig ist, der Klägerin mit,
dass ihre Angaben zu insgesamt sechs der belieferten Firmen nicht bestätigt werden könnten. Dieser Befund wurde
auch von einer amtlichen Auskunft des stellvertretenden Direktors der Abteilung Zoll- und Verbrauchsteuerkontrolle im
Ministerium der Finanzen der Republik Polen vom September 2005 bestätigt. Danach hatte mit Ausnahme eines
Unternehmens keine der mit unversteuertem Dieselkraftstoff belieferten Firmen im Lieferzeitraum ein eigenes
Zolllager oder die verbrauchsteuerrechtliche Stellung eines berechtigten Empfängers. Aufgrund der fehlenden
Berechtigung der polnischen Unternehmen, Mineralöl unter Steueraussetzung zu empfangen, ging der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) von einer Entstehung der Mineralölsteuer mit der Entfernung des
Mineralöls aus dem Steuerlager der Klägerin nach § 9 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993) aus.
Entsprechend setzte das HZA mit zwei Steuerbescheiden für das nach Polen gelieferte Mineralöl die Mineralölsteuer
fest. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
2
Auch die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Mineralölsteuer nach § 9
Abs. 1 MinöStG 1993 mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager in Deutschland entstanden sei, da die
jeweiligen Abnehmer keine Bezugsberechtigung besessen hätten. Maßgeblich sei allein der objektive Tatbestand der
Berechtigung des Empfängers, verbrauchsteuerpflichtige Waren unter Steueraussetzung zu beziehen. Unbeachtlich
seien dagegen die subjektiven Vorstellungen des Versenders. Deshalb könne ein Steueraussetzungsverfahren nicht
rechtswirksam durch Lieferung an einen nur vermeintlich Bezugsberechtigten eröffnet werden. Dies gelte auch dann,
wenn der versendende Steuerlagerinhaber den Empfänger gutgläubig und unverschuldet für bezugsberechtigt halte.
Die Mitteilungen der polnischen Zollverwaltung und der Zollkammer in Warschau über die nicht vorhandene
Zulassung der Abnehmer als berechtigte Empfänger könnten nicht in Zweifel gezogen werden. Darüber hinaus sei
das FG aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund der glaubwürdigen Aussage des
Zeugen B, davon überzeugt, dass die auf den polnischen Berechtigungsurkunden angebrachten Stempel gefälscht
seien. Nur ein einziges von der Klägerin beliefertes Unternehmen habe eine Bezugsberechtigung gehabt. Allerdings
habe dieses Unternehmen seine wirtschaftliche Tätigkeit bereits am 20. Februar 2004 mit der Folge eingestellt, dass
es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr im Besitz einer Bezugsberechtigung gewesen sei. Da es nach der Überzeugung
des Gerichts auf die subjektiven Vorstellungen hinsichtlich der Bezugsberechtigung des jeweiligen Handelspartners
nicht ankomme, seien die von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweise nicht zu erheben gewesen.
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Die Erhebung der Mineralölsteuer verstoße nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Bestimmungslandprinzip. Eine
Steuer könne sowohl nach Art. 6 der Richtlinie 92/12/EWG (SystemRL) des Rates vom 25. Februar 1992 über das
allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften Nr. L 76/1) mit der Entfernung aus dem Steuerlager, als auch nach Art. 7, 9 oder 10
SystemRL im Bestimmungsland entstehen. Eine doppelte Besteuerung werde durch das in Art. 22 SystemRL und das
in § 24 MinöStG 1993 vorgesehene Entlastungsverfahren vermieden. Dies setze allerdings die Einhaltung des dafür
vorgeschriebenen Verfahrens voraus. Im Streitfall komme es folglich nicht darauf an, ob das gesamte aus dem
Steuerlager entfernte Mineralöl tatsächlich nach Polen verbracht und dort verbraucht worden sei, weshalb eine
weitere Beweiserhebung hierzu nicht erforderlich sei. Entscheidend für die Steuerentstehung und die
Erhebungskompetenz Deutschlands sei allein die Überführung in den freien Verkehr im Steuergebiet.
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Schließlich seien die angefochtenen Steuerbescheide nicht deshalb rechtswidrig, weil sie gegen das Prinzip der
Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit verstießen. Denn dieses Prinzip könne auf die indirekten
Steuern keine Anwendung finden. Auch wenn die Abwälzung der Steuer auf den Verbraucher nicht gelinge, wandle
sich die Verbrauchsteuer nicht in eine unzulässige Unternehmensteuer.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass das FG § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 unzutreffend ausgelegt habe.
Das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere das Gebot der Tatbestandsklarheit, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und
die Neutralität der Mineralölsteuer erforderten die Berücksichtigung der subjektiven Vorstellungen hinsichtlich der
Bezugsberechtigung des Abnehmers. Trotz fehlender Bezugsberechtigung liege folglich ein
Steueraussetzungsverfahren vor, wenn der Steuerlagerinhaber nach außen erkennbar unter Steueraussetzung liefern
wolle und die vom Abnehmer vorgelegten Nachweise gefälscht seien. Die subjektive Sichtweise werde durch das
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24. Oktober 2002 5 StR 600/01 (BGHSt 48, 52) bestätigt. Das
gemeinschaftsrechtliche Verbrauchsteuersystem sei durch das in Art. 90 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft (EG) festgelegte Bestimmungslandprinzip geprägt. Verbrauchsteuerpflichtige Waren seien daher nur in
dem Mitgliedstaat zu besteuern, in dem sie zu gewerblichen Zwecken verbraucht würden. Folglich sei § 9 Abs. 1
MinöStG 1993 gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine Steuer nur dann mit der Entfernung
aus dem Steuerlager entstehe, wenn das Mineralöl auch tatsächlich im Steuergebiet verbraucht werde. Soweit
Mineralöl, das in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sei, in Deutschland der Besteuerung unterworfen
werde, stelle dies einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit und einen Verstoß gegen Art. 90 EG dar. Dabei sei zu
berücksichtigen, dass bei einer Besteuerung in Deutschland das Belastungsniveau im Bestimmungsland erheblich
überschritten werde. Bei der Auslegung des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 sei zudem der Rechtsgedanke des § 53 der
Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStV) zu berücksichtigen. Danach sei der Verbraucher eigentlicher
Belastungsträger der Mineralölsteuer, so dass beim Misslingen der Überwälzung dem Steuerlagerinhaber eine
Entlastung gewährt werden müsse. In diese Richtung weise auch das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
abzuleitende Gebot der Folgerichtigkeit. Die Verweigerung der Entlastung stelle gegenüber den von § 53 MinöStV
begünstigten Mineralölhändlern eine gleichheitswidrige steuerliche Belastung dar, die zudem konfiskatorisch in die
Vermögenssubstanz des Steuerlagerinhabers eingreife und daher gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip sowie das
Übermaßverbot und damit gegen Art. 12 und 14 GG verstoße.
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Dadurch, dass das FG die Fälschung der Berechtigungsurkunden und der auf den Rückscheinen und den
Berechtigungsurkunden angebrachten Stempel angenommen habe, ohne die Originale der Urkunden in Augenschein
zu nehmen, habe das FG gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --
FGO--) und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) verstoßen. Statt die
Originalurkunden in Augenschein zu nehmen, habe sich das FG mit der Begutachtung von Kopien der Dokumente
und der Vernehmung eines polnischen Zollbeamten als Zeugen begnügt. Aufgrund zu Tage getretener Widersprüche
habe sich dem FG die Notwendigkeit der Beiziehung der Original-Berechtigungsurkunden aufdrängen müssen.
Anträge zur Beiziehung von Akten anderer Behörden seien schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung gestellt
worden. Gegen die Sachaufklärungspflicht und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sei auch
deshalb verstoßen worden, weil das FG den stellvertretenden Direktor der Abteilung Zoll- und
Verbrauchsteuerkontrolle im polnischen Finanzministerium Herrn K und Herrn J von der Zollkammer in Warschau
nicht als Zeugen vernommen habe. Verfahrensfehlerhaft habe sich das FG mit den schriftlichen Stellungnahmen
dieser Zeugen vom September bzw. Juli 2005 begnügt. Schriftsätzlich habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass
eine Verbrauchsteuernummer nicht in jedem Fall vergeben werde, so dass nicht alle berechtigten Empfänger in der
SEED-Datei gespeichert seien. Eine Erfassung in der SEED-Datei unterbleibe bei nicht registrierten Empfängern nach
Art. 16 Abs. 1 und Abs. 3 SystemRL, die nur gelegentlich bezögen. Der Mitteilung der polnischen Zollverwaltung lasse
sich nicht entnehmen, in welcher Datenbank die polnischen Firmen nicht vorhanden seien und welcher
Erklärungswert dieser Datenbank im Regelfall zukomme. Deshalb hätte sich dem FG die Vernehmung der Zeugen
von Amts wegen aufdrängen müssen. Die Vernehmung hätte möglicherweise ergeben, dass die Abnehmer auch
ohne einen Dateieintrag zum Bezug unter Steueraussetzung berechtigt gewesen seien.
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Verfahrensfehlerhaft habe das FG auch von der Vernehmung der Zeuginnen Z und K abgesehen, deren Vernehmung
zu dem Ergebnis hätte führen können, dass die belieferte Firma R im streitgegenständlichen Zeitraum als berechtigter
Empfänger Mineralöl bezogen habe. Stattdessen habe das FG die Nichtberechtigung der Firma R lediglich damit
begründet, dass das Unternehmen seine Nichtberechtigung gegenüber der Klägerin selbst erklärt habe. Fehlerhaft sei
die Annahme des FG, dass die sich auf der Berechtigungsurkunde der Firma P befindliche Verbrauchsteuernummer
deshalb falsch sei, weil sie mit der Zahl 42 beginne. Der hierzu vernommene Zeuge habe diese Feststellung nur in
Bezug auf die Firma F getroffen. Da Ergebnisse von justiziellen Amtshilfeersuchen nicht Gegenstand des
erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien, könnten diese im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden.
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Schließlich hätte das FG die Sachverhaltsermittlung auch auf die fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin erstrecken
müssen. Dabei hätte es erkennen können, dass die Steuer konfiskatorisch in die Vermögenssubstanz der Klägerin
eingreife und dass eine Besteuerung nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 insoweit ausgeschlossen sei.
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Insgesamt betrachtet sei das FG von einer Sachverhaltsfeststellung ausgegangen, die nicht durch ausreichende
tatsächliche Feststellungen getragen werde. Dies sei ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO. Die dargestellten
Verfahrensmängel seien erst aus den Entscheidungsgründen ersichtlich geworden, so dass eine Rüge in der
mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sei.
10 Die Klägerin beantragt die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie der angefochtenen
Mineralölsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung.
11 Das HZA schließt sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung des FG an. Für die wirksame Eröffnung eines
Steueraussetzungsverfahrens komme es allein auf den objektiven Sachverhalt an, so dass subjektive Vorstellungen
über die Bezugsberechtigung keine Berücksichtigung finden könnten. Nach der inzwischen erfolgten Auswertung der
justiziellen Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft X habe sich ergeben, dass sämtliche von der Klägerin
belieferten Firmen zum Bezug von Mineralöl im Steueraussetzungsverfahren nicht berechtigt gewesen seien. Ein
Verstoß des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 gegen das Bestimmungslandprinzip liege nicht vor. Im Streitfall sei nicht geklärt,
wo das Mineralöl verblieben sei und an welchem Ort der Verbrauch stattgefunden habe. Es sei auch nicht ersichtlich,
dass die Regelung in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 gegen die Warenverkehrsfreiheit verstoße. Die Entlastungsregelung
des § 53 MinöStV lasse sich auf den Streitfall nicht übertragen, zumal die Klägerin trotz negativer SEED-Abfrage die
Belieferung fortgesetzt habe. Die Besteuerung der Klägerin greife nicht in verfassungsrechtlich geschützte
Rechtspositionen ein. Verstöße gegen den Gleichheitssatz und gegen Art. 12 und 14 GG lägen nicht vor.
12 Hinsichtlich der erhobenen Verfahrensrügen weist das HZA darauf hin, dass im Zuge der durchgeführten
strafprozessualen Maßnahmen keine Bezugsberechtigungen im Original sichergestellt worden seien. In Ermangelung
von Originalbescheinigungen habe das FG den Sachverhalt nur anhand von Kopien ermitteln können. Zudem habe
die Klägerin ihr Rügerecht verloren, da sie in der mündlichen Verhandlung keine ausdrücklichen Beweisanträge unter
Bezugnahme bestimmter Akteninhalte gestellt habe. Auch die Beantragung der Vernehmung weiterer Zeugen habe
die Klägerin unterlassen.
Entscheidungsgründe
13 II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat zu Recht geurteilt, dass die Mineralölsteuer aufgrund der
fehlenden Bezugsberechtigung der ausländischen Abnehmer nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 durch Entfernung des
Mineralöls aus dem Steuerlager der Klägerin entstanden ist. Diesem Ergebnis steht weder Gemeinschaftsrecht noch
Verfassungsrecht entgegen.
14 1. Im Streitfall hat sich der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager kein weiteres Steueraussetzungsverfahren
angeschlossen, das eine Steuerentstehung hätte verhindern können.
15 a) Nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 entsteht die Steuer dadurch, dass Mineralöl im Steuergebiet aus dem Steuerlager
entfernt wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder ein Zollverfahren nach § 14 Abs. 1 Nr. 2
MinöStG 1993 anschließt. Aufgrund der Feststellungen des FG, nach denen das Mineralöl nach Polen verbracht
worden ist, kommt im Streitfall als weiteres Steueraussetzungsverfahren nur ein innergemeinschaftliches
Steuerversandverfahren in Betracht. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 darf Mineralöl unter Steueraussetzung aus
Steuerlagern im Steuergebiet in Steuerlager oder Betriebe von berechtigten Empfängern in anderen Mitgliedstaaten
verbracht werden. Voraussetzung für die wirksame Eröffnung eines sich an die unversteuerte Lagerung
anschließenden Steueraussetzungsverfahrens ist der Versand an Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat zum
Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung berechtigt sind. Nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben können
dies nur Steuerlagerinhaber (Art. 4 Buchst. a i.V.m. Art. 15 Abs. 1 SystemRL) oder registrierte oder nicht registrierte
Wirtschaftsbeteiligte (Art. 4 Buchst. d und e i.V.m. Art. 16 SystemRL) sein. Auf das Erfordernis einer
Bezugsberechtigung des Empfängers als Voraussetzung für die wirksame Eröffnung eines Steuerversandverfahrens
unabhängig von den Vorstellungen des Versenders deutet der Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 SystemRL hin. Danach
muss die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren im Verfahren der Steueraussetzung zwischen Steuerlagern
erfolgen. Diese Bestimmung belegt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber sich von der Vorstellung hat leiten lassen,
dass ein Versand unversteuerter Erzeugnisse nur zwischen bestimmten und tatsächlich bestehenden Orten möglich
und von den Annahmen der Beteiligten in Bezug auf die Existenz solcher Orte unabhängig sein soll. Davon
ausgehend hat Generalanwalt Colomer in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C-325/99 (Slg. 2001, I-2729)
ausgeführt, dass das Verfahren der Steueraussetzung einen hermetisch geschlossenen Kreis darstellt. Dieses
Verständnis schließt die Annahme eines wirksamen Steueraussetzungsverfahrens aus, wenn ein zum Bezug von
unter Steueraussetzung stehenden Waren berechtigter Empfänger nicht existiert, so dass der von Colomer
angesprochene Kreis nicht geschlossen werden kann. Folglich haben nach dem Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1
MinöStG 1993, mit dem Art. 6 Abs. 1 Buchst. a SystemRL in nationales Recht umgesetzt worden ist, die subjektiven
Vorstellungen des Versenders über die Existenz eines empfängerseitigen Lagers oder Herstellungsbetriebs und über
die Bezugsberechtigung des jeweiligen Inhabers solcher Einrichtungen außer Betracht zu bleiben.
16 b) Dass verbrauchsteuerpflichtige Erzeugnisse unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen
Steuerversandverfahren nur dann befördert werden können, wenn der Empfänger Inhaber eines Steuerlagers oder
berechtigter Empfänger ist, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 17. März 2000 VII B 39/99 (BFH/NV 2000,
1180) angedeutet. Dieser Auffassung hat sich der BGH ausdrücklich angeschlossen (Urteil in BGHSt 48, 52).
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist dieser BGH-Entscheidung nicht zu entnehmen, dass allein die subjektiven
Vorstellungen des Versenders maßgeblich sein sollen. Nur für den Fall der Ausfuhr hat der BGH auf die Absicht des
Ausführers abgestellt und die Bezugsberechtigung des im Drittland ansässigen Empfängers für die Wirksamkeit des
Steueraussetzungsverfahrens für unbeachtlich gehalten. Dieser Rechtsansicht ist zuzustimmen, denn bei der Ausfuhr
fungiert die Ausgangszollstelle als Empfänger, so dass es nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einer
verbrauchsteuerrechtlichen Bezugsberechtigung des ausländischen Lagerinhabers nicht bedarf. Vielmehr wird das
Steueraussetzungsverfahren dadurch beendet, dass die Zollstelle die bestätigte Ausfertigung des Begleitdokuments
an den Versender zurückschickt (Art. 19 Abs. 4 SystemRL).
17 Auch das Schrifttum geht überwiegend davon aus, dass es für die wirksame Eröffnung eines
Steueraussetzungsverfahrens allein auf den objektiven Tatbestand der Bezugsberechtigung des Empfängers
ankommt (Scheuer, Unregelmäßigkeiten beim innergemeinschaftlichen Versand verbrauchsteuerpflichtiger Waren
unter Steueraussetzung, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2007, 2, 4; Alexander in Teichner/Alexander/
Reiche, MinöStG, StromStG, § 9 MinöStG Rz 8; Schröer-Schallenberg, Sanktionen und Hemmnisse im
Verbrauchsteuerrecht, Tagungsband der 8. Jahrestagung des Europäischen Forums für Außenwirtschaft,
Verbrauchsteuern und Zoll, 1996, S. 114, 124; a.A. statt aller Soyk, Die Steuerentstehung beim Entziehen
verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Steueraussetzungsverfahren, ZfZ 1998, 2).
18 2. Da sich im Streitfall an die Auslagerung des Mineralöls kein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschloss,
entstand die Mineralölsteuer mit der Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager. Nach dem eindeutigen Wortlaut
des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 und des Art. 6 Abs. 1 SystemRL ist das weitere Schicksal des Erzeugnisses nach der
Entnahme der Ware aus dem Steuerlager bzw. aus dem Verfahren der Steueraussetzung unbeachtlich. Insbesondere
kommt es nicht darauf an, ob das Mineralöl im Steuergebiet, in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland
verbraucht worden ist.
19 a) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich aus dem Bestimmungslandprinzip kein Erfordernis zur
einschränkenden Norminterpretation ableiten. Das vom Senat vertretene Normverständnis führt auch nicht zu einer
gemeinschaftsrechtswidrigen Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit. Zwar trifft es zu, dass --mit Ausnahme des
privaten Reiseverkehrs-- die Besteuerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nach den Vorgaben des
Gemeinschaftsrechts im Bestimmungsland erfolgen soll, doch lässt sich aus diesem Grundsatz kein Verbot einer
mehrfachen Entstehung und Erhebung der Verbrauchsteuer in verschiedenen Mitgliedstaaten ableiten. Wie der
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) unter Bezugnahme auf Art. 22 Abs. 1 und 2 SystemRL
ausgeführt hat, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber die Vermeidung der Doppelbesteuerung bei der Konzeption der
SystemRL nicht zu einem absoluten Grundsatz erhoben (EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2007 C-374/06, Slg. 2007, I-
11271). Zudem ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 Abs. 1 SystemRL lediglich die Entstehung der Steuer und den
Entstehungszeitpunkt regelt. Indes war eine Regelung der Erhebung und Einziehung der Steuer vom
Gemeinschaftsgesetzgeber nicht beabsichtigt (EuGH-Beschluss vom 22. November 2001 C-80/01, Slg. 2001, I-9141).
20 b) Dass die Verwendung der verbrauchsteuerpflichtigen Ware im Abgangsmitgliedstaat kein ungeschriebenes
Merkmal des in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 und Art. 6 Abs. 1 SystemRL normierten Steuerentstehungstatbestands ist,
belegt die Existenz eines Entlastungsverfahrens für die Fälle, in denen bereits in den freien Verkehr eines
Mitgliedstaats überführte Waren in einen anderen Mitgliedstaat mit der Folge geliefert werden, dass auch im
Bestimmungsland die Steuer zur Entstehung gelangt (vgl. § 24 Abs. 1 MinöStG 1993 und Art. 22 SystemRL).
Grundsätzlich wird durch die Möglichkeit einer Steuerentlastung im Abgangsmitgliedstaat eine Doppelbesteuerung
und damit eine Beschränkung des freien Warenverkehrs durch eine gemeinschaftswidrige Abgabenbelastung
vermieden und damit das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Dass eine solche Entlastung --insbesondere zur
Vermeidung von Steuerumgehungen-- nach Art. 22 Abs. 2 SystemRL von bestimmten verfahrenstechnischen
Voraussetzungen abhängt, ist systemimmanent. Der Umstand, dass in Einzelfällen eine Entsteuerung der in einen
anderen Mitgliedstaat gelieferten Waren aufgrund der Nichteinhaltung des hierfür vorgeschriebenen Verfahrens
misslingt, führt nicht dazu, dass sich die Regelungen über die Steuerentstehung insgesamt aufgrund eines Verstoßes
gegen die u.a. durch Art. 28 und 90 EG garantierte Warenverkehrsfreiheit als gemeinschaftsrechtswidrig erweisen. Im
Übrigen obliegt die Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens den Mitgliedstaaten, denen es unbenommen bleibt, auch
in diesen Fällen unter den von ihnen festgelegten Voraussetzungen (z.B. Nachweis der Verwendung und
Besteuerung der Waren im Bestimmungsland) eine Entlastung vorzusehen (vgl. hierzu die Ausführungen des
Generalanwalts Jacobs in den Schlussanträgen in der Rechtssache C-5/05, Rz 94, 95, und hierzu EuGH-Urteil vom
23. November 2006, Slg. 2006, I-11075, Rz 53).
21 3. Eine einschränkende Interpretation des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 ist auch nicht aufgrund des Rechtsgedankens
geboten, dem die Entlastungsregelung in § 53 MinöStV zugrunde liegt.
22 a) Der Gesetzgeber hat den in dieser Vorschrift für den Fall der Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung festgelegten
Entlastungsanspruch mit dem Systemgedanken der Verbrauchsbesteuerung begründet, wonach die Steuer letztlich
die in der Einkommensverwendung liegende Leistungsfähigkeit desjenigen treffen will, der die Ware verwendet, nicht
aber Hersteller oder Händler, die lediglich mit dem Inkasso beauftragt sind. Daher ist es im Grunde konsequent, wenn
das Risiko des Steuerausfalls in einem bestimmten Umfang dem Fiskus als Steuergläubiger zugewiesen wird
(Senatsurteil vom 1. Dezember 1998 VII R 21/97, BFHE 187, 177, m.w.N.). Allerdings zwingt allein der
Systemgedanke der Verbrauchsbesteuerung, nach dem die Möglichkeit der Abwälzbarkeit ein Wesensmerkmal der
Verbrauchsteuer ist (Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, S. 65 ff., m.w.N.), den Gesetzgeber
nicht dazu, alle Verbrauchsteuern unterschiedslos nach diesem System auszurichten und inhaltlich gleich
auszugestalten (Senatsurteil in BFHE 187, 177, 189). Dies gilt auch für die Normierung von Steuerentstehungs- und
Entlastungstatbeständen innerhalb eines die Besteuerung bestimmter Erzeugnisse regelnden Gesetzes. Dem
Grundsatz der Verbrauchsbesteuerung muss der Gesetzgeber nicht in jedem Fall und unter allen Umständen
Rechnung tragen.
23 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat der Grundsatz der Abwälzbarkeit nicht zum
Inhalt, dass dem Steuerschuldner die rechtliche Gewähr geboten wird, dass er den von ihm als Steuerschuldner
entrichteten Betrag immer von der Person ersetzt erhält, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die
Steuer tragen soll; mehr als die Möglichkeit einer Überwälzung verlangt das Wesen einer Verbrauchsteuer nicht
(BVerfG-Beschluss vom 28. Januar 1970 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375, 384). Dieser Auffassung hat sich der
Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen und ausgeführt, dass das Risiko der Abwälzung der Steuer aus dem
steuerlichen Bereich ausgeschieden und in den Bereich des allgemeinen kaufmännischen Risikos einbezogen
worden ist (Senatsurteil vom 17. Dezember 1974 VII R 56/72, BFHE 115, 2, BStBl II 1975, 462). Somit ist es dem
Gesetzgeber aus Gründen der Systematik und Folgerichtigkeit nicht verwehrt, eine Steuerentlastung nur unter
bestimmten Voraussetzungen zu gewähren oder für bestimmte Fallkonstellationen (z.B. Ausfuhr oder Untergang von
versteuerten Erzeugnissen) nicht vorzusehen.
24 b) Darüber hinaus sprechen für eine Nichtberücksichtigung subjektiver Vorstellungen des Steuerlagerinhabers und für
eine Unbeachtlichkeit der Verwendung der aus dem Steuerlager entfernten Waren im Steuergebiet insbesondere
Praktikabilitätsgründe. Die besonderen Verbrauchsteuern sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Entstehung an
einen tatsächlichen Vorgang oder einen Zustand anknüpft. Deshalb werden diese Steuern im Schrifttum als
verwendungsorientierte Realaktsteuern bezeichnet (F. Kirchhof, Grundriss des Steuer- und Abgabenrechts, 2. Aufl. Rz
91 und Förster, Die Verbrauchsteuern, S. 67). Mit der vom Gesetzgeber getroffenen Grundsatzentscheidung, die
besonderen Verbrauchsteuern als Realaktsteuern auszugestalten, ließe es sich nicht vereinbaren, die Erfüllung des
Steuerentstehungstatbestands des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 von inneren Vorstellungen des Steuerlagerinhabers oder
von ungewissen zukünftigen Ereignissen abhängig zu machen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der
Entfernung des Mineralöls aus dem Steuerlager noch nicht feststeht, ob das Mineralöl im Steuergebiet verbraucht wird
oder tatsächlich in einen anderen Mitgliedstaat oder zur Ausfuhr gelangt. Jedenfalls könnte ein Verbrauch im
Steuergebiet --insbesondere bei einem betrügerischen Vorgehen der Abnehmer der verbrauchsteuerpflichtigen Ware-
- nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Zudem dürfte die Verifizierung der Behauptung des
Steuerlagerinhabers, er sei von der Richtigkeit der Angaben seines Handelspartners und folglich von einer
bestehenden Bezugsberechtigung des Empfängers ausgegangen, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein.
Auch aus diesen Gründen kommt eine einschränkende Interpretation des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 nicht in Betracht.
Vielmehr erweist sich die Anknüpfung des Steuerentstehungstatbestands an objektive Merkmale unter
steuersystematischen Gesichtspunkten als folgerichtig.
25 Die Klägerin verkennt, dass es im Streitfall nicht um die Verweigerung einer beantragten Steuerentlastung geht,
sondern um die Rechtmäßigkeit der auf § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 gestützten Steuerbescheide und somit allein um die
Verwirklichung des Entstehungstatbestands. Davon zu unterscheiden ist die Frage nach einer evtl. bestehenden
Erstattungs- oder Vergütungsmöglichkeit hinsichtlich der durch die Auslagerung des Mineralöls entstandenen Steuer.
26 4. Die Regelung der Steuerentstehung in § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 ohne Berücksichtigung des tatsächlichen
Verbrauchs des Mineralöls im Steuergebiet verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1, Art. 12 und 14 GG.
27 a) Die Klägerin wird durch ihre Inanspruchnahme nicht in gleichheitswidriger Weise gegenüber Mineralölhändlern
belastet, die die Entlastungsregelung des § 53 MinöStV in Anspruch nehmen können. Im Steuerrecht kommt es für die
am Maßstab des Gleichheitssatzes vorzunehmende Prüfung insbesondere darauf an, ob die vom Gesetzgeber
vorgenommene Differenzierung auf sachgerechten finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder
steuertechnischen Erwägungen beruht (BVerfG-Urteil vom 10. Februar 1987 1 BvL 18/81 und 20/82, BVerfGE 74,
182, 200, m.w.N.) und ob durch die Differenzierung eine Gruppe von Steuerpflichtigen ohne hinreichenden sachlichen
Grund stärker belastet wird als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage gerät, so dass
die gesetzlichen Auswirkungen der getroffenen Differenzierung weiter greifen, als es der die Ungleichbehandlung
legitimierende Zweck rechtfertigt, und schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten ohne hinreichenden sachlichen
Grund vernachlässigt werden (BVerfG-Beschluss vom 11. Februar 1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238, 245, m.w.N.).
28 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Differenzierung der beiden Gruppen von Mineralölhändlern nicht auf einer
unterschiedlichen Anwendung des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993, sondern auf der Schaffung eines besonderen
Entlastungstatbestands für den Fall des Forderungsausfalls beruht. Der Steuerentstehungstatbestand des § 9 Abs. 1
MinöStG 1993 bleibt von der in § 53 MinöStV getroffenen Regelung unberührt. Die Gemeinsamkeit beider
Fallkonstellationen besteht darin, dass sowohl im Falle des Forderungsausfalls als auch bei der Eröffnung eines
unwirksamen Steueraussetzungsverfahrens mit der Folge der Steuerentstehung eine Abwälzung der Steuerbelastung
auf einen Abnehmer nicht gelingt. Wie bereits ausgeführt, zwingt allein der Systemgedanke der
Verbrauchsbesteuerung nicht zu einer Gleichbehandlung aller denkbaren Fälle, die mit einer --grundsätzlich
ungewollten-- steuerlichen Belastung des lediglich mit dem Inkasso beauftragten Mineralölhändlers einhergehen. Da
eine Entlastung auch durch eine Erstattung, Vergütung oder einen Erlass der Mineralölsteuer vorgenommen werden
kann, besteht darüber hinaus aus Gleichbehandlungsgrundsätzen keine Notwendigkeit zur einschränkenden
Auslegung des Steuerentstehungstatbestands.
29 Schließlich wird die Verweigerung einer Steuerentlastung im Streitfall durch steuertechnische Erwägungen legitimiert.
Nach dem gemeinschaftsrechtlichen Verbrauchsteuersystem trifft den Steuerlagerinhaber eine Art Garantenstellung in
Bezug auf die ordnungsgemäße Durchführung des Steuerversandverfahrens. Bei auftretenden Unregelmäßigkeiten,
die zur Entziehung der Ware aus dem Steueraussetzungsverfahren führen, kann der Steuerlagerinhaber auf Zahlung
der dadurch entstandenen Verbrauchsteuer in Anspruch genommen und zu diesem Zweck die von ihm geleistete
Sicherheit verwertet werden. Dieses Verfahren gewährleistet das Funktionieren des innergemeinschaftlichen Handels
mit unversteuerten verbrauchsteuerpflichtigen Waren. In seiner steuertechnischen Ausgestaltung entspricht das
Steuerversandverfahren den zollrechtlichen Versandverfahren, die ebenfalls eine besondere Verantwortung des
Verfahrensinhabers vorsehen. In seinem Urteil vom 3. April 2008 C-230/06 (Slg. 2008, I-1895) hat der EuGH eine
zollrechtliche Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten selbst bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten unbeanstandet gelassen. Die Zusage einer steuerlichen
Entlastung in jedem Fall eines Misslingens der Steuerüberwälzung im Rahmen eines fehlgeschlagenen
Steuerversandverfahrens gefährdete die Effektivität des innergemeinschaftlichen Beförderungsverfahrens und die
Realisierung des Steueranspruchs des Steuergläubigers, denn damit würde der Anreiz erheblich gemindert, für eine
ordnungsgemäße Durchführung des Steuerversandverfahrens hinreichend Sorge zu tragen (vgl. zu diesem Aspekt
auch EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-1895).
30 Eine dem § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber für das
Mineralölsteuerrecht bewusst nicht getroffen. Selbst wenn die Eröffnung eines verbrauchsteuerrechtlichen
Versandverfahrens auf unrichtigen Angaben des Abnehmers über seine Empfangsberechtigung beruht und der
Steuerlagerinhaber die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns
nicht erkennen konnte, kann die aus dem Steuerlager entfernte Ware nicht als unter Steueraussetzung stehend
behandelt werden. Auch lässt sich die EuGH-Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer umsatzsteuerfreien
innergemeinschaftlichen Lieferung (vgl. EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Slg. 2007, I-7797) für eine
rechtsfolgeneinschränkende Interpretation des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 nicht nutzbar machen. Diese
Rechtsprechung kann für das Verbrauchsteuerrecht deshalb keine Geltung beanspruchen, weil der
innergemeinschaftliche Handel mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren einem strengen und formalisierten
Überwachungsverfahren unterliegt. Durch den Zwang zur Verwendung der vorgeschriebenen Begleitdokumente unter
Stellung einer Sicherheitsleistung und durch die Einbindung der Zollverwaltung in die Durchführung und Erledigung
des Steueraussetzungsverfahrens (z.B. durch Erteilung entsprechender Erlaubnisse und Anbringung eines
Sichtvermerks auf dem Rückschein) sowie durch besondere, den zollrechtlichen Vorschriften nachgebildete
Regelungen im Falle von Unregelmäßigkeiten (Art. 20 SystemRL), ist das Beförderungsverfahren in seiner
steuertechnischen Ausgestaltung dem gemeinschaftlichen Versandverfahren weitgehend angenähert. Aufgrund
dieser Unterschiede lässt sich die Rechtsprechung zum Umsatzsteuerrecht nicht auf verbrauchsteuerrechtliche
Sachverhalte übertragen.
31 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich im Gegensatz zur Umsatzbesteuerung aufgrund der von der
ausländischen Finanzverwaltung bestätigten Rückscheine ein schlüssiger Nachweis führen lässt, dass die
verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Bestimmungsland eingetroffen sind und folglich den Abgangsmitgliedstaat
physisch verlassen haben. Auch werden Mineralölhändler, die innergemeinschaftliche Steuerversandverfahren
durchführen, nicht schlechtergestellt, als Mineralölhändler, die unversteuertes Mineralöl an im Steuergebiet gelegene
Steuerlager versenden. Sofern der Empfänger nicht über eine Berechtigung verfügt, verbrauchsteuerpflichtige Waren
unter Steueraussetzung zu empfangen, gelangt die Mineralölsteuer in beiden Fällen nach § 9 Abs. 1 MinöStG 1993
zur Entstehung. Damit werden im Fall von Unregelmäßigkeiten auch diejenigen Mineralölhändler steuerlich belastet,
die ausschließlich Umsätze im Inland bewirken (vgl. zur anderen Rechtslage bei der Umsatzsteuer EuGH-Urteil in Slg.
2007, I-7797, Rz 60).
32 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Gutglaubensschutz im Umsatzsteuerrecht nur dann gewährt wird, wenn
der Steuerpflichtige alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass
die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer
Steuerhinterziehung geführt hat. Hätte der Steuerpflichtige, z.B. durch eine Anfrage nach § 18e UStG an das
Bundeszentralamt für Steuern, die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers erkennen können, kommt eine
Anwendung von § 6a Abs. 4 UStG nicht in Betracht (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 104; Leonard in
Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 6a Rz 65, der eine qualifizierte Bestätigungsabfrage bei neuen Geschäftskontakten --
insbesondere mit hohen Umsätzen-- für selbstverständlich hält). Im Streitfall hat die Klägerin vor Aufnahme der
Belieferung der polnischen Kunden von der Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sich die von den Abnehmern
behauptete Bezugsberechtigung durch eine Anfrage beim Hauptzollamt Stuttgart bestätigen zu lassen. Selbst wenn
sich die zur Umsatzsteuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen entwickelte Rechtsprechung des EuGH auf
verbrauchsteuerrechtliche Sachverhalte übertragen ließe, beständen im Streitfall zumindest erhebliche Zweifel, ob der
Klägerin nach diesen Grundsätzen --auch ohne ausdrückliche Regelung im MinöStG 1993-- Gutglaubensschutz
gewährt werden könnte.
33 b) Entgegen der Auffassung der Klägerin schränkt das vom Steuerlagerinhaber zu tragende Risiko beim Versand
unter Steueraussetzung stehender Waren die sich aus Art. 12 und 14 GG ergebenden Freiheitsrechte nicht in
unverhältnismäßiger Weise ein. Jedem Mineralölhändler steht es frei, ob er ausländische Abnehmer beliefern und
sich dabei des Verfahrens der Steueraussetzung bedienen will. Die SystemRL eröffnet auch die Möglichkeit des
innergemeinschaftlichen Versands versteuerter Waren unter Inanspruchnahme einer Erstattung der Steuer im
Abgangsmitgliedstaat (vgl. § 24 MinöStG 1993). Zudem dürfte das typische Berufsbild des Mineralölhändlers nicht
durch eine Teilnahme am innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren geprägt sein. Nach der Rechtsprechung
des BVerfG ist eine steuerliche Vorschrift nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie eine berufsregelnde
Tendenz deutlich erkennen lässt (BVerfG-Beschluss vom 30. Oktober 1961 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181, 186). Ob
dies beim allgemeinen Steuerentstehungstatbestand des § 9 Abs. 1 MinöStG 1993 der Fall ist, kann dahingestellt
bleiben. Selbst wenn die im Streitfall erfolgte Festsetzung der Mineralölsteuer vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1
GG erfasst wäre, würde das Recht zur Teilnahme am Wirtschaftsleben und zur selbstverantwortlichen
Existenzgestaltung durch die Ausgestaltung des innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahrens nicht in
unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Das beim Steuerlagerinhaber verbleibende Risiko ist systemimmanent
und wird durch das sachgerechte und gemeinwohldienliche Anliegen des Gesetzgebers legitimiert, das Funktionieren
des innergemeinschaftlichen Handels mit unversteuerten verbrauchsteuerpflichtigen Waren sicherzustellen.
34 c) Auch der Schutzbereich des Art. 14 GG, der das Ergebnis einer beruflichen Betätigung schützt, wird durch § 9 Abs.
1 MinöStG 1993 grundsätzlich nicht betroffen. Die Pflicht zur Steuerentrichtung im Falle der Überführung
verbrauchsteuerpflichtiger Waren in den freien Verkehr trifft den Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als
Unternehmer, nicht in seiner Eigenschaft als Eigentümer eines Unternehmens. Die Ausübung von
Eigentümerbefugnissen wird von der Vorschrift nicht geregelt. Ein Zugriff auf das sachliche Substrat des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs findet somit nicht statt (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 16. März
1971 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 335, zur Erdölbevorratungsabgabe). Wie bereits ausgeführt, sind
die besonderen Verbrauchsteuern zwar auf Abwälzung der Steuerlast auf den Verbraucher als den eigentlichen
Belastungsträger angelegt, nach der Rechtsprechung des BVerfG, der sich der BFH angeschlossen hat, gehört zum
Begriff der Verbrauchsteuer jedoch nicht die rechtliche Gewähr, dass der Schuldner stets den von ihm entrichteten
Betrag von der Person ersetzt erhält, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll
(Senatsurteil vom 26. Juni 1984 VII R 60/83, BFHE 141, 369, m.w.N.). Auch bei einem Misslingen der Abwälzung im
Einzelfall wandelt sich die Mineralölsteuer nicht zu einer dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit widersprechenden und verfassungsrechtlich zu beanstandenden Unternehmensteuer. Da die
Möglichkeit einer Steuerüberwälzung grundsätzlich gewährleistet wird, entfaltet die vom Gesetzgeber getroffene
Regelung keine erdrosselnde und konfiskatorische Wirkung.
35 5. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
36 a) Dadurch, dass das FG von einer Beiziehung der Originale der Berechtigungsurkunden abgesehen hat, hat es
weder gegen die sich aus § 76 Abs. 1 FGO ergebende Sachaufklärungspflicht, noch gegen den Grundsatz der
Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) verstoßen. Die Feststellung der Nichtberechtigung der von der
Klägerin belieferten Firmen, Mineralöl unter Steueraussetzung zu beziehen, hat das FG auf schriftliche Mitteilungen
der polnischen Zollverwaltung und der Zollkammer Warschau gestützt und darauf hingewiesen, dass die von einer
Behörde eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten Urkunden nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 2.
Dezember 1997 C-336/94, Slg. 1997, I-6761) zu beachten seien. Anhaltspunkte dafür, die Richtigkeit der von den
polnischen Zollbeamten erteilten Auskünfte in Zweifel zu ziehen, hat das FG nicht zu erkennen vermocht und
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 19. Januar 2007 nicht
geeignet sei, solche Zweifel zu wecken. Aus der maßgeblichen Sicht des FG musste sich somit die Notwendigkeit
einer Vernehmung polnischer Zollbeamter zu den von ihnen erteilten Auskünften nicht aufdrängen. Dies gilt auch in
Hinblick auf die Ausführungen der Klägerin in dem vom FG in Bezug genommenen Schriftsatz. Aus diesem ergibt sich
lediglich, dass die Klägerin die Auskunft "Erscheint nicht als Eigentümer eines Zolllagers oder bevollmächtigter
Empfänger" als Nachweis der fehlenden Bezugsberechtigung für unzureichend gehalten, nicht jedoch, dass sie die
Richtigkeit dieser Angabe generell in Zweifel gezogen hat. Demgegenüber hat das FG diese Angaben im Rahmen
seiner freien Beweiswürdigung unter Beurteilung der Gesamtumstände für ausreichend erachtet. Dieses Ergebnis ist
zumindest vertretbar und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.
37 Einen hinreichenden Anlass zur Erhebung weiterer Beweise durch Vernehmung polnischer Zollbeamter hat auch die
Klägerin nicht gegeben. Wie sie selbst einräumt, hat sie es in der mündlichen Verhandlung vor dem FG unterlassen,
die Vernehmung polnischer Zollbeamter als Zeugen zu beantragen. Nach der Rechtsprechung des BFH geht das
Rügerecht bei verzichtbaren Verfahrensmängeln, zu denen ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht oder eine
Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gehört, bereits durch das bloße Unterlassen
einer rechtzeitigen Rüge verloren (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 33; BFH-Urteil vom
15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, 530 f., BStBl II 1998, 152). Im Streitfall oblag es der Klägerin, die
Vernehmung der Zeugen zu beantragen, zumal sie nach ihrem eigenen Vorbringen die Ausführungen in ihrem
Schriftsatz vom 19. Januar 2007 als Widerspruch gegen die Verwertung der schriftlichen Aussagen verstanden wissen
wollte und es nach dem Gang der mündlichen Verhandlung erkennbar war, dass das FG keine weiteren Zeugen
laden würde. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die eine
fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BFH-
Beschluss vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751).
38 Die Feststellung, dass die polnischen Empfänger nicht zum Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung berechtigt
waren, wird bereits durch die Bezugnahme des FG auf die schriftlichen Mitteilungen der polnischen Zollverwaltung
und der Zollkammer Warschau getragen. Lediglich ergänzend hat das FG die Kopien der Bezugsberechtigungen in
Augenschein genommen und aufgrund des Eindrucks und der Aussage des Zeugen festgestellt, dass es sich bei den
Originalen um Fälschungen handelt. Deshalb könnte das Urteil, selbst wenn diese Feststellung ohne Einsichtnahme
in die Original-Unterlagen einen Verfahrensmangel darstellte, auf diesem nicht beruhen. Im Übrigen legt die Klägerin
nicht schlüssig dar, dass die Orginal-Berechtigungsurkunden für das FG erreichbar waren. Ohne nähere Hinweise auf
bestimmte Akten oder Aktenteile behauptet sie lediglich, dass die Originale im Rahmen einer Durchsuchung durch die
Zollfahndung beschlagnahmt worden und in den Ermittlungsakten anderer Behörden vorhanden seien. Dass eine
nähere Präzisierung dieser Behauptung erforderlich gewesen wäre, belegt das Vorbringen des HZA, nach dem sich
aus einem Vermerk des Zollfahndungsamts ergibt, dass im Rahmen der strafprozessualen Maßnahmen keine
Bezugsberechtigungen im Original sichergestellt worden sind.
39 b) Auch hinsichtlich der Feststellung des FG, dass die Firma R nicht zum Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung
berechtigt gewesen ist, vermag der Senat keinen Verfahrensmangel zu erkennen. Entgegen der Ansicht der Klägerin
stützt sich diese Feststellung nicht ausschließlich auf schriftliche Aussagen der Zeugen Z und K. Vielmehr wird diese
Feststellung bereits durch die Bezugnahme auf die schriftlichen Mitteilungen der polnischen Zollbehörden getragen,
die sich auch auf die Firma R beziehen. Nur ergänzend verweist das FG auf den Umstand, dass die Klägerin bis zum
Schluss der mündlichen Verhandlung auch die objektive Berechtigung der Firma R behauptet habe, obwohl diese
gegenüber der Klägerin ihre Nichtberechtigung erklärt habe. Woher das FG diese Erkenntnis erlangt hat, wird indes in
der Urteilsbegründung nicht näher belegt. In diesem Zusammenhang mutmaßt die Klägerin, dass das FG die
schriftlichen Aussagen der Zeugen Z und K herangezogen hat, den Nachweis dafür bleibt sie allerdings schuldig.
Letztlich kommt es jedoch nicht darauf an, ob dem Vortrag der Klägerin in diesem Punkt zu folgen ist, denn entgegen
ihrer Ansicht war für das FG in Bezug auf die fehlende Bezugsberechtigung der Firma R nicht entscheidungserheblich,
dass diese gegenüber der Klägerin ausdrücklich ihre Nichtberechtigung erklärt hat. Ergänzend weist der Senat darauf
hin, dass die Klägerin die Vernehmung der Zeugen Z und K in der mündlichen Verhandlung nicht beantragt hat. Aus
der Sicht des FG musste sich eine Vernehmung dieser Zeugen jedenfalls nicht aufdrängen.
40 Ein Verstoß gegen die dem FG obliegende Sachaufklärungspflicht liegt auch nicht deshalb vor, weil das FG keine
Ermittlungen darüber angestellt hat, ob die Erhebung der Mineralölsteuer bei fehlender Überwälzung konfiskatorisch
in die Vermögenssubstanz der Klägerin eingreift. Unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 6. März 1997 V B 67,
68/96 (BFH/NV 1997, 597) hat das FG begründet, warum es von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen hat.
Zudem hat es die Rechtsauffassung vertreten, dass die von der Klägerin in diesem Zusammenhang gemachten
Ausführungen im Rahmen des von ihr bereits angestrengten Erlassverfahrens zu berücksichtigen sind. Aus der
maßgeblichen Sicht des FG --insbesondere nach dem Verständnis der in Bezug genommenen BFH-Entscheidung--
musste sich ihm die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch in diesem Punkt nicht aufdrängen. Schließlich
wird der von der Klägerin behauptete Verfahrensmangel nicht dadurch schlüssig belegt, dass ihrer Ansicht nach der
BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 597 eine weitere Sachaufklärung nicht verbietet.
41 c) Aus den vorgenannten Gründen vermag der Senat auch keinen Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO zu erkennen. Der
Urteilsbegründung lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das FG seiner
Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt hat. Wie bereits ausgeführt, trifft es
nicht zu, dass das FG keine Feststellungen zur fehlenden Bezugsberechtigung der Firma R getroffen hat. Zudem
beruht das Urteil nicht auf der Feststellung, dass es sich bei den Berechtigungsurkunden um Fälschungen handelt.
Vielmehr wird das Ergebnis der Überzeugungsbildung bereits durch die Mitteilungen der polnischen Zollbehörden
getragen. Daher kann den Ausführungen der Klägerin die schlüssige Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 FGO
nicht entnommen werden.
42 6. Der Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts aufgrund der
Rechtsprechung des EuGH für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht
demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 283/81 --C.I.L.F.I.T.--, EuGHE 1982, 3415, Rz 16).