Urteil des BFH vom 18.11.2009

Verfassungsmäßigkeit der begrenzten Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen - Endgültige Ausgestaltung - Rechtscharakter der Altersvorsorgeaufwendungen - Zuweisung zu den Sonderausgaben - Höchstbeträge - Gleichbehandlung durch Hinzurechnung der Arb

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.11.2009, X R 9/07
Verfassungsmäßigkeit der begrenzten Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen - Endgültige Ausgestaltung -
Rechtscharakter der Altersvorsorgeaufwendungen - Zuweisung zu den Sonderausgaben - Höchstbeträge -
Gleichbehandlung durch Hinzurechnung der Arbeitgeberbeiträge - Finanzierbarkeit der Neuregelung - Fehlende
Korrespondenz von Aufwendungen und Einnahmen in der Übergangszeit - Übergangsregelung belastet Rentenbezieher mit
erstmaligem Rentenbezug ab 2039 - Rüge der Doppelbesteuerung von Renten kann erst bei Rentenbezug erfolgen - Kein
Anspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG auf vorverlagerte Prüfung einer doppelten Rentenbesteuerung - Unterschiedliche Entlastung
in der Übergangsphase verletzt nicht Art. 3 GG
Tatbestand
1 I. Die ledige im Jahr 1977 geborene Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 2005 als Angestellte
nichtselbständig tätig. Von ihrem Arbeitslohn wurde ein Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung in
Höhe von 2.692,65 EUR einbehalten. Ihr Arbeitgeber leistete einen steuerfrei belassenen Beitrag in gleicher Höhe, so
dass die Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung insgesamt 5.385 EUR betrugen. Von diesen
Einzahlungen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) einen Betrag in Höhe von
539 EUR als Sonderausgaben. Dieser Betrag wurde in der Weise ermittelt, dass von den insgesamt geleisteten
Rentenbeiträgen in Höhe von 5.385 EUR ein Anteil von 60 % (= 3.231 EUR) angesetzt und hiervon der steuerfreie
Arbeitgeberanteil (2.692 EUR) abgezogen wurde. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes in der seit 2005 geltenden Fassung (EStG) setzte das FA für die übrigen
Vorsorgeaufwendungen den Betrag von 1.500 EUR an.
2 Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin Klage mit der Begründung, durch das System des
Sonderausgabenabzugs werde eine Doppelbesteuerung der zukünftigen Renteneinkünfte aus der gesetzlichen
Rentenversicherung nicht vermieden. So seien im Streitjahr 2005 im Ergebnis nur 20 % ihres geleisteten
Arbeitnehmeranteils an den Rentenversicherungsbeiträgen abziehbar. Ihre Aufwendungen dienten aber
uneingeschränkt dem Erwerb späterer Einnahmen, die sie in voller Höhe zu versteuern habe.
3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 836 veröffentlichten
Urteil als unbegründet ab. Das FA habe zu Recht den vollständigen Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen als
vorweggenommene Werbungskosten für zukünftige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG abgelehnt. Gegen die gesetzliche Zuweisung der Rentenversicherungsbeiträge zu den
Sonderausgaben und die damit einhergehende beschränkte Abziehbarkeit, die auch bei einer Zuordnung der
Aufwendungen zu den vorweggenommenen Werbungskosten eingreifen müsste, bestünden keine
verfassungsrechtlichen Bedenken.
4 Ihre Revision begründet die Klägerin mit der Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des Prinzips der
Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Gestalt des objektiven Nettoprinzips. Zudem rügt sie die
Verletzung des subjektiven Nettoprinzips.
5 Die Zuweisung der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben verstoße gegen den rechtslogischen
Vorrang des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Konzeption der Übergangsregelung mit dem Ausschluss des unbegrenzten
Werbungskostenabzugs könne den rechtssystematischen Vorrang des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht außer Kraft
setzen.
6 Wegen der vollen Besteuerung ihrer Altersbezüge ab dem Jahr 2040 sei es für die Klägerin nicht zumutbar, dass die
Rentenversicherungsbeiträge nur zu 60 % abziehbar seien. Hinsichtlich des in der Übergangsphase nicht abziehbaren
Teiles der Altersvorsorgeaufwendungen bestehe eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung von Lebenseinkommen.
Deren verfassungsrechtliche Beurteilung dürfe nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts der Besteuerung der Alterseinkünfte
verschoben werden, sondern müsse bereits jetzt überprüft werden. Die Haushaltslage habe verfassungsrechtlich
keinen Vorrang vor den Interessen des Bürgers auf eine sachgerechte Besteuerung.
7 Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 21. Februar 2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2006 dahingehend zu ändern, dass die von der Klägerin geleisteten
Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung in Höhe von 2.693 EUR als Werbungskosten oder
Sonderausgaben berücksichtigt werden.
8 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
10 Die Vorschriften zur steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen in Gestalt des
Alterseinkünftegesetzes vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427 --AltEinkG--) sind sowohl im Hinblick auf ihre endgültige
Ausgestaltung als auch in Bezug auf die getroffene Übergangsregelung verfassungsmäßig.
11 1. Mit Beschluss vom 1. Februar 2006 X B 166/05 (BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420) hatte der erkennende Senat
entschieden, es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass im zeitlichen Anwendungsbereich des AltEinkG ab dem 1. Januar
2005 geleistete Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) als
Sonderausgaben nach näherer Maßgabe der Überleitung in die sog. nachgelagerte Besteuerung nur beschränkt
abziehbar seien. Bei summarischer Beurteilung bestünden gegen diese gesetzliche Regelung keine durchgreifenden
Bedenken.
12 Dieser Auffassung sind die Finanzgerichte gefolgt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. November 2006 10 K
171/06, nicht veröffentlicht --n.v.--; Niedersächsisches FG, Urteil vom 28. August 2007 15 K 30254/06, Deutsches
Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 1372; FG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2007 VII 51/2006, n.v.; FG Berlin-
Brandenburg, Urteil vom 14. November 2007 1 K 1665/06, EFG 2008, 1037; Hessisches FG, Beschluss vom 31.
Januar 2007 1 V 3571/06, n.v.; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Juni 2008 10 V 2450/08, Deutsche
Steuer-Zeitung/Eildienst 2008, 628). Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (Aktualisierung des
Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 24. Februar 2005, BStBl I 2005, 429 durch Schreiben
vom 30. Januar 2008, BStBl I 2008, 390). Die Literatur lehnt die Senatsauffassung dagegen überwiegend ab
(Schmidt/Drenseck, EStG, 28. Aufl., § 9 Rz 38; Hallerbach, Steuern und Bilanzen --StuB-- 2006, 305; Horlemann,
Finanz-Rundschau --FR-- 2006, 1075; Schneider/Bahr, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer --INF--
2006, 386; Paus, FR 2006, 584; Heuermann, Der Betrieb --DB-- 2006, 688 für die Zeit nach Ablauf der
Übergangsregelung; dagegen P. Fischer, Neue Wirtschafts-Briefe, Fach 3, S. 13895; ders. in FR 2007, 76;
differenzierend Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff --KSM--, EStG, § 10 Rz E 272 ff.; Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 10 EStG Rz 122 und 335 ff.; Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, 2006, S. 79 ff.).
13 Der erkennende Senat hält auch im Rahmen der abschließenden Prüfung der Problematik an seiner im Beschluss in
BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420 vertretenen Rechtsauffassung fest. Weder die endgültige Regelung der
Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in der
Begrenzung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG (unten 2.) noch die die Klägerin treffende Übergangsregelung in § 10
Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG (unten 3.) verstoßen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes
(GG) sowie gegen das objektive und subjektive Nettoprinzip.
14 2. Mit den gesetzlichen Neuregelungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG hat der Gesetzgeber den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 (BVerfGE 105, 73) Rechnung getragen.
Das BVerfG hatte die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EStG in der
vor dem AltEinkG geltenden Fassung einerseits und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung
andererseits teilweise für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, die Rechtslage bis zum
Jahresbeginn 2005 zu bereinigen.
15 a) § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG regelt die Abziehbarkeit von Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen
und anderer Altersvorsorgeaufwendungen. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bestimmt: "Zu den Beiträgen nach
Buchstabe a und b ist der nach § 3 Nr. 62 steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und ein
diesem gleichgestellter steuerfreier Zuschuss des Arbeitgebers hinzuzurechnen." Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 EStG sind
Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 bis zu 20.000 EUR zu berücksichtigen. Bei zusammenveranlagten
Ehegatten verdoppelt sich der Höchstbetrag (§ 10 Abs. 3 Satz 2 EStG). Der Höchstbetrag nach Satz 1 oder 2 ist bei
Steuerpflichtigen, die zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 2 EStG gehören oder Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 4
EStG erzielen und die ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen einen Anspruch auf Altersversorgung
erwerben, um den Betrag zu kürzen, der, bezogen auf die Einnahmen aus der Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zum
genannten Personenkreis begründen, dem Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen
Rentenversicherung entspricht (§ 10 Abs. 3 Satz 3 EStG).
16 Die endgültige Ausgestaltung der steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen besteht daher aus
drei Elementen: der Zuordnung der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben (unten b), der Begrenzung
des steuerlichen Abzugs der Vorsorgeaufwendungen auf 20.000 EUR bzw. im Falle der Zusammenveranlagung auf
40.000 EUR (unten c) sowie der Hinzurechnung des nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteils zur
gesetzlichen Rentenversicherung bei der Ermittlung der geleisteten Vorsorgeaufwendungen (unten d). Alle drei
Regelungen sind unter Berücksichtigung der nachfolgenden verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht zu
beanstanden.
17 Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG vor allem durch zwei eng miteinander verbundene
Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot
der Folgerichtigkeit (BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, 125; vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110,
412, 433; vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 46; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99,
BVerfGE 116, 164, 180, und vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 30). Im Interesse
verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei
gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler
Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Besteuerung niedrigerer Einkommen
angemessen abgestuft werden muss (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; vom 16. März 2005 2 BvL 7/00,
BVerfGE 112, 268, 279, jeweils m.w.N.). Dabei muss eine gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne
von Belastungsgleichheit umgesetzt werden (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE 116, 164,
180). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl.
BVerfG-Beschlüsse vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 95; vom 11. November 1998 2 BvL
10/95, BVerfGE 99, 280, 290; in BVerfGE 107, 27, 47; in BVerfGE 116, 164, 180; BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73,
126).
18 b) Die gesetzliche Zuweisung der Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben in § 10 EStG ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, obwohl die Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach in erster
Linie vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 EStG sind.
19 aa) Vorweggenommene Werbungskosten liegen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann vor,
wenn Aufwendungen in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart
stehen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N.). Diese
Voraussetzungen sind bei den ab dem Veranlagungszeitraum 2005 geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen
gegeben.
20 Der Gesetzgeber hat bei der im AltEinkG verwirklichten Rentenbesteuerung das Prinzip der "intertemporalen
Korrespondenz" zugrunde gelegt. Altersrenten sind als solche steuerbar. Zu berücksichtigen sind --wenn auch zeitlich
versetzt-- alle Aufwendungen und alle Erträge. Im Grundsätzlichen hat sich der Gesetzgeber damit von dem für die
Rentenbesteuerung bis zum Veranlagungszeitraum 2004 maßgeblichen Versicherungsprinzip und der
Ertragsanteilsbesteuerung (Zinsbesteuerung) gelöst. Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
(Senatsurteil vom 26. November 2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.a bb (1)). Damit sind
Altersvorsorgeaufwendungen ihrer Rechtsnatur nach Erwerbsaufwendungen, soweit sie mit künftigen (steuerbaren)
Renteneinnahmen im Zusammenhang stehen.
21 Der Werbungskostencharakter wird demzufolge auch von der ganz überwiegend vertretenen Rechtsansicht (vgl. z.B.
Abschlussbericht der Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von
Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen --Sachverständigenkommission--, BMF-Schriftenreihe Bd. 74, S. 21;
Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 276 ff.; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 122; Heuermann, DB 2006, 688; Ruland in
Festschrift für Selmer 2004, 889, 897; Söhn, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2003, 332; Weber-Grellet, Deutsches
Steuerrecht --DStR-- 2004, 1721, 1725; a.A. P. Fischer, Betriebs-Berater 2003, 873, 877) bejaht.
22 bb) Der Gesetzgeber hat jedoch durch die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG getroffene Regelung die
Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugeordnet. Er hat für diese
Aufwendungen --unabhängig von ihrer Rechtsnatur-- eine Sonderregelung getroffen, die als lex specialis eine
Sperrwirkung gegenüber der generellen Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG entfaltet.
23 aaa) Der erkennende Senat hat dies in seinem Beschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.5. unter
Hinweis auf den Wortlaut der Norm, den systematischen Zusammenhang und den Willen des Gesetzgebers, der sich
in der Norm niedergeschlagen hat, ausführlich begründet, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen darauf
Bezug genommen wird (zustimmend Dreher, a.a.O., S. 105; HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 122 a.E.; Söhn, in: KSM,
a.a.O., § 10 Rz E 315 f.; ders., FR 2006, 905, 912; a.A. Hallerbach, StuB 2006, 305; Horlemann, FR 2006, 1075; Paus,
FR 2006, 584, und Schneider/Bahr, INF 2006, 386).
24 bbb) Diese Beurteilung ändert sich auch nicht dadurch, dass --was der angerufene Senat in dem vorstehenden
Beschluss noch offengelassen hatte-- die Altervorsorgeaufwendungen im Wesentlichen den Rechtscharakter von
vorweggenommenen Werbungskosten haben. Zwar ordnet § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG an, dass die in § 10 EStG
genannten Aufwendungen dann keine Sonderausgaben sind, wenn sie Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind
oder wie solche behandelt werden.
25 Im Gegensatz dazu nimmt § 10 Abs. 3 EStG Bezug auf die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten
Vorsorgeaufwendungen und normiert ausdrücklich ihre beschränkte Abziehbarkeit als Sonderausgabe.
26 ccc) Um dem in dem Gesetzgebungsverfahren unmissverständlich zum Ausdruck gekommenen Willen des
Gesetzgebers zur Geltung zu verhelfen, ist das widerstreitende Verhältnis von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG zu § 10 Abs. 1
Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG nach dem Grundsatz vom Vorrang der speziellen Norm nur in der Weise aufzulösen, dass die
in § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG enthaltene spezielle Zuweisung zu den Sonderausgaben dem Einleitungssatz des § 10
Abs. 1 EStG vorgeht. Nur so wird der vollständige Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen als steuermindernder
Aufwand vermieden. Jedes andere Ergebnis hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt (vgl. BTDrucks 15/2150, S.
22).
27 Dies lässt sich nicht nur der Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG, sondern auch der
Übergangsregelung entnehmen. Die gesetzgeberische Intention, in der ab dem Jahr 2005 beginnenden
Übergangsphase Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und andere Altersvorsorgeaufwendungen nicht in
vollem Umfang als Werbungskosten, sondern prozentual begrenzt als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen,
belegt zudem die in § 10 Abs. 4a EStG vorgesehene Günstigerprüfung: Auch diese hätte keinen sinnvollen
Anwendungsbereich, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ohnehin ganz oder überwiegend als
vorweggenommene Werbungskosten abziehbar wären.
28 ddd) Hierin liegt auch der Unterschied zu den Urteilen des IX. Senats des BFH vom 8. März 2006 IX R 107/00 (BFHE
212, 511, BStBl II 2006, 446) und IX R 78/01 (BFHE 212, 514, BStBl II 2006, 448). Dort waren Ausgleichszahlungen zu
beurteilen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Beamter an seinen Ehegatten leistet, um eine Kürzung
seiner Versorgungsbezüge zu vermeiden. Diese Ausgleichszahlungen fallen nicht unter die spezielle gesetzliche
Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG und unterliegen somit auch nicht der gesetzlich angeordneten
beschränkten Abziehbarkeit.
29 eee) Diese Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des VI.
Senats des BFH, wonach der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug Vorrang vor dem Abzug von
Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben hat, so dass § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine Sperrwirkung für einen
Abzug entfaltet (so bereits BFH-Urteil in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, m.w.N., und Urteile vom 18. Juni 2009 VI R
14/07, BFHE 225, 393, VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797, VI R 79/06, n.v., VI R 6/07, BFH/NV 2009, 1796, VI R 49/07,
BFH/NV 2009, 1799). Diese Aussage des VI. Senats bezieht sich zunächst nur auf den Bereich der
Berufsausbildungskosten und muss zudem vor dem Hintergrund der Änderung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und der
Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.
Juli 2004 (BGBl I 2004, 1753) gesehen werden. Der Gesetzgeber orientierte sich dabei weitgehend an der ab dem
Jahr 2002 geänderten Rechtsprechung des BFH, nach der Aufwendungen für berufliche Bildungsmaßnahmen, die
nach der ersten Berufsausbildung bzw. einem Erststudium stattfinden, zum Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug
zugelassen werden. Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und für das Erststudium werden dagegen
typisierend den Lebensführungskosten zugerechnet (Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung der Abgabenordnung, BTDrucks 15/3339, S. 10). Danach sind nur die Berufsausbildungskosten, die
Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 5 EStG darstellen und damit keine Werbungskosten und Betriebsausgaben sind, als
Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abziehbar. Zu einer Kollision zwischen § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG und §
10 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann es daher --nach Auffassung des Gesetzgebers-- gar nicht erst kommen, so dass sich auch
die Frage einer Sperrwirkung nicht stellt.
30 Demgegenüber kommt im Bereich der Altersvorsorgeaufwendungen --insbesondere durch § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG--
eindeutig der Wille des Steuergesetzgebers zum Ausdruck, die Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur im
begrenzten Umfang zum Abzug zuzulassen. Damit ordnet er die Altersvorsorgeaufwendungen trotz ihres
Werbungskostencharakters abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG den Sonderausgaben zu, so dass § 10 Abs. 1
Satz 1 EStG insoweit gegenüber § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG keine Sperrwirkung entfalten kann.
31 cc) Dass der Gesetzgeber die Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur konstitutiv den Sonderausgaben und
nicht den Werbungskosten zugewiesen hat, mag steuersystematisch bedenklich sein; verfassungsrechtlich ist die
Zuweisung jedoch nicht von vornherein unzulässig, da keine Grundgesetznorm eine entsprechende Zuordnung
fordert (so auch Musil, StuW 2005, 278, 280; Söhn/Müller-Franken, StuW 2000, 442, 445; Söhn, FR 2006, 905, 908 f.).
Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht die systematisch richtige Einordnung steuermindernder
Aufwendungen, sondern entscheidend sind die im Wesentlichen gleichen steuerlichen Auswirkungen (BVerfG-
Beschluss vom 19. Februar 1991 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395 zur Steuerfreiheit von Beihilfen nach § 3 Nr. 11
EStG im Vergleich zur Abziehbarkeit von Krankheitsaufwendungen nach § 33 EStG).
32 Eine systemwidrige Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben kann demzufolge dann
verfassungsrechtlich relevant sein und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die
daraus resultierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht gerechtfertigten steuerlichen
Ungleichbehandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen vorweggenommenen
Werbungskosten führen.
33 aaa) Die steuerliche Einordnung von Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben gegenüber einer
Behandlung als vorweggenommene Werbungskosten führt in den folgenden Einzelfällen zu unterschiedlichen
Rechtsfolgen: Es ist einem Steuerpflichtigen verwehrt, Verluste, die im Fall des Ansatzes von Werbungskosten bei den
sonstigen Einkünften gemäß § 22 EStG eintreten würden, im Wege des Verlustvor- oder -rücktrags gemäß § 10d EStG
zu berücksichtigen, wenn ihm anderweitige positive Einkünfte zum Verlustausgleich nicht oder nicht in ausreichendem
Umfang zur Verfügung stehen. Auch bewirkt die Behandlung als Sonderausgabe, dass bei der
Bemessungsgrundlage für die zumutbare Eigenbelastung i.S. des § 33 EStG die Altersvorsorgebeiträge
unberücksichtigt bleiben. Umgekehrt führt der im Falle des Sonderausgabenabzugs höhere Betrag des
Gesamtbetrags der Einkünfte dazu, dass von dem Steuerpflichtigen geleistete Spendenbeträge in weitergehendem
Umfang gemäß § 10b EStG abziehbar sind.
34 bbb) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet die ungleiche Behandlung von wesentlich Gleichem und die Gleichbehandlung von
wesentlich Ungleichem (BVerfG-Entscheidungen vom 24. April 1991 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133, 157 f.; vom 15.
Juli 1998 1 BvR 1554/89 u.a., BVerfGE 98, 365, 385). Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger,
sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder
Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, unter C.I., m.w.N.).
35 ccc) Für die unterschiedliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen und anderer vorweggenommener
Werbungskosten besteht ein sachlicher Grund.
36 In den Altersvorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind nicht nur Beiträge enthalten, die der
Absicherung des Steuerpflichtigen für den Fall der Erwerbsunfähigkeit und des Alters sowie der Absicherung seiner
Hinterbliebenen dienen. Die Beiträge haben daher nicht ausschließlich Werbungskostencharakter.
37 Die gesetzliche Rentenversicherung gewährt nach dem Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" auch Leistungen der
medizinischen Rehabilitation und der Teilhabe am Arbeitsleben, wenn hierdurch die Erwerbsfähigkeit wesentlich
gebessert oder wiederhergestellt werden kann (§ 9 Abs. 1 des Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche
Rentenversicherung --SGB VI--). Das Leistungsspektrum ist im Zweiten Unterabschnitt des Zweiten Kapitels des SGB
VI in den §§ 13 bis 32 geregelt. Der Beitragsanteil, der diese Leistungen finanziert, stellt keine vorweggenommenen
Werbungskosten dar, weil die erhaltenen Leistungen nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führen (vgl. z.B. für das
Übergangsgeld gemäß §§ 20 f. SGB VI § 3 Nr. 1 Buchst. c EStG). Dasselbe gilt für den Zuschuss zu den
Aufwendungen für die Krankenversicherung, den ein freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherter
Rentner gemäß § 106 SGB VI erhält und der nach § 3 Nr. 14 EStG steuerfrei ist. Die einheitliche Behandlung der
Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben macht eine Beitragsaufteilung entbehrlich und dient damit der
Praktikabilität.
38 Hinzu kommt, dass die Altersvorsorgeaufwendungen nach Ansicht des erkennenden Senats eine "Doppelnatur" (so
auch Weber-Grellet, DStR 2004, 1721, 1725) haben. Sie gewähren bereits vor Eintritt des Rentenfalls Rechte, die
einem Versicherungsschutz gleichkommen. Durch sie werden Anwartschaften begründet, die mit Abschluss der
Erwerbsphase zu einer geldwerten Rechtsposition erstarken (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 124). Sie führen
daher bereits in der Erwerbsphase in gewisser Hinsicht zu einer Vermögensbildung. Auch aus diesem Grund
erscheint die Beibehaltung der Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben trotz des
Systemwechsels zur nachgelagerten Besteuerung vertretbar.
39 ddd) Die vorstehend dargestellten Erwägungen rechtfertigen die konstitutive Zuordnung der
Altersvorsorgeaufwendungen zu den Sonderausgaben, zumal die oben dargestellten unterschiedlichen Rechtsfolgen
zwischen der Behandlung als Werbungskosten oder als Sonderausgaben nicht besonders gravierend sind. Es
handelt sich zudem eher um Ausnahmefälle, so dass vor allem vor dem Hintergrund der Praktikabilität die Nachteile
hinzunehmen sind (a.A. Söhn, in: KSM, a.a.O., § 10 Rz E 327).
40 c) Gegen die gesetzliche Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen auf 20.000
EUR bzw. 40.000 EUR in § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken. Es liegt weder ein Verstoß gegen das objektive noch gegen das subjektive Nettoprinzip vor.
41 aa) Ein tragendes Strukturelement des Einkommensteuerrechts ist das objektive Nettoprinzip. Danach werden
Einnahmen nicht brutto, sondern nur gekürzt um damit im Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen der
Besteuerung unterworfen (BVerfG-Entscheidungen vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, und vom 23.
Januar 1990 1 BvL 4-7/87, BVerfGE 81, 228). Zwar kennt das geltende Einkommensteuerrecht eine Reihe von
Abzugsverboten für bestimmte Aufwendungen trotz betrieblicher bzw. beruflicher Veranlassung. Solche
Abzugsverbote bedürfen jedoch stets eines besonderen, verfassungsrechtlich tragfähigen sachlichen Grundes (vgl.
BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
42 Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Bereich der Sonderausgaben das Nettoprinzip überhaupt zum Tragen
kommen kann. Da aber die Aufwendungen ohne die konstitutive Zuordnung zu den Sonderausgaben im
Wesentlichen als Werbungskosten abziehbar gewesen wären, kann sich der Gesetzgeber durch eine von ihm
gewählte anderweitige systematische Zuordnung nicht einer folgerichtigen Umsetzung der verfassungsrechtlichen
Vorgaben und damit der Geltung des objektiven Nettoprinzips entziehen (vgl. dazu auch BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 112, 268).
43 Das objektive Nettoprinzip ist nicht verletzt, die gesetzliche Begrenzung des Abzugs der Altersvorsorgeaufwendungen
in § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG auf den Höchstbetrag von 20.000 EUR (40.000 EUR im Falle von
zusammenveranlagten Ehegatten) ist sachlich gerechtfertigt.
44 Der Gesetzgeber hielt diese Begrenzung auf ein Volumen, das weit oberhalb der Höchstbeträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung liegt, zur Verhinderung von Missbräuchen für geboten (BTDrucks 15/2150, S. 22, 34). Dies ist
jedenfalls nicht sachwidrig (ebenso Söhn, StuW 2003, 332, 336; Risthaus, DB 2004, 1329, 1331; Weber-Grellet, DStR
2004, 1721, 1726; a.A. Dreher, a.a.O., S. 121). Die Annahme, das Risiko des vorzeitigen Versterbens und der damit
verbundene Totalverlust des eingezahlten Kapitals verhinderten einen Missbrauch (Sachverständigenkommission,
a.a.O., S. 25; Söhn, FR 2006, 905, 911), ist jedenfalls nicht zwingend. Dorenkamp (Nachgelagerte Besteuerung von
Einkommen, Schriften zum Steuerrecht, Bd. 78, 283) hat dargelegt, dass angesichts der Größenordnung der
Belastungsunterschiede zwischen nachgelagerter und traditioneller Besteuerung die Umschichtung erheblicher
Beträge in Rentenversicherungsprodukte jedenfalls bei jüngeren Steuerpflichtigen nicht auszuschließen sei. Es ist
Sache des Gesetzgebers, die künftige Entwicklung von Sachverhalten zu beurteilen. Dabei kommt ihm ein weiter
Prognose- und Einschätzungsspielraum zu (BVerfG-Urteil vom 10. Juni 2009 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR
819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, Neue Juristische Wochenschrift 2009, 2033, m.w.N. aus der BVerfG-
Rechtsprechung).
45 bb) Die nur beschränkte Abziehbarkeit von Altersvorsorgeaufwendungen verletzt nicht das aus dem
Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) abzuleitende subjektive Nettoprinzip. Danach muss dem Steuerpflichtigen ein
"staatsfreies Existenzminimum" verbleiben. Bestimmte zwangsläufige Aufwendungen müssen, auch wenn sie in den
Bereich der privaten Lebensführung fallen, steuerlich verschont werden (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27; vgl.
auch zur steuerlichen Freistellung von Beiträgen zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall
BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125).
46 Der Gesetzgeber ist dieser Verpflichtung durch das AltEinkG nachgekommen. Die Aufwendungen für die Zeit ab dem
Jahr 2025 sind bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR bzw. im Fall der Zusammenveranlagung von 40.000 EUR
vollständig steuerlich abziehbar. Die Begrenzung ist unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Nettoprinzips nicht zu
beanstanden, das die steuerliche Freistellung von zwangsweise entstehendem existenzsichernden Aufwand verlangt.
Messgröße hierfür ist das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125,
unter C.II.3.). Da der Höchstbetrag von 20.000 EUR bzw. 40.000 EUR den Höchstbetrag zur gesetzlichen
Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten erheblich übersteigt (BTDrucks 15/2150, S. 22; im Jahr 2009 in den
alten Bundesländern 12.895 EUR [5.400 x 12 x 19,9 %]), beruhen darüber hinausgehende Beiträge lediglich auf einer
freiwilligen Entscheidung des Steuerpflichtigen, Rentenansprüche zu erwerben, die über die bloße Existenzsicherung
hinausgehen. Die Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 EStG verletzt daher das subjektive
Nettoprinzip nicht.
47 d) Die Hinzurechnung der steuerfreien Arbeitgeberbeiträge bei der Ermittlung der Höhe der Vorsorgeaufwendungen
verstößt ebenso wenig gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG wie die Nichteinbeziehung von
fiktiven Beiträgen zur Beamtenversorgung in die Höchstbetragsberechnung.
48 aa) Die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile in die Berechnung des abziehbaren Höchstbetrages beruht auf einem
sachgerechten Grund. Sie soll gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von denen nur einer einen steuerfreien
Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis
in gleichem Umfang steuerlich freigestellt werden. Insofern dient die Einbeziehung der Gleichbehandlung der
Arbeitnehmer mit den Selbständigen, die für ihre Altersversorgung selbst aufkommen müssen.
49 Der Auffassung der Klägerin, die Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die Höchstbetragsberechnung führe dazu,
dass dieser --obwohl er nicht einmal steuerbar sei-- dem steuerpflichtigen Arbeitslohn gleichgestellt werde, ist nicht zu
folgen. Der erkennende Senat sieht die Ursache dieser rechnerischen Einbeziehung vielmehr darin, dass dem
Steuerpflichtigen, für den kein Arbeitgeberbeitrag geleistet wird, höhere Abzugsmöglichkeiten seiner
Altersvorsorgeaufwendungen gewährt werden müssen, um zu einer Gleichbehandlung zu kommen. Die
Einbeziehung der Arbeitgeberanteile ist lediglich eine Berechnungsmethode zur Umsetzung dieses Ziels; sie
beantwortet nicht die Frage, ob Arbeitgeberanteile steuerbare und grundsätzlich steuerpflichtige Einkünfte sind.
50 aaa) Dadurch, dass der erkennende Senat die Einbeziehung der Arbeitgeberanteile in die Höchstbetragsberechnung
für sachgerecht hält, weicht er nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab, die den
Arbeitgeberanteil lediglich als systemnützig ansieht. Der Arbeitnehmer erlangt nach dieser Rechtsprechung keinen
eigenen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil, so dass er auch eine entsprechende Beitragserstattung nicht
verlangen kann (BSG-Urteil vom 29. Juni 2000 B 4 RA 57/98 R, BSGE 86, 262). Auch besteht kein Widerspruch zur
Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, die § 3 Nr. 62 EStG nur deklaratorischen Charakter beimisst (Urteil vom 6.
Juni 2002 VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34).
51 bbb) Zum einen hat das BVerfG ausdrücklich offengelassen, ob die Sichtweise, dass die Arbeitgeberbeiträge von
vornherein nicht Teil des steuerbaren Einkommens sind, verfassungsrechtlich zwingend ist (BVerfG-Entscheidungen
in BVerfGE 120, 125, und in BVerfGE 105, 73).
52 ccc) Zum anderen ist, selbst wenn man die Grundsätze der Entscheidungen des BSG und des VI. Senats des BFH
zugrunde legt, die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu berücksichtigen, nach der auch die Arbeitgeberanteile
dem versicherten Arbeitnehmer als eigene Leistungen zuzurechnen sind und dem Schutzbereich des Art. 14 GG
unterfallen (BVerfG-Urteile vom 16. Juli 1985 1 BvL 5/80, 1 BvR 1023, 1052/83 und 1227/84, BVerfGE 69, 272, 302,
betreffend Renten- und Krankenversicherung; vom 28. April 1999 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1, 35).
Danach dienten die Beiträge (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) zur Rentenversicherung nach Einführung des
Umlageverfahrens (ab 1969) zwar der Finanzierung der zur Zeit der Beitragsentrichtung fälligen Rentenzahlungen;
gleichwohl erwerbe der Beitragszahler sein Anrecht auf Bezug der Rente, d.h. seinen staatlich garantierten Anspruch
gegen die Versichertengemeinschaft, nicht erst bei deren Anlaufen in einem Akt, sondern mit den Beitragszahlungen
wachsend während des Versicherungsverlaufs. Deren absolute Höhe (einschließlich der Arbeitgeberanteile) habe
auch im System des Umlageverfahrens insofern für den Wert der erworbenen Teile des Rentenrechts Bedeutung, als
sie die Rangstelle des Versicherten innerhalb der Versichertengemeinschaft festlegten (BVerfG-Beschluss vom 26.
März 1980 1 BvR 121, 122/76, BVerfGE 54, 11, 27 f.). Hiermit übereinstimmend hat das BVerfG --in Kenntnis des
BSG-Urteils in BSGE 86, 262-- dargelegt, dass auch der Arbeitgeberanteil "letztlich einen Teil der Gegenleistung
bilde, die sich der Arbeitnehmer erarbeiten müsse"; demgemäß sei der Erwerb des Anwartschaftsrechts (auf
Leistungen aus der Sozialversicherung) das unmittelbare wirtschaftliche Ergebnis der Arbeits- und Dienstleistung
(BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73). Dementsprechend hat auch der IV. Senat des BFH mit Urteil vom 30. August 2007
IV R 14/06 (BFHE 219, 36, BStBl II 2007, 942) erkannt, dass es bei der Beurteilung des Arbeitgeberanteils im
Zusammenhang mit einem Dienstvertrag als Sonderbetriebseinnahme ausreichend sei, den in Frage stehenden
Vorteil bei wirtschaftlicher Betrachtung als Gegenleistung für die erbrachte Tätigkeit zu werten.
53 ddd) Hinzu kommt, dass die Regelung zur Ermittlung der Höchstbeträge nicht nur die Arbeitgeberbeiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung umfasst, sondern auch die Beiträge zu den berufsständischen Versorgungswerken.
Hier dürfte nicht zu bestreiten sein, dass der Arbeitnehmer einen unmittelbaren Vorteil durch den Arbeitgeberbeitrag
erhält. Es ist dem Gesetzgeber daher nicht verwehrt, dieses im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zu berücksichtigen.
54 bb) Die steuerliche Gleichbehandlung der Vorsorgeaufwendungen von Arbeitnehmern auf der einen und von solchen
der Beamten auf der anderen Seite wird durch die Einbeziehung des Arbeitgeberanteils in die
Höchstbetragsberechnung herbeigeführt. Die von dem Dienstherrn gewährleistete Altersversorgung in Form der
Beamtenversorgung wird bei den Beamten über einen anderen Mechanismus, nämlich die Regelung des § 10 Abs. 3
Satz 3 EStG, berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift ist der Höchstbetrag von 20.000 EUR (40.000 EUR) für die
Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf
Altersvorsorge erhalten, um den Gesamtbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zur allgemeinen
Rentenversicherung zu kürzen. Bei ihnen können danach Altersvorsorgeaufwendungen nur noch in Höhe des
Differenzbetrages zwischen dem fiktiven gesetzlichen Beitrag und dem Höchstbetrag steuerlich berücksichtigt werden.
Hierdurch wird für diese Steuerpflichtigen die Abziehbarkeit von (weiteren) Vorsorgeaufwendungen im gleichen
Ausmaß eingeschränkt wie für Arbeitnehmer und Selbständige (vgl. dazu die Beispiele bei Risthaus, DB 2004, 1329,
1332).
55 3. Die begrenzte Abziehbarkeit ihrer Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Übergangsregelung in § 10 Abs. 3
Sätze 4 bis 6 EStG ist verfassungsmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
56 a) Das BVerfG hat in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73 (unter D.II.) dem Gesetzgeber aufgegeben, sich im Rahmen der
Neuregelung der Renten und Pensionen für ein Lösungsmodell zu entscheiden und dieses folgerichtig
auszugestalten. Sowohl bei den weichenstellenden Grundentscheidungen als auch im Hinblick auf Art und Maß
vertrauensschützender Übergangsregelungen sei der weite gesetzgeberische Gestaltungsraum nicht unbegrenzt. In
jedem Fall seien die Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von
Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte
Besteuerung vermieden werde. Im Übrigen sei auch für die Abwägung zwischen den Erfordernissen folgerichtiger
Ausrichtung der Einkommensbesteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und den
Notwendigkeiten einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen ein weiter gesetzgeberischer
Entscheidungsraum eröffnet (BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134 f.).
57 b) Nach der Übergangsregelung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG sind im Kalenderjahr 2005 die nach § 10 Abs. 3
Sätze 1 bis 3 EStG ermittelten Vorsorgeaufwendungen mit 60 % anzusetzen. Nach § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG ist der sich
danach ergebende Betrag, vermindert um den nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen
Rentenversicherung und einen diesem gleichgestellten steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers, als Sonderausgabe
abziehbar. Der in § 10 Abs. 3 Satz 4 EStG genannte Prozentsatz erhöht sich nach Satz 6 der Vorschrift in den
folgenden Kalenderjahren bis zum Kalenderjahr 2025 um je 2 Prozentpunkte je Kalenderjahr.
58 c) Die Übergangsregelung in Bezug auf die Altersvorsorgeaufwendungen steht in untrennbarem Zusammenhang mit
der Regelung der Besteuerung der ab dem Jahr 2005 zufließenden Renten gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG. Der Besteuerungsanteil der Renten bestimmt sich nach dem Kohortenprinzip, also für alle
Rentner einheitlich nach dem Jahr des Beginns ihrer Rente. Für alle Renten, die vor dem Jahr 2040 beginnen, bleibt
nach der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG enthaltenen Tabelle ein bestimmter Teil der
Rente, der durch regelmäßige Rentenerhöhungen nicht beeinflusst wird, dauerhaft steuerfrei (§ 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG).
59 d) Die Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG wird zum einen charakterisiert durch eine begrenzte und
nur allmählich ansteigende steuerliche Abzugsmöglichkeit der Vorsorgeaufwendungen bis zu deren vollen
Berücksichtigung ab dem Jahr 2025 und zum anderen durch die von Beginn an vollständige Einbeziehung des
Arbeitgeberanteils in die Berechnung der maximal abziehbaren Aufwendungen. Dies führt dazu, dass ein
Arbeitnehmer, wie die Klägerin, im Streitjahr 2005 nur 20 % des Arbeitnehmeranteils zur gesetzlichen
Rentenversicherung steuerlich geltend machen kann.
60 e) Die Übergangsregelung entspricht noch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie verstößt nicht gegen das
objektive Nettoprinzip (unten aa), solange das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung eingehalten wird
(unten bb). Ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip liegt nicht vor (unten cc). Der Mechanismus der
Einbeziehung der Arbeitgeberbeiträge in die Höchstbetragsberechnung kann im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG noch
gerechtfertigt werden (unten dd).
61 aa) Die Übergangsregelung weicht zwar von dem nach dem objektiven Nettoprinzip maßgeblichen
Veranlassungsprinzip ab, da im Jahr 2005 nur 60 % der Altersvorsorgeaufwendungen und damit 20 % des vom
Arbeitslohn der Klägerin einbehaltenen Arbeitnehmeranteils zu ihrer gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich
abzugsfähig sind.
62 aaa) Ein wichtiger Grund für die nur begrenzte Abzugsfähigkeit und die gewählte Stufenlösung ist, dass eine sofortige
Abziehbarkeit der Beiträge zu Leibrentenversicherungen für die öffentlichen Haushalte nicht finanzierbar gewesen
wäre, da es sofort zu einer Minderung der Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe gekommen wäre
(BTDrucks 15/2150, S. 22).
63 bbb) Der Gesetzgeber durfte bei der Einschränkung der Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen die
Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte berücksichtigen und insofern das Nettoprinzip
einschränken. Zwar hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung das Ziel der Einnahmenvermehrung für sich
genommen nicht als hinreichenden sachlichen Grund für die Beschränkung des Abzugs betrieblich bzw. beruflich
veranlasster Aufwendungen von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage anerkannt (vgl. BVerfG-Urteil in
BVerfGE 122, 210, m.w.N.).
64 Im vorliegenden Fall handelt der Gesetzgeber aber nicht mit dem Ziel der Einnahmenvermehrung, sondern mit dem
Ziel, ausgehend von einer nicht systemgerechten Regelung eine nunmehr verfassungskonforme Ausgestaltung der
steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorge und Alterseinkünfte zu erreichen, ohne durch die damit
verbundenen Mindereinnahmen die öffentlichen Haushalte zu gefährden (BTDrucks 15/2150, S. 22). Das BVerfG
selbst hat in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73, 135 ausdrücklich gefordert, dass sich der Gesetzgeber bei der
Übergangsregelung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und an den Notwendigkeiten
einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen orientiert. Insoweit konnte und musste die
Finanzierbarkeit der Neuregelung bei der Übergangsregelung berücksichtigt werden.
65 ccc) Hinzu kommt, dass es sich bei den Regelungen des AltEinkG um eine vollständige --vom BVerfG selbst
geforderte-- in sich systemgerechte Neugestaltung der Besteuerung der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte
handelt. Eine solche Neugestaltung enthält notwendigerweise einen (teilweisen) Systemwechsel. Die dem
Steuergesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit umfasst dann von Verfassungs wegen die Befugnis, neue Regeln
einzuführen, ohne durch Grundsätze der Folgerichtigkeit an frühere Grundentscheidungen gebunden zu sein (BVerfG-
Urteil in BVerfGE 122, 210, m.w.N.). Dies setzt allerdings voraus, dass wirklich ein neues Regelwerk geschaffen wird.
Die umfassende Gestaltungsfreiheit bei Entscheidungen für neue Regeln kann vom Gesetzgeber dann nicht in
Anspruch genommen werden, wenn solche neuen Regeln nach Ziel und Wirkung die Orientierung an alternativen in
sich folgerichtigen und schlüssigen Prinzipien nicht erkennen lassen. Einen zulässigen Systemwechsel kann es ohne
ein Mindestmaß an neuer Systemorientierung nicht geben. Insbesondere dann, wenn bei im Übrigen unveränderten
Grundentscheidungen eine von diesen abweichende Belastungsentscheidung lediglich in einem schmalen
Teilbereich mit der Behauptung eines Systemwechsels begründet wird, bedarf es greifbarer Anhaltspunkte --etwa der
Einbettung in ein nach und nach zu verwirklichendes Grundkonzept--, die die resultierende Ungleichbehandlung vor
Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen können (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 122, 210).
66 Bei den Regelungen des AltEinkG ist die Einbettung in ein solches Grundkonzept gegeben. Durch § 10 Abs. 3 Sätze 4
bis 6 EStG (in Bezug auf die Vorsorgeaufwendungen) sowie § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG
(in Bezug auf die Besteuerung der entsprechenden Alterseinkünfte) sollen nicht nur die unterschiedlichen
Altersvorsorgesysteme, sondern auch die daraus resultierenden unterschiedlichen Alterseinkünfte von der
Ertragsanteilsbesteuerung in das neue Gesamtkonzept der nachgelagerten Besteuerung überführt werden.
67 ddd) Aus diesem Grund ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Abziehbarkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen ebenso wie die Besteuerung der zufließenden Rentenzahlungen mit jährlich
steigenden Stufen vorgesehen hat, selbst wenn der Umfang der späteren Besteuerung mit dem Abzug der Beiträge
nicht abgestimmt ist (a.A. HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 343).
68 Zwar hätte es dem objektiven Nettoprinzip und dem Gedanken der Korrespondenz entsprochen, die Höhe der
abziehbaren Vorsorgeaufwendungen konkret danach zu bemessen, in welchem Umfang die später zufließenden
Renteneinnahmen zu steuerpflichtigen sonstigen Einkünften führen. Von einer solchen Korrespondenz ist der
Gesetzgeber auch bei anderen ertragsteuerlichen Regelungen ausgegangen (vgl. z.B. die Regelungen zum
Halbeinkünfteverfahren in § 3 Nr. 40 und § 3c Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
69 Der Gesetzgeber hat als Ausgangspunkt für die Höhe der prozentual abziehbaren Altersvorsorgebeiträge im Rahmen
der Übergangsregelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG das Jahr des Abzugs der Aufwendungen bestimmt, so dass
es auf das Alter und den voraussichtlichen Rentenbeginn des Steuerpflichtigen nicht ankommt. Demgegenüber richtet
sich die Höhe der steuerpflichtigen Renteneinkünfte nach dem Jahr des Renteneintritts des Steuerpflichtigen. Durch
diese unterschiedlichen Bezugspunkte ist es im Rahmen der Übergangsregelung nicht gewährleistet, dass die
steuerliche Entlastung der Vorsorgeaufwendungen und die Besteuerung der daraus resultierenden steuerpflichtigen
Einnahmen korrespondieren. Eine Entsprechung wird erst im Zeitpunkt der endgültigen Regelung, d.h. spätestens
2040 erreicht.
70 Nach Ansicht des erkennenden Senats ist das Vorgehen des Gesetzgebers vor dem Hintergrund der oben
dargestellten besonderen Komplexität des AltEinkG sowie aus Gründen der Praktikabilität verfassungsrechtlich noch
gerechtfertigt.
71 (1) Eine Bemessung des abziehbaren Prozentsatzes der Altersvorsorgebeiträge nach den Verhältnissen des
jeweiligen Steuerpflichtigen hätte dazu geführt, dass dem Kohortenprinzip entsprechend sich für jeden Altersjahrgang
die Höhe des abziehbaren Betrags mit unterschiedlichen Prozentsätzen ergeben hätte, was die verwaltungsmäßige
Handhabung der Übergangsregelung weiter erschwert hätte. In den meisten Fällen wäre durch dieses Vorgehen im
Rahmen der Übergangsregelung auch nur eine scheinbare individuelle Genauigkeit erreicht worden, da in die
künftigen Renteneinnahmen auch Beitragszahlungen einfließen, die in (ggf. zahlreichen) Jahren vor Inkrafttreten des
AltEinkG geleistet wurden und die daher bei einer konkreten Bemessung der Höhe der abziehbaren geleisteten
Vorsorgeaufwendungen ebenfalls hätten berücksichtigt werden müssen. Der Gesetzgeber hat sich zu Recht
außerstande gesehen, die zum Teil weit in die Vergangenheit zurückreichenden Verhältnisse in einer dem
Verifikationsprinzip entsprechenden Weise ermitteln zu lassen (BTDrucks 15/2150, S. 41).
72 Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der sich ändernden gesetzlichen Regelungen über den Renteneintritt (vgl.
z.B. die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre durch das Rentenversicherungs-
Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl I 2007, 554) eine verlässliche Aussage über den
voraussichtlichen Renteneintritt --unabhängig von der individuellen Situation des Steuerpflichtigen-- nicht sicher
möglich ist.
73 (2) Ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber als Ausgangspunkt für die
Übergangsregelung der Rentenbesteuerung einen anderen pauschalierenden Anknüpfungspunkt gewählt hat,
nämlich den Rentenjahrgang. Die Kohorte entscheidet über den Besteuerungsanteil der Renten während der
gesamten Rentenbezugsdauer eines Steuerpflichtigen, so dass es im Gegensatz zu den
Altersvorsorgeaufwendungen keiner jährlichen Anpassungen bedarf. Dieser Ansatz steht in der Tradition der
bisherigen Ertragsanteilsbesteuerung, die ebenfalls von einem einheitlichen Ertragsanteil für den gesamten
Rentenbezug ausging, und ermöglicht zudem eine praktikable Besteuerung der Alterseinkünfte, zumal sich der
Gesetzgeber nicht in der Lage gesehen hat, individuelle Besteuerungsanteile pro Steuerpflichtigen festzulegen
(BTDrucks 15/2150, S. 41).
74 Aus diesen Gründen hat sich der Gesetzgeber dadurch, dass er als Ausgangspunkt für die stufenweise Verbesserung
der Abzugsfähigkeit der Altersvorsorgeaufwendungen das Jahr der Leistung der Altersvorsorgeaufwendungen
gewählt hat, trotz der teilweise fehlenden Symmetrie zwischen der steuerlichen Abzugsfähigkeit der
Altersvorsorgeaufwendungen und der Besteuerung der Alterseinkünfte in der Übergangsregelung noch im Rahmen
des ihm zukommenden weiten Gestaltungsspielraums gehalten.
75 (3) Allerdings belastet diese pauschalierende und nicht symmetrische Übergangsregelung die Steuerpflichtigen wie
die Klägerin, bei denen --jedenfalls statistisch betrachtet-- sicher davon auszugehen ist, dass ihre Rente erst nach
dem Jahr 2039 beginnen und daher voll zu versteuern sein wird. Bei dieser Gruppe hätte es das objektive
Nettoprinzip geboten, ihre Altersvorsorgeaufwendungen zumindest zum größten Teil (vgl. unter II.2.b cc ccc) steuerlich
zum Abzug zuzulassen. Dass diese Steuerpflichtigen im Rahmen der Übergangsregelung ihre Aufwendungen
dennoch nur in beschränktem Umfang abziehen können, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil die gesamte
Übergangsregelung konsequent und folgerichtig ausnahmslos für alle Steuerpflichtigen gilt, sowohl für die
Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen als auch für die Besteuerung der Renten und unabhängig davon, ob in
früheren Jahren Aufwendungen geleistet oder Renten bezogen wurden. Bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen
von der Übergangsregelung auszunehmen, hätte zu weiteren Unstimmigkeiten geführt. So wäre es nur schwer
erklärbar, wenn der Steuerpflichtige, der nach der jetzigen Rechtslage voraussichtlich im Jahr 2040 erstmals
Renteneinkünfte bezieht, bereits im Jahr 2005 seine Rentenbeiträge vollständig abziehen könnte, während ein
anderer Steuerpflichtiger, dessen voraussichtliches Renteneintrittsalter im Jahr 2039 liegt, seine
Altersvorsorgeaufwendungen bis 2025 nur stufenweise ansteigend geltend machen könnte.
76 Diese Rechtslage ist für Steuerpflichtige, deren Rente voraussichtlich nach dem Jahr 2039 beginnen wird, solange
hinnehmbar, solange das Verbot der doppelten Besteuerung beachtet ist. Dadurch ist auch bei dieser Fallgruppe
jedenfalls im Ergebnis sichergestellt, dass die teilweise nicht gegebene Abziehbarkeit ihrer Vorsorgeaufwendungen
sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG auf die Höhe der Besteuerung ihrer später zufließenden
Renten auswirken muss.
77 bb) Der weite gesetzgeberische Gestaltungsraum ist im Hinblick auf Art und Maß vertrauensschützender
Übergangsregelungen nicht unbegrenzt. Das BVerfG fordert, dass "in jedem Fall" die steuerliche Behandlung von
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der
Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen sind, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG-
Urteil in BVerfGE 105, 73, unter D.II.; Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710). Eine solche
Doppelbesteuerung könnte sich bei der Klägerin abzeichnen, da im Jahr 2005 nur 60 % der
Altersvorsorgeaufwendungen und damit 20 % des von ihrem Arbeitslohn einbehaltenen Arbeitnehmeranteils zu ihrer
gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich abziehbar sind, während sie aller Voraussicht nach ihre späteren
Rentenbezüge voll zu versteuern hat.
78 aaa) Die Verfassungsmäßigkeit der nur beschränkten Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen in der bis zum
Jahr 2025 geltenden Übergangszeit unter dem Aspekt des Verbotes der Doppelbesteuerung kann jedoch nicht isoliert
betrachtet werden, sondern nur im Zusammenhang mit der korrespondierenden --in der Übergangszeit nur anteiligen-
- späteren Rentenbesteuerung (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420).
79 Ob das Zusammenwirken der einkommensteuerrechtlichen Regelungen der Aufbauphase vor und nach Inkrafttreten
des AltEinkG mit den Regelungen der Versorgungsphase seit Inkrafttreten des AltEinkG in bestimmten Fällen einen
Verstoß gegen das Verbot doppelter Besteuerung bewirken kann, ist demnach nicht in diesem Verfahren zu
entscheiden, denn aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abziehbarkeit
der Beiträge in der Aufbauphase ableiten. Der Gesetzgeber kann dem Verbot doppelter Besteuerung ebenso durch
einen entsprechend schonenderen Zugriff in der Versorgungsphase Rechnung tragen. Ein Verstoß ist deshalb in den
Veranlagungszeiträumen der Versorgungsphase zu rügen, in denen die Altersbezüge der Besteuerung unterworfen
werden (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvR 1220/04, 410/04, BVerfGE 120, 169, m.w.N).
80 bbb) In der Verweisung der gerichtlichen Überprüfung des Verbots der Doppelbesteuerung auf den Beginn des
Rentenbezugs liegt kein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Aus dieser
Verfassungsnorm ergibt sich ein Anspruch auf zeitnahen und effektiven Rechtsschutz. Hieraus kann aber kein
Anspruch abgeleitet werden, die Problematik einer sich erst zu einem späteren Zeitpunkt stellenden Frage einer
überschießenden Rentenbesteuerung in der Weise zu lösen, dass die verfassungsrechtliche Prüfung auf die
steuerliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen (vor)verlagert wird, durch die für sich betrachtet noch kein
übermäßiger Besteuerungszugriff bewirkt wird. Es ist auch nicht unzumutbar, die Steuerpflichtigen darauf zu
verweisen, dass das Verbot der Doppelbesteuerung erst bei der Rentenbesteuerung zu klären ist, da erst mit Bezug
der Rente die Höhe des Besteuerungsanteils der Rente feststeht.
81 ccc) Das vom BVerfG ausgesprochene Verbot der doppelten Besteuerung ist strikt zu beachten. Der Gesetzgeber wird
zu prüfen haben, ob dieses Verbot auch in jedem Fall eingehalten werden kann. Der erkennende Senat wird in künftig
zu entscheidenden Fällen dem Verbot der doppelten Besteuerung besondere Aufmerksamkeit widmen.
82 cc) Der nur begrenzte Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Übergangsregelung verletzt nicht das
subjektive Nettoprinzip.
83 aaa) Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung des subjektiven Nettoprinzips ist das aus Art. 1 Abs. 1
i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitende Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums.
Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der
Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Einem
Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass
sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht
niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen
Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen
(ständige Rechtsprechung des BVerfG siehe Beschluss in BVerfGE 120, 125, m.w.N.). Die somit von Verfassungs
wegen zu berücksichtigenden Aufwendungen zur Sicherung des Existenzminimums sind vom Steuergesetzgeber
nach dem tatsächlichen Bedarf realitätsgerecht zu bemessen. Im Bereich der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat
er dabei allerdings dafür Sorge zu tragen, dass die typisierenden Regelungen in möglichst allen Fällen den
entsprechenden Bedarf abdecken.
84 bbb) Für die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen bedeuten diese Grundsätze, dass der
Gesetzgeber gehalten ist, Beiträge zu solchen Versicherungen steuerlich freizustellen, die den Schutz des
Lebensstandards des Steuerpflichtigen in Höhe des Existenzminimums gewährleisten. Nicht entscheidend ist in
diesem Zusammenhang, ob Versicherungsbeiträge --wie z.B. zu leistende Sozialversicherungsbeiträge--
zwangsweise erhoben werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Schutz gegen das abgesicherte Risiko Bestandteil
des Leistungskatalogs der Sozialhilfe ist (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125, unter D.II.3.).
85 ccc) Durch die Übergangsregelung sind die Arbeitgeberbeiträge vollständig und die Arbeitnehmerbeiträge im
Ergebnis zunächst nur mit 20 %, danach linear bis zum Jahr 2025 auf insgesamt 100 % ansteigend abziehbar. Ein
Problem aus Sicht der gerade dargestellten Grundsätze könnte sich dann stellen, wenn die --insoweit teilweise nicht
abziehbaren-- Altersvorsorgeaufwendungen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammen) nur zu
Alterseinkünften führten, deren Höhe lediglich ein existenzsicherndes Niveau erreicht, also bei niedrigen
Arbeitnehmereinkünften. Bei diesen Einkünften ist jedoch zu beachten, dass nach dem alten Recht ein
alleinstehender Arbeitnehmer bei einem Bruttolohn von knapp 12.000 EUR die Altersvorsorgeaufwendungen
vollständig abziehen konnte (vgl. die Berechnungen der Sachverständigenkommission, Anlage 1 und BTDrucks
15/2150, S. 35, zu Nr. 3). Die für ihn ungünstigere Neuregelung wird durch die in § 10 Abs. 4a EStG von Amts wegen
vorgesehene Günstigerprüfung ausgeglichen, die --mit hier nicht relevanten Modifikationen-- die Anwendung des
alten Rechts anordnet. Die Günstigerprüfung stellt damit sicher, dass in der aktiven Zeit der Aufbau einer
Altersvorsorge in Höhe wenigstens des Existenzminimums vom Steuerzugriff verschont wird.
86 dd) Der Mechanismus der Einbeziehung der Arbeitgeberanteile im Rahmen der Übergangsregelung führt zu keiner
verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu einem nicht angestellten Steuerpflichtigen
und einem Beamten.
87 aaa) Den vom Steuerpflichtigen geleisteten Vorsorgeaufwendungen sind zunächst der nach § 3 Nr. 62 EStG
steuerfreie Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und ein diesem gleichgestellter steuerfreier
Zuschuss des Arbeitgebers hinzuzurechnen. Im Rahmen der Übergangsregelung wirkt sich dieser Gesamtbetrag im
Jahr 2005 nur zu 60 % steuermindernd aus (§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG). Gleichwohl ist der sich hierbei ergebende
Betrag gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 EStG um 100 % des Arbeitgeberanteils bzw. des gleichgestellten steuerfreien
Arbeitgeberzuschusses zu kürzen, so dass nur die Differenz als Sonderausgabe abziehbar ist.
88 bbb) Diese Regelung soll gewährleisten, dass zwei Steuerpflichtige, von denen nur einer einen steuerfreien
Arbeitgeberanteil oder -zuschuss erhalten hat, hinsichtlich des Gesamtaufwands für die Altersversorgung im Ergebnis
in gleichem Umfang steuerlich freigestellt werden (vgl. auch unter II.2.d aa). Der Steuerpflichtige, der selbst den
Gesamtbeitrag zur Rentenversicherung und/oder andere Altersvorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG
leistet, konnte im Jahr 2005 60 % der Aufwendungen, also 12.000 EUR als Sonderausgaben abziehen. Der andere
Steuerpflichtige, dessen Vorsorgeaufwendungen sich sowohl aus eigenen Beiträgen zur gesetzlichen
Rentenversicherung, Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als auch aus dem
anzusetzenden Arbeitgeberanteil von beispielsweise 2.000 EUR zusammensetzen, erhält eine Steuerfreistellung über
§ 3 Nr. 62 EStG von 2.000 EUR. Umgekehrt kann er als Sonderausgaben 60 % von 20.000 EUR = 12.000 EUR
abzüglich 2.000 EUR Arbeitgeberanteil geltend machen. Die steuerliche Freistellung beider Steuerpflichtiger ist daher
im Ergebnis gleich (Senatsbeschluss in BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420, unter II.9.).
89 ccc) Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ergibt sich auch nicht aus dem Vergleich der steuerlichen
Situation der Klägerin mit der eines Beamten. Letzterer ist aufgrund des geltenden Alimentationsprinzips nicht für
seine Altersvorsorge beitragsbelastet, so dass sich seine Altersvorsorge im steuerunbelasteten Raum vollzieht.
Andere Arbeitnehmer können aber ihre Altersvorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Übergangsregelung
beschränkt abziehen. Die Besteuerung der Alterseinkünfte ab dem Jahr 2040 ist in beiden Fällen demgegenüber
gleich; die Einkünfte unterliegen uneingeschränkt der Besteuerung.
90 (1) Der Gesetzgeber hat den im BVerfG-Beschluss vom 24. Juni 1992 1 BvR 459/87, 1 BvR 467/87 (BVerfGE 86, 369)
erteilten und im Rentenurteil in BVerfGE 105, 73 konkretisierten Gesetzgebungsauftrag zutreffend so verstanden, dass
eine gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der Neuregelung die Besteuerung
aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt wird (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 169).
91 (2) Aufgabe der Übergangsregelung ist es, die bestehenden unterschiedlichen Altersvorsorge- und
Alterseinkünftesysteme in ein System der nachgelagerten Besteuerung zu integrieren. Es liegt in ihrem Wesen, einen
vorgefundenen Rechtszustand gleitend in eine neue gesetzgeberische Konzeption zu überführen (Senatsurteil in
BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc). Insoweit ist es entscheidend, dass Altersvorsorgeaufwendungen
nach Ablauf der Übergangsregelung im Jahr 2025 grundsätzlich in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar
sind und damit die mit künftigen Renteneinnahmen im Zusammenhang stehenden Rentenbeiträge --von Sonderfällen
abgesehen-- aus unversteuertem Einkommen stammen.
92 (3) Da die steuerliche Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen und Beamten im Bereich der Altersvorsorge und der
Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im Jahr 2005 vollkommen unterschiedlich war, ist es zwangsläufig, dass
unterschiedliche Zwischenschritte notwendig sind, um zu der angestrebten Neuregelung zu gelangen, in der die
Besteuerung aller bestehenden Altersversorgungssysteme aufeinander abgestimmt ist.
93 Bei der Überprüfung dieser Zwischenschritte ist zu beachten, dass die Besteuerung der Alterseinkünfte der Rentner,
die vormals Arbeitnehmer waren, insbesondere im Vergleich zur Besteuerung der Alterseinkünfte der Beamten als mit
dem Gleichheitssatz unvereinbar privilegiert angesehen wurde. Daraus folgt, dass diese Gruppe von Steuerpflichtigen
auf dem Weg in die endgültige verfassungsgemäße Regelung, in der alle Altersvorsorgeaufwendungen und die
daraus resultierenden Alterseinkünfte gleich behandelt werden, wegen ihrer früheren Bevorzugung in einem
geringeren Umfang entlastet werden kann, ohne dass die unterschiedliche Entlastung zu einer Verletzung des
Gleichheitssatzes führt.
94 (4) Die Besteuerung der Beamtenpensionen beruht bereits auf dem angestrebten Konzept der nachgelagerten
Besteuerung, so dass dessen Ziel, das Lebenseinkommen eines Steuerpflichtigen nur einmal, aber auch mindestens
einmal zu besteuern (Senatsurteil in BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710), nach dem Abschmelzen des
Versorgungsfreibetrags gemäß § 19 Abs. 2 EStG im Jahr 2040 erreicht ist. Es ist daher nicht sachwidrig, dass der
Gesetzgeber davon abgesehen hat, Beamte entsprechend dem für gesetzlich Rentenversicherungspflichtige bis 2004
geltenden System durch die steuerliche Erfassung eines fiktiven Beitrags zu ihrer Pension in der Erwerbsphase zu
besteuern, wobei es dahinstehen kann, ob eine Besteuerung des fiktiven Beitrags eines Beamten zu seiner Pension
überhaupt möglich und umsetzbar wäre (a.A. Wesselbaum-Neugebauer, FR 2007, 683).
95 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das strikt zu beachtende Verbot der Doppelbesteuerung (siehe unter II.3.e bb)
den anderen Steuerpflichtigen die Gewähr dafür bietet, dass es auch bei ihnen nur zu einer einmaligen Besteuerung
kommen darf. Es stellte keine Belastungsgleichheit her, sondern wäre ein neuerlicher Systembruch, wenn der
Gesetzgeber für eine Gruppe von Steuerpflichtigen, die bereits folgerichtig nach dem neuen System besteuert werden,
für eine Übergangszeit die nicht folgerichtige und nicht systemgerechte Besteuerung anderer Steuerpflichtiger
einführte, die er auslaufen lassen will.
96 Die nur begrenzte Entlastung der Klägerin ist damit durch die besonders komplexe Übergangssituation der
Neuregelung der Altersvorsorge und -einkünfte noch gerechtfertigt. Es ist verfassungsrechtlich noch tragbar, nur
schrittweise zu einer vollen Entlastung ihrer Arbeitnehmerbeiträge zu gelangen. Die von der Klägerin geleisteten
Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind nach alledem lediglich in beschränktem Umfang als
Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 EStG abzuziehen.