Urteil des BFH vom 19.07.2010

Grundsätzliche Bedeutung: Gastronomiebetrieb als Zweckbetrieb - Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb bei mehreren Ausbildungseinrichtungen einer gemeinnützigen Körperschaft

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 19.7.2010, I B 203/09
Grundsätzliche Bedeutung: Gastronomiebetrieb als Zweckbetrieb - Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb bei mehreren
Ausbildungseinrichtungen einer gemeinnützigen Körperschaft
Gründe
1 Die Beschwerde ist unbegründet.
2 1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hält für grundsätzlich klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Fragen,
- ob zur Entscheidung über die Unvermeidbarkeit des Wettbewerbs i.S. von § 65 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) nicht
zuvor zwingend über die Notwendigkeit des Betriebs zur Zweckerfüllung i.S. von § 65 Nr. 2 AO entschieden werden
müsse,
- ob es für die Beurteilung nach § 65 Nr. 3 AO auf eine
abstrakte Wettbewerbslage auch dann ankomme, wenn konkret eine Wettbewerbssituation nicht vorliege,
- ob und in welchem Umfang im Streitfall die Kriterien herangezogen werden dürften, die für Fälle entwickelt worden
seien, in denen die Gastronomiebetriebe nur Hilfs- oder Nebenbetriebe bei der Verfolgung völlig anderer
gemeinnütziger Ziele seien,
- ob verschiedene Ausbildungsbereiche von gemeinnützigen Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaften, von
denen das hier streitgegenständliche Hotel und Restaurant eines sei, bei der Beurteilung der Gemeinnützigkeit im
Rahmen von § 65 AO als Einheit zu bewerten seien.
3 2. Diesen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
4 a) Es unterliegt keinem Zweifel und ist daher nicht klärungsbedürftig, dass ein Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO schon
dann nicht vorliegt, wenn auch nur eine der in der Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht vorliegt. Die in § 65 Nr.
1 bis 3 AO angeführten Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein, um einen Zweckbetrieb bejahen zu können. Auch wenn
die satzungsmäßigen Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO), liegt
gleichwohl ein Zweckbetrieb nicht vor, wenn bei der Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem
intakten Wettbewerb und an der steuerlichen Förderung gemeinnütziger Tätigkeiten (vgl. Senatsurteil vom 17. Februar
2010 I R 2/08, BFHE 228, 388, m.w.N.) gleichwohl dem Wettbewerbsgedanken der Vorrang einzuräumen ist. Hiervon
ist das Finanzgericht (FG) ausgegangen. Es hat offengelassen, ob der Hotel- und Gastronomiebetrieb der Klägerin in
den Streitjahren zur Verwirklichung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke notwendig war, da es
angenommen hat, selbst wenn dies der Fall sein sollte, er gleichwohl zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder
ähnlichen Art in größerem Umfang in Wettbewerb getreten wäre, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke
unvermeidbar gewesen sei.
5 Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das Urteil des FG Hamburg vom 27. Oktober 2004 VII 52/00
(Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 406) verweist, ergibt sich aus dieser Entscheidung schon deshalb nichts
anderes, weil das FG Hamburg das Vorliegen eines Zweckbetriebes bejaht hat und daher sämtliche Voraussetzungen
des § 65 AO prüfen und bejahen musste.
6 b) Die Frage, ob es für die Beurteilung nach § 65 Nr. 3 AO auf eine abstrakte Wettbewerbslage auch dann ankommt,
wenn konkret eine Wettbewerbssituation nicht vorliegt, ist ebenfalls nicht grundsätzlich bedeutsam. Durch die
steuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sollen weder Mitbewerber verdrängt noch sollen
Marktzutrittsschranken errichtet werden. Es ist daher geklärt, dass § 65 Nr. 3 AO auch den potentiellen Wettbewerb
schützt (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Dezember 1993 X R 115/91, BFHE 173, 254, BStBl II 1994, 314). Der
Umstand, dass von einem Betrieb seiner Struktur nach nur geringe Wettbewerbsbeeinträchtigungen ausgehen, kann
bei der Abwägung, ob dem Interesse der Allgemeinheit an einem intakten Wettbewerb oder an der Förderung
gemeinnütziger Zwecke der Vorrang einzuräumen ist, berücksichtigt werden. Das FG hat überdies nicht festgestellt,
dass vom Betrieb der Klägerin konkret keine Wettbewerbsbeeinträchtigungen ausgehen. Dies kann auch deshalb nicht
angenommen werden, weil die Klägerin mit ihrem Betrieb erhebliche Umsätze und Gewinne in den Streitjahren erzielt
hat.
7 c) Das FG hat nicht Kriterien herangezogen, die für Fälle entwickelt worden sind, in denen die Gastronomiebetriebe nur
Hilfs- oder Nebenbetriebe waren. Andernfalls hätte es die Zweckbetriebseigenschaft des Hotel- und
Gastronomiebetriebes der Klägerin bereits mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 65 Nr. 1 AO verneinen
müssen.
8 d) Ob mehrere Ausbildungseinrichtungen einer gemeinnützigen Körperschaft als ein oder mehrere wirtschaftliche
Geschäftsbetriebe zu beurteilen sind, kann nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des einzelnen Falles beurteilt
werden und ist daher einer abstrakten Klärung nicht zugänglich.