Urteil des BFH vom 13.03.2017

BFH (wrv, kläger, bewg, grundsteuer, körperschaft, bundesrepublik deutschland, religionsgemeinschaft, persönliche beziehung, öffentlich, staat)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 30.6.2010, II R 12/09
Beschränkung der Grundsteuerbefreiung auf korporierte Religionsgesellschaften und jüdische Kultusgemeinden
verfassungsgemäß; Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung
Leitsätze
1. Die Beschränkung der Grundsteuerbefreiungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG auf solche
Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sowie auf jüdische Kultusgemeinden ist nicht
verfassungswidrig .
2. Die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens sind trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich
aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 1. Januar 1964 bzw. --im Beitrittsgebiet-- des 1. Januar
1935 und darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben, jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 noch
verfassungsgemäß .
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein rechtsfähiger Verein, der in Deutschland lebenden Menschen
islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung bietet. Nach seiner Satzung dient er ausschließlich
und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der Abgabenordnung (AO).
2
Der Kläger erwarb im Jahre 1994 ein in R gelegenes bebautes Grundstück. Das vorhandene Gebäude baute er um
und errichtete einen Anbau.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) rechnete durch Bescheid vom 10. September 1998 das
Grundstück dem Kläger zum 1. Januar 1995 zu und stellte ihm gegenüber durch weiteren, bestandskräftig
gewordenen Bescheid vom 7. Dezember 1998 den Einheitswert im Wege der Wert- und Artfortschreibung auf den 1.
Januar 1997 auf 411.800 DM sowie die Grundstücksart "gemischtgenutztes Grundstück" fest. Hierbei berücksichtigte
das FA die baulichen Veränderungen sowie die teilweise Nutzung des Gebäudes zu gemeinnützigen Zwecken und
die sich daraus ergebende (teilweise) Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b des
Grundsteuergesetzes (GrStG).
4
Im Jahre 2006 bildete der Kläger aus zu Wohnzwecken genutzten Teilen des Gebäudes selbständiges
Wohnungseigentum. Im selben Jahr ging beim FA eine Kontrollmitteilung ein, nach der der Kläger bereits ab 1997
nicht mehr ausschließlich gemeinnützig tätig war und deshalb die Voraussetzungen für die Grundsteuerbefreiung
nicht erfüllte.
5
Das FA schrieb daraufhin den Einheitswert für das Grundstück des Klägers durch Bescheid vom 9. Februar 2007 auf
den 1. Januar 2007 fort und stellte diesen auf 235.807 EUR fest. Hierbei berücksichtigte es einerseits den
Flächenabgang infolge der Bildung des Wohnungseigentums und andererseits auch den Wegfall der
Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG infolge der nicht mehr ausschließlich
gemeinnützigen Tätigkeit des Klägers.
6
Ferner stellte das FA mit Bescheid vom 14. Juni 2007 im Wege der Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1998 unter
Nichtberücksichtigung der bisher gewährten Steuerbefreiung wegen gemeinnütziger Nutzung des Grundstücks den
Einheitswert auf 299.105 EUR (585.000 DM) fest. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Revisionsverfahrens II R 13/09
und wurde durch heutiges Urteil des erkennenden Senats aufgehoben.
7
Einspruch und Klage des Klägers gegen die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2007 vom 9. Februar 2007, mit
denen der Kläger geltend machte, das Grundstück sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG von der Grundsteuer befreit,
blieben erfolglos.
8
Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG.
9
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie den Einheitswertbescheid vom 9. Februar 2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 24. August 2007 aufzuheben.
10 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist unbegründet und deswegen zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
12 1. Die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens sind von der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus dem lange zurückliegenden
Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) und darauf beruhenden Wertverzerrungen ergeben, bislang als
verfassungsgemäß beurteilt worden (BFH-Urteile vom 2. Februar 2005 II R 36/03, BFHE 209, 138, BStBl II 2005, 428;
vom 21. Februar 2006 II R 31/04, BFH/NV 2006, 1450; vom 30. Juli 2008 II R 5/07, BFH/NV 2009, 7, und vom 4.
Februar 2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244, m.w.N.). Daran ist jedenfalls noch für Stichtage bis zum 1. Januar 2007
festzuhalten.
13 Der Senat weist aber darauf hin, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des
Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem
allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--), nicht vereinbar ist. Das System der
Hauptfeststellung auf einen bestimmten Stichtag ist darauf angelegt, dass Hauptfeststellungen in bestimmten, nicht
übermäßig langen Abständen stattfinden (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes --BewG--: Hauptfeststellungen in
Zeitabständen von je sechs Jahren). Die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt ist
nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine
angemessene Dauer nicht überschreitet (s. bereits BFH-Beschluss vom 11. Juni 1986 II B 49/83, BFHE 146, 474,
BStBl II 1986, 782; Drosdzol, Deutsche Steuer-Zeitung 1999, 831, 832, und 2001, 689, 691; Dötsch in
Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, Einf. BewG Rz 110; Thöne in Lange, Reform der Gemeindesteuern, 2006, 173,
175 f.; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 13 Rz 210 f.).
14 a) Der dem Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts zukommende weit reichende Entscheidungsspielraum wird vor
allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch die Ausrichtung der Steuerlast an den
Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --
BVerfG-- vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 und 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534, unter C.I.1.a und b;
vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192, unter C.I.1. und 2., und vom 15. Januar
2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a aa, je m.w.N.). Knüpft die Besteuerung an die Werte von
Wirtschaftsgütern an, müssen Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation
realitätsgerecht abbilden (BVerfG-Beschlüsse vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655,
unter C.II.2.; vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter C.II.1., und in BVerfGE 117,
1, BStBl II 2007, 192, unter C.I.3.b aa, m.w.N.).
15 b) Das BVerfG hat im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Anforderungen im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl
II 2007, 192, unter C.II.2.f bb, die durch § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F. für die
Bedarfsbewertung unbebauter Grundstücke angeordnete, bis Ende 2006 geltende Festschreibung der
Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1996 als nicht mehr mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen.
Der Gesetzgeber habe damit den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen Auftrag verfehlt, die
Vermögensgegenstände mit Gegenwartswerten zu erfassen oder vergangenheitsbezogene Werte
entwicklungsbegleitend fortzuschreiben, um eine in der Relation der Vermögenswerte realitätsgerechte Bewertung
sicherzustellen.
16 c) Hiernach verfehlt erst recht die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes
nach Maßgabe des Hauptfeststellungszeitpunkts auf den 1. Januar 1964 die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden
Anforderungen.
17 Als Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer bedarf es auch innerhalb der Vermögensgruppe des
Grundvermögens einer realitätsgerechten Bewertung. Es stellt sich hier zwar --anders als bei der Erbschaft- und
Schenkungsteuer-- nicht das Problem der Gleichbehandlung mit anderen Gegenständen, die mit dem Verkehrswert (§
9 BewG) angesetzt werden. Aber auch innerhalb des Grundvermögens können aus verfassungsrechtlichen Gründen
auf einem übermäßig langen Hauptfeststellungszeitraum beruhende Wertverzerrungen nicht uneingeschränkt
hingenommen werden. Dem steht nicht entgegen, dass für die Bemessung der Grundsteuer nicht nur die
festgestellten Einheitswerte, sondern auch die von den Gemeinden nach § 25 GrStG festgesetzten Hebesätze
maßgebend sind; denn aufgrund eines übermäßig langen Hauptfeststellungszeitraums kann es auch innerhalb des
jeweiligen Gemeindegebiets zu einer deutlich unterschiedlichen Entwicklung der Wertverhältnisse kommen, die nicht
auf bei der Einheitsbewertung zu berücksichtigenden Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse (§ 22 Abs. 4 Satz 3
Nr. 1 BewG), sondern auf unterschiedlichen Änderungen der Wertverhältnisse in einzelnen Gemeindeteilen beruhen
und nach § 27 BewG bei Fortschreibungen und bei Nachfeststellungen der Einheitswerte nicht zugrunde zu legen
sind.
18 d) Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Bindungen der Einheitsbewertung erscheint es zweifelhaft, ob --wie noch
im BFH-Urteil in BFHE 209, 138, BStBl II 2005, 428 angenommen-- für die im Ertragswertverfahren festgestellten
Einheitswerte ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG deshalb verneint werden kann, weil diese Werte erheblich unter
dem gemeinen Wert liegen. Für die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG könnte vielmehr sprechen, dass die im
Ertragswertverfahren und im Sachwertverfahren ermittelten Einheitswerte zueinander auch nicht annähernd in einem
den tatsächlichen Wertverhältnissen entsprechenden Verhältnis stehen (so bereits BFH-Urteil in BFHE 146, 474,
BStBl II 1986, 782). Für das Ertragswertverfahren ist auch zu berücksichtigen, dass den Wertverhältnissen im Jahr
1964 preisgestoppte Mieten zugrunde lagen; diese preisrechtlichen Bindungen sind jedoch seit langem entfallen
(BFH-Urteil in BFHE 146, 474, BStBl II 1986, 782).
19 Die mehrere Jahrzehnte umfassende Dauer des Hauptfeststellungszeitraums führt zudem bei der Bewertung von
Gebäuden im Sachwertverfahren zu einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots einer folgerichtigen
Gesetzgebung. Aufgrund der Entwicklung des Bauwesens gibt es eine immer größere Zahl von Gebäuden, die sich
nach Bauart, Bauweise, Konstruktion oder Objektgröße von den im Jahr 1958, dessen Baupreisverhältnisse für die
Einheitsbewertung maßgeblich sind (§ 85 Satz 1 BewG), vorhandenen Gebäuden so sehr unterscheiden, dass ihre
Bewertung nicht mehr mit einer verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Genauigkeit und
Überprüfbarkeit möglich ist. Für derartige neue Gebäude ist ein Vergleich mit den Herstellungskosten für bereits im
Jahr 1958 bestehende entsprechende Gebäude nicht möglich. Eine Schätzung, wie viel die Errichtung neuartiger
Gebäude im Jahr 1958 gekostet hätte, wenn es damals bereits solche Gebäude gegeben hätte, kann nur zu mehr
oder minder richtigen Näherungswerten führen.
20 Auf unbegrenzte Dauer ist es auch nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem
Hauptfeststellungszeitpunkt gemäß § 85 Satz 3 i.V.m. § 86 BewG ausgeschlossen ist.
21 e) Das jahrzehntelange Unterlassen einer erneuten Grundstücksbewertung führt darüber hinaus zwangsläufig zu
verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug. Ohne eine in regelmäßigen
Abständen erfolgende Neubewertung sämtlicher der Einheitsbewertung unterliegender Objekte ist nicht sichergestellt,
dass Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, die Wertänderungen bewirken und zu Fortschreibungen nach § 22
BewG führen müssten, im Sinne des erforderlichen gleichmäßigen Gesetzesvollzugs durchgehend erfasst werden.
Umstände, die eine Fortschreibung auslösen können, werden den Finanzämtern oft nur von dritter Seite mitgeteilt.
Meistens erhalten die Finanzämter die Mitteilung über den Grund für eine Fortschreibung erst nach längerer Zeit. § 22
Abs. 4 Satz 1 BewG verpflichtet die Finanzämter nicht, stets von sich aus tätig zu werden. Die Ermittlungspflicht der
Finanzämter setzt vielmehr erst ein, wenn ihnen Umstände bekannt werden, die eine Fortschreibung rechtfertigen
könnten (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 22 Rz 66; Bruschke in Gürsching/ Stenger, Bewertungsrecht, § 22
BewG Rz 219).
22 f) Verfassungsrechtlich geboten ist eine erneute Hauptfeststellung auch im Beitrittsgebiet. Insoweit können die in §§
129 ff. BewG getroffenen Regelungen künftig wegen der inzwischen verstrichenen Zeit nicht mehr --wie seinerzeit
noch vom BFH (z.B. Beschluss vom 12. Januar 2006 II B 56/05, BFH/NV 2006, 919) angenommen-- mit
Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gerechtfertigt werden.
Da im Beitrittsgebiet die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben sind (§ 129 BewG), wiegen die
hiergegen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken nach Ablauf einer angemessenen Übergangszeit noch
schwerer als im alten Bundesgebiet. Seit dem 1. Januar 1935 haben sich die für die Bewertung maßgeblichen
Verhältnisse noch wesentlich stärker entwickelt und verändert als seit dem 1. Januar 1964.
23 2. Das Finanzgericht (FG) ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass das FA den Einheitswert
für das Grundstück des Klägers nach § 22 BewG auf den 1. Januar 2007 fortschreiben konnte.
24 a) Nach § 22 Abs. 1 BewG findet wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Wertfortschreibung statt, wenn
der nach § 30 BewG abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahres ergibt, vom Einheitswert des
letzten Feststellungszeitpunkts in einem näher beschriebenen Ausmaß nach oben oder unten abweicht. Eine
Wertfortschreibung findet nach § 22 Abs. 3 BewG auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. Die
Fortschreibung ist vorzunehmen, wenn der Finanzbehörde bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen
(§ 22 Abs. 4 Satz 1 BewG).
25 b) Der Fortschreibungszeitpunkt ist in § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG je nach dem Anlass der Fortschreibung unterschiedlich
geregelt. Bei einer Fortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist Fortschreibungszeitpunkt der
Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG). Liegt der Grund zur
Fortschreibung nicht in einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, sondern in einem Fehler bei der
vorangegangenen Feststellung (§ 22 Abs. 3 Satz 1 BewG), so ist Fortschreibungszeitpunkt grundsätzlich der Beginn
des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem FA bekannt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 1. Alternative BewG), bei einer
Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid
erteilt wird (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 2. Alternative BewG).
26 c) Im Streitfall kann offen bleiben, ob und in welchem Umfang der Wertfortschreibungsbescheid vom 9. Februar 2007
geänderten tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trägt oder lediglich einen Rechtsfehler der letzten Feststellung
beseitigt. Denn die Wertfortschreibung erfolgte auf den Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid
erteilt wurde und damit in jedem Fall auf einen zulässigen Fortschreibungszeitpunkt. Auch die
Wertfortschreibungsgrenzen sind erreicht.
27 3. Das FG ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass § 19 Abs. 4 BewG der Feststellung des Einheitswerts
nicht entgegenstand. Danach dürfen Feststellungen nur dann erfolgen, wenn und soweit sie für die Besteuerung von
Bedeutung sind. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Feststellung des Einheitswerts im Streitfall für die
Grundsteuer von Bedeutung. Denn der Grundbesitz des Klägers ist nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder § 4 Nr. 1
GrStG grundsteuerbefreit. Die behauptete Grundsteuerbefreiung kann im Verfahren gegen den Einheitswertbescheid
geprüft werden (BFH-Urteile vom 24. Juli 1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl II 1986, 128; vom 10. Juli 2002 II R
22/00, BFH/NV 2003, 202).
28 a) Von der Grundsteuer befreit ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG der Grundbesitz, der von einer
Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, einem ihrer Orden, einer ihrer religiösen
Genossenschaften oder einem ihrer Verbände für Zwecke der religiösen Unterweisung, der Wissenschaft, des
Unterrichts, der Erziehung oder für Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt wird. Den Religionsgemeinschaften
stehen nach Satz 2 der Vorschrift die jüdischen Kultusgemeinden gleich, die nicht Körperschaften des öffentlichen
Rechts sind. Nach § 4 Nr. 1 GrStG unterliegt ferner solcher Grundbesitz nicht der Grundsteuer, der, sofern er nicht
nach § 3 GrStG steuerbefreit ist, dem Gottesdienst einer Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen
Rechts ist, oder einer jüdischen Kultusgemeinde gewidmet ist.
29 aa) Es bedarf für den Streitfall keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Gottesdienst
gewidmeter Grundbesitz nicht nach § 4 Nr. 1 GrStG, sondern bereits gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG befreit sein
kann (dazu Troll/Eisele, Grundsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 3 Rz 55). Jedenfalls erfüllt der Kläger auch dann,
wenn er eine Religionsgemeinschaft im Sinne dieser Vorschriften sein sollte, die darin bestimmten
Befreiungsvoraussetzungen deshalb nicht, weil er weder den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt
noch eine jüdische Kultusgemeinschaft ist.
30 bb) Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG ist ausschließlich entscheidend, ob der Kläger
den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 der Weimarer Reichsverfassung
--WRV--) hat. Die Befreiungsvoraussetzungen sind erst nach Ergehen eines entsprechenden Verleihungsakts (dazu
z.B. P. Kirchhof in Handbuch des Staatskirchenrechts --HdbStKR--, Bd. 1, 1994, § 22 S. 686; vgl. auch Art. 140 GG
i.V.m. Art. 137 Abs. 8 WRV), an dem es im Streitfall fehlt, erfüllt. Ob der Kläger einen solchen Status erhalten kann und
will, ist hingegen unerheblich. Abgesehen davon, dass der Kläger nach seinem Vorbringen einen solchen
Rechtsstatus ersichtlich nicht anstrebt, reicht die bloße Möglichkeit zur Erlangung des Körperschaftsstatus für die
Gewährung einer Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 oder § 4 Nr. 1 GrStG nicht aus (vgl. auch BFH-
Urteil vom 6. Juni 1951 III 69/51 U, BFHE 55, 376, BStBl III 1951, 148).
31 b) Die Beschränkung der Grundsteuerbefreiung auf Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen
Rechts sind, verletzt den Kläger nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 und 3 GG).
32 aa) § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG sind als steuerliche Begünstigungsnormen am Maßstab des
allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner besonderen Ausprägung der Besteuerungsgleichheit zu messen (BVerfG-
Beschluss vom 7. April 2008 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, 108).
33 (1) Art. 3 Abs. 1 GG ist danach verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder
sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerfG-
Entscheidungen vom 23. Oktober 1951 2 BVG 1/51, BVerfGE 1, 14, und in BVerfGE 107, 27, 47, m.w.N.). Weiterhin ist
der allgemeine Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich
zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und
solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dafür kommt es
wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die
Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 107, 27,
46, m.w.N.). Nähere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall der allgemeine
Gleichheitssatz durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf
die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (BVerfG-Beschlüsse vom 16.
März 2005 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268; vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115).
34 (2) Das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt auch für ungleiche
Belastungen und ungleiche Begünstigungen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412,
und in BVerfGE 121, 108). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem einem
Personenkreis eine Begünstigung gewährt, einem anderen Personenkreis die Begünstigung aber vorenthalten wird
(BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 110, 412, und in BVerfGE 121, 108).
35 (3) Soweit steuerliche Begünstigungsnormen --wie hier-- auf eine steuerliche Entlastung von
Religionsgemeinschaften gerichtet sind, hat der Staat die ihm durch den Grundsatz der religiösen und
weltanschaulichen Neutralität gesetzten Grenzen zu beachten. Dieser Grundsatz, der sich aus einer Zusammenschau
der Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 1, Abs. 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV ergibt,
verpflichtet den Staat zu einer am Gleichheitssatz orientierten Behandlung der verschiedenen Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften (BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148). Die
Förderung von Religionsgemeinschaften durch den Staat darf nicht zu einer Identifikation mit bestimmten
Religionsgemeinschaften oder zu einer Privilegierung bestimmter Bekenntnisse führen (BVerfG-Beschlüsse vom 31.
März 1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415, und in BVerfGE 123, 148, m.w.N.).
36 bb) Ob ein Verstoß der hier fraglichen Befreiungsregelungen gegen Art. 3 Abs. 1 GG schon deshalb ausscheidet, weil
der Gesetzgeber insoweit einer gegenüber (einzelnen oder allen) korporierten Religionsgemeinschaften auferlegten
verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachgekommen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Zwar fordert
der Korporationsstatus des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV für sich allein noch keine (Grund-)Steuerbefreiung
(Isensee in HdbStKR, a.a.O., § 35, S. 1025). Ob es sich allerdings bei den hier fraglichen Grundsteuerbefreiungen um
vom Steuergesetzgeber lediglich freiwillig gewährte Bevorrechtigungen handelt (so Weides in Festschrift der
Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, 1988, S. 885, 888; v.
Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, 4. Aufl., S. 268), erscheint zweifelhaft. Der innere Zusammenhang
zwischen der Gewährleistung des Körperschaftsstatus (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV), des kirchlichen
Besteuerungsrechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV), der Garantie der Staatsleistungen (Art. 140 GG i.V.m.
Art. 138 Abs. 1 WRV) sowie des Kirchengutes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV) legt vielmehr den Schluss
nahe, dass diese Verfassungsgarantien in ihrer Zusammenschau auf die Sicherung der materiellen Ausstattung der
korporierten Religionsgemeinschaften gerichtet sind (vgl. Hesse, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Bd.
10 <1961>, S. 27 und 53; für Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 2 WRV vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 148). Es
kommt hinzu, dass die § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG als Steuerverschonungen zu den "negativen
Staatsleistungen" i.S. des Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV gehören (Hammer in HdbStKR, a.a.O., § 36, S. 1096;
Isensee in HdbStKR, a.a.O., § 35, S. 1024 f., jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 28. April 1965 1 BvR
346/61, BVerfGE 19, 1). Dabei gehört die Befreiung des Grundbesitzes von Grundsteuer zu den ältesten
einfachgesetzlichen Vergünstigungen zugunsten der Kirchen (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 19, 1, und vom 30.
September 2000 2 BvR 708/96, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2001, 318; ferner Beschlüsse des
Reichsgerichts --RG-- vom 20. Juni 1925 IV Tgb 83/25, RGZ 111, 134; vom 10. Oktober 1927 IV Tgb 94/27, Lammers-
Simons in Die Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich und des Reichsgerichts auf Grund
Artikel 13 Absatz 2 der Reichsverfassung, Bd. 1, S. 538; vom 13. Juli 1931 IV Tgb 354/30, Lammers-Simons, a.a.O.,
Bd. 4, S. 306; dazu z.B. Werner Weber, Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften, 1948, S. 51
ff.). Die Grundsteuerbefreiung war seit jeher mit der Kirche und --ab dem 19. Jahrhundert-- mit den korporierten
Religionsgemeinschaften verbunden. Diese Tradition führen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG fort.
37 cc) Die Beschränkung der Grundsteuerbefreiungen aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG auf korporierte
Religionsgemeinschaften ist jedenfalls unter Berücksichtigung des Sinngehalts und der Funktion des gemäß Art. 140
GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV verbürgten Korporationsstatus mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
38 (1) Die als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften sind angesichts der
religiösen und konfessionellen Neutralität des Staates nicht mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu
vergleichen, die in den Staat organisch eingegliederte Verbände sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 17. Februar
1965 1 BvR 732/64, BVerfGE 18, 385; in BVerfGE 19, 1; in BVerfGE 30, 415; vom 21. September 1976 2 BvR 350/75,
BVerfGE 42, 312; BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 2000 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, 370). Der Status einer
Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) ist ein Mittel zur Entfaltung der
Religionsfreiheit und soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützen
(BVerfG-Urteile in BVerfGE 102, 370; vom 1. Dezember 2009 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07, Deutsches
Verwaltungsblatt 2010, 108). Er bedeutet daher nur eine Heraushebung über andere Religionsgemeinschaften, weil
der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Überzeugung des Staates von der besonderen
Wirksamkeit dieser Religionsgemeinschaften, von ihrer gewichtigen Stellung in der Gesellschaft und der sich daraus
ergebenden Gewähr der Dauer zugrunde liegt (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV; vgl. BVerfG-Beschlüsse in
BVerfGE 18, 385, und vom 4. Oktober 1965 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129, sowie BVerfG-Urteil vom 13. Dezember
1983 2 BvL 13/82 u.a., BVerfGE 66, 1). Den Religionsgemeinschaften mit Korporationsstatus kommt eine besondere
Bedeutung für das öffentliche Leben und die staatliche Rechtsordnung zu (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 19, 129;
vom 4. Mai 1984 2 BvR 1837/83, Entscheidungen in Kirchensachen seit 1964 (KirchE) 22, 88; Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 24. April 1987 7 C 24/85, NVwZ 1987, 678; vom 15. November 1990 7 C
9/89, BVerwGE 87, 115; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Mai 1975 III R 54/74, BFHE 116, 176, BStBl II 1975, 746; Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 1979 2 StR 791/78, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1980, 462).
39 (2) Diese besondere Rechtsstellung und Bedeutung der korporierten Religionsgemeinschaften rechtfertigt auch die in
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 und § 4 Nr. 1 GrStG getroffenen Befreiungsregelungen (Hammer in HdbStKR, a.a.O., § 36,
S. 1068; Korioth in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 140 Rz 21, Stand: Februar 2003; Heckel, Vom Religionskonflikt zur
Ausgleichsordnung, 2007, S. 123; Weides, a.a.O., S. 885, 887; Heinig, Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften,
Dissertation, 2003, S. 199). Diese Steuerbefreiungen dienen in Bezug auf den Grundbesitz den im öffentlichen
Interesse liegenden Aufgaben der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und der ihnen gleichzustellenden
Ordensgemeinschaften (so die Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG, BTDrucks VI/3418, S. 79).
40 Dem Vorbringen des Klägers, der Körperschaftsstatus rechtfertige keine Begünstigung der Religionsgemeinschaften
außerhalb des hoheitlichen Bereichs (z.B. durch Zuerkennung des Besteuerungsrechts), kann nicht gefolgt werden.
Vielmehr darf der Staat die besondere öffentliche Position der korporierten Religionsgemeinschaften im staatlichen
und gesellschaftlichen Leben zum Anlass für eine auch finanzielle Förderung in Gestalt einer Grundsteuerbefreiung
nehmen. Er unterstützt damit ihre --auch wirtschaftliche-- Eigenständigkeit sowie Unabhängigkeit und trägt damit der
hohen Bedeutung der materiellen Ausstattung einer Religionsgemeinschaft für die Freiheit der Religionsausübung
Rechnung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 148, m.w.N.; Ehlers in Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl., Art. 140 Rz 9).
41 (3) Die Beschränkung der hier fraglichen Befreiungsregelungen auf Religionsgemeinschaften mit öffentlich-
rechtlichem Körperschaftsstatus verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen
Neutralität des Staates. Weder beruhen diese Befreiungsregelungen auf einer Identifikation des Staates mit
bestimmten Religionsgemeinschaften noch bewirken sie eine Privilegierung bestimmter Bekenntnisse. Die in Art. 140
GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV normierten Voraussetzungen des Korporationsstatus sind schon ihrem Wortlaut
nach zunächst formal-organisatorischer Natur und als solche nicht etwa auf bestimmte Bekenntnisse beschränkt.
Insbesondere ist der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht etwa den christlichen
Religionsgemeinschaften vorbehalten, sondern grundsätzlich ebenso für islamische Glaubensgemeinschaften offen
(vgl. z.B. Kloepfer, Die Öffentliche Verwaltung 2006, 45; Loschelder in Essener Gespräche, Bd. 20, S. 162). Soweit
über den Wortlaut des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV hinaus weitere ungeschriebene
Verleihungsvoraussetzungen abgeleitet werden (dazu BVerfG-Urteil in BVerfGE 102, 370; Ehlers in Sachs, a.a.O., Art.
140 GG/ Art. 137 WRV Rz 28, m.w.N.), zielen diese nicht auf die Bewertung oder Unterbindung eines religiösen
Bekenntnisses. Die Öffnung des Körperschaftsstatus für alle Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs.
5 Satz 2 WRV) verletzt daher nicht die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, sondern verwirklicht sie (vgl.
BVerfG-Entscheidungen vom 17. Dezember 1975 1 BvR 63/68, BVerfGE 41, 29, und in BVerfGE 102, 370; P. Kirchhof
in HdbStKR, a.a.O., § 22, S. 666, 682; Korioth in Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 140 Rz 31 f., Stand: Februar 2003; Morlok in
Dreier, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 140 Rz 42). Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV
vermittelt in Bezug auf die Verleihung des Körperschaftsstatus gleiche Chancen für alle Religionsgemeinschaften (v.
Campenhausen in v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2005, Art. 140 GG, Art. 137 WRV Rz 222; Morlok in
Dreier, a.a.O., Art. 140/Art. 137 WRV Rz 99). Ob eine Religionsgemeinschaft das Gleichstellungsangebot annehmen
oder Distanz zum Staat wahren möchte, bleibt daher als "ihre Angelegenheit" (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV)
ihrer freien Entscheidung gemäß ihrem (religiösen) Selbstverständnis überlassen.
42 (4) Der Einwand des Klägers, die Beschränkung der Grundsteuerbefreiungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr.
1 GrStG auf für den Gottesdienst und der religiösen Unterweisung dienenden Grundbesitz greife aufgrund des
vorausgesetzten Korporationsstatus in den "religiösen Kerngehalt" ein, geht fehl. Die hier fraglichen
Grundsteuerbefreiungen bewirken lediglich eine Begünstigung im Zusammenhang mit der Ausübung der durch Art. 4
Abs. 1 und 2 GG geschützten Religionsfreiheit. Eine Beeinträchtigung oder Behinderung der Religionsausübung bei
Nichterfüllung der grundsteuerlichen Befreiungsvoraussetzungen tritt jedoch nicht ein; insbesondere wird die Freiheit
zur religiösen Vereinigung (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 2 und 7 WRV) nicht eingeschränkt.
43 (5) Damit verstoßen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG auch nicht gegen die Garantie der religionsrechtlichen
Gleichheit (Parität), die eine sachlich nicht gerechtfertigte rechtliche Besserstellung der korporierten
Religionsgemeinschaften im Vergleich zu kleinen bzw. nicht korporierten Religionsgemeinschaften ausschließt (z.B.
Heckel in HdbStKR, a.a.O., § 20, S. 589, 605 ff.). Das Grundgesetz fordert, über das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs.
5 Satz 2 WRV enthaltene Angebot zur Erlangung des Korporationsstatus hinaus nicht, dass der Staat alle
Religionsgemeinschaften schematisch gleich zu behandeln hat (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 19, 1, und in BVerfGE
19, 129). Bereits der Gesamtregelung des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV liegt eine
religionsverfassungsrechtliche Differenzierung insofern zugrunde, als die "altkorporierten", schon vor Erlass der
Weimarer Reichsverfassung als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften
diesen Rechtsstatus behalten (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV). Anderen Religionsgemeinschaften ist
gemäß Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV dieser Status auf Antrag zu verleihen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl
ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Die durch den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus begründeten
Unterschiede zu den privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften sind vor dem Hintergrund der im
Körperschaftsstatus zum Ausdruck kommenden besonderen Bedeutung dieser Religionsgemeinschaften für das
öffentliche Leben (vgl. oben II.3.b bb) sachlich begründet und verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz (Korioth in
Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 140 GG, Art. 137 WRV Rz 66; Weides, a.a.O., S. 888).
44 dd) Die Anknüpfung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und des § 4 Nr. 1 GrStG an den Körperschaftsstatus verletzt auch nicht
etwa deshalb Art. 3 Abs. 1 GG, weil es dem Kläger in unzumutbarer Weise erschwert wäre, trotz Erfüllung der
entsprechenden materiellen Voraussetzungen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen (vgl.
zu diesem Merkmal BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 19, 129, und vom 12. Dezember 1978 1 BvR 1168/77, KirchE 17,
128, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1979, 159).
45 (1) Soweit der Kläger geltend macht, er könne nach seinem religiösen Selbstverständnis nicht Körperschaft des
öffentlichen Rechts werden, erschließen sich aus seinem Vorbringen die hierfür maßgebenden Gründe nicht. Mit dem
Hinweis darauf, dass der Islam keine Hierarchie ausbilde und der Staat kaum auf rechtlich handlungsfähige und zur
Vertretung der islamischen Glaubensangehörigen in einem bestimmten Gebiet legitimierte Verbände als
Verhandlungspartner stoße, sind im religiösen Selbstverständnis des Islam liegende zwingende Ausschlussgründe
zur Erlangung des Körperschaftsstatus nicht hinreichend belegt. Insoweit schränkt der Kläger sein diesbezügliches
Vorbringen selbst dahingehend ein, dass es der islamischen Glaubensgemeinschaft "eher fremd" sei, den
Körperschaftsstatus anzustreben. Gegen eine nach dem religiösen Selbstverständnis des Islam ausgeschlossene
Erlangung des Körperschaftsstatus spricht zudem, dass in den letzten Jahrzehnten zahlreiche --wenn auch letztlich
erfolglose-- Anträge muslimischer Vereinigungen auf Erlangung des Körperschaftsstatus gestellt worden sind (vgl.
Antworten der Bundesregierung, BTDrucks 14/4530, S. 34 ff. und BTDrucks 16/5033, S. 26 f.).
46 (2) Der Kläger hat sich zudem --im Gegensatz zu seinem Vorbringen, sein religiöses Selbstverständnis sei mit einer
körperschaftlichen Struktur unvereinbar-- als eingetragener Verein und damit als Körperschaft (Palandt/Heinrichs,
Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010, Einf. v. § 21 Rz 14), organisiert. Insoweit ist vom Kläger nichts dazu
vorgetragen, aus welchen konkreten Gründen auf der Grundlage dieser Organisationsstruktur die Erlangung des
Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgeschlossen sein sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Verleihung des Körperschaftsstatus nicht "an den Islam", sondern unabhängig von der Organisation und dem
Organisationsgrad anderer islamischer Gemeinschaften im Bundesgebiet nur an eine konkrete islamische
Gemeinschaft erfolgen kann (St. Mückl in Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 2009, § 159 Rz 105).
47 (3) Weiter gehende Berechtigungen des Klägers lassen sich auch nicht daraus ableiten, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG --
über den Charakter eines individuellen Abwehrrechts hinausgehend-- auch in einem positiven Sinne gebieten, "Raum
für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf
weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern" (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 41, 29). Daraus ergibt sich nicht, dass
dem Einzelnen oder der Religionsgemeinschaft Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen garantiert werden
(BVerfG-Beschluss in BVerfGE 123, 148; Kokott in Sachs, a.a.O., Art. 4 Rz 70, m.w.N.); dies muss auch für die vom
Kläger begehrte Grundsteuerbefreiung gelten.
48 ee) § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG verletzen auch nicht den besonderen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3
GG, nach dem niemand u.a. wegen seiner religiösen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Art. 3
Abs. 3 GG verbietet eine Ungleichbehandlung auf Grund der hier aufgeführten Merkmale, schließt jedoch
sachbezogene Differenzierungen in Anknüpfung an religiöse oder weltanschauliche Sachverhalte nicht aus (Kästner
in Dolzer/Vogel/Graßhof (Hrsg.), BK, Art. 140 Rz 144). Nach diesen Maßstäben sind Befreiungsregelungen des
staatlichen Steuerrechts, die --wie § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG-- nach dem Körperschaftsstatus der
Religionsgemeinschaft differenzieren, verfassungsrechtlich zulässig. Eine "Bewertung einer Konfession" findet
insoweit --entgegen dem Vorbringen des Klägers-- aufgrund der religiös-weltanschaulich neutralen Ausgestaltung der
vorgenannten Befreiungsregelungen nicht statt.
49 c) Die den jüdischen Kultusgemeinden gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG gewährte Steuerbefreiung
verletzt den Kläger ebenfalls nicht in seinem Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG). Dies gilt selbst dann,
wenn man, da Grundbesitz von Religionsgemeinschaften verschiedener Konfessionen ungleich besteuert wird,
insoweit den strengeren Prüfungsmaßstab des besonderen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 3 GG) anlegt. Die Befreiung
des Grundbesitzes jüdischer Kultusgemeinden war zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
zwingend erforderlich.
50 aa) Den jüdischen Kultusgemeinden wurde bereits durch preußisches Gesetz über die Verhältnisse der Juden vom
23. Juli 1847 (Preußische Gesetzessammlung --GS-- 1847, S. 263) der Status als öffentlich-rechtliche
Religionsgemeinschaft eingeräumt (RG-Urteil vom 7. Juli 1931 III 414/30, RGZ 133, 192), womit auch eine
Grundsteuerbefreiung verbunden war (vgl. § 24 Buchst. g des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli
1893, GS 1893, S. 152; Nöll/Freund, Das Kommunalabgabengesetz, 1910, § 24 Rz 22; Scholz, Grundsteuergesetz,
Kommentar, 2. Aufl. 1954, § 4 Rz 60). Dieser Status wurde ihnen von den Nationalsozialisten durch das Gesetz über
die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28. März 1938 (RGBl I 1938, 338) wieder aberkannt,
was den Verlust der Grundsteuerbefreiung zur Folge hatte (vgl. bereits Richtlinien für die Durchführung der
Grundsteuer vom 19. Juli 1937, Nr. 26 Abs. 4, abgedruckt bei Dziegalowski, Grundsteuergesetz vom 1. Dezember
1936 mit Durchführungsbestimmungen, 1937, S. 277). Dieser Verlust des Körperschaftsstatus wurde durch die
Bundesrepublik Deutschland im Grundsteuerrecht --ebenso im Erbschaftsteuerrecht (s. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. a
des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes)-- wieder rückgängig gemacht, indem der Grundbesitz der
jüdischen Kultusgemeinden ausdrücklich neben dem Grundbesitz der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften
befreit wurde (vgl. GrStG vom 10. August 1951, BGBl I 1951, 515 und Änderungsgesetz vom 24. August 1965, BGBl I
1965, 905). Die Erwähnung der jüdischen Kultusgemeinden und ihrer Verbände in der Gesetzesfassung des
vormaligen § 4 Nr. 5 Buchst. b und c des GrStG i.d.F. des Gesetzes vom 10. August 1951, a.a.O. --als
Vorgängerregelungen des jetzigen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrStG-- wurde zur Beseitigung des ihnen angetanen
Unrechts als erforderlich angesehen, "solange ihre formelle Anerkennung als öffentlich-rechtliche
Religionsgesellschaft noch nicht in allen Ländern wieder erfolgt ist" (BTDrucks I/1787, S. 9).
51 bb) Aus dieser Vorgeschichte ergibt sich, dass trotz der ausdrücklichen Erwähnung der jüdischen Kultusgemeinden in
§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Nr. 1 GrStG diesen kein Sonderprivileg gegenüber den übrigen nichtkorporierten
Religionsgemeinschaften verschafft werden sollte. Der Gesetzgeber wollte daher nicht --wie der Kläger meint-- die
Befreiung auch solchen Religionsgemeinschaften zukommen lassen, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung den
Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht anstreben.
52 cc) Hinzu kommt, dass die Aberkennung des Körperschaftsstatus durch die Nationalsozialisten inzwischen für nichtig
gehalten wird (vgl. BVerwG-Urteil vom 15. Oktober 1997 7 C 21/96, BVerwGE 105, 255, unter Verweis auf den
Beschluss des BVerfG zur Nichtigkeit der Ausbürgerung jüdischer Staatsangehöriger vom 14. Februar 1968 2 BvR
557/62, BVerfGE 23, 98). Die damit zumindest für bereits im Jahr 1938 bestehende jüdische Kultusgemeinden
überflüssig gewordene ausdrückliche Befreiung des Grundbesitzes relativiert die Gegenüberstellung von jüdischen
Kultusgemeinden und islamischen Religionsgemeinschaften und führt letztlich zurück zur --gerechtfertigten--
Begünstigung von korporierten Religionsgemeinschaften im Vergleich zu den nichtkorporierten (vgl. oben II.3.b).
53 d) Nicht zu folgen ist dem Kläger schließlich darin, der Gesetzgeber habe seine Grundentscheidung, Grundbesitz
unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Eigentümers mit Grundsteuer zu belasten, nicht folgerichtig
umgesetzt, wenn er die Befreiung an die Gemeinnützigkeit oder den Körperschaftsstatus knüpfe. Insoweit missversteht
er die Einordnung der Grundsteuer als Realsteuer (§ 3 Abs. 2 AO).
54 aa) Für Real- oder Objektsteuern ist charakteristisch, dass sie das Steuerobjekt ohne Rücksicht auf die persönlichen
Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönliche Beziehung zum Steuerobjekt erfassen und bei denjenigen erhoben
werden, denen diese Gegenstände zuzurechnen sind (BVerfG-Beschluss vom 18. Februar 2009 1 BvR 1334/07, HFR
2009, 611, NJW 2009, 1868, m.w.N.). Die Grundsteuer belastet demgemäß das bloße Innehaben von Grundbesitz und
greift damit auf die durch den Besitz sogenannten fundierten Einkommens vermittelte (abstrakte) Leistungskraft zu
(BVerfG-Beschluss vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, BStBl II 1984, 72; BFH-Urteil vom 22.
Juli 1987 II R 204/84, BFHE 150, 285, BStBl II 1987, 725), ohne jedoch die persönlichen Verhältnisse des
Eigentümers, die Ausdruck seiner persönlichen Leistungsfähigkeit sein können, tatbestandlich zur Kenntnis zu
nehmen. Es werden daher beispielsweise weder das selbstgenutzte Wohneigentum verschont (BFH-Entscheidungen
vom 12. Oktober 2005 II B 36/05, BFH/NV 2006, 369; vom 19. Juli 2006 II R 81/05, BFHE 213, 222, BStBl II 2006, 767)
noch familiäre Verhältnisse (z.B. Anzahl der Kinder) berücksichtigt (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2002 II B
44/02, BFH/NV 2003, 508).
55 bb) Das schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber Grundsteuerbefreiungen an Eigenschaften des Eigentümers knüpft,
die nicht Ausdruck der persönlichen Leistungsfähigkeit sind. Tatsächlich heben fast alle Grundsteuerbefreiungen --
teilweise kombiniert mit sachlichen Kriterien-- auf ein solches Merkmal des Grundstückseigentümers ab. Neben der
hier streitigen Befreiung von Grundbesitz der "Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts
sind", und der "jüdischen Kultusgemeinden" (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 und § 4 Nr. 1 GrStG) entlastet der
Gesetzgeber z.B. auch den Grundbesitz einer "juristischen Person des öffentlichen Rechts" (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
und Nr. 3 GrStG), das "Bundeseisenbahnvermögen" (Nr. 2) oder Grundbesitz eines "Krankenhauses" (§ 4 Nr. 6
GrStG). Lediglich einzelne Grundsteuerbefreiungen setzen ausschließlich eine bestimmte Nutzung des Grundstücks
voraus, so z.B. bei den "Bestattungsplätzen" (§ 4 Nr. 2 GrStG), den "dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen" (§ 4
Nr. 3 Buchst. a GrStG) oder dem "Grundbesitz, der für Zwecke der Wissenschaft ... genutzt wird" (§ 4 Nr. 5 GrStG). Mit
der Steuerbefreiung des Grundbesitzes der korporierten Religionsgemeinschaften und jüdischen Kultusgemeinden
wird somit das Realsteuerprinzip nicht systemwidrig umgesetzt. Es kann daher unerörtert bleiben, ob ein solcher
Verstoß überhaupt die Verfassung verletzen kann und der Kläger aus einem solchen Verstoß einen Anspruch auf die
begehrte Steuerbefreiung ableiten könnte.
56 cc) Im Übrigen berücksichtigt der Kläger bei seinem Einwand nicht ausreichend die verfassungsrechtlich verankerte
Grundkonzeption der Grundsteuer einschließlich ihrer Steuerbefreiungen. Denn bereits aus der Erwähnung einer
Steuerart in Art. 106 GG ist zu schließen, dass der Verfassungsgeber die jeweilige Steuer nicht in allen Einzelheiten,
aber doch in ihrer üblichen Ausgestaltung und ihrer historisch gewachsenen Bedeutung billigt und als zulässige Form
des Steuerzugriffs anerkennt (vgl. zur Erhebung der Gewerbesteuer bei Verschonung der Freiberufler: BFH-Urteil vom
18. September 2003 X R 2/00, BFHE 203, 263, BStBl II 2004, 17, m.w.N.). Zu den vom Verfassungsgeber
vorgefundenen und aufgenommenen Steuern gehört auch die Grundsteuer (Art. 106 Abs. 6 GG) einschließlich des in
§§ 3 und 4 GrStG enthaltenen Befreiungskatalogs, der in seinen Grundstrukturen --unter Berücksichtigung der
Einbettung in die jeweilige Rechtsordnung-- bereits lange vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bestand (vgl. z.B.
zur Befreiung des Grundbesitzes der korporierten Religionsgemeinschaften in Preußen: § 4 Buchst. e des Gesetzes
betreffend die anderweitige Regelung der Grundsteuer vom 21. Mai 1861, GS 1861, S. 253, § 24 Buchst. g des
Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893, GS 1893, S. 152, und § 4 Nr. 5 GrStG vom 1. Dezember 1936, RGBl I
1936, 986). Dieser verfassungsrechtliche Rahmen kann nicht nachträglich mit allgemeinen Strukturerwägungen
beiseite geschoben werden.