Urteil des BFH vom 10.05.2007

BFH (1995, tochtergesellschaft, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, treu und glauben, kapitalgesellschaft, höhe, verhältnis zu, europäische union, bundesrepublik deutschland, auskunft)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 7.11.2007, I R 41/05
Sperrbetrag bei Aufwärtsverschmelzung
Leitsätze
1. Wird eine Tochterkapitalgesellschaft, die Inhaberin von sperrbetragsbehafteten Anteilen einer anderen Kapitalgesellschaft
ist, im Zuge einer sog. Aufwärtsverschmelzung auf ihre "Mutter"-Personengesellschaft verschmolzen, ist bei der Ermittlung
des Verschmelzungsgewinns der Personengesellschaft (§ 4 Abs. 4, 5 UmwStG 1995) ein sog. Sperrbetrag nach § 50c Abs. 7
EStG 1990 (i.d.F. des StandOG)/EStG 1997 zu berücksichtigen (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25. März 1998, BStBl I
1998, 268, Tz. 04.25) .
2. Die Berücksichtigung des sog. Sperrbetrages im Zuge einer derartigen Aufwärtsverschmelzung berührt vorwiegend die
Ausübung der Niederlassungsfreiheit i.S. des Art. 52 EGV. Sollte der Sperrbetrag zugleich zu Beschränkungen des freien
Kapitalverkehrs führen, wären derartige Auswirkungen die unvermeidliche Folge der Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit. Sie rechtfertigten keine Prüfung im Hinblick auf Art. 73b EGV (Anschluss an EuGH-Beschluss vom 10.
Mai 2007 Rs. C-492/04 "Lasertec", IStR 2007, 439) .
Tatbestand
1
I. Die Beteiligten streiten über den Ansatz eines sogenannten Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 und 4 des
Einkommensteuergesetzes 1990/1997 (EStG 1990/1997) bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses gemäß § 4
Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) im Rahmen einer im Jahre 1995 vollzogenen
Verschmelzung. Streitjahre sind die Jahre 1995 bis 1997.
2
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde am 20. November 1995 als Offene Handelsgesellschaft unter
der Firma "XY-Ltd. & Co." mit Sitz im Inland errichtet. Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 19. Dezember 1995 erwarb
sie von einer niederländischen Kapitalgesellschaft, der X-B.V., alle Geschäftsanteile an einer inländischen GmbH, der
ehemaligen YZ-GmbH ("Tochtergesellschaft"). Die Tochtergesellschaft war zu diesem Zeitpunkt alleinige
Gesellschafterin einer weiteren inländischen GmbH, der ehemaligen X-Bank GmbH ("Enkelgesellschaft"). Diese
Anteile hatte die Tochtergesellschaft von einer nach damaliger Rechtslage nicht zur Anrechnung von
Körperschaftsteuer berechtigten schweizerischen Kapitalgesellschaft, der Y-AG, am 31. Dezember 1993 erworben.
Dieser Erwerb führte bei den Anteilen an der Enkelgesellschaft zu einem Sperrbetrag i.S. des § 50c Abs. 1 und 4 EStG
1990/1997 in Höhe von 44 126 427 DM.
3
Mit Verschmelzungsverträgen vom 29. August 1996 wurden zunächst die Enkelgesellschaft auf die
Tochtergesellschaft und anschließend die Tochtergesellschaft auf die Klägerin verschmolzen (Gesamtrechtsnachfolge
im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme). Steuerrechtlicher Umwandlungsstichtag war in beiden Fällen der 31.
Dezember 1995. Die Eintragung der Verschmelzungen im Handelsregister erfolgte in 1997.
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Vor dem Abschluss der Verschmelzungsverträge hatte die Tochtergesellschaft mit Antrag vom 24. Januar 1995 bei
dem für sie zuständigen FA F die Erteilung einer verbindlichen Auskunft hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen
der geplanten gesellschaftlichen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere der Auswirkungen der Verschmelzung
auf den Sperrbetrag, beantragt. Nach weiteren Sachverhaltsermittlungen teilte das FA F mit Schreiben vom 21. August
1996 mit, dass die formellen Voraussetzungen für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft (Schreiben des
Bundesministers der Finanzen vom 24. Juni 1987, BStBl I 1987, 474) nicht erfüllt seien; die künftige steuerliche
Behandlung des Sachverhalts sei rechtlich nicht zweifelhaft, da die im Antrag aufgeworfenen Rechtsfragen durch den
Gesetzeswortlaut eindeutig im Sinne der von der Tochtergesellschaft vertretenen Rechtsauffassung beantwortet
würden.
5
Im Rahmen der die Klägerin betreffenden gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte wurde das
Übernahmeergebnis aus der Verschmelzung (§ 4 Abs. 4 UmwStG 1995, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des
Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) im ersten der drei Streitjahre (in 1995) erfasst. Abweichend von der
Feststellungserklärung (Verlust in Höhe von 206 312 DM) ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt --FA--) unter Ansatz eines Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 und 4 EStG 1990/1997 von 44 126 427 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 15 870 545 DM. In der Folge (Korrektur der Aufstockung der Buchwerte in
Höhe von 28 049 570 DM) entfiel die Absetzung für Abnutzung aus den Ergänzungsbilanzen für 1996 (1 858 792 DM)
und 1997 (1 811 449 DM). Später kam es zu einer Änderung der Feststellung, die zu Einkünften aus Gewerbebetrieb
für 1995 in Höhe von 16 806 024 DM (und einer Korrektur der Aufstockung der Buchwerte um 27 114 091 DM mit
Folgewirkungen auf 1996 und 1997) führte.
6
Die Klage wurde vom Hessischen Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 2. März 2005 4 K 3876/01 abgewiesen
(abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1206).
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Bescheide in der Weise abzuändern,
dass in 1995 eine Hinzurechnung eines Sperrbetrages i.S. des § 50c EStG 1990/1997 in Höhe von 44 126 427 DM
unterbleibt und ergänzungsbilanzielle Verluste aus der Auflösung des zum 31. Dezember 1995 ohne
Sperrbetragshinzurechnung bestehenden Mehrvermögens von 27 114 091 DM für 1996 in Höhe von 1 858 752 DM
und für 1997 in Höhe von 1 811 449 DM abgezogen werden, hilfsweise, dem Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob die Kapitalverkehrsfreiheit dahingehend
auszulegen ist, dass die Erhöhung eines Übernahmegewinns europarechtswidrig ist, die als Folge des Ansatzes
eines Sperrbetrages entsteht.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
10 Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen --BMF-- hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
11 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Bei der
Berechnung des Übernahmeergebnisses der Klägerin war ein Sperrbetrag (§ 50c Abs. 1 und 4 EStG 1990/1997) zu
berücksichtigen.
12 1. Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1997 kann ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter
Steuerpflichtiger, der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder in dem Zeitpunkt der Gewinnminderung
unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (u.a.)
erwirbt, Gewinnminderungen, die (u.a.) durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts im Jahr des Erwerbs oder in
einem der folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigen, soweit der Ansatz des
niedrigeren Teilwerts nur auf Gewinnausschüttungen (u.a.) zurückgeführt werden kann und die Gewinnminderungen
insgesamt den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils (sogenannter
Sperrbetrag, vgl. § 50c Abs. 4 EStG 1990/1997) nicht übersteigen. Dieser (begrenzten) Nichtberücksichtigung einer
Gewinnminderung liegt in erster Linie die Zielsetzung zugrunde, in Fällen der Veräußerung einer Beteiligung durch
einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (vgl. § 51 des Körperschaftsteuergesetzes 1991 i.V.m. § 20 Abs. 1
Nrn. 1 bis 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990/1997) die "Abgeltung" des Körperschaftsteuerguthabens über den Kaufpreis
zu sanktionieren und dadurch aus Sicht des Anrechnungsverfahrens missbräuchlichen Gestaltungen
entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 8/3648, S. 22 ff.; BTDrucks 8/4157, S. 5 f.). Da der Veräußerungsgewinn der
inländischen Besteuerung regelmäßig entzogen ist, wird, um dieses Regelungsziel durchzusetzen, in gewisser Weise
systemwidrig verfahren und nicht an die Besteuerung des nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerers, sondern
an die Gewinnermittlung des anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen angeknüpft, indem der ausschüttungs- oder
abführungsbedingte Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei diesem unberücksichtigt bleibt. Die Belastung der Erträge
mit Körperschaftsteuer während der Besitzzeit des Nichtanrechnungsberechtigten wird dadurch bei dem
(anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv; die Einmalbesteuerung im Inland wird sichergestellt
(Senatsurteile vom 17. Mai 2000 I R 19/98, BFHE 192, 282, BStBl II 2000, 619; vom 22. Februar 2006 I R 120/04,
BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321). Um die Rechtsfolge der Nichtabziehbarkeit einer gewinnausschüttungsbedingten
Gewinnminderung sicherzustellen, wird der Sperrbetrag bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen (des Erwerbers)
formlos berechnet, den erworbenen Anteilen zugeordnet und für die Dauer der Sperrzeit fortgeschrieben.
13 2. Die Voraussetzungen für die Bildung eines Sperrbetrages waren im Streitfall im Augenblick des Erwerbs der Anteile
der Enkelgesellschaft durch die Tochtergesellschaft von der nicht anrechnungsberechtigten schweizerischen
Gesellschaft erfüllt. Darüber besteht unter den Beteiligten kein Streit. Der Sperrbetrag, der den Anteilen der
Enkelgesellschaft anhaftete, ist bei der ohne Ausgabe neuer Anteile vollzogenen Verschmelzung der
Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft nicht gemäß § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 (i.d.F. vor dem Inkrafttreten des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 --StEntlG 1999/2000/2002-- vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I
1999, 304 --UmwStG 1995 a.F.--) auf die Anteile der Tochtergesellschaft "verlagert" worden.
14 a) Im Dritten Teil des Umwandlungssteuergesetzes 1995 zur Verschmelzung oder Vermögensübertragung
(Vollübertragung) auf eine andere Körperschaft bestimmt § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 a.F. zur Besteuerung der
Gesellschafter der übertragenden Körperschaft, dass in den Fällen der Abs. 1 und 3 (Buchwertverknüpfung bei zu
einem Betriebsvermögen gehörenden Anteilen bzw. bei sogenannten einbringungsgeborenen Anteilen) die
Rechtsfolge des § 50c EStG 1990/1997 "auch auf die Anteile anzuwenden (ist), die an die Stelle der Anteile an der
übertragenden Kapitalgesellschaft treten". Der Gesetzgeber geht dabei, wie der Wortlaut des § 13 Abs. 1, 3 UmwStG
1995 a.F. zeigt, davon aus, dass die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft für ihre Anteile an der
übertragenden Körperschaft Anteile an der übernehmenden Körperschaft erhalten. So spricht Abs. 1 Satz 1 von der
Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft und der Anschaffung der "an ihre Stelle tretenden
Anteile"; Abs. 3 Satz 2 bezieht sich auf "die erworbenen Anteile", die "an die Stelle der hingegebenen Anteile" treten.
Indem Abs. 4 auf Abs. 1, 3 verweist, wird diese gegenständliche Betrachtung auch für Abs. 4 nachvollzogen. § 13 Abs.
4 UmwStG 1995 a.F. hat damit nach seinem Wortlaut zum Gegenstand, dass für die Besteuerung der Gesellschafter
der übertragenden Körperschaft in dem Fall, dass an die Stelle der (alten) Anteile der übertragenden
Kapitalgesellschaft (neue) Anteile der übernehmenden Kapitalgesellschaft treten, der bestehende Sperrbetrag auf die
neuen Anteile übergeht. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig; er lässt das vom FA vorgeschlagene "inhaltliche
Verständnis des Anteilsbegriffs" nicht zu.
15 Auf dieser Grundlage ist § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 a.F. nicht anwendbar, wenn bei einer Verschmelzung --wie hier
bei einer Aufwärtsverschmelzung auf eine Muttergesellschaft-- keine neuen Anteile ausgegeben werden; ein § 50c
EStG-Sperrbetrag würde dann entfallen. Dieses Regelungsverständnis wird vom FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.
Januar 2005 1 K 2976/01, EFG 2005, 1707) sowie von der weit überwiegenden Auffassung im Schrifttum geteilt (vgl.
z.B. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 4 UmwStG Rz 352 ff., § 13 UmwStG Rz 190, 197; ders. in
Crezelius u.a. [Hrsg.], Freundesgabe für F.J. Haas, 1996, S. 421, 435 f.; van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/ van
Lishaut, UmwStG, 2007, § 4 Rz 101; Klingberg in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 13 UmwStG Rz 26; Schmitt in
Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 4. Aufl., § 13 UmwStG Rz 53; Bärwaldt in Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl., §
13 Rz 39, 42; Sagasser in Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 3. Aufl., Kap. L Rz 48; Frotscher in
Frotscher/Maas, KStG/UmwStG, § 13 UmwStG Rz 2a; Jakobs in Lademann, EStG, § 13 UmwStG Rz 34; Engl in
Hommelhoff u.a. [Hrsg.], Festschrift für W. Müller, 2001, S. 279, 289 f.; Schiessl/Hübner, Betriebs-Berater --BB-- 2006,
1533; Rödder, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 1205; ders., Finanz-Rundschau --FR-- 1999, 1, 13 f.; Weber,
GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1996, 334, 339; Zimmermann/Rech, GmbHR 1997, 721, 724; Herzig/Förster, Der
Betrieb --DB-- 1998, 438, 446; Schulz, DStR 1998, Beilage zu Heft 17, 15; Prinz, FR 1998, 1105, 1118 f.;
Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565; a.A. --neben der Verwaltungspraxis, vgl. BMF-Schreiben vom 25. März 1998,
BStBl I 1998, 268, Tz. 04.25-- Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 13 UmwStG nF Rz 31 f. und §
50c EStG Rz 120a; ders., DB 1998, 1029, 1033; s.a. Wochinger, FR 1999, 1, 14).
16 b) Die Vorinstanz hat allerdings eine rechtsanaloge Anwendung des § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 a.F. in Betracht
gezogen und sich damit gegen die auch insoweit einhellige Auffassung im Schrifttum gestellt (z.B. Widmann in
Widmann/Mayer, a.a.O., § 13 UmwStG Rz 200; Klingberg in Blümich, a.a.O., § 13 UmwStG Rz 26; Schmitt in
Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 13 UmwStG Rz 47, 53; Bärwaldt in Haritz/Benkert, a.a.O., § 13 Rz 42; Patt in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 13 UmwStG Rz R 2; Sagasser in Sagasser/Bula/Brünger, a.a.O., Kap. L Rz
48; Engl in Hommelhoff, a.a.O., S. 289 f.; Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565, 569 und 571; Schiessl/Hübner, BB
2006, 1533, 1535 f.; s. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil in EFG 2005, 1707; IdW-Steuerfachausschuss, Die
Wirtschaftsprüfung 1999, 26, 34; Oberfinanzdirektion --OFD-- Frankfurt, Verfügung vom 5. April 2004, Steuererlasse in
Karteiform --StEK--, Umwandlungssteuergesetz 1995 § 14 Nr. 2). Im Streitfall muss darüber nicht entschieden werden.
17 3. Denn eine Berücksichtigung des Sperrbetrages bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der Klägerin (§ 4
Abs. 5 UmwStG 1995 a.F.) folgt jedenfalls aus § 50c Abs. 7 EStG 1990/1997.
18 a) § 50c Abs. 7 EStG 1990 (i.d.F. des Standortsicherungsgesetzes --StandOG-- vom 13. September 1993, BGBl I 1993,
1569, BStBl I 1993, 774)/1997 unterwirft ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen aus Anteilen an einer
Tochtergesellschaft, die ihrerseits Erwerberin i.S. des § 50c EStG 1990/1997 ist, den Rechtsfolgen dieser Vorschrift.
Damit sollte insbesondere eine Fallgestaltung getroffen werden, bei der zwischen dem nichtanrechnungsberechtigten
Anteilsveräußerer und dem anrechnungsberechtigten Erwerber eine anrechnungsberechtigte Person
zwischengeschaltet wurde, die --vom Erwerber durch Einlagen ausgestattet-- die Beteiligung erwarb und dann die von
ihr im Erwerbspreis der Anteile mitbezahlten Dividenden an den Erwerber weiter ausschüttete (BTDrucks 12/5016, S.
89 f.). Neben den Gewinnminderungen durch den (ausschüttungsbedingten) Ansatz des niedrigeren Teilwerts hinaus
ist vom sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift eine Gewinnminderung bei der Muttergesellschaft erfasst, die
bei Auflösung oder Herabsetzung des Nennkapitals der Tochtergesellschaft entsteht, soweit sie darauf
zurückzuführen ist, dass "Gewinnausschüttungen im Sinne des Absatzes 1 weitergeleitet worden sind".
19 b) Zu dieser zuletzt angeführten Variante der Regelung wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die
Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft der Auflösung der Tochtergesellschaft gleichgestellt
werden könne (s. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, a.a.O., § 4 Rz 101; ders., Umwandlungssteuerrecht,
2. Aufl., S. 44; wohl auch Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 120a; Weber, GmbHR 1996, 334,
339; OFD Frankfurt in StEK Umwandlungssteuergesetz 1995 § 14 Nr. 2). Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass
die dem Grundtatbestand des § 50c EStG 1990/1997 zugrunde liegende Anknüpfung an eine Ausschüttung (s. § 50c
Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1997) --die auch aus dem Wortlaut des § 50c Abs. 7 Satz 1 EStG 1990 i.d.F. des
StandOG/1997 durch die Bezugnahme auf eine Weiterleitung einer Ausschüttung abzuleiten ist-- im Falle der
Verschmelzung fehle (Widmann in Freundesgabe F.J. Haas, a.a.O., S. 421, 432 ff., insbes. 435; Zimmermann/Rech,
GmbHR 1997, 721, 724; Bärwaldt in Haritz/Benkert, a.a.O., § 13 UmwStG Rz 40; Prinz, FR 1998, 1105, 1119; Rödder,
DStR 1998, 1205, 1208; Herzig/Förster, DB 1998, 438, 446 f.; Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565, 569).
20 c) Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung. Mit dem Wortsinn der Regelung als Auslegungsgrenze lässt es sich
noch vereinbaren, die Weiterleitung der Eigenkapitalteile im Zuge der Verschmelzung als "Weiterleitung von
Gewinnausschüttungen" zu erfassen. Denn die Gewinnausschüttungen sind Bestandteil des auf die
Muttergesellschaft übertragenen Vermögens. Mit diesem wirtschaftlichen Verständnis einer "Weiterausschüttung" wird
dem Zweck des § 50c EStG 1990/1997 Rechnung getragen, die Einmalbesteuerung der Dividende zu sichern, was
wiederum auch aus § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 abzuleiten ist (s. insbes. van Lishaut in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut,
a.a.O., § 4 Rz 101; s. insoweit auch Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 4 UmwStG Rz 260 ff.).
21 4. Die Höhe des Sperrbetrags bei der Tochtergesellschaft gemäß § 50c Abs. 1 und 4 EStG 1990/1997 ist unter den
Beteiligten nicht streitig. Die Vorinstanz hat dazu entschieden, dass jedenfalls der vom FA berücksichtigte Betrag bei
der Ermittlung des Übernahmeergebnisses der Klägerin anzusetzen ist. Wenn es nun --davon abweichend-- um einen
bei der Klägerin originär entstandenen Sperrbetrag i.S. des § 50c Abs. 7 EStG 1990 i.d.F. des StandOG/1997 geht, der
gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 zu berücksichtigen ist, beeinflusst dies die Höhe der Hinzurechnung jedoch nicht.
Denn für die Höhe des Sperrbetrags ist auf die Wertverhältnisse bei der Enkelgesellschaft abzustellen. Dies ergibt
sich aus dem Zweck der Regelung, die zur Umgehung des § 50c Abs. 1 EStG 1990/1997 entwickelten Gestaltungen
zu behindern (Widmann, Deutsche Steuer-Zeitung 1998, 368, 370; a.A. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c
EStG Rz 133).
22 5. Das Rechtsinstitut von "Treu und Glauben" steht dem Ansatz des Sperrbetrags nicht entgegen. Das FG hat ohne
Rechtsfehler entschieden, dass das FA durch die Auskunft des FA F nicht nach Maßgabe des Schreibens des
Bundesministers der Finanzen in BStBl I 1987, 474 gebunden war. Denn das FA F hatte ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass eine verbindliche Auskunft nicht erteilt werden sollte. Auch wenn die Weigerung, eine verbindliche
Auskunft zu erteilen, rechtsfehlerhaft gewesen sein sollte, hätte der Adressat die rechtlichen Möglichkeiten ergreifen
müssen, eine verbindliche Auskunft zu erhalten. Die eigene Überzeugung, einen Anspruch auf Erteilung einer
verbindlichen Auskunft mit einem bestimmten Inhalt zu haben, reicht als Grundlage für einen Vertrauensschutz nicht
aus.
23 6. Der Ansatz des Sperrbetrages begegnet keinen gemeinschafts- oder abkommensrechtlichen Bedenken.
24 a) Allerdings gewährleistet Art. 73b des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EGV-- (jetzt Art. 56
nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der
Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997 Nr. C-340, 1) die Freiheit des
Kapitalverkehrs auch im Verhältnis zu Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union (wie im Streitfall der Schweiz
als dem Sitzstaat der anteilsveräußernden, nichtanrechnungsberechtigten Kapitalgesellschaft). Auch ist nicht
auszuschließen, dass die Versagung der Teilwertabschreibung einen mittelbaren Eingriff in den Schutzbereich dieser
Vorschrift darstellt (vgl. Senatsurteil in BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321; Krebs/ Bödefeld, BB 2004, 407; Cordewener
in von Groll, Verluste im Steuerrecht, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft, Band 28
[2005], S. 254, 315; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 26. Aufl, § 50c Rz 2). Denn der Steuerpflichtige wird dem
Regelungswortlaut nach steuerlich unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob er Anteile an einer unbeschränkt
steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem anrechnungsberechtigten oder von einem
nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt. Gleichwohl ist der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nicht
eröffnet, weil die Klägerin aufgrund der Beteiligungsverhältnisse sowohl unmittelbar gegenüber der
Tochtergesellschaft als auch mittelbar gegenüber der Enkelgesellschaft einen beherrschenden Einfluss ausgeübt hat.
25 Nationale Vorschriften über den Besitz von Beteiligungen, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die
Entscheidungen der Beteiligungsgesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, fallen nach der
zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des EuGH vorwiegend in den sachlichen Geltungsbereich der
Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG). Das Ziel dieser
Bestimmungen besteht darin, die Niederlassungsfreiheit zugunsten der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu
gewährleisten, nicht aber der Angehörigen aus Drittstaaten. Sollte der Sperrbetrag zugleich zu Beschränkungen des
freien Kapitalverkehrs führen, wären derartige Auswirkungen die unvermeidliche Folge der Beschränkungen der
Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten keine Prüfung im Hinblick auf Art. 73b EGV (vgl. in diesem Sinne EuGH-
Beschluss vom 10. Mai 2007 Rs. C-492/04 "Lasertec", Internationales Steuerrecht --IStR-- 2007, 439 Tz. 18 ff.; vom 24.
Mai 2007 Rs. C-157/05 "Holböck", IStR 2007, 441 Tz. 22, dort jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung). Der hier in Rede
stehende § 50c Abs. 7 EStG 1990 i.d.F. des StandOG/1997 gilt seinen Regelungsvoraussetzungen und -wirkungen
nach zwar prinzipiell unabhängig von der Beteiligungshöhe und somit nicht nur für Direktinvestitionen, sondern auch
für Streubesitzanteile an einer Kapitalgesellschaft. Das betrifft jedoch nicht die hier konkret zu beurteilende
Konstellation der sog. Aufwärtsverschmelzung, in welcher § 50c Abs. 7 EStG 1990 i.d.F. des StandOG/1997 erst in
Zusammenhang mit § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 zur Anwendung gelangt. Das dadurch beabsichtigte Gestaltungsziel
setzt letztlich eine Beherrschungslage voraus. Darin unterscheidet sich der Sachverhalt beispielsweise von jenem,
über den der Senat in seinem Urteil vom 9. August 2006 I R 95/05 (BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279) zu befinden
hatte und bei dem deswegen die in Drittstaaten ausstrahlende Kapitalverkehrsfreiheit nicht von der
Niederlassungsfreiheit verdrängt wurde (entgegen BMF-Schreiben vom 21. März 2007, BStBl I 2007, 302).
26 Der erneuten Anrufung des EuGH bedarf es nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.",
EuGHE 1982, 3415). Die aufgezeigte Gemeinschaftsrechtslage ist jedenfalls für den hier zu beurteilenden
Sachverhalt zwischenzeitlich eindeutig. Sie entspricht den Aussagen des Urteils des EuGH in IStR 2007, 439 und war
damit bereits Gegenstand einer Auslegung durch diesen.
27 b) Dem Ansatz des Sperrbetrages bei der Besteuerung der Klägerin steht das abkommensrechtliche Verbot einer
Diskriminierung nach Maßgabe des Art. 25 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 --DBA-Schweiz-- (BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 519) nicht
entgegen. Danach dürfen Unternehmen eines Vertragsstaats, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder
mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer
Kontrolle unterliegt, keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die
anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere
ähnliche Unternehmen jenes Vertragsstaats unterworfen sind oder unterworfen werden können. Eine
diskriminierende Unterscheidung ist also nur insoweit verboten, als sie darauf beruht, dass im anderen Vertragsstaat
ansässige Personen an dem Unternehmen beteiligt sind oder es kontrollieren. Eine derartige Situation ist unter den
Gegebenheiten des § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990/1997 indes nicht zu beurteilen. Die Klägerin wird infolge dieser
Regelung keiner höheren Steuerbelastung unterworfen, weil die auf sie verschmolzene Tochtergesellschaft Anteile an
einer inländischen Kapitalgesellschaft von einer schweizerischen Gesellschaft erworben hat, sondern weil diese
Kapitalanteile von einem nicht i.S. von § 51 KStG 1991 i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990/1997
anrechnungsberechtigten Anteilseigner erworben hat (s. insoweit auch Senatsurteil in BFHE 213, 25, BStBl II 2007,
321).