Urteil des BAG vom 06.01.2015

Verwerfung der Berufung - Nichtzulassungsbeschwerde

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 6.1.2015, 6 AZB 105/14
Verwerfung der Berufung - Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsätze
Lässt das Landesarbeitsgericht in dem Beschluss, der die Berufung als unzulässig verwirft, die Revisionsbeschwerde nicht zu, ist hiergegen nach
§ 77 Satz 1 ArbGG die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft.
Tenor
1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde in dem Beschluss
des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. September 2014 - 4 Sa 23/14 - wird als unzulässig
verworfen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1 A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters sowie
über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den
Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht
wegen unzureichender Begründung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden als unzulässig verworfen. Es hat die
Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde.
2 B. Die Beschwerde ist unzulässig. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss, durch den das Landesarbeitsgericht eine
Berufung als unzulässig verwirft, ist gemäß § 77 Satz 1 ArbGG nicht statthaft. Zudem entspricht die Beschwerde nicht den Anforderungen
des § 72a Abs. 3 ArbGG.
3 I. Der Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben.
4 1. Gemäß § 77 Satz 1 ArbGG findet die Rechtsbeschwerde als Revisionsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, der
die Berufung als unzulässig verwirft, nur statt, wenn das Landesarbeitsgericht sie in dem Beschluss zugelassen hat. Für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 ArbGG nach § 77 Satz 2 ArbGG entsprechend. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist aufgrund dieses eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Vorgabe die Revisionsbeschwerde nicht eröffnet, wenn
das Landesarbeitsgericht - wie im vorliegenden Fall - sie nicht zugelassen hat. § 77 Satz 2 ArbGG verweist nur auf § 72 Abs. 2 ArbGG
und nicht auf die in § 72a ArbGG ausdrücklich geregelte Nichtzulassungsbeschwerde. § 72a ArbGG ist auch nicht entsprechend
anwendbar. Die in § 77 Satz 4 ArbGG in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde
(§§ 574 f. ZPO) sehen gegen die Nichtzulassung der Beschwerde eine Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht vor (BAG 23. Juni
2014 - 6 AZB 25/14 - Rn. 1; 5. September 2007 - 3 AZB 41/06 - Rn. 7; vgl. bereits BVerfG 10. August 1978 - 2 BvR 415/78 -; BAG
13. Januar 1975 - 5 AZB 2/75 -; 8. März 1978 - 2 AZB 32/77 -; 25. Oktober 1979 - 5 AZB 43/79 -; 8. November 1979 - 3 AZB 40/79 -;
23. Mai 2000 - 9 AZB 21/00 -; zu § 78 ArbGG 19. Dezember 2002 - 5 AZB 54/02 - zu II der Gründe, BAGE 104, 239). Die
Spezialregelung des § 77 ArbGG geht § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO vor. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Nichtzulassung der
Revisionsbeschwerde daher unanfechtbar.
5 2. Dieses Verständnis des § 77 ArbGG wird von der weit überwiegenden Mehrheit der Literatur geteilt (vgl. GMP/Müller-Glöge 8. Aufl.
§ 77 Rn. 9; GK-ArbGG/Mikosch Stand November 2014 § 77 Rn. 2, 7, 17; ErfK/Koch 15. Aufl. § 77 ArbGG Rn. 2; AR/Spelge 7. Aufl.
§ 77 ArbGG Rn. 4; HWK/Bepler 6. Aufl. § 77 ArbGG Rn. 5; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 77 Rn. 2; BeckOK ArbR/Klose
Stand 1. Dezember 2014 ArbGG § 77 Rn. 1; Schwab/Weth/Schwab ArbGG 4. Aufl. § 77 Rn. 13; Gross in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl.
§ 77 Rn. 1; GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 77 Rn. 2). Die dagegen von Ulrici geäußerten Bedenken (NZA 2014, 1245) geben keinen
Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung.
6 a) Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über die Eröffnung des Revisionsbeschwerdeverfahrens bewusst allein dem Landesarbeitsgericht
überlassen. Er hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Reform des Zivilprozesses mit Gesetz vom 27. Juli
2001 (BGBl. I S. 1887) keine Änderung des § 77 ArbGG vorgenommen, obwohl er sich dabei mit dem Rechtsbeschwerdeverfahren
befasst hat (BT-Drs. 14/4722 S. 69). Der Gesetzgeber hat auch anlässlich der Änderungen des Arbeitsgerichtsgesetzes durch das
Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) und das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des
Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) keine Verweisung in § 77 Satz 2 ArbGG auf § 72a ArbGG vorgenommen.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Ausschluss des Zugangs zum Rechtsbeschwerdegericht bei Nichtzulassung der
Revisionsbeschwerde bewusst und gewollt erfolgt ist. Durch das Änderungsgesetz vom 26. März 2008 wurde § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2
Revisionsbeschwerde bewusst und gewollt erfolgt ist. Durch das Änderungsgesetz vom 26. März 2008 wurde § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2
ArbGG dahin gehend abgeändert, dass die Verwerfung der Berufung nicht mehr durch Beschluss der Kammer, sondern durch den
Vorsitzenden erfolgt. Da § 77 Satz 1 ArbGG an eben diese Entscheidung anknüpft, ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber sich mit dem
Verfahren bei Unzulässigkeit der Berufung im Rahmen der Überarbeitung des Arbeitsgerichtsgesetzes auseinandergesetzt hat. Zur
Begründung der Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden wurde dabei angeführt, dass bei der Verwerfung einer unzulässigen
Berufung nicht materielle Rechtsfragen, sondern formale Kriterien im Vordergrund der Prüfung stünden (BT-Drs. 16/7716 S. 25). Durch
die Nichtbeteiligung der ehrenamtlichen Richter werde eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erreicht (BT-Drs. 16/7716
S. 14; vgl. hierzu BAG 5. Oktober 2010 - 5 AZB 10/10 - Rn. 6, BAGE 135, 372). Die fehlende Verweisung auf § 72a ArbGG in § 77
ArbGG entspricht diesen Zielsetzungen. Der von Ulrici erhobene Einwand, dass der durch das Anhörungsrügengesetz zum 1. Januar 2005
eingeführte Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG damit leerliefe (NZA 2014, 1245, 1248),
trägt nicht. Verletzungen des rechtlichen Gehörs können nach § 78a ArbGG korrigiert werden.
7 b) Der Ausschluss des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in § 77 ArbGG verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.
8 aa) Das Grundgesetz sichert im Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG wie auch in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 20
Abs. 3 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG) die Eröffnung des Rechtswegs. Die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete
Rechtsverletzungen gewährleistet jedoch keinen Rechtsweg über mehrere Instanzen hinweg. Das Rechtsstaatsprinzip fordert, dass jeder
Rechtsstreit um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen irgendwann ein Ende findet. Wann dies der Fall ist, entscheidet das
Gesetz. Insofern reicht es grundsätzlich aus, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen
Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu
entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie
angerufen werden können (st. Rspr., vgl. BVerfG 24. Juni 2014 - 1 BvR 2926/13 - Rn. 32; 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107,
395). Hat der Gesetzgeber sich jedoch für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordung
dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender
Weise erschwert werden. Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht
ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfG 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 - Rn. 19). Gegebenenfalls
ist im Wege der Verfassungsbeschwerde zu überprüfen, ob das Fachgericht ein grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel unter Verletzung des
Justizgewährungsanspruchs ineffektiv gemacht hat (vgl. zur Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO BVerfG
17. September 2014 - 2 BvR 64/12 - Rn. 26; 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 17). Wird in einem Urteil von der gesetzlich
vorgesehenen Möglichkeit der Zulassung der Revision kein Gebrauch gemacht, so verstößt dies auch gegen die Gewährleistung des
gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sich die Entscheidung insoweit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang
zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (BVerfG 23. April 2014 - 1 BvR 2851/13 - Rn. 22). In Betracht kommt auch ein Verstoß gegen
Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot (vgl. BVerfG 28. Juli 2014 - 1 BvR 1925/13 - Rn. 12 f.). Das Grundgesetz gibt
dem Berufungskläger, dessen Berufung als unzulässig verworfen wurde, daher keinen Anspruch auf die Möglichkeit des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Etwaige Verfassungsverstöße des Berufungsgerichts sind im Rahmen einer
Verfassungsbeschwerde geltend zu machen.
9 bb) Die Ausgestaltung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in § 77 iVm. § 66 Abs. 2 ArbGG verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2
GG.
10 (1) Dieses prozessuale Grundrecht schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von
Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, indem es eine sachfremde Einflussnahme auf die rechtsprechenden Organe verbietet. Adressaten
des Verbots sind neben der Exekutive auch die Judikative und die Legislative. Für den Gesetzgeber folgt aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
die Pflicht, Normen, die gerichtliche Zuständigkeiten bestimmen, so zu fassen, dass aus ihnen der im Einzelfall zuständige Richter
möglichst eindeutig erkennbar wird. Dabei darf ein Gesetz, mit dem das zuständige Gericht bezeichnet wird, durchaus
auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden, sofern es unzulässigen Einflüssen generell vorbeugen kann (BVerfG 14. Juni 2007
- 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05 - Rn. 106, BVerfGE 118, 212; 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 - zu C I 4 der Gründe, BVerfGE 95, 322). Der
Gesetzgeber kann dem Richter daher im gesetzlich vorgegebenen Rahmen einen Ermessenspielraum einräumen (vgl. Pieroth in
Jarass/Pieroth GG 13. Aufl. Art. 101 Rn. 9 mwN; kritisch zum Ermessen der Übertragung auf einen Einzelrichter Classen in
v. Mangoldt/Klein/Starck GG III 6. Aufl. Art. 101 Abs. 1 Rn. 43; Leuze in Friauf/Höfling Berliner Kommentar zum GG Stand November
2009 C Art. 101 Rn. 13). Hinsichtlich der Ausgestaltung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in § 160a Abs. 4 iVm. § 169 SGG hat
das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich vereinbar sei, dass die ehrenamtlichen
Richter an Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden nur dann mitwirken, wenn über deren Begründetheit zu befinden ist. Dies
setze allerdings voraus, dass die Abgrenzung zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und Begründetheitsfragen nach eindeutigen und
sachgerechten Kriterien erfolge (BVerfG 14. Juni 1994 - 1 BvR 1022/88 - zu C III der Gründe, BVerfGE 91, 93; zustimmend Müller-
Terpitz in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke GG 13. Aufl. Art. 101 Rn. 17).
11 (2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist § 77 iVm. § 66 Abs. 2 ArbGG mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Dies gilt auch
angesichts der Entscheidungsspielräume des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht bzgl. der Verfahrensweise bei einer als
unzulässig angesehenen Berufung.
12 (a) § 77 Satz 1 ArbGG findet nur Anwendung, wenn das Landesarbeitsgericht die Berufung mit Beschluss als unzulässig verworfen hat.
Bei einer Entscheidung durch Urteil gilt dagegen § 72a ArbGG (vgl. BAG 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 8). Nach § 66 Abs. 2 Satz 2
Halbs. 2 ArbGG kann der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss die Berufung verwerfen und dabei über die
Zulassung der Rechtsbeschwerde entscheiden. Er kann aber auch eine mündliche Verhandlung anberaumen. Nach deren Durchführung
entscheidet die Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Urteil und eröffnet der unterlegenen Partei damit die
Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG. Dieses Alleinentscheidungsrecht hat somit weitreichende prozessuale
Konsequenzen.
13 (b) Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom 3. November 2014 - 1 VB 8/14 -
angenommen, dass für eine Verwerfung der Berufung durch Alleinentscheidung kein Raum sei, wenn materielle Rechtsfragen bei der
Prüfung der Zulässigkeit im Vordergrund stehen und nicht nur formale Kriterien (vgl. zu B II 1 a der Gründe). Dem ist zuzustimmen, denn
dies entspricht der Intention des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/7716 S. 25). Die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung beschränkt sich
dies entspricht der Intention des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/7716 S. 25). Die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung beschränkt sich
nämlich nur auf die formalen Kriterien der Statthaftigkeit (§ 511 ZPO), der Form (§ 519 ZPO), der Frist (§ 66 Abs. 1 ArbGG) sowie der
ordnungsgemäßen Begründung nach § 520 Abs. 3 ZPO. Diese Prüfungspflicht ergibt sich aus § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ArbGG iVm.
§ 522 Abs. 1 ZPO. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich der Alleinentscheidung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG
hinreichend bestimmt, denn der Vorsitzende darf allein nur die Verwerfung der Berufung als unzulässig vornehmen. Der gesetzliche
Richter ist damit hinreichend bestimmt, auch wenn der Vorsitzende in Zweifelsfragen zu der Auffassung gelangen kann, dass eine
mündliche Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter angebracht ist. Insoweit gilt nichts anderes wie bei der
Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs.
14 cc) Der von Ulrici angenommene Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (NZA 2014, 1245, 1249) besteht nicht.
15 (1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu
behandeln. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der
Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr., vgl. BVerfG 6. Mai 2014 - 1 BvL 9/12, 1 BvR 1145/13 - Rn. 70).
16 (2) § 77 Satz 1 iVm. § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG eröffnet dem Landesarbeitsgericht zwar - wie dargestellt - eine ungleiche
prozessuale Behandlung unzulässiger Berufungen mit Auswirkungen auf die Eröffnung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nach
§ 72a ArbGG. Diese Ungleichbehandlung ist allerdings durch die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Ziele der
Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung gerechtfertigt (vgl. BT-Drs. 16/7716 S. 14). Diese Ziele sind gerade im arbeitsgerichtlichen
Verfahren von erheblicher Bedeutung (vgl. § 61a ArbGG; §§ 56, 67 ArbGG). Unzulässige Berufungen sollen möglichst zeitnah
verworfen werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Zudem tritt durch die Verfahrensvereinfachung eine Entlastung der
Arbeitsgerichtsbarkeit ein. So muss beim Landesarbeitsgericht kein Kammertermin anberaumt werden, um eine verfristete Berufung zu
verwerfen. Einem prozessökonomischen Zweck dient auch die Möglichkeit der Nichteröffnung des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Dieses soll nicht die Überprüfung von Formalien der Berufung ermöglichen (vgl. § 72a Abs. 3
iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG). Der Gesetzgeber durfte dem Vorsitzenden daher einen Spielraum hinsichtlich der Verfahrensführung
einräumen und die betroffenen Parteien bei angenommenen Rechtsanwendungsfehlern auf die Anhörungsrüge sowie auf die
Verfassungsbeschwerde verweisen.
17 II. Ungeachtet der fehlenden Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde würde die vorliegende Beschwerde auch nicht den
Anforderungen des § 72a ArbGG genügen.
18 1. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG wäre unzulässig.
19 a) Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines
Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG
14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine
entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG
die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten (BAG
1. September 2010 - 5 AZN 599/10 - Rn. 9 mwN).
20 b) Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
21 aa) Sie stellt bzgl. der hier maßgeblichen Frage der ordnungsgemäßen Begründung der Berufung nur darauf ab, das Landesarbeitsgericht
habe den Vortrag des Beklagten in dem Schriftsatz vom 10. September 2014 nicht zur Kenntnis genommen. Welche Äußerungen in
diesem Schriftsatz das Landesarbeitsgericht zur Annahme einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung hätten bewegen können, lässt
die Beschwerde offen.
22 bb) Das Landesarbeitsgericht hat zudem zutreffend ausgeführt, dass der Vortrag vom 10. September 2014 außerhalb der
Berufungsbegründungsfrist erfolgte. Die Beschwerde verkennt die Bedeutung der Berufungsbegründungsfrist (§ 66 Abs. 1 ArbGG). Eine
nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unzureichend begründete Berufung kann nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr durch
ergänzenden Vortrag ausreichend begründet werden. Solcher Vortrag ist nicht mehr berücksichtigungsfähig (BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR
517/07 - Rn. 29). Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass das Gericht vor Ablauf der Begründungsfrist nicht auf eine unzureichende
Begründung hinweisen darf, da es sich anderenfalls zum Berater des Berufungsführers machen würde (BAG 19. Oktober 2010 - 6 AZR
118/10 - Rn. 21). Hiervon zu unterscheiden ist die Verpflichtung des Gerichts, dem Beschwerdeführer vor einer beabsichtigten
Verwerfung der Berufung einen Hinweis zu erteilen (vgl. BAG 15. August 1989 - 8 AZR 557/88 - zu II der Gründe). Dementsprechend
hat das Landesarbeitsgericht am 8. August 2014 einen Hinweis mit Stellungnahmefrist bis zum 1. September 2014, verlängert bis zum
15. September 2014, gegeben. Der Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom 10. September 2014 reagiert. Er konnte mit diesen
Ausführungen die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO allerdings nicht mehr erfüllen, da die Berufungsbegründungsfrist nach
Verlängerung (§ 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG) bereits am 5. Juni 2014 abgelaufen war. Es bestand für das Landesarbeitsgericht nach Eingang
des Schriftsatzes vom 10. September 2014 keine Veranlassung, eine Entscheidung erst nach Fristablauf am 15. September 2014 zu treffen.
23 2. Im Übrigen rügt die Beschwerde Rechtsanwendungsfehler des Landesarbeitsgerichts sowohl hinsichtlich der Anforderungen an eine
ordnungsgemäße Berufungsbegründung als auch in materieller Hinsicht. Angenommene Rechtsanwendungsfehler würden es dem Senat
nach § 72 Abs. 2 ArbGG jedoch nicht erlauben, die Revisionsbeschwerde zuzulassen.
24 C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen.
25 D. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Fischermeier Spelge Krumbiegel