Urteil des BAG vom 18.06.2014

Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 18.06.2014, 10 AZR 699/13.

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.6.2014, 10 AZR 953/13
Leistungsentgelt (ERA-TV) - Beurteilung
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. August
2013 - 8 Sa 5/13 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Höhe des tariflichen Leistungsentgelts für die Zeit von Juni
2011 bis Dezember 2011.
2 Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit 1978 beschäftigt. Auf
das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Metallindustrie
Nordwürttemberg/Nordbaden kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung, so auch der
Entgeltrahmen-Tarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-
Württemberg vom 16. September 2003 (ERA-TV). Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat
gebildet.
3 Der ERA-TV enthält ua. folgende Bestimmungen:
Teil I Allgemeine Regelungen
§ 3
Bezugsbasis der Entgeltregelung
Bei der Bewertung der Höhe der Arbeitsanforderungen nach diesem Tarifvertrag ist
ohne Beachtung von Geschlecht und Alter der Beschäftigten, die die jeweilige
Arbeit ausführen, von Folgendem auszugehen:
Es wird eine Leistungsbasis unterstellt, die bei menschengerechter Gestaltung von
Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung von durchschnittlich geeigneten
Beschäftigten ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist.
Teil III Leistungsentgelt
§ 14
Grundsätze zur Ermittlung des Leistungsentgelts
14.1
nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit, ein Leistungsentgelt gezahlt.
14.2
liegendes Leistungsergebnis abgegolten (vgl. § 3).
Vergleichbare Leistungsergebnisse müssen unabhängig von den jeweils
vereinbarten Methoden zur Ermittlung des Leistungsergebnisses zu
gleichen Verdienstchancen im Leistungsentgelt führen.
14.3
des einzelnen Beschäftigten und/oder mehrerer Beschäftigter.
§ 15
Methoden zur Ermittlung des Leistungsergebnisses
15.1
Leistungsergebnis. Dazu ist ein Ausgangsniveau auf der Basis der
Bezugsleistung (§ 3) zu Grunde zu legen und mit dem erbrachten
Leistungsergebnis zu vergleichen.
15.2
einzeln oder in Kombination angewendet werden:
-
Beurteilen
-
Kennzahlenvergleich
-
Feststellung der Zielerfüllung im
Rahmen von Zielvereinbarungen
§ 16
Auswahl der Methoden
Die Auswahl der Methoden zur Ermittlung des Leistungsergebnisses gemäß § 15.2,
allein oder in Kombination, und gegebenenfalls ihre Ausgestaltung gemäß § 17, für
den ganzen Betrieb, einzelne Betriebsabteilungen oder Arbeitsplätze, ist mit dem
Betriebsrat zu vereinbaren. Dabei sind Nachvollziehbarkeit und betriebliche
Erfordernisse zu berücksichtigen.
§ 17
Ausgestaltung der Methoden
17.1
anzuwenden.
17.2
17.2.1 Das Leistungsergebnis wird durch Beurteilung nach vorgegebenen
Leistungsbeurteilungsmerkmalen festgestellt.
17.2.2 In einer Betriebsvereinbarung sind entsprechend § 17.5 die
Leistungsmerkmale, deren Gewichtung und ggf. ihre Differenzierung
festzulegen.
17.2.3 Sofern die Betriebsparteien kein eigenes Beurteilungssystem vereinbaren,
erfolgt die Beurteilung an Hand des tariflich empfohlenen Systems (Anlage
4).
17.2.4 Die Festlegung der Leistung-Entgelt-Relation erfolgt unter Beachtung des §
20 einmalig durch den Arbeitgeber oder durch freiwillige
Betriebsvereinbarung.
17.2.5 Die Beurteilung ist in regelmäßigen Zeitabständen, mindestens einmal im
Jahr, vorzunehmen. Diese Zeitabstände sind mit dem Betriebsrat zu
vereinbaren. Die Beschäftigten werden über das Beurteilungsergebnis
informiert.
17.2.6 Das Leistungsentgelt ist entsprechend der jeweiligen Beurteilung neu
festzulegen
und
von
dem
der
Beurteilung
folgenden
Entgeltabrechnungszeitraum an zu zahlen.
17.2.7 Zeichnet sich eine Beurteilung des Leistungsergebnisses ab, die im
Vergleich zur letzten Beurteilung zu einem niedrigeren Leistungsentgelt
führt, so ist dies dem Beschäftigten unter Angabe der Gründe mitzuteilen,
damit dieser sein Leistungsverhalten wieder entsprechend verbessern
kann. Eine Verminderung des Leistungsentgelts ist frühestens drei Monate
nach dieser Mitteilung möglich, wenn sich nach Ablauf dieser Frist auf
Grund einer Beurteilung herausstellt, dass sich das Leistungsergebnis in
der Zwischenzeit nicht wieder entsprechend erhöht hat.
§ 18
Ermittlung des Leistungsergebnisses
18.1
den Arbeitgeber. Die dazu notwendigen Daten
können maschinell erfasst und verarbeitet werden.
18.2
Leistungsergebnisses, mehrere Beschäftigte können
die
Feststellung
ihres
gemeinsamen
Leistungsergebnisses reklamieren.
18.3
baldmöglichst
nach
Kenntnis
des
Reklamationsgrundes erfolgen. Sie ist vom
Arbeitgeber unverzüglich zu prüfen.
Das Ergebnis der Nachprüfung muss dem/den
Beschäftigten und dem Betriebsrat mitgeteilt werden.
18.4
nicht einverstanden, soll zunächst innerbetrieblich
eine einvernehmliche Lösung gesucht werden. Hierzu
können die Betriebsparteien ein Verfahren (z. B. eine
paritätische Kommission) vereinbaren.
18.5
nicht einverstanden, steht ihnen der Rechtsweg offen.
18.6
Leistungsergebnisses, so gilt dies ab dem Zeitpunkt
der Reklamation.
§ 19
Abrechnung des Leistungsentgelts
19.1
aus § 17.3.6 wird monatlich auf Grundlage der letzten
Feststellung des Leistungsergebnisses ausgewiesen.
Die Betriebsparteien können stattdessen vereinbaren,
den Durchschnitt mehrerer Bezugszeiträume zu
Grunde zu legen. Zwischenzeitlich wirksam
gewordene tarifliche Entgelterhöhungen erhöhen
diesen Durchschnitt entsprechend.
§ 20
Festlegung der Leistung-Entgelt-Relation
20.1
muss, unabhängig von der gewählten Methode oder
Methodenkombination, so gestaltet werden, dass im
Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten
Beschäftigten regelmäßig ein Leistungsentgelt von
15 % der Grundentgeltsumme dieser Beschäftigten
erreicht werden kann.
20.2
0 % und 30 %.
§ 21
Betriebliches Leistungsentgeltvolumen
21.1
den Betrieb 15 % der Grundentgeltsumme ergeben.
Beschäftigte mit einer Betriebszugehörigkeit unter
6 Monaten bleiben bei der Ermittlung des
Durchschnitts unberücksichtigt.
21.2
14 % unterschreitet, so sind die Gründe zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat zu beraten und
gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die
Ursachen zu bereinigen.
Unterschreitet
das
Leistungsentgelt
im
Betriebsdurchschnitt 13,5 %, so ist eine Aufzahlung
auf 14 % vorzunehmen. Die Einzelheiten sind mit dem
Betriebsrat zu vereinbaren. Hierbei entscheidet bei
Nichteinigung die Einigungsstelle (§ 76 BetrVG)
verbindlich.
21.3
16 % überschreitet, so sind die Gründe zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat zu beraten und
gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die
Ursachen zu bereinigen.
Auch der 16 % überschreitende Anteil ist tarifliches
Leistungsentgelt, wenn er auf tariflichem Grundentgelt
beruht und mit einer tariflichen Methode ermittelt
wurde. Ausgewiesene außer- und übertarifliche
Entgeltbestandteile
werden
hierbei
nicht
berücksichtigt.
21.4
jährlich über die erreichten Durchschnitte der
Leistungsentgelte in Prozent, bezogen auf den
Betrieb und die jeweiligen Vereinbarungen oder
Kostenstellen.
Hierzu erhält der Betriebsrat eine Liste der
Beschäftigten mit der Entgeltgruppe und den
Leistungsentgelten.“
4 Gemäß § 17.2.2 ERA-TV besteht für die C AG und andere Unternehmen der
Unternehmensgruppe eine „Rahmenvereinbarung zur Ausgestaltung der Methode
Beurteilen (§§ 16 + 17 ERA-TV)“ vom 24. Oktober 2008 (RV), die ua. folgende
Bestimmungen enthält:
§ 2
Einheitliche Anwendung der Methode Beurteilen
2.1
Verfahren zur Anwendung. Für jeden Beschäftigten wird zumindest ein Teil
des Leistungsentgelts mit der Methode Beurteilen ermittelt; dieser Teil
beträgt mindestens 50 % des erreichbaren Leistungsentgelts. In einer
gesonderten BV kann geregelt werden, ob neben der Methode Beurteilen
eine weitere Methode in Kombination zur Anwendung kommt (siehe § 5.3
dieser Vereinbarung). Für diese sind dann insbesondere ihr Anteil, ihre
Ausgestaltung sowie die zugehörige Leistung-Entgelt-Relation zu
vereinbaren.
Kommt keine Methodenkombination zustande, so wird das Leistungsentgelt
ausschließlich nach der Methode Beurteilen ermittelt.
Die Beurteilung erfolgt anhand des Beurteilungssystems gemäß Anlage 1
dieser Vereinbarung.
Der Arbeitgeber/Vorgesetzte wählt aus dem Kriterienkatalog der Anlage 1
die Kriterien aus, welche zur Anwendung kommen sollen, und teilt diese
Kriterien den Beschäftigten rechtzeitig vor der Beurteilung schriftlich mit.
Grundsätzlich sollen die Beurteilungskriterien für die Dauer von mindestens
einem Jahr festgelegt werden und zur Anwendung kommen.
Betriebsrat und betroffene Beschäftigte werden bei Änderung der Kriterien
frühzeitig vor deren Anwendung informiert. Dem Beschäftigten wird der
Grund der Änderung mitgeteilt.
2.2
Sie wird innerhalb von maximal 4 Monaten während des Zeitraums Oktober-
März
durchgeführt
und
zeitlich
mit
dem
Mitarbeiter-
und
Qualifizierungsgespräch neu (MAG neu) verknüpft.
Dies gilt nicht für Erstbeurteilungen von neuen Beschäftigten. Diese führt der
Arbeitgeber gegebenenfalls nach dem in § 14.1 ERA-TV genannten
Zeitraum durch.
Der Arbeitgeber kann insbesondere bei einer Änderung der Arbeitsaufgabe
(Versetzung, Änderung der Arbeitsorganisation) eine zusätzliche
Beurteilung durchführen. Wird der Beschäftigte aufgrund einer Versetzung
neu beurteilt, kommt die 3-Monats-Frist des § 17.2.7 ERA-TV nicht zur
Anwendung.
§ 3
Beurteilungsgespräch
3.1
§ 17.2.5 ERA-TV immer zum gleichen Zeitraum stattfinden.
Der Beschäftigte erhält rechtzeitig die Einladung zum Beurteilungsgespräch.
Notwendige Unterlagen und Informationen sind ihm vorab auszuhändigen.
Im Beurteilungsgespräch wird dem Beschäftigten vom Vorgesetzten die
erfolgte Beurteilung erläutert. Der Beschäftigte erhält eine schriftliche, vom
Vorgesetzten unterschriebene Kopie der Beurteilung.
Die Ausführungen sind so detailliert zu gestalten, dass der Beschäftigte
sowohl die positiven als auch die negativen Bemerkungen seiner
Beurteilung erkennen kann.
Der Beschäftigte hat das Recht, schriftliche Anmerkungen zur erfolgten
Beurteilung beizulegen. Sie können mit Hilfe des Betriebsrates erfolgen und
sind Bestandteil der Beurteilung.
Bestehende tarifliche Regelungen (z. B. TV Qualifizierung) sowie
Betriebsvereinbarungen (z. B. MAG neu) sind einzuhalten.
3.2
Treten unterjährig größere Veränderungen in der Leistung eines
Beschäftigten auf, so sollte der Vorgesetzte unverzüglich ein Gespräch mit
dem Beschäftigten führen. In diesem erläutert er dem Beschäftigten die
festgestellten Veränderungen.
Bei positiver Leistungsveränderung ist dem Beschäftigten die zu erwartende
neue Bewertung mitzuteilen.
Hat sich die Leistung eines Beschäftigten verschlechtert, so erläutert dies
der Vorgesetzte dem Beschäftigten und gibt ihm genaue Anweisungen,
welche Maßnahmen der Beschäftigte zu unternehmen hat, damit
mindestens der ursprüngliche Leistungsgrad des Beschäftigten wieder
erreicht werden kann. Die Gründe der Abweichung sowie die zeitliche
Situation sind dabei zu berücksichtigen.
3.3
Vergleich zur letzten Beurteilung zu einem niedrigeren Leistungsentgelt
führt, so ist nach § 17.2.7 ERA-TV zu verfahren. In diesem Gespräch werden
die Leistungsdefizite sowie die notwendigen Gegenmaßnahmen
besprochen und zwischen Beschäftigtem und Vorgesetztem vereinbart.
Durch diese Mitteilung wird die 3-Monats-Frist des § 17.2.7 ERA-TV
ausgelöst. Der Beschäftigte und Betriebsrat erhalten eine schriftliche
Unterlage dieses Leistungsgespräches mit Angabe der Auswirkung auf die
Beurteilungsnote.
3.4
Leistungsentgelt nicht einverstanden ist, kann er reklamieren.
Dabei kann er sich an den Betriebsrat wenden. In diesem Fall wird die
Reklamation vom Betriebsrat an das zuständige Personalmanagement
weitergeleitet. Der Betriebsrat erarbeitet zusammen mit dem Vorgesetzten
und der Personalabteilung eine einvernehmliche Lösung.
Kann eine einvernehmliche Lösung nicht gefunden werden, gilt § 18.5 ERA-
TV.
Über eine Reklamation soll nach Einreichung und Mitteilung an die
Personalabteilung innerhalb eines Monates entschieden worden sein.“
5 Der in der Rahmenvereinbarung als Anlage 1 bezeichnete Bewertungsbogen entspricht
im Wesentlichen der Anlage 4 zu § 17 ERA-TV, sieht allerdings sieben statt fünf
Beurteilungsstufen vor. Im Übrigen heißt es dort ua.:
„Bei der Beurteilung sind die Merkmale entsprechend der Arbeitsaufgabe
anzuwenden. Merkmal 6 gilt nur für Beschäftigte mit Führungsverantwortung. Die
beispielhaft aufgeführten Kriterien sind nicht abschließend.
1 Effizienz
z. B. wirksame Arbeitsausführung; termingerechte Arbeitsergebnisse;
rationelle Durchführung
2 Qualität
z. B. sorgfältige Durchführung von Aufgaben; Häufigkeit von Fehlern,
Mängeln; Einhaltung von Zusagen, Absprachen; Ideenvielfalt“
6 Im Betrieb erhalten ca. 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein tarifliches
Leistungsentgelt und werden jährlich beurteilt. Der Vorgesetzte der Klägerin beurteilt ca.
30 Arbeitnehmer. Das bei der Beklagten gemäß § 21 ERA-TV gezahlte Leistungsentgelt
lag im Jahre 2010 im Betriebsdurchschnitt bei 16,0 %, im Jahre 2011 bei 15,65 %.
7 Das Leistungsentgelt der Klägerin wurde zum Zeitpunkt der Einführung des ERA-TV
ausgehend von ihrem früher gezahlten Leistungsentgelt rechnerisch ohne Neubewertung
auf 20,48 % des Grundentgelts festgesetzt. Die erste Leistungsbeurteilung vom 31. März
2010 ergab ein Leistungsentgelt von 19,29 %. Diese Leistungsbeurteilung wurde von der
Klägerin nicht beanstandet. Sie erhält seitdem eine übertarifliche und tarifdynamische
Zulage in Höhe der Differenz zwischen dem übergeleiteten Leistungsentgelt von 20,48 %
und dem erstmalig festgesetzten Leistungsentgelt von 19,29 %.
8 Nach einer Versetzung mit Wirkung zum 1. April 2010 fand im Jahre 2011 eine
Leistungsbeurteilung durch ihren neuen Vorgesetzten statt. Dabei wurde der Klägerin ein
Beurteilungsbogen mit Anmerkungen des Vorgesetzten übergeben, der zu einer
Gesamtpunktzahl von 44 Punkten und zu einem Leistungsentgelt von 15,71 % führen
sollte. Mit Schreiben vom 5. Mai 2011, eingegangen bei der Beklagten am 1. Juni 2011,
wandte sich die Klägerin gegen diese Beurteilung. Mit Beurteilung vom 9. Juni 2011
wurde bei einer Gesamtpunktzahl von 46 Punkten ein Leistungsentgelt von 16,43 %
festgesetzt. Dementsprechend wurde die monatliche Leistungszulage ab Juni 2011 um
62,46 Euro brutto gekürzt.
9 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe weiterhin das in der Beurteilung 2010
ermittelte Leistungsentgelt zu. Die Beurteilung des Jahres 2011 sei schon wegen
verschiedener Verfahrensverstöße unwirksam. Entgegen § 2.1 Abs. 4 RV habe die
Beklagte keine Kriterien aus dem Katalog der Anlage 1 ausgewählt und ihr mitgeteilt; viele
der Kriterien stünden in keinem Zusammenhang mit ihrer Arbeitsaufgabe. Auch liege ein
Verstoß gegen § 17.2.7 ERA-TV vor, weil ihr keine Gründe für die niedrigere
Leistungsbeurteilung mitgeteilt worden seien. Im Übrigen erbringe sie nach wie vor die
Leistung, wie sie in ihrer Beurteilung vom 31. März 2010 dokumentiert worden sei. Eine
Bewertung und Beurteilung des Arbeitnehmers dürfe immer nur auf dessen individuelle
Leistungen abstellen, eine relative Bewertung im Verhältnis zu den Leistungen der
Arbeitskollegen sei dem ERA-TV und der Rahmenvereinbarung fremd. Die Beklagte habe
nicht dargelegt und bewiesen, aufgrund welcher objektiven Gründe die
Leistungsbeurteilung 2011 schlechter ausgefallen sei als die des Vorjahres.
10 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 437,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
11 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die
Leistungsbeurteilung vom 9. Juni 2011 sei formell ordnungsgemäß zustande gekommen
und inhaltlich richtig. Insbesondere seien der Klägerin die Bewertungskriterien schon aus
dem Vorjahr bekannt gewesen und auch schriftlich in Form des Beurteilungsbogens
mitgeteilt worden. Die von der Beklagten bewerteten Leistungsmerkmale seien in den
Anlagen zum ERA-TV und der Rahmenvereinbarung anerkannt. Des Weiteren sei der
Arbeitnehmer, der Ansprüche auf Leistungsentgelt geltend mache, für alle
anspruchsbegründenden Tatsachen in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet.
Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer einen über 15 % liegenden
Prozentsatz geltend mache. Die Klägerin habe nicht einmal ansatzweise vorgetragen, wie
sie auf ein Leistungsentgelt von 19,29 % komme.
12 Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin weiterhin die
Fortzahlung des im Jahre 2010 festgesetzten Leistungsentgelts.
Entscheidungsgründe
13 Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht
gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der
Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die
Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
14 I. Das Landesarbeitsgericht ist - in Übereinstimmung mit den Parteien - davon
ausgegangen, dass die Ermittlung des Leistungsentgelts für das Jahr 2011 nach dem
ERA-TV und den Bestimmungen der Rahmenvereinbarung vom 24. Oktober 2008 erfolgt.
Der Senat kann nach den bisherigen Feststellungen aber nicht erkennen, woraus sich die
Anwendung der Rahmenvereinbarung ergeben soll. Die Beklagte und der bei ihr
bestehende Betriebsrat sind weder als betriebsvereinbarungsschließende Parteien in der
Rahmenvereinbarung aufgeführt noch haben sie diese unterzeichnet. Andere Umstände,
die zu ihrer normativen oder individualrechtlichen Geltung führen könnten, sind vom
Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Bereits dies führt zur Aufhebung und
Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, das die notwendigen
Feststellungen nachzuholen hat.
15 II. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass die Rahmenvereinbarung auf
das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung findet, steht noch nicht fest, ob die
Beurteilung vom 9. Juni 2011 und die Festsetzung des Leistungsentgelts auf 16,43 %
wirksam sind oder die Klägerin Anspruch auf Fortzahlung eines Leistungsentgelts iHv.
19,29 % hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage
nicht abgewiesen werden.
16 1. Sollte die Rahmenvereinbarung im Betrieb der Beklagten anwendbar sein, fände
gemäß § 16 ERA-TV iVm. § 2 RV zur Ermittlung des Leistungsentgelts die Methode
„Beurteilen“ Anwendung. Die Rahmenvereinbarung gestaltet diese Methode entsprechend
§ 17.2 ERA-TV näher aus. Dabei bestimmt § 2.1 Abs. 4 RV, dass die Arbeitgeberin bzw.
der jeweilige Vorgesetzte vor der Beurteilung die Kriterien aus dem Kriterienkatalog der
Anlage 1 auswählt, die zur Anwendung kommen sollen, und diese Kriterien dem
Arbeitnehmer rechtzeitig vor der Beurteilung schriftlich mitteilt. Die Annahme des
Landesarbeitsgerichts, davon sei nach bisherigem Vortrag der Parteien auszugehen,
beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der Rahmenvereinbarung.
17 a) Nach § 2.1 Abs. 3 RV erfolgt die Beurteilung anhand des Beurteilungssystems, das als
Anlage 1 der Rahmenvereinbarung beigefügt ist. Der dortige Beurteilungsbogen entspricht
im Grundsatz der Anlage 4 zu § 17 ERA-TV und weicht nur insoweit hiervon ab, als er
sieben Beurteilungsstufen vorsieht, das tarifliche Mustermodell hingegen nur fünf. Für die
Bewertung haben die Betriebsparteien die Merkmale Effizienz, Qualität, Flexibilität,
verantwortliches Handeln und Kooperation ausgewählt. Soweit Beschäftigte
Führungsverantwortung haben, kommt das Merkmal Führungsverhalten hinzu. Die fünf
bzw. sechs Merkmale - die den Merkmalen der Anlage 4 zu § 17 ERA-TV entsprechen -
sind allgemein gehalten und weder auf den einzelnen Arbeitsplatz noch auf die Tätigkeit
des einzelnen Arbeitnehmers bezogen. Sie gelten einheitlich für sämtliche vom
Tarifvertrag in dessen Geltungsbereich erfasste Arbeitsplätze und Tätigkeiten in der
Metallindustrie. Eine auf den einzelnen Arbeitnehmer und dessen Tätigkeit bezogene
Präzisierung der Leistungsmerkmale einschließlich deren Gewichtung überlässt der
Tarifvertrag den Betriebsparteien (§ 17.2.2 ERA-TV).
18 b) In der Rahmenvereinbarung ist die Methode „Beurteilen“ näher ausgestaltet worden.
19 aa) Nach § 2.1 Abs. 4 RV hat der Arbeitgeber/Vorgesetzte die Kriterien aus dem
Kriterienkatalog auszuwählen, welche für die Beurteilung konkret zur Anwendung
kommen sollen. Merkmale und Kriterien sind dabei, was schon der Wortlaut deutlich
macht, unterschiedliche Kategorien; die Begriffe werden nicht synonym verwendet,
sondern kennzeichnen eine Abstufung. Während Merkmal als Oberbegriff benennt,
welcher Teilaspekt der Tätigkeit bewertet wird, werden als Kriterien Einzelaspekte
bezeichnet, die näher illustrieren, was die Tarif- bzw. Betriebsparteien unter dem Merkmal
verstehen. Die Kriterien in der Anlage 4 zu § 17 ERA-TV und in der Anlage 1 zu § 2 RV
sind dabei nur beispielhaft und nicht abschließend aufgeführt. § 2.1 Abs. 4 RV verlangt
somit bereits nach seinem Wortlaut, dass der Arbeitgeber/Vorgesetzte jeweils die Kriterien
auszuwählen hat, welche bezogen auf den einzelnen Arbeitnehmer und dessen Tätigkeit
bei der Beurteilung zur Anwendung kommen sollen.
20 bb) Das in der Rahmenvereinbarung festgelegte Erfordernis, aus dem Kriterienkatalog die
Kriterien auszuwählen, die bei der Beurteilung zur Anwendung kommen sollen, trägt dem
Umstand Rechnung, dass gerade bei einfacheren Tätigkeiten für den Arbeitnehmer nicht
ohne Weiteres erkennbar ist, was hierauf bezogen unter einem Merkmal wie „Flexibilität“
oder „verantwortliches Handeln“ zu verstehen ist. Durch die Auswahl der Kriterien und
deren rechtzeitige vorherige Mitteilung soll dem Arbeitnehmer verdeutlicht werden, was
dem Arbeitgeber bei der Erbringung der konkreten Arbeitsleistung besonders wichtig ist
und auf welche Art und Weise der Arbeitnehmer damit ein höheres Leistungsentgelt
erzielen kann oder wann er mit einer Kürzung rechnen muss. Die Betriebsparteien
verfolgen damit erkennbar das Ziel, eine personengenaue und sachgerechte Beurteilung
iSv. § 17.5 ERA-TV zu erreichen. Zugleich vermindert sich damit der
Dokumentationsaufwand für den Arbeitgeber, der nur Erkenntnisse zu den jeweils
maßgeblichen Kriterien sammeln muss und nicht zu allen bei der Bewertung der
Arbeitsleistung anhand der Merkmale denkbaren Aspekten.
21 cc) § 2.1 Abs. 4 RV verlangt weiterhin, dass der Arbeitgeber/Vorgesetzte die
ausgewählten Kriterien dem Arbeitnehmer rechtzeitig vor der Beurteilung schriftlich mitteilt.
22 (1) Das Erfordernis einer rechtzeitigen Mitteilung soll gewährleisten, dass der
Arbeitnehmer sein Arbeitsverhalten im Beurteilungszeitraum an diesen Maßstäben
ausrichten kann. Weiterhin wird hierdurch dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eröffnet, sich
Aufzeichnungen zu machen, um im Falle eines Streits über die erfolgte Beurteilung
qualifizierte Einwendungen hiergegen erheben zu können. Diesem Regelungszweck
genügt die Mitteilung der Kriterienauswahl nach § 2.1 Abs. 4 RV nur dann, wenn sie dem
Arbeitnehmer zu Beginn des Beurteilungszeitraums, spätestens aber zu einem Zeitpunkt
der so früh im Beurteilungszeitraum liegt, dass eine hinreichende Beurteilungsbasis
verbleibt, bekanntgemacht wird. Nicht ausreichend ist hingegen eine Mitteilung erst zu
Beginn der Dreimonatsfrist nach § 3.3 RV iVm. § 17.2.7 ERA-TV. Diese Frist dient der
Einräumung einer Korrekturchance für den Arbeitnehmer, wenn eine Kürzung des
Leistungsentgelts droht, und konkretisiert nicht den Zeitpunkt der „rechtzeitigen Mitteilung“
der für ihn maßgeblichen Kriterien.
23 (2) Darüber hinaus hat die Mitteilung der Kriterien nach § 2.1 Abs. 4 RV schriftlich zu
erfolgen. Nach Sinn und Zweck der Regelung genügt hierfür die Einhaltung der Textform
entsprechend § 126b BGB.
24 Auch durch Betriebsvereinbarungen können Formvorschriften aufgestellt werden, die,
soweit sie den Inhalt von Arbeitsverhältnissen regeln, normativen Charakter haben (vgl.
BAG 19. März 1986 - 5 AZR 254/85 - zu II 3 a der Gründe). Allerdings verlangt nicht jedes
in einer Betriebsvereinbarung aufgestellte Schriftformerfordernis die Einhaltung der
Voraussetzungen der §§ 126 ff. BGB. Diese gelten unmittelbar nur für Rechtsgeschäfte.
Bei rechtsgeschäftsähnlichen Erklärungen oder einem Schriftlichkeitserfordernis für
Mitteilungen oder Informationen kommt eine Anwendung dieser Vorschriften allenfalls
analog in Betracht (vgl. zu § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: BAG 9. Dezember 2008 - 1 ABR
79/07 - Rn. 27 ff., BAGE 128, 364). Bei der Mitteilung der Beurteilungskriterien handelt es
sich weder um eine Willenserklärung noch um eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung.
Unmittelbare Rechtsfolgen treten mit dieser Erklärung weder nach dem ERA-TV noch
nach der Rahmenvereinbarung ein. Zweck der Schriftformklausel ist vielmehr,
Unklarheiten über die für die Beurteilung anwendbaren Kriterien zu vermeiden und sie zu
dokumentieren. Deshalb ist es ausreichend, wenn diese Erklärung in Textform
entsprechend § 126b BGB erfolgt (vgl. zu einer Fallgestaltung im Betriebsrentenrecht:
BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 414/12 - Rn. 58). Entscheidend und erforderlich ist, dass
der Arbeitnehmer verbindlich Kenntnis davon erlangt, was Arbeitgeber bzw. Vorgesetzter
von ihm verlangen und an welchem Maßstab seine Leistung beurteilt wird.
25 c) Ob eine diesen Anforderungen entsprechende Mitteilung der ausgewählten
Beurteilungskriterien iSv. § 2.1 Abs. 4 RV an die Klägerin erfolgt ist, steht entgegen der
Auffassung des Landesarbeitsgerichts noch nicht fest.
26 aa) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die fünf
einschlägigen Bewertungsmerkmale durch beispielhaft aufgeführte Kriterien, die nicht
abschließend sind, ausgefüllt werden. Es hat sodann angenommen, diese
Bewertungsmerkmale seien der Klägerin erläutert worden. Die Merkmale und Kriterien
seien der Klägerin vor der Beurteilung bekannt gewesen, weil bereits die
Leistungsbewertung 2010 und der Beurteilungsbogen vom 31. März 2010 auf dieser
Grundlage erstellt worden seien.
27 bb) Die letztgenannte Annahme des Landesarbeitsgerichts verkennt den Unterschied
zwischen Merkmalen und Kriterien und den Zweck der vorherigen Auswahl der
arbeitnehmer- und arbeitsplatzbezogenen Kriterien. Zwar bestünden keine Bedenken, bei
der Beurteilung im Jahre 2011 noch die Kriterien anzuwenden, die der Klägerin im
Zusammenhang mit einer früheren Beurteilung unter Einhaltung der Bedingungen des
§ 2.1 Abs. 4 RV mitgeteilt wurden. § 2.1 Abs. 5 RV verlangt nur, dass die
Beurteilungskriterien für die Dauer von mindestens einem Jahr festgelegt werden, schließt
aber nicht aus, dass sie für einen längeren Zeitraum gelten können. Auch die
Verpflichtung, den Arbeitnehmer und den Betriebsrat bei einer Änderung der Kriterien
frühzeitig vor deren Anwendung zu informieren (§ 2.1 Abs. 6 RV), geht von einer
längerfristigen Geltung der Kriterien aus. § 2.1 Abs. 4 RV setzt aber regelmäßig eine
Auswahl aus den lediglich beispielhaft genannten Kriterien durch den Arbeitgeber bzw.
den Vorgesetzen voraus. Nur so kann dem oben dargelegten Zweck der Regelung genügt
werden, eine möglichst sachgerechte und zielgenaue Beurteilung des jeweiligen
Arbeitnehmers zu erreichen. Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall ausnahmsweise
alle beispielhaft aufgeführten Kriterien eines oder mehrerer Merkmale anwendbar sein
können. Auch dies setzt aber eine aktive Auswahlentscheidung durch den
Arbeitgeber/Vorgesetzten für jeden zu beurteilenden Arbeitnehmer voraus.
28 Dass die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls im Zusammenhang mit der
Beurteilung 2010 für die Klägerin und deren Tätigkeit vorlagen und ausnahmsweise auch
unter Beachtung von Sinn und Zweck der Rahmenvereinbarung keine weitere Auswahl
der Kriterien erforderlich war, hat der Arbeitgeber darzulegen und im Bestreitensfall zu
beweisen. Dies ist bisher nicht geschehen. Allein der Hinweis der Beklagten, der
Vorgesetzte habe die Kriterien „1:1“ angewandt, genügt dafür nicht. Dabei ist
insbesondere noch zu beachten, dass es nach der ersten Beurteilung zu einer Versetzung
der Klägerin kam. Das Landesarbeitsgericht wird der Beklagten Gelegenheit zu geben
haben, hierzu weiter vorzutragen.
29 cc) Hinzu kommt, dass zweifelhaft erscheint, ob das Schriftformerfordernis nach § 2.1
Abs. 4 RV eingehalten wurde, selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass
alle im Beurteilungsbogen genannten Kriterien vom Vorgesetzten der Klägerin in
Übereinstimmung mit § 2.1 Abs. 4 RV ausgewählt wurden und auch für den neuen
Arbeitsplatz passen. Der Vortrag der Beklagten kann so verstanden werden, dass der
Klägerin im Jahre 2010 lediglich der als Anlage 1 zur Rahmenvereinbarung verwendete
Musterbogen übergeben wurde und der Vorgesetzte mündlich darauf hingewiesen hat,
dass alle Kriterien Anwendung finden sollen. In einem solchen Fall wäre das
Schriftformerfordernis schon deshalb nicht eingehalten worden, weil der als Anlage 1
verwendete Beurteilungsbogen vor der Auflistung möglicher Kriterien jeweils den Zusatz
„z. B.“ enthält und in der Titelzeile ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass die Kriterien
beispielhaft aufgeführt sind. Damit würde es gerade an der nach der Rahmenvereinbarung
notwendigen schriftlichen Festlegung der maßgeblichen Kriterien fehlen. Auch hierzu wird
die Beklagte gegebenenfalls ihren Vortrag zu präzisieren haben.
30 2. Kommt das Landesarbeitsgericht danach zu dem Ergebnis, dass keine Auswahl iSv.
§ 2.1. Abs. 4 RV erfolgt ist und/oder es an der schriftlichen Mitteilung einer solchen
Auswahl fehlt, wäre die Beurteilung vom 9. Juni 2011 unwirksam und die Klägerin hätte
einen Anspruch auf Fortzahlung des Leistungsentgelts iHv. 19,29 %.
31 a) Bei der Auswahl und Mitteilung der Kriterien handelt sich nach der
Rahmenvereinbarung um eine wesentliche Bedingung des Beurteilungsverfahrens und
nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Nichteinhaltung keine Auswirkung auf die
Beurteilung und deren Ergebnis hat. Gleiches gilt für das Schriftformerfordernis; hierdurch
soll sowohl Unsicherheit beim Beschäftigten darüber vermieden werden, welche Kriterien
gelten und wonach er beurteilt wird, als auch späterer Streit darüber. Nach den
dargelegten Zwecken des § 2.1 Abs. 4 RV ist die Beachtung dieser Vorschrift
Wirksamkeitsvoraussetzung für die vorzunehmende Beurteilung.
32 b) Im Fall der Unwirksamkeit der Beurteilung ist das bisher gezahlte Leistungsentgelt
fortzuzahlen, bis es zu einer wirksamen Neubeurteilung kommt.
33 aa) Gemäß § 19.1 ERA-TV wird das Leistungsentgelt monatlich auf der Grundlage der
letzten Feststellung des Leistungsergebnisses ausgewiesen. Nach § 17.2.5 ERA-TV ist in
regelmäßigen Zeitabständen, mindestens einmal im Jahr, eine Beurteilung vorzunehmen.
Dem entspricht § 2.2 RV, der darüber hinaus in Abs. 4 bestimmt, dass der Arbeitgeber bei
einer Änderung der Arbeitsaufgabe berechtigt ist, eine zusätzliche Beurteilung
durchzuführen. § 17.2.6 ERA-TV bestimmt sodann, dass das Leistungsentgelt
entsprechend der jeweiligen Beurteilung neu festzulegen und von dem der Beurteilung
folgenden Entgeltabrechnungszeitraum an zu zahlen ist. Die Änderung eines einmal
festgelegten Leistungsentgelts (vgl. zum Fall, dass es an einer erstmaligen Festlegung
fehlt: BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 229/11 (F) - Rn. 19 ff.) setzt daher - abgesehen von
bloßen Fehlerkorrekturen - voraus, dass eine wirksame Neubeurteilung erfolgt ist. Solange
es an einer solchen fehlt, ist deshalb das bisherige Leistungsentgelt fortzuzahlen (ebenso
zu früheren tariflichen Regelungen zum Leistungsentgelt in der Metallindustrie: BAG
22. Januar 1997 - 10 AZR 468/96 - zu II der Gründe). Zwar wird damit der in § 17.2.5 ERA-
TV und § 2.2 RV vorgesehene Jahreszeitraum für die Regelbeurteilung überschritten; die
vorhergehende Beurteilung verliert dadurch aber nicht ihre Bedeutung für die Bewertung
der Arbeitsleistung. Dies gilt auch bei einem Wechsel der Tätigkeit; § 2.2 Abs. 4 RV
ermöglicht in diesem Fall zwar eine unterjährige Neubeurteilung, sieht diese aber nicht
zwingend vor.
34 bb) Maßgeblich für die Bemessung des Leistungsentgelts wäre damit grundsätzlich der in
der vorherigen Beurteilung vom 31. März 2010 ermittelte Satz von 19,29 %. Allerdings
kommt in Betracht, dass auch diese Beurteilung mangels wirksamer Mitteilung der
Kriterien unwirksam ist und sie deswegen - wie die Beklagte meint - keine Grundlage für
die Bemessung des Leistungsentgelts mehr darstellen kann. Ob dies zutrifft, kann
vorliegend dahinstehen. Maßgeblich wäre dann nämlich die erstmalige Festsetzung des
Leistungsentgelts, die wirksam rein rechnerisch erfolgte und höher war (20,48 %) als die
geltend gemachte, die auf einer Bewertung von 19,29 % beruht. Ebenso kann deshalb
dahinstehen, ob die Klägerin sich auf eine mögliche Unwirksamkeit der Beurteilung 2010
noch berufen könnte, obwohl sie diese erkennbar akzeptiert und im Rahmen tariflicher
Ausschlussfristen für die Zeit bis zur nächsten erfolgten Beurteilung auch kein höheres
monatliches Leistungsentgelt verlangt hat.
35 3. Kommt das Landesarbeitsgericht hingegen zu dem Ergebnis, dass die
Voraussetzungen des § 2.1 Abs. 4 RV eingehalten wurden, bestehen gegen die formelle
Wirksamkeit der Beurteilung vom 9. Juni 2011 keine Bedenken. Ob diese inhaltlich zutrifft,
steht indes noch nicht fest.
36 a) Die von der Klägerin hiergegen erhobenen formellen Einwände greifen nicht durch.
Soweit sie sich auf die Vorgänge im Februar 2011 beziehen, erfolgte trotz der
Verwendung des Beurteilungsbogens noch nicht die eigentliche Beurteilung, sondern eine
Erörterung der Leistungsdefizite und notwendigen Gegenmaßnahmen iSv. § 3.3 RV,
§ 17.2.7 ERA-TV. Die für die Höhe des Leistungsentgelts entscheidende Beurteilung ist
erst nach der Dreimonatsfrist gemäß § 3.3 RV iVm. § 17.2.7 ERA-TV im Juni 2011 erstellt
worden. Fehler hierbei sind weder vorgetragen noch erkennbar, so dass dahinstehen
kann, welche Fehler bei diesem Verfahren überhaupt zu einer Unwirksamkeit der
Beurteilung führen könnten.
37 b) Käme es auf die inhaltliche Wirksamkeit der Beurteilung an, wird das
Landesarbeitsgericht folgende Aspekte zu berücksichtigen haben:
38 aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Beurteilung des
Leistungsergebnisses und der Bestimmung des Entgeltsatzes nicht um eine
Leistungsbestimmung iSv. § 315 BGB. Zwar hat der Arbeitgeber bei der Beurteilung der
Leistung des Arbeitnehmers notwendigerweise einen gewissen Beurteilungsspielraum
(vgl. dazu auch: BAG 14. November 2012 - 10 AZR 783/11 - Rn. 52, BAGE 143, 292
[Zielvereinbarung]). Die Höhe der an das Beurteilungsergebnis anknüpfenden finanziellen
Leistung ist durch § 17.2 ERA-TV und die Rahmenvereinbarung aber vorgegeben, ohne
dass ein Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers iSd. § 315 BGB vorhanden wäre (vgl.
auch BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 229/11 (F) - Rn. 27 [zur Leistungszulage nach § 3
des GRTV Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen]; anders die Fallgestaltung, die der
Entscheidung BAG 14. November 2012 - 10 AZR 783/11 - aaO zugrunde lag). Die für die
Einhaltung des billigen Ermessens geltenden Grundsätze der Beweislastverteilung
kommen hier daher nicht zur Anwendung.
39 bb) Ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer streitig, ob der Arbeitnehmer nach § 17.2
ERA-TV zutreffend beurteilt und damit das Leistungsentgelt richtig ermittelt wurde, gilt
hinsichtlich der Richtigkeit der Beurteilung ein abgestuftes System der Darlegungs- und
Beweislast.
40 (1) Grundsätzlich muss der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen
darlegen und beweisen, also beispielsweise der Arbeitnehmer den Anspruch auf eine
höhere Vergütung (st. Rspr., vgl. zuletzt zB BAG 26. März 2013 - 3 AZR 89/11 - Rn. 14;
23. März 2011 - 5 AZR 7/10 - Rn. 36, BAGE 137, 249).
41 (2) Beim Leistungsentgelt nach der Methode „Beurteilen“ besteht aber die Besonderheit,
dass dessen Höhe von der Richtigkeit einer vom Arbeitgeber vorzunehmenden
Beurteilung abhängt, deren maßgebliche Erwägungen der Arbeitnehmer nicht oder nur
eingeschränkt kennt. Hinzu kommt, dass die Tarifvertragsparteien definiert haben, was von
einem durchschnittlich geeigneten Beschäftigten ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer
zu erreichen ist (vgl. § 3 Abs. 2 ERA-TV). Gemäß § 20.1 ERA-TV ist davon auszugehen,
dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Beschäftigten regelmäßig ein
Leistungsentgelt von 15 % der Grundentgeltsumme dieser Beschäftigten erreicht werden
kann; die Summe der Leistungsentgelte soll auf den Betrieb bezogen ebenfalls 15 % der
Grundentgeltsumme ergeben (§ 21.1 ERA-TV). Gemäß § 20.2 ERA-TV kann das
individuelle Leistungsentgelt zwar zwischen 0 % und 30 % betragen; entspricht das
Leistungsergebnis aber in vollem Umfang den Erwartungen (mittlere Beurteilungsstufe
nach Anlage 1 zu § 2 RV bzw. Anlage 4 zu § 17.2 ERA-TV), erreicht der Arbeitnehmer ein
Leistungsentgelt von 15 %. Die hierin liegende materiell-rechtliche Wertung ist bei der
Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen.
42 (3) Es ist daher von folgenden Grundsätzen auszugehen: Bestreitet der Arbeitnehmer die
Richtigkeit der Beurteilung, ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, anhand der
auswählten Kriterien seine Bewertung soweit wie möglich anhand von Tatsachen zu
konkretisieren und plausibel zu machen. Reine Werturteile bedürfen zwar keines näheren
Vortrags, reichen aber für sich genommen nicht aus, um eine negative Bewertung zu
stützen. Eine Konkretisierung kann bereits innerbetrieblich erfolgen, zB im Rahmen des
Verfahrens nach § 17.2.7 ERA-TV, oder später im Prozess. Es ist dann Sache des
Arbeitnehmers, hierzu substanziiert Stellung zu nehmen. Bei Vorliegen einer nicht in
Frage gestellten vorhergehenden Beurteilung stellt diese zunächst den Ausgangspunkt
dar; die Anforderungen an eine Substanziierung können sich deshalb erhöhen, wenn die
Beurteilung einer Partei hiervon erheblich abweichen will. Bleibt danach die Beurteilung
streitig, ist die Beweislast wie folgt verteilt: Will der Arbeitgeber von einer Beurteilung
ausgehen, die unterhalb des Wertes von 15 % liegt, von dem die Tarifvertragsparteien
annehmen, dass ihn ein durchschnittlich geeigneter Beschäftigten ohne gesteigerte
Anstrengung auf Dauer erreichen kann, trägt er hierfür die Beweislast. Umgekehrt trägt der
Arbeitnehmer die Beweislast in den Fällen, in denen er eine Bewertung oberhalb dieses
Richtwertes anstrebt (vgl. ähnlich für die Darlegungs- und Beweislast beim
Arbeitszeugnis: BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - BAGE 108, 86).
43 (4) Soweit es auf die inhaltliche Richtigkeit der streitigen Beurteilung ankommen sollte,
wird das Landesarbeitsgericht den Parteien Gelegenheit zu geben haben, ihren Vortrag
nach diesen Grundsätzen zu ergänzen. Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang
allerdings die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Leistungsbeurteilung vom 9. Juni
2011 habe eine hohe Gewähr der Richtigkeit, weil sie im betrieblichen und tariflich
vorgeschriebenen Durchschnitt liege und das Beurteilungsergebnis von Arbeitgeber und
Betriebsrat gebilligt worden sei. Der tarifliche Durchschnittswert von 15 % hat für die
Leistung des einzelnen Arbeitnehmers - abgesehen von der Verteilung der Darlegungs-
und Beweislast - nach § 20.2 ERA-TV keinerlei Aussagekraft. Gleiches gilt für den
tatsächlichen betrieblichen Durchschnitt des Leistungsentgelts (§§ 20.1, 21 ERA-TV), da
eine Beurteilung der individuellen Leistung erfolgt, die gemäß § 20.2 ERA-TV eine
Bandbreite zwischen 0 % und 30 % erreichen kann.
44 Auch eine - im Übrigen nicht näher festgestellte - „Billigung“ des Beurteilungsergebnisses
durch Arbeitgeber und Betriebsrat entfaltet keine Indizwirkung. Allenfalls könnte sich die
Beklagte die Begründung einer solchen Entscheidung zu eigen machen, wenn sie
hinreichend konkret ist, und damit ihrer primären Darlegungslast genügen. Von der
Möglichkeit der Bildung einer paritätischen Kommission nach § 18.4 ERA-TV haben die
Betriebsparteien hingegen keinen Gebrauch gemacht. Allein deren Entscheidung
unterläge im arbeitsgerichtlichen Verfahren einer nur eingeschränkten Überprüfung dahin
gehend, ob sie im tariflich vorgesehenen Verfahren ergangen ist und ob ihre wertende und
beurteilende Entscheidung grob unbillig iSv. § 319 BGB ist (BAG 20. Januar 2004 - 9 AZR
393/03 - BAGE 109, 193; 22. Januar 1997 - 10 AZR 468/96 - zu III 3 der Gründe). Die
Rahmenvereinbarung sieht demgegenüber kein konkretes Modell zur Beteiligung von
Betriebsrat und Arbeitgeber bei Reklamationen und zu den Rechten des betroffenen
Arbeitnehmers in einem solchen Verfahren vor.
Linck
Klose
W. Reinfelder
Zielke
Simon