Urteil des BAG vom 15.08.2012

Übertragung der Monatsgespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf den Betriebsausschuss

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 15.8.2012, 7 ABR
16/11
Übertragung der Monatsgespräche zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auf den
Betriebsausschuss
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. November 2010 - 15 TaBV
115/09 - wird zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat dem Betriebsausschuss die in § 74
Abs. 1 BetrVG geregelte Aufgabe der monatlichen Besprechungen mit der Arbeitgeberin
übertragen kann.
2 Die zu 3. beteiligte Arbeitgeberin stellt Nutzfahrzeuge her. Der Antragsteller ist Mitglied
des in ihrem Betrieb in S zuletzt im März 2010 gewählten und zu 2. beteiligten 21-köpfigen
Betriebsrats. Er kandidierte auf der Vorschlagsliste „Mehr Öffentlichkeit“;
19 Betriebsratsmitglieder sind aufgrund eines Wahlvorschlags der im Betrieb der
Arbeitgeberin vertretenen Industriegewerkschaft Metall gewählt worden. Neben dem
Betriebsausschuss hat der Betriebsrat acht Ausschüsse für besondere Sachaufgaben
gebildet (Personalausschuss, Sozialausschuss, Berufsbildungsausschuss,
Planungsausschuss, Ausschuss für Arbeits- und Gesundheitsschutz, für Entgeltfragen, für
Neue Technologien und für Öffentlichkeitsarbeit). Der Antragsteller ist weder im
Betriebsausschuss noch in einem der anderen Ausschüsse vertreten.
3 Bereits in der vorangegangenen Wahlperiode hatte der Betriebsrat beschlossen,
entsprechend der bisherigen Praxis den Betriebsausschuss mit der Durchführung der
monatlichen Besprechungen mit der Arbeitgeberin zu beauftragen. Einen inhaltsgleichen
Beschluss fasste der - neu gewählte - Betriebsrat am 12. August 2010.
4 Gegen diese Aufgabenübertragung auf den Betriebsausschuss hat sich der Antragsteller
mit seiner am 2. September 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift
gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, das in § 74 Abs. 1 BetrVG vorgesehene monatliche
Gespräch habe zwischen dem gesamten Betriebsratsgremium und der Arbeitgeberin
stattzufinden. Es gehöre zum Kernbereich der Betriebsratsaufgaben. Eine nur mittelbare
Kommunikation über die Mitglieder des Betriebsausschusses berge insbesondere für
diejenigen Betriebsratsmitglieder, die - wie er - über „Minderheitslisten“ gewählt und im
Betriebsausschuss nicht vertreten seien, die Gefahr eines Ausschlusses von
Informationen.
5 Der Antragsteller hat - zuletzt - beantragt
festzustellen, dass die Beauftragung des Betriebsausschusses mit der
Durchführung der Monatsgespräche des § 74 Abs. 1 BetrVG unwirksam ist.
6 Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Arbeitgeberin hat keinen
Antrag gestellt.
7 Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die
Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt
der Antragsteller sein Begehren weiter. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde
zurückzuweisen.
8 B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das
Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag
abweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Das zulässige
Feststellungsbegehren ist unbegründet. Zwar gehören die monatlichen Besprechungen
von Arbeitgeber und Betriebsrat iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG nicht zu den „laufenden
Geschäften“ des Betriebsrats, die der Betriebsausschuss nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG
führt. Die Entscheidung des Betriebsrats, seine Besprechungspflicht mit der Arbeitgeberin
dem Betriebsausschuss zu übertragen, ist aber nicht zu beanstanden. Der Betriebsrat ist
zu dieser Aufgabenübertragung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt.
9 I. Der Antrag ist zulässig.
10 1. Der Antragsteller ist nach § 81 Abs. 1 ArbGG antragsbefugt. Als Mitglied des
Betriebsrats ist er durch die im Antrag näher beschriebene Aufgabenübertragung auf den
Betriebsausschuss in seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition
betroffen. Damit ist er berechtigt, die Zulässigkeit der Aufgabendelegation gerichtlich
klären zu lassen (vgl. bereits BAG 1. Juni 1976 - 1 ABR 99/74 - zu II 3 der Gründe,
AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3; vgl. auch - ohne weitere
Problematisierung der Antragsbefugnis - für eine von allen Betriebsratsmitgliedern einer
[Minderheiten-]Liste angegriffene Übertragung von Aufgaben auf gemeinsame
Ausschüsse BAG 20. Oktober 1993 - 7 ABR 26/93 - BAGE 75, 1).
11 2. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
12 a) Nach der auch für das Beschlussverfahren geltenden Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO hat der Antragsteller diejenige Maßnahme oder denjenigen betrieblichen Vorgang,
für die oder den eine Berechtigung - sei es als Mitbestimmungsrecht, sei es als
Kompetenzregelung - in Anspruch genommen oder geleugnet wird, so genau zu
bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag zweifelsfrei feststeht, für welche
Maßnahme oder welchen Vorgang das Recht bejaht oder verneint worden ist. Nur so
können der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis nach § 308 ZPO sowie
Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft nach § 322 ZPO festgestellt werden (vgl.
BAG 16. November 2011 - 7 ABR 28/10 - Rn. 13 mwN, AP BetrVG 1972 § 17 Nr. 9 =
EzA BetrVG 2001 § 17 Nr. 2).
13 b) Diesem Erfordernis wird der Antrag nach der gebotenen Auslegung gerecht.
14 aa) Das Begehren des Antragstellers ist darauf gerichtet, feststellen zu lassen, dass die
Betrauung des Betriebsausschusses mit der Durchführung der Monatsgespräche
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat iSd. § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unwirksam ist. Damit
ist kein ganz bestimmter Betriebsratsbeschluss oder Aufgabenübertragungs„akt“
Verfahrensgegenstand. Streitbefangen ist vielmehr das - allgemeiner zu verstehende -
Begehren der Feststellung einer „Nichtberechtigung“ des Betriebsrats.
15 bb) Dieses ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend konkret beschrieben. Es geht dem
Antragsteller um die Frage, ob der Betriebsrat als in § 74 Abs. 1 BetrVG genannter
Gesprächspartner sein Recht und seine Pflicht, mit dem Arbeitgeber zu Besprechungen
nach dieser Vorschrift zusammenzutreten, auf den Betriebsausschuss übertragen kann.
Unklarheiten über den Umfang der objektiven Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden
oder ihn abweisenden gerichtlichen Sachentscheidung sind nicht zu besorgen.
16 3. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Antrag ist auf die
Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Der Streit darüber, ob der Betriebsrat die
Führung der Monatsgespräche iSd. § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nach § 27 Abs. 2 Satz 2
BetrVG auf den Betriebsausschuss übertragen kann, betrifft ein
betriebsverfassungsrechtliches (Binnen-)Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem
Antragsteller im Sinn einer durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten
Sachverhalt entstandenen rechtlichen Beziehung einer Person zu einer anderen Person.
Der Antragsteller hat an der begehrten alsbaldigen Feststellung ein berechtigtes Interesse,
weil der Betriebsrat sich eines Rechts zur Delegation der Aufgabe auf den
Betriebsausschuss berühmt, entsprechende Beschlüsse gefasst hat und entsprechend
verfährt.
17 II. Der Antrag ist unbegründet. Zwar zählen die - mindestens einmal im Monat
durchzuführenden - Besprechungen von Betriebsrat und Arbeitgeber iSd. § 74 Abs. 1
BetrVG nicht zu den laufenden Geschäften des Betriebsrats, für deren Wahrnehmung der
Betriebsausschuss bereits nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zuständig ist. Der Betriebsrat
war aber nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt, dem Betriebsausschuss die
Teilnahme an diesen Gesprächen zu übertragen.
18 1. Bei den Besprechungen nach § 74 Abs. 1 BetrVG handelt es sich nicht um „laufende
Geschäfte“ iSd. § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, für deren Wahrnehmung der
Betriebsausschuss kraft gesetzlicher Zuweisung zuständig ist.
19 a) § 27 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG unterscheiden zwischen den „laufenden
Geschäften“, deren Wahrnehmung dem Betriebsausschuss kraft Gesetzes übertragen ist,
und den „Aufgaben zur selbständigen Erledigung“, die ihm mittels qualifizierten
Mehrheitsbeschlusses übertragen werden können. Während „laufende Geschäfte“
regelmäßig interne, verwaltungsmäßige, organisatorische und ggf. wiederkehrende
Aufgaben des Betriebsrats meinen, also etwa die Erledigung des Schriftverkehrs,
Entgegennahme von Anträgen von Arbeitnehmern, die Einholung von Auskünften, die
Vorbereitung von Betriebsratssitzungen sowie von Betriebs-, Teil- und
Abteilungsversammlungen (vgl. BAG 13. November 1991 - 7 ABR 18/91 - zu B II 1 b der
Gründe, BAGE 69, 49; zum Personalvertretungsrecht BVerwG 5. Februar 1971 - VII P
17.70 - AP PersVG § 53 Nr. 2; 7. November 1969 - VII P 3.69 - BVerwGE 34, 180, 187),
betreffen „Aufgaben zur selbständigen Erledigung“ regelmäßig Angelegenheiten aus dem
Rechte- und Pflichtenkreis des Betriebsrats im Verhältnis zur Belegschaft, vor allem aber
im Verhältnis zum Arbeitgeber, also die Beteiligungs- und
Mitbestimmungsangelegenheiten im weitesten Sinn. Dies zeigt sich insbesondere an § 27
Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG. Hiernach ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen
ausdrücklich von einer Übertragung auf den Betriebsausschuss ausgenommen;
Betriebsvereinbarungen betreffen aber - jedenfalls typischerweise - beteiligungs- und
mitbestimmungspflichtige Sachverhalte.
20 b) Danach zählen die Besprechungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber iSd. § 74
Abs. 1 BetrVG nicht zu den laufenden Geschäften iSd. § 27 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (im
Ergebnis ebenso: DKKW/Berg 13. Aufl. § 74 Rn. 7; ErfK/Kania 12. Aufl. § 74 BetrVG Rn. 5;
Fitting 26. Aufl. § 74 Rn. 5; Kreutz GK-BetrVG 9. Aufl. § 74 Rn. 14; Löwisch/Kaiser
Kommentar zum BetrVG 6. Aufl. § 74 Rn. 4; Richardi in Richardi BetrVG 13. Aufl. § 74
Rn. 7; Preis in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG 4. Aufl. § 74 Rn. 3). Auch wenn die
Besprechungen periodisch stattfinden (sollen), dienen sie nicht internen verwaltungs- und
organisatorischen Zwecken des Betriebsrats, sondern - wie insbesondere die den Dialog
flankierende Verhandlungspflicht nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zeigt - der Erörterung
anstehender, betriebsverfassungsrechtlicher Probleme und dem Ziel, bei Konflikten
möglichst frühzeitig eine gemeinsame Lösung zu finden. Sie sind, wie auch ihre
systematische Stellung im Vierten Teil des BetrVG unter der Überschrift „Mitwirkung und
Mitbestimmung der Arbeitnehmer“ zeigt, Teil der materiellen Betriebsverfassung und
sollen - als Ausprägung des Grundsatzes vertrauensvoller Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1
BetrVG - den Informationsaustausch zwischen den Betriebsparteien und eine frühzeitige
Konfliktklärung sicherstellen (zu § 66 BPersVG vgl. BAG 14. April 1988 - 6 ABR 28/86 -
zu B II 2 a der Gründe, BAGE 58, 107).
21 2. Im vorliegenden Fall hat der Betriebsrat aber seine aus § 74 Abs. 1 BetrVG folgende
Besprechungspflicht nach § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf den Betriebsausschuss
übertragen. Dies ist nicht zu beanstanden.
22 a) Grundsätzlich entscheidet der Betriebsrat eigenverantwortlich darüber, inwieweit er im
Interesse einer effektiven, flexiblen Betriebsratsarbeit die Übertragung von Aufgaben an
den Betriebsausschuss für zweckmäßig erachtet.
23 aa) Der Betriebsausschuss kann grundsätzlich mit jeder Aufgabe betraut werden, für die
der Betriebsrat zuständig ist. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber von der
Möglichkeit der Aufgabenübertragung nach § 27 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG nur den
Abschluss von Betriebsvereinbarungen ausgenommen hat (vgl. BAG 17. März 2005 -
2 AZR 275/04 - zu B I der Gründe, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28
Nr. 1).
24 bb) Neben dieser ausdrücklich normierten Einschränkung hat der Betriebsrat bei der
Übertragung seiner Aufgaben eine (ungeschriebene) Binnenschranke zu beachten. Er darf
sich nicht aller Befugnisse entäußern und muss in einem Kernbereich der gesetzlichen
Befugnisse als Gesamtorgan zuständig bleiben. Diese immanente Schranke erfasst
Ausnahmefälle und soll verhindern, dass der Betriebsrat durch eine umfassende
Aufgabenübertragung zur Bedeutungslosigkeit verkümmert (vgl. BAG 20. Oktober 1993 -
7 ABR 26/93 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 75, 1). Wie § 27 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG
zeigt, darf der Betriebsrat als Gremium nicht belanglos werden. Bei der Beurteilung dieser
Frage ist aber nicht auf einen einzelnen Mitbestimmungstatbestand, sondern auf den
gesamten Aufgabenbereich des Betriebsrats abzustellen (vgl. bereits BAG 1. Juni 1976 -
1 ABR 99/74 - AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3; so auch
17. März 2005 - 2 AZR 275/04 - zu C I 2 a der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 =
EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1). Eine punktuelle Betrachtung, nach der hinsichtlich jeder
einzelnen Aufgabe dem Betriebsrat eine (Rest-)Kompetenz verbleiben müsste, würde eine
Einschränkung seiner Befugnis zur Aufgabenübertragung bedeuten, die weder mit dem
Gesetzeswortlaut noch mit Sinn und Zweck der §§ 27 f. BetrVG zu vereinbaren wäre (vgl.
BAG 20. Oktober 1993 - 7 ABR 26/93 - zu B II 4 b aa der Gründe, BAGE 75, 1). Auch die
komplette Übertragung eines einzelnen Mitbestimmungstatbestandes auf einen
Ausschuss begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken (zur Übertragung der Befugnisse
nach §§ 92 bis 95 BetrVG vgl. BAG 1. Juni 1976 - 1 ABR 99/74 - AP BetrVG 1972 § 28
Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3).
25 cc) Die Entscheidung des Betriebsrats, welche Aufgaben er an den Betriebsausschuss
(und an weitere Ausschüsse) überträgt, ist gerichtlich nicht auf ihre Zweckmäßigkeit,
sondern nur auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbar (hierzu BAG 17. März 2005 - 2 AZR
275/04 - zu B I der Gründe, AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 6 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 1;
20. Oktober 1993 - 7 ABR 26/93 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 75, 1).
26 b) Gemessen hieran ist die verfahrensgegenständliche Aufgabenübertragung rechtmäßig.
27 aa) Die Besprechung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG ist
eine Aufgabe des Betriebsrats. Dieser ist damit grundsätzlich berechtigt, den
Betriebsausschuss mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu beauftragen (offengelassen
von BAG 19. Januar 1984 - 6 ABR 19/83 - zu 2 der Gründe, BAGE 45, 22; ebenso
DKKW/Berg § 74 Rn. 7; ErfK/Kania § 74 BetrVG Rn. 5; Fitting § 74 Rn. 5; HaKo-
BetrVG/Lorenz 3. Aufl. § 74 Rn. 3; Preis in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG § 74 Rn. 3; grds. aA
Kreutz GK-BetrVG § 74 Rn. 14; Löwisch/Kaiser Kommentar zum BetrVG § 74 Rn. 4; diff.
[nur für den Fall der Erörterung von Angelegenheiten, die dem Betriebsausschuss
übertragen sind] Richardi in Richardi BetrVG § 74 Rn. 7; wohl auch H/S/W/G/N/R/Worzalla
8. Aufl. § 74 Rn. 4). Eine andere Ansicht führte zu dem (wertungs-)widersprüchlichen
Ergebnis, dass es einerseits möglich wäre, die Erledigung jeglicher Betriebsratsaufgaben
- nur mit der Ausnahme des Abschlusses von Betriebsvereinbarungen - zu delegieren,
andererseits aber entsprechende Vorbesprechungen zwischen Betriebsausschuss und
Arbeitgeber ausgeschlossen wären.
28 bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde steht dem weder die Bedeutung des
Monatsgesprächs „an sich“ entgegen noch läuft der Betriebsrat im vorliegenden Fall mit
der Übertragung der Besprechungspflicht auf den Betriebsausschuss Gefahr, als Gremium
zur Bedeutungslosigkeit zu verkümmern.
29 (1) Ein den unübertragbaren Kernbereich der Kompetenz des Betriebsrats betreffender
Eingriff ist mit der Übertragung der monatlichen Zusammenkünfte mit dem Arbeitgeber zu
Besprechungen iSd. § 74 Abs. 1 BetrVG auf den Betriebsausschuss schon deshalb nicht
verbunden, weil während dieser Zusammenkünfte keine Entscheidungen getroffen werden
können. Kennzeichnend für die in § 74 Abs. 1 BetrVG geregelte Besprechungs- (und
Verhandlungs-)pflicht ist vielmehr, dass ihre Teilnehmer nicht verpflichtet sind und nicht
verpflichtet werden können, für die jeweilige Seite bindende Beschlüsse zu fassen (vgl.
BAG 19. Januar 1984 - 6 ABR 19/83 - zu 2 der Gründe, BAGE 45, 22). Soweit der
Betriebsrat Aufgaben „abgibt“, die - wie das Monatsgespräch - einen vorbereitenden,
beratenden oder informativ-klärenden Charakter haben, ist die Möglichkeit einer
„regulierten Selbstentwertung“ des Kollektivorgans daher bereits strukturell
ausgeschlossen.
30 (2) Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Betriebsrat im
vorliegenden Streitfall wegen der Übertragung der Monatsgespräche auf den
Betriebsausschuss zur Bedeutungslosigkeit zu verkümmern droht. Dies gilt auch vor dem
Hintergrund der weiteren von ihm gebildeten Ausschüsse und entsprechender
Aufgabenübertragungen. Nicht die Betrauung des Betriebsausschusses mit der Teilnahme
an den Monatsgesprächen des § 74 Abs. 1 BetrVG ist geeignet, den Kernbereich
gesetzlicher Befugnisse des Betriebsrats zu tangieren, sondern allenfalls eine
anderweitige umfassende Übertragung von Entscheidungsbefugnissen.
31 cc) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Aufgabenübertragung schließlich
nicht im Hinblick auf den „Minderheitenschutz“ von Betriebsratsmitgliedern unrechtmäßig
oder gestaltungsmissbräuchlich.
32 (1) Der im BetrVG bei verschiedenen organisatorischen Vorschriften - vgl. § 27 Abs. 1
Satz 3, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 38 Abs. 2 Satz 1, § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG - zum Ausdruck
kommende „Schutz der im Betriebsrat vertretenen Minderheitenkoalitionen“ (hierzu BAG
16. November 2005 - 7 ABR 11/05 - zu B II 1 b bb (3) der Gründe, AP BetrVG 1972 § 28
Nr. 7 = EzA BetrVG 2001 § 28 Nr. 3) steht der Übertragung der Besprechungspflicht nach
§ 74 Abs. 1 BetrVG vom Betriebsrat auf den Betriebsausschuss nicht entgegen. Eine
gegenteilige Annahme führte zu dem Ergebnis, dass die Minderheitenfraktion eines
Betriebsrats jedwede Übertragung von Aufgaben iSv. § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG
konterkarieren könnte. Das BetrVG gewährt den Minderheitenkoalitionen aber nur einen
durch die Vorschriften zur Wahl der Ausschussmitglieder vermittelten „begrenzten“ Schutz.
Er wird bei der Besetzung des Betriebsausschusses durch § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG
verwirklicht. Hiernach sind die - neben dem Vorsitzenden des Betriebsrats und dessen
Stellvertreter - weiteren Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu
wählen. Der Minderheitenschutz ist im Übrigen flankiert durch § 34 Abs. 3 BetrVG. Danach
hat jedes Betriebsratsmitglied - nicht nur ein Ausschussmitglied - das Recht, Unterlagen
des Betriebsrats einzusehen (vgl. hierzu BAG 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - BAGE 131,
316). Der Antragsteller übersieht bei seiner Argumentation, dass das Monatsgespräch des
§ 74 Abs. 1 BetrVG nicht der Information des einzelnen Betriebsratsmitglieds oder seinem
höchstpersönlichen Austausch mit dem Arbeitgeber dient, sondern eine -
delegationsfähige - Aufgabe und Pflicht des Gesamtorgans ist.
33 (2) Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung der Monatsgespräche auf den
Betriebsausschuss allein erfolgte, um den Antragsteller als Vertreter einer
Minderheitenliste von einer diskursiven Auseinandersetzung mit der Arbeitgeberin oder
von Informationen auszuschließen, sind nicht ersichtlich. Hiergegen spricht zum einen,
dass der Betriebsrat - ohne dass er dies müsste - seine Entscheidung ua. damit
gerechtfertigt hat, bei einer Wahrnehmung der Monatsbesprechungen durch ihn als
Gremium wäre der Teilnehmerkreis für einen konstruktiven und effektiven Dialog wohl zu
groß. Derartige - nachvollziehbare - Überlegungen darf der Betriebsrat bei seiner
Entscheidung einer Aufgabenübertragung auf den Betriebsausschuss ohne Weiteres
einfließen lassen. Die „Beschränkung“ des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs auf eine
Rechtskontrolle bedeutet nicht, dass der Betriebsrat nicht seinerseits
Zweckmäßigkeitsüberlegungen bei seiner Entscheidung über die Aufgabendelegation
anstellen kann. Gegen einen gezielten Ausschluss des Antragstellers von der
Wahrnehmung der Monatsgespräche dürfte zum anderen sprechen, dass die
verfahrensgegenständliche Aufgabenübertragung nach den nicht angegriffenen
Feststellungen des Beschwerdegerichts einer langjährigen Praxis entspricht. Sollte in
diesem Zusammenhang die Berichterstattungspflicht des Ausschusses an das Plenum
des Betriebsrats - wie vom Antragsteller behauptet - mangelhaft sein, führte dies nicht zur
Unzulässigkeit der Aufgabenübertragung als solche, sondern wäre durch den Betriebsrat
zu beheben (in diesem Sinn bereits BAG 1. Juni 1976 - 1 ABR 99/74 - zu III 2 der Gründe,
AP BetrVG 1972 § 28 Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 28 Nr. 3).
Linsenmaier
Zwanziger
Schmidt
Coulin
Kley