Urteil des BAG vom 28.05.2014

Befristete Arbeitsverträge mit älteren Arbeitnehmern

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 28.5.2014, 7 AZR 360/12
Befristete Arbeitsverträge mit älteren Arbeitnehmern
Leitsätze
Die Regelungen in § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG in der ab 1. Mai 2007 geltenden Fassung
sind, jedenfalls soweit es um deren erstmalige Anwendung zwischen denselben
Arbeitsvertragsparteien geht, mit Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht vereinbar.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 23. Februar 2012 - 9 Sa 448/11 -
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG gestützten
sachgrundlosen Befristung.
2 Die im April 1955 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund jeweils befristeter
Arbeitsverträge in der Zeit vom 7. Juni 1999 bis 31. Dezember 1999, vom 2. Oktober 2000
bis 31. Dezember 2000, vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2001, vom 20. April 2004 bis
31. Dezember 2004 sowie vom 20. September 2005 bis 31. Dezember 2005 beschäftigt.
Vom 13. Februar 2006 bis 12. Februar 2008 stand die Klägerin in einem befristeten
Arbeitsverhältnis zur Stadt L. Danach war sie bis 31. August 2008 arbeitslos gemeldet.
Unter dem 22. August 2008 schlossen die Parteien einen für die Zeit vom 1. September
2008 bis zum 31. Dezember 2010 befristeten schriftlichen Arbeitsvertrag. In einem Vermerk
wird auf § 14 Abs. 3 TzBfG verwiesen.
3 Mit ihrer am 20. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am
31. Januar 2011 zugestellten Klage hat die Klägerin die letzte Befristung angegriffen. Sie
hat die Auffassung vertreten, die Befristung könne nicht auf § 14 Abs. 3 TzBfG gestützt
werden. Diese Vorschrift widerspreche - auch in ihrer ab dem 1. Mai 2007 geltenden
Neufassung - unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
2000/78/EG festgelegten Verbot der Altersdiskriminierung.
4 Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der am
22. August 2008 vereinbarten Befristung zum 31. Dezember 2010 geendet hat.
5 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt,
die Befristung sei nach § 14 Abs. 3 TzBfG zulässig. Diese Bestimmung begegne keinen
berechtigten unionsrechtlichen Bedenken.
6 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der
Revision.
Entscheidungsgründe
7 Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu
Recht abgewiesen. Die streitbefangene Befristung ist nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG
zulässig. § 14 Abs. 3 TzBfG ist in der seit dem 1. Mai 2007 geltenden Fassung - jedenfalls
soweit es um die erstmalige Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber geht - mit
höherrangigem Recht vereinbar.
8 A. Die Befristung kann wegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht auf § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG
gestützt werden, da zwischen der Klägerin und der Beklagten bereits zuvor, nämlich
zuletzt in der Zeit vom 20. September 2005 bis 31. Dezember 2005, ein befristetes
Arbeitsverhältnis bestand. Dessen Ende liegt nicht mehr als drei Jahre zurück. Auf die
Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bereits zuvor“ in
§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (vgl. dazu BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - BAGE 137, 275;
21. September 2011 - 7 AZR 375/10 - BAGE 139, 213) kommt es daher nicht an.
9 B. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, konnte das Arbeitsverhältnis der
Klägerin gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG in der ab 1. Mai 2007 geltenden Fassung des
Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom
19. April 2007 (BGBl. I S. 538) wirksam befristet werden. Nach dieser Bestimmung ist die
kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen
Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn
des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor
Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im
Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist,
Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten
Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch
teilgenommen hat. Nach § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG ist bis zu einer Gesamtdauer von fünf
Jahren auch die mehrfache Befristung des Arbeitsvertrags zulässig. Die Regelungen sind
- jedenfalls soweit es um ihre erstmalige Inanspruchnahme durch denselben Arbeitgeber
geht - mit höherrangigem Recht vereinbar.
10 I. § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG ist - jedenfalls bei erstmaliger Inanspruchnahme durch
denselben Arbeitgeber - unionsrechtskonform. Die Regelung ist sowohl mit der EGB-
UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der
Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) als auch mit
der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines
allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und
Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) vereinbar.
11 1. Die Rahmenvereinbarung ist nicht geeignet, die Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3
Satz 1 TzBfG zu begründen.
12 a) Soweit die erste und einmalige Befristung eines Arbeitsvertrags auf § 14 Abs. 3 Satz 1
TzBfG gestützt wird, ist schon der Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung nicht
eröffnet. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gilt
§ 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung nur für wiederholte Befristungen (EuGH 23. April 2009
- C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 90, Slg. 2009, I-3071).
13 b) Aber auch in Fallgestaltungen, in denen es bereits zuvor befristete - nicht auf § 14
Abs. 3 Satz 1 TzBfG gestützte - Arbeitsverträge gab oder in denen es gemäß § 14 Abs. 3
Satz 2 TzBfG um die mehrfache Verlängerung eines nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG
befristeten Vertrags geht, begegnet jedenfalls die erstmalige Inanspruchnahme der in
diesen Bestimmungen eröffneten Befristungsmöglichkeiten im Hinblick auf die
Rahmenvereinbarung grundsätzlich keinen durchgreifenden Bedenken. Nach § 5 Nr. 1 der
Rahmenvereinbarung ergreifen die Mitgliedstaaten, um Missbrauch durch
aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, unter
Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder
Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:
„a) sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse
rechtfertigen;
b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender
Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
c) die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.“
14 Sinn und Zweck des § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung gehen dahin, den wiederholten
Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse, der als eine Quelle potenziellen
Missbrauchs zu Lasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen, indem eine Reihe
von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen wird, die die Prekarisierung der Lage der
Beschäftigten verhindern sollen (vgl. EuGH 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Rn. 64 f.,
Slg. 2006, I-6057; 23. April 2009 - C-378/07 bis C-380/07 - [Angelidaki] Rn. 73, Slg. 2009,
I-3071; 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 25; 13. März 2014 - C-190/13 - [Márquez
Samohano] Rn. 41). Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei § 14 Abs. 3 TzBfG für die
Einführung einer Höchstbefristungsdauer und damit für ein in § 5 Nr. 1 Buchst. b der
Rahmenvereinbarung ausdrücklich genanntes Merkmal entschieden. Der Zeitrahmen von
fünf Jahren, innerhalb dessen nach § 14 Abs. 3 Satz 2 TzBfG auch die mehrfache
Verlängerung des Arbeitsvertrags zulässig ist, überschreitet den dem nationalen
Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraum nicht. Dabei verlangt der vorliegende
Fall keine Beurteilung, ob innerhalb des Zeitrahmens von fünf Jahren eine völlig
unbegrenzte Zahl von Verlängerungen zulässig ist.
15 c) Bedenken könnten im Hinblick auf die Rahmenvereinbarung allerdings veranlasst sein,
wenn § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG dahin auszulegen wären, dass sie auch die
wiederholte Anwendung zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien gestatten, sofern nur
zwischen den mehrfachen Inanspruchnahmen jeweils eine Zeit der
Beschäftigungslosigkeit von mindestens vier Monaten liegt. Ob die Bestimmungen bei
einem solchen Verständnis noch ein effektives Mittel zur Bekämpfung des Missbrauchs
durch aufeinanderfolgende befristete Verträge wären, erscheint zumindest zweifelhaft. Die
Frage kann vorliegend dahinstehen. Selbst wenn § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG - bei
einem weiten Verständnis - mit § 5 der Rahmenvereinbarung unvereinbar sein sollten,
würde das nicht zur Unanwendbarkeit der Bestimmungen führen.
16 aa) Die Unvereinbarkeit einer nationalen Rechtsnorm mit unionsrechtlichen Richtlinien
führt grundsätzlich nicht zur Unbeachtlichkeit der Vorschrift. Im Unterschied zu Normen
des Primärrechts und Regelungen in EU-Verordnungen kommen Richtlinien keine
unmittelbaren Wirkungen zu. Sie wenden sich nach Art. 288 AEUV an die Mitgliedstaaten
und verpflichten diese, die betreffenden Vorgaben im nationalen Recht umzusetzen. Damit
wirken Richtlinien nicht direkt zwischen Bürgern. Richtlinienwidriges nationales Recht
muss angewendet werden; das Unionsrecht enthält keinen Mechanismus, der es dem
nationalen Gericht erlaubt, von einer Vorschrift einer nicht umgesetzten Richtlinie
abweichende nationale Vorschriften zu eliminieren (vgl. EuGH 26. September 1996 - C-
168/95 - [Arcaro] Rn. 40, 43, Slg. 1996, I-4705). Korrektive der fehlenden unmittelbaren
Wirkung von Richtlinien zwischen Rechtspersönlichkeiten des Privatrechts sind vielmehr
die unionsrechtskonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung und
Schadenersatzansprüche gegen den Mitgliedstaat (BAG 17. November 2009 - 9 AZR
844/08 - Rn. 23, BAGE 132, 247).
17 bb) In Ausnahmefällen können allerdings auch Richtlinien unmittelbare Wirkung entfalten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Mitgliedstaat, der eine Richtlinie nicht
oder nicht ordnungsgemäß innerhalb der vorgesehenen Frist umgesetzt hat, seinen
Bürgern gegenüber nicht auf diese Säumigkeit berufen. Im Interesse der praktischen
Durchsetzung des Unionsrechts wirkt eine Richtlinie in diesem Fall unmittelbar, wenn die
betreffende Vorschrift eine inhaltlich hinreichend bestimmte und unbedingte Regelung
enthält (so bereits EuGH 5. April 1979 - C-148/78 - [Ratti] Slg. 1979, 1629; vgl. auch
4. Dezember 1997 - C-253/96 bis C-258/96 - [Kampelmann] Slg. 1997, I-6907). Als „Staat“
sind dabei nicht nur Gebietskörperschaften anzusehen, sondern alle Organisationen und
Einrichtungen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen
Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für
die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (EuGH 12. Juli 1990 - C-188/89 -
[Foster] Slg. 1990, I-3313).
18 cc) Selbst wenn hiernach die vorliegend beklagte Bundesagentur für Arbeit als staatlicher
Arbeitgeber anzusehen wäre, käme eine unmittelbare und direkte Anwendung der
Rahmenvereinbarung nicht in Betracht. § 5 der Rahmenvereinbarung enthält, wie der
EuGH wiederholt ausgeführt hat, „keine unbedingte und hinreichend genaue
Verpflichtung, die ein Einzelner bei Fehlen fristgerecht getroffener
Umsetzungsmaßnahmen vor einem nationalen Gericht geltend machen könnte“ (EuGH
15. April 2008 - C-268/06 - [Impact] Rn. 73, Slg. 2008, I-2483; 10. März 2011 - C-109/09 -
[Deutsche Lufthansa] Rn. 51, Slg. 2011, I-1309).
19 2. Auch die Richtlinie 2000/78/EG hat jedenfalls in vorliegender Fallgestaltung nicht die
Unanwendbarkeit des § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG zur Folge. Jedenfalls die erstmalige
Anwendung dieser Regelung ist mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar. Sie führt nicht zu
einer unionsrechtlich verbotenen Altersdiskriminierung.
20 a) Das TzBfG fällt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Sein
befristungsrechtlicher Teil dient der Umsetzung der Rahmenvereinbarung (BT-Drs.
14/4374 S. 1; vgl. auch BAG 25. März 2009 - 7 AZR 710/07 - Rn. 19, BAGE 130, 146). Mit
der ab 1. Mai 2007 geltenden Neufassung des § 14 Abs. 3 TzBfG sollen die „Vorgaben“
aus der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg.
2005, I-9981) und „die anderen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen“ beachtet
werden (BT-Drs. 16/3793 S. 1 und 7).
21 b) § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG führt zu einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters.
Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG liegt eine unmittelbare
Diskriminierung iSd. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vor, „wenn eine Person
wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine
weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder
erfahren würde“. Das ist bei § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG der Fall. Da nach der Vorschrift bei
Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, die kalendermäßige Befristung
des Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von fünf
Jahren für zulässig erklärt wird, erfahren diese Personen wegen ihres Alters eine weniger
günstige Behandlung als andere, jüngere Personen, bei denen die kalendermäßige
Befristung des Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes gemäß § 14
Abs. 2 Satz 1 TzBfG nur bis zu einer Dauer von zwei Jahren zulässig ist.
Dementsprechend hat der EuGH auch bereits zu § 14 Abs. 3 TzBfG in der ab dem
1. Januar 2003 geltenden Fassung, der bis zum 31. Dezember 2006 die Zulässigkeit der
sachgrundlosen Befristung vorsah, wenn der Arbeitnehmer das 52. Lebensjahr vollendet
hatte, ausdrücklich entschieden, dass dies eine unmittelbar auf dem Alter beruhende
Ungleichbehandlung begründe (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 57,
Slg. 2005, I-9981; nachfolgend BAG 26. April 2006 - 7 AZR 500/04 - BAGE 118, 76; vgl.
auch BVerfG 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - [Honeywell] BVerfGE 126, 286).
22 c) Die aus § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG folgende Ungleichbehandlung ist jedenfalls insoweit
gerechtfertigt, als es um die erstmalige Inanspruchnahme dieser Regelung und der damit
verbundenen Befristungsmöglichkeiten zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien geht.
Ob auch die mehrmalige Inanspruchnahme mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar wäre,
kann vorliegend dahinstehen.
23 aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten
vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung
darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen
Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den
Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind,
gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich
sind. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nennt Beispiele, in denen
Ungleichbehandlungen gerechtfertigt sein können (EuGH 18. November 2010 - C-250/09
und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 36, Slg. 2010, I-11869). Dazu gehört nach Art. 6 Abs. 1
Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG auch „die Festlegung … besonderer
Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung
und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren
Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz
sicherzustellen“.
24 (1) Legitime Ziele im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sind -
wobei die Aufzählung nicht abschließend ist - solche, die mit der Beschäftigungspolitik,
dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung in Zusammenhang stehen (EuGH
13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003).
25 (2) Die zur Erreichung derartiger Ziele eingesetzten Mittel müssen „angemessen und
erforderlich“ iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG sein (EuGH
18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 49, Slg. 2010, I-11869).
Dabei verfügen die Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel
von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch
bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten
Ermessensspielraum (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005,
I-9981; 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 50, aaO). Dieser
Spielraum darf allerdings nicht dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots der
Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt wird (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 -
[Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569). Die Prüfung, ob eine Altersgrenze dem
Anliegen gerecht wird, die angeführten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu
erreichen, obliegt dem nationalen Gericht (EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-
268/09 - [Georgiev] Rn. 56 mwN, aaO).
26 (3) Mit der Frage, ob eine nationale Bestimmung, nach der ab einem bestimmten
Lebensalter ohne Sachgrund befristete Arbeitsverträge ohne weitere Voraussetzungen
unbegrenzt für zulässig erklärt werden, mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar ist, hat sich
der EuGH im Urteil vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981)
näher befasst (vgl. auch EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev]
Rn. 57 bis 59, Slg. 2010, I-11869). Er hat dabei zum einen festgestellt, dass die Legitimität
des im Allgemeininteresse stehenden Ziels, die berufliche Eingliederung arbeitsloser
älterer Arbeitnehmer zu fördern, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder
einen Arbeitsplatz zu finden, außer Zweifel stehe (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 -
[Mangold] Rn. 59, 60, aaO).
27 Der EuGH hat aber auch betont, dass durch eine nationale Regelung, die ab einem
bestimmten Lebensalter - damals war das, ebenso wie vorliegend, das vollendete
52. Lebensjahr - unterschiedslos den Abschluss befristeter, unbegrenzt häufig
verlängerbarer Arbeitsverträge gestatte, eine große, ausschließlich nach dem Lebensalter
definierte Gruppe von Arbeitnehmern während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens
Gefahr laufe, von festen Beschäftigungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein, die doch,
wie sich aus der Rahmenvereinbarung ergebe, einen wichtigen Aspekt des
Arbeitnehmerschutzes darstellten (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold]
Rn. 64, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 -
[Georgiev] Rn. 59, Slg. 2010, I-11869). Er hat ferner ausgeführt, dass solche Vorschriften
über das, was zur Erreichung des Ziels der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer
Arbeitnehmer angemessen und erforderlich ist, hinausgehen, sofern sie das Alter des
Arbeitnehmers als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertrags festlegen, ohne
dass nachgewiesen wäre, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig
von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen
Arbeitsmarktes und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Ziels
objektiv erforderlich ist (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, aaO; vgl.
auch 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 59, aaO); die Wahrung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedeute, dass bei Ausnahmen von einem
Individualrecht die Erfordernisse des Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich
mit denen des angestrebten Ziels in Einklang gebracht werden müssen (EuGH
22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, aaO).
28 bb) Hiernach ist § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG jedenfalls hinsichtlich seiner erstmaligen
Inanspruchnahme durch dieselben Arbeitsvertragsparteien mit der Richtlinie 2000/78/EG
vereinbar (im Ergebnis ebenso APS/Backhaus 4. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 422; Dörner Der
befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 520; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 110a;
Arnold/Gräfl/Gräfl TzBfG 3. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 356; Koch jurisPR-ArbR 20/2007 Anm. 6;
KR-Lipke 10. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 486; Sievers TK-TzBfG 4. Aufl. § 14 Rn. 520; wohl auch
Bader NZA 2007, 713; Schlachter in Laux/Schlachter TzBfG 2. Aufl. § 14 Rn. 152; aA
Kast/Herrmann BB 2007, 1841; wohl auch Preis/Temming NZA 2010, 185; zweifelnd
HaKo-TzBfG/Boecken 3. Aufl. § 14 Rn. 145; Maschmann in Annuß/Thüsing TzBfG 3. Aufl.
§ 14 Rn. 83a).
29 (1) Mit § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG verfolgt der deutsche Gesetzgeber ein legitimes Ziel im
Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG. Die Regelung soll die
Beschäftigungschancen älterer Arbeitsuchender verbessern und Anreize zu ihrer
Einstellung schaffen. Sie soll „Unternehmen … ermutigen, mehr Ältere einzustellen“ (BT-
Drs. 16/3793 S. 2) und ihnen „die Entscheidung zur Einstellung älterer Arbeitsuchender
erleichtern“ (BT-Drs. 16/3793 S. 7). Zugleich verbindet der Gesetzgeber damit die
Erwartung, eine befristete Einstellung könne „auch für Ältere eine Brücke zu einer
dauerhaften Beschäftigung sein“ (BT-Drs. 16/3793 S. 7). Er sieht in der Zulassung
befristeter Arbeitsverträge ein „Mittel der beruflichen Eingliederung in Abweichung vom
Regelfall der unbefristeten Beschäftigung“ (BT-Drs. 16/3793 S. 8). Dieses Ziel, die
berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, hat der EuGH
ausdrücklich als legitim anerkannt (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold]
Rn. 60, Slg. 2005, I-9981).
30 (2) Die durch § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit der sachgrundlosen
Befristung der Arbeitsverträge älterer Arbeitnehmer ist jedenfalls im Falle der erstmaligen
Anwendung der Regelung zwischen denselben Vertragspartnern ein geeignetes,
erforderliches und angemessenes Mittel, um das vom Gesetzgeber verfolgte legitime
beschäftigungspolitische Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen.
31 (a) Die Beurteilung des Gesetzgebers, ältere Arbeitsuchende befänden sich nach wie vor
in einer schwierigen Beschäftigungssituation, da Menschen im Alter zwischen 50 und
64 Jahren von Arbeitslosigkeit wesentlich stärker betroffen seien als andere
Altersgruppen, ist insbesondere angesichts des Befundes, dass die Hälfte von ihnen
langzeitarbeitslos sei und die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bei
16,5 Monaten liege (BT-Drs. 16/3793 S. 7), nicht zu beanstanden.
32 (b) Auch die Einschätzung des Gesetzgebers, die - gegenüber § 14 Abs. 2, Abs. 2a
TzBfG - erweiterte Möglichkeit, die Arbeitsverträge älterer Arbeitsuchender sachgrundlos
zu befristen, sei geeignet und erforderlich, deren Einstellung zu fördern, begegnet
insbesondere unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber insoweit zustehenden weiten
Beurteilungsspielraums keinen durchgreifenden Bedenken.
33 (c) Die mit § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG verbundene Ungleichbehandlung älterer
Arbeitnehmer erweist sich auch - jedenfalls bei der erstmaligen Inanspruchnahme durch
dieselben Vertragsparteien - als „angemessen“. Unter Berücksichtigung des mit der
Regelung verfolgten Ziels werden die älteren Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig
benachteiligt. Der Gesetzgeber hat vielmehr das Verbot der Altersdiskriminierung so weit
wie möglich mit dem Ziel der Beschäftigungsförderung älterer Arbeitsuchender in Einklang
gebracht (vgl. EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981).
34 (aa) Anders als in § 14 Abs. 3 TzBfG in der ab dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung ist
zum einen nicht mehr das Lebensalter des Arbeitnehmers das einzige die Befristung
rechtfertigende Kriterium. Tatbestandsvoraussetzung ist vielmehr nach § 14 Abs. 3 Satz 1
TzBfG darüber hinaus eine mindestens viermonatige Beschäftigungslosigkeit iSv. § 138
Abs. 1 Nr. 1 SGB III oder einer der in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG genannten gleichgestellten
Sachverhalte. Damit trägt der Gesetzgeber dem zentralen Bedenken im Urteil des EuGH
vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981) Rechnung (vgl.
dazu auch EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 62, Slg.
2010, I-11869). Nach der Neuregelung reicht das Überschreiten eines bestimmten
Lebensalters zur Rechtfertigung einer sachgrundlosen Befristung allein gerade nicht mehr
aus. Hinzukommen muss vielmehr ein Sachverhalt, der typischerweise die „prekäre“
Situation des Arbeitsuchenden belegt. Das ist erforderlichenfalls auch bei der Auslegung
des Begriffs der „Beschäftigungslosigkeit“ zu berücksichtigen. Die Frage, ob insoweit aus
unionsrechtlichen Gründen eine enge Auslegung geboten ist, bedarf vorliegend keiner
Vertiefung. Die Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG wird auch nicht etwa dadurch
inkohärent, dass der Gesetzgeber in ihr noch andere Sachverhalte der
Beschäftigungslosigkeit iSv. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gleichstellt. Der Gesetzgeber hat in
der Gesetzesbegründung die Gründe für diese Gleichstellung näher dargestellt (vgl. BT-
Drs. 16/3793 S. 7, 8). Die Einbeziehung der in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG genannten
Sachverhalte ist danach insbesondere unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und
Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht zu beanstanden.
35 (bb) Anders als in § 14 Abs. 3 TzBfG in der ab dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung ist
nunmehr die Aneinanderreihung sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge auch nicht mehr
unbegrenzt möglich. Dies war der zweite wesentliche Gesichtspunkt, den der EuGH im
Urteil vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-9981) beanstandet
hatte (aaO Rn. 64). Dagegen ist nun die Befristung nur noch bis zu einer Dauer von fünf
Jahren zulässig. Damit ist eine Regelung getroffen, die, wie ausgeführt, auch § 5 Nr. 1 der
Rahmenvereinbarung genügt (vgl. dazu, dass dieser Gesichtspunkt auch im Rahmen der
Richtlinie 2000/78/EG bedeutsam sein kann, EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-
268/09 - [Georgiev] Rn. 65, Slg. 2010, I-11869).
36 (3) Erhebliche Bedenken an der Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2000/78/EG wären
allerdings gegenüber der wiederholten Anwendung von § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG
zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien veranlasst, erscheint doch zweifelhaft, ob in
diesem Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. EuGH 22. November 2005 - C-
144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981) noch gewahrt wäre. Die Bedenken können
aber vorliegend dahinstehen. Falls die wiederholte Anwendung von § 14 Abs. 3 Sätze 1
und 2 TzBfG zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mit der Richtlinie 2000/78/EG
unvereinbar sein sollte, wäre entweder eine einschränkende unionsrechtskonforme
Auslegung von § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG geboten oder - sofern eine solche
Auslegung wegen eines etwa entgegenstehenden ausdrücklichen Willens des deutschen
Gesetzgebers nicht als möglich erachtet werden sollte - die Regelung in § 14 Abs. 3
Sätze 1 und 2 TzBfG insoweit teilweise unanwendbar. Die Unanwendbarkeit der
gesamten Regelung hätte dies aber nicht zur Folge.
37 d) Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Die
vorliegend maßgeblichen unionsrechtlichen Fragen sind insbesondere durch die
Entscheidungen des EuGH vom 22. November 2005 (- C-144/04 - [Mangold] Slg. 2005, I-
9981) und vom 18. November 2010 (- C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-
11869) geklärt.
38 II. § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG begegnet - jedenfalls bei erstmaliger Inanspruchnahme durch
denselben Arbeitgeber - keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die
Regelung ist insoweit sowohl mit Art. 12 Abs. 1 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG
vereinbar. Ob das auch im Falle der wiederholten Inanspruchnahme der Fall wäre, kann
vorliegend dahinstehen.
39 1. Die Regelungen in § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG sind jedenfalls hinsichtlich ihrer
erstmaligen Inanspruchnahme durch dieselben Arbeitsvertragsparteien mit Art. 12 Abs. 1
GG vereinbar. Die Schutzpflichtfunktion des Art. 12 Abs. 1 GG verpflichtet die staatlichen
Grundrechtsadressaten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen
Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren (vgl.
BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 419/05 - Rn. 18 mwN, BAGE 120, 42). Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats schützen bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen die
Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts
aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 32, BAGE 137, 275).
Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der
Gesetzgeber wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele
einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG 18. November 2003 - 1 BvR 302/96 - zu
C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Diesem Gestaltungsspielraum entspricht es, wenn
der Gesetzgeber die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge mit älteren Arbeitsuchenden
besonders regelt, um deren Beschäftigungschancen zu fördern. Mit der auf fünf Jahre
begrenzten Höchstbefristungsdauer und den innerhalb dieser Dauer eröffneten
wiederholten Verlängerungsmöglichkeiten wird älteren Arbeitnehmern auch nicht etwa für
einen Großteil ihrer Lebensarbeitszeit jeglicher arbeitsvertragliche Beendigungsschutz
genommen. Ob unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beliebig viele Befristungen
innerhalb des Fünf-Jahreszeitraums unbedenklich wären, bedarf vorliegend keiner
Beurteilung.
40 2. Art. 3 Abs. 1 GG wird jedenfalls im Falle der erstmaligen Inanspruchnahme der § 14
Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien ebenfalls nicht
verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend zu behandeln. Bei einer ungleichen
Behandlung von Personengruppen unterliegt der Gesetzgeber in der Regel einer strengen
Bindung (vgl. etwa BVerfG 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - Rn. 86 mwN, BVerfGE 124, 199).
An die eine Ungleichbehandlung rechtfertigenden Gründe sind umso höhere
Anforderungen zu stellen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung
grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG 15. Juli 1998 -
1 BvR 1554/89, 963/94, 964/94 - zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 98, 365). Für die
ungleiche Behandlung der in § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG genannten Personen unter den
dort beschriebenen Voraussetzungen gibt es hinreichende sachliche Gründe. Der
Gesetzgeber verfolgt damit das berechtigte Ziel, die Beschäftigungschancen dieser
Personen zu verbessern.
41 3. Vorliegend kann dahinstehen, ob die Regelung in § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 TzBfG mit
Art. 12 Abs. 1 GG und mit Art. 3 Abs. 1 GG uneingeschränkt vereinbar wäre, wenn sie
dahin zu verstehen wäre, dass sie auch die wiederholte Inanspruchnahme durch
dieselben Arbeitsvertragsparteien gestattet, sofern nur jeweils eine
Beschäftigungslosigkeit von mindestens vier Monaten dazwischengeschaltet wird. Falls
die Regelung bei einem solchen weiten Verständnis verfassungswidrig sein sollte, wäre
zu prüfen, ob sie nach dem Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung
einschränkend ausgelegt werden könnte. Gegen ein solches Verständnis könnte die
Gesetzesbegründung sprechen, in der es heißt, die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
könne, soweit die Voraussetzungen vorliegen, „von demselben Arbeitgeber erneut
befristet beschäftigt werden“ (BT-Drs. 16/3793 S. 10; vgl. auch Koch jurisPR-ArbR 20/2007
Anm. 6). Falls aus diesem Grund eine einschränkende Gesetzesauslegung als nicht
möglich, ein weites Verständnis aber als verfassungswidrig erachtet werden sollte, wäre
gleichwohl die Regelung nicht insgesamt verfassungswidrig. Vielmehr könnte sie in ihrem
verfassungsrechtlich unbedenklichen, abgrenzbaren und sinnvoll anwendbaren Teil
angewandt werden. Die vorstehenden Fragen bedürfen daher vorliegend keiner
abschließenden Beurteilung.
42 III. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG sind erfüllt. Darüber besteht
zwischen den Parteien auch kein Streit. Die im April 1955 geborene Klägerin hatte bei
Beginn des verabredeten befristeten Arbeitsverhältnisses am 1. September 2008 das
52. Lebensjahr vollendet. Sie war nach dem Ende ihres mit der Stadt L geschlossenen
befristeten Vertrags vom 13. Februar 2008 bis 31. August 2008 arbeitslos und damit
beschäftigungslos iSv. § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG iVm. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Die
Laufzeit des befristeten Vertrags vom 1. September 2008 bis zum 31. Dezember 2010
überschreitet die zulässige Höchstdauer von fünf Jahren nicht.
43 IV. Der Klage kann nicht aus einem anderen Grund entsprochen werden. Anhaltspunkte
dafür, dass die Befristungsabrede aus Gründen des institutionellen Rechtsmissbrauchs als
unwirksam zu erachten wäre, bestehen nicht (vgl. zum institutionellen Rechtsmissbrauch
BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - BAGE 142, 308 und - 7 AZR 783/10 -). An einen
solchen nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch sind hohe
Anforderungen zu stellen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die
Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber
geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen. Hier war
die Klägerin bei der Beklagten in der Zeit vom 7. Juni 1999 bis 31. Dezember 2010
insgesamt etwas mehr als viereinhalb Jahre auf der Grundlage von insgesamt sechs
befristeten Verträgen beschäftigt. Zwischen diesen lagen allerdings teilweise längere
Unterbrechungen, zuletzt eine solche von zwei Jahren und acht Monaten. Hiernach gibt es
keinen ausreichenden Hinweis auf das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs.
44 C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Linsenmaier
Zwanziger
Rachor
Schiller
Kley