Urteil des BAG vom 12.12.2012

Erstattung einer Übergangsversorgung bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der tarifvertraglichen Altersgrenze - ungerechtfertigte Bereicherung - Annahmeverzug

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.12.2012, 5 AZR 93/12
Erstattung einer Übergangsversorgung bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen
der tarifvertraglichen Altersgrenze - ungerechtfertigte Bereicherung - Annahmeverzug
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2011 - 5 Sa 756/11 -
aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben und die Widerklage
abgewiesen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs und die Erstattung einer
Übergangsversorgung.
2 Die am 2. Juli 1950 geborene Klägerin ist seit dem 1. Dezember 1986 bei der Beklagten
bzw. deren Rechtsvorgängerin als Flugbegleiterin beschäftigt. Ihre Bruttomonatsvergütung
beträgt 3.150,00 Euro.
3 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der als
Firmentarifvertrag abgeschlossene Manteltarifvertrag Nr. 11 Kabinenpersonal vom
7. Dezember 2007 Anwendung. Dort heißt es auszugsweise:
㤠11
Behördliche Erlaubnis, Berechtigung und Bestätigung
(1) Jeder Arbeitnehmer, der zur Ausübung seiner Tätigkeit einer behördlichen
Erlaubnis, Berechtigung oder einer behördlichen Bestätigung über ein
abgelegtes Sicherheitstraining bedarf, ist persönlich für die Ausstellung und
Aufrechterhaltung dieser Erlaubnis/ Berechtigung/Bestätigung
verantwortlich.
Können die Prüftermine für die Ausstellung und Aufrechterhaltung dieser
Erlaubnis/Berechtigung/Bestätigung nicht rechtzeitig aus Gründen
festgesetzt werden, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, dürfen dem
Einzelnen hieraus keine Nachteile erwachsen.
§ 24
Anspruch auf Vergütung
(6) Die monatliche Vergütung wird für den laufenden Monat in der Weise
bargeldlos bezahlt, daß sie am Ende eines jeden Monats dem Bank-,
Sparkassen- oder Postscheckkonto des Arbeitnehmers gutgeschrieben ist.
§ 34
Dreizehntes Monatsgehalt
(Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld)
(1) Der Arbeitgeber gewährt den Arbeitnehmern ein dreizehntes Gehalt auf der
Basis der Grundgehälter nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.
Die Auszahlung erfolgt zu 50 % als Urlaubsgeld auf der Basis des im Mai
gültigen Vergütungstarifvertrages mit dem Maigehalt und zu 50 % als
Weihnachtsgeld auf der Basis des im November gültigen
Vergütungstarifvertrages mit dem Novembergehalt.
§ 41
Sonderurlaub und zeitweilige Arbeitsbefreiung aus besonderem Anlaß
(2) Aus den nachfolgend aufgeführten besonderen Anlässen hat der
Arbeitnehmer für die Dauer der unumgänglich notwendigen Abwesenheit
wie folgt Anspruch auf Arbeitsbefreiung:
d)
Bei amts- oder kassenärztlicher Untersuchung oder Behandlung des
arbeitsfähigen Arbeitnehmers, wobei die Anpassung,
Wiederherstellung oder Neuerung künstlicher Glieder sowie die
Beschaffung von Zahnersatz als ärztliche Behandlung gilt.
§ 47
Erreichen der Altersgrenze
Das Arbeitsverhältnis endet -ohne daß es einer Kündigung bedarf- mit Ablauf des
Monats, in dem die Zahlung einer Altersrente durch den gesetzlichen
Versicherungsträger eintritt, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem der
Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet hat.
§ 51
Ausschlußfristen
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind beiderseits binnen einer Ausschlußfrist
von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Wird diese Ausschlußfrist
versäumt oder sind nach Beendigung mehr als sechs Monate verstrichen, so
können Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden.“
4 Darüber hinaus finden die Bestimmungen des Tarifvertrags Übergangsversorgung
Bordpersonal vom 1. Januar 1986 idF vom 3. Dezember 1997 (im Folgenden: TV-ÜV)
Anwendung, der ua. bestimmt:
㤠2
Gegenstand
1.
Die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden
Arbeitnehmer erhalten die Möglichkeit, im Rahmen eines
Gruppenversicherungsvertrages eine persönliche Übergangsversorgung für
die Zeit von der tarifvertraglichen Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses mit vollendetem 60. Lebensjahr bis zum
Beginn der Altersrente bzw. der vorgezogenen Altersrente aus der
Angestelltenversicherung in Form einer Versicherung für den Erlebensfall
mit Beitragsrückgewähr im Todesfall abzuschließen.
2.
Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, die zum Abschluß der Versicherung
erforderlichen Erklärungen abzugeben.
3.
Die Prämien der Versicherungen werden vom Arbeitgeber getragen und an
den Versicherer abgeführt. Die Arbeitnehmer tragen die darauf entfallenden
Steuern und den Arbeitnehmeranteil von etwaigen Sozialabgaben.
§ 3
Versicherer/Versicherungsnehmer
… Versicherungsnehmer ist der jeweilige Arbeitnehmer.
§ 4
Versicherungsbeginn und -dauer
1.
Versicherungsbeginn ist der 01. Januar 1986 für die zu diesem Zeitpunkt
beschäftigten Arbeitnehmer, soweit sie das 30. Lebensjahr vollendet haben.
Für die übrigen Arbeitnehmer besteht das Recht zum Abschluß dieser
Versicherung bei Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis, frühestens jedoch
nach Vollendung des 30. Lebensjahres des jeweiligen Arbeitnehmers.
2.
Der Ablauf der Versicherung wird auf die Vollendung des 60. Lebensjahres
abgestellt.
3.
Bei Abschluß des Versicherungsvertrages räumt der Arbeitnehmer dem
Arbeitgeber ein unwiderrufliches Bezugs- und Kündigungsrecht nach
folgender Maßgabe ein:
Der Arbeitgeber hat für den Rückkauffall ein unwiderrufliches Bezugsrecht
in Höhe von 63 % des Rückkaufswertes. Das Bezugsrecht des Arbeitgebers
bezieht sich auch auf die entsprechenden Gewinnanteile. Für den aufgrund
dieses Bezugsrechts auf den Arbeitgeber entfallenden Teil des
Rückkaufswertes einschließlich der entsprechenden Gewinnanteile hat der
Arbeitgeber ein eigenes Kündigungsrecht.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, dieses Kündigungsrecht bzw. Bezugsrecht in
folgenden Fällen auszuüben:
-
bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund einer
Kündigung des Arbeitnehmers;
-
bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund einer
außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) bzw.
einer in diesem Zusammenhang hilfsweise ausgesprochenen
ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers, sofern die Kündigung durch
rechtskräftiges Urteil bestätigt ist. …
4.
...
5.
Im Fall der Kündigung des Versicherungsvertrages wird der Rückkaufswert
einschließlich der Gewinnanteile zu 63 % an den Arbeitgeber und zu 37 %
an den Arbeitnehmer ausgezahlt. Der Arbeitnehmer kann jedoch mit dem
Versicherer die Fortführung des Versicherungsvertrages vereinbaren.
6.
Im übrigen ist während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses eine
Abtretung von Rechten aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich
ausgeschlossen. Ausnahmen erfolgen nur im Einvernehmen zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
§ 6
Aufwendungen
Der Arbeitgeber führt die Versicherungsprämien monatlich vorschüssig an den
Versicherer ab.
Die einzelnen Arbeitnehmer werden mit den Steuern und etwaigem Anteil von
Sozialabgaben monatlich belastet.“
5 Der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der M Lebensversicherungs-AG
abgeschlossene Gruppenversicherungsvertrag entspricht inhaltlich den Vorgaben des TV-
ÜV. Die Klägerin trat dieser Gruppenversicherung bei (Versicherungsschein vom
30. Oktober 1995). Die Beklagte zahlte zugunsten der Klägerin Beiträge in Höhe von
insgesamt 72.234,20 Euro.
6 Mit Schreiben vom 1. Juni 2010 machte die Klägerin die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus erfolglos geltend. Mit der
Abrechnung für Juli 2010 zahlte die Beklagte Urlaubsabgeltung iHv. 2.293,70 Euro brutto.
Die Klägerin setzte ihre Tätigkeit ab dem 1. August 2010 zunächst nicht fort und bezog
vom 1. August bis zum 30. November 2010 Arbeitslosengeld iHv. 8.401,20 Euro.
7 Die A Lebensversicherungs-AG zahlte an die Klägerin am 1. August, 1. November und
1. Dezember 2010 insgesamt 97.584,15 Euro als Versicherungssumme aus.
8 Im Rahmen eines Befristungskontrollrechtsstreits schlossen die Parteien am
23. November 2010 vor dem Arbeitsgericht folgenden Vergleich:
„1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird über den
Ablauf der tarifvertraglichen Befristung hinaus bis zum Eintritt der
Regelaltersgrenze der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung
(nach derzeitiger Rechtslage also mit Ablauf des 30.11.2015) fortgesetzt.
Sollte die Klägerin vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen, so endet
das Arbeitsverhältnis automatisch mit Ablauf des vor Inanspruchnahme der
vorgezogenen Altersrente liegenden Monats. Ungeachtet der hiermit
geregelten Befristung des Arbeitsverhältnisses kann das Arbeitsverhältnis
nach Maßgabe der geltenden gesetzlichen und tarifvertraglichen
Regelungen beiderseits gekündigt werden.
2. Etwaige Ansprüche der Parteien im Hinblick auf die für die Klägerin auf der
Grundlage des Tarifvertrages Übergangsversorgung abgeschlossene
Übergangsversorgung bleiben von dieser Vereinbarung unberührt.“
9 Mit Schreiben vom 3. Dezember 2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ab dem
7. Dezember 2010 an einem Wiedereinsteigekurs für Flugbegleiter teilzunehmen. Die
Klägerin antwortete, sie habe am 8. Dezember 2010 einen wichtigen Arzttermin und für die
Zeit vom 9. bis zum 16. Dezember 2010 einen Flug und ein Hotel gebucht, „da sie einen
Urlaub von dem Arbeitsamt bis zum 29. Dezember 2010 erhalten habe, wegen Kur“. Mit E-
Mail vom 6. Dezember 2010 verlegte die Beklagte die Schulung auf den 4. und 5. Januar
2011. Ab dem 18. Dezember 2010 hatte die Klägerin Erholungsurlaub. Die Beklagte
zahlte der Klägerin für die Zeit vom 18. bis zum 31. Dezember 2010 Urlaubsentgelt iHv.
1.408,45 Euro brutto. Vom Nettogehalt der Klägerin behielt sie im Februar 2011
1.242,40 Euro, im März 2011 437,40 Euro und im April 2011 1.004,40 Euro ein.
10 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich seit dem 1. August 2010
im Annahmeverzug befunden. Der Gehaltsabzug für Februar, März und April 2011 sei
unberechtigt.
11 Die Klägerin hat zuletzt - sinngemäß - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 13.384,94 Euro brutto abzüglich
erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 8.401,20 Euro netto sowie 2.684,20 Euro netto
jeweils nebst Zinsen nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu
zahlen.
12 Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise für den Fall, dass der Klage teilweise
oder vollumfänglich stattgegeben werde, beantragt,
im Wege der Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte
94.899,95 Euro nebst Prozesszinsen zu zahlen.
13 Die Klägerin hat Abweisung der Eventualwiderklage beantragt.
14 Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin hätte nach dem Vergleichsabschluss
unaufgefordert ihre Arbeit anbieten müssen. Ihre Weigerung, an dem Wiedereinsteigekurs
teilzunehmen, belege ihren bereits ab dem 1. August 2010 fehlenden Leistungswillen. Ein
13. Gehalt könne die Klägerin nur in Höhe des Grundgehalts von 2.072,00 Euro brutto
beanspruchen; darauf seien bereits 1.812,91 Euro brutto gezahlt. Im Übrigen seien die
Ansprüche gemäß § 51 MTV verfallen. Eventuelle Vergütungsansprüche seien schließlich
mit der Auszahlung der Versicherungssumme erfüllt worden. Mit ihrem
Erstattungsanspruch rechne sie auf, hilfsweise mache sie ihn widerklagend geltend.
15 Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage der
Beklagten abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin ist die Beklagte zu weiteren
Zahlungen verurteilt worden. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht
Zahlungen verurteilt worden. Die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht
zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Beklagte ihr Klageabweisungs- und Widerklagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des
Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen
Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht noch tatsächliche
Feststellungen zum Leistungswillen der Klägerin und zur Aufrechnung zu treffen hat.
Davon abhängig ist über die Hilfswiderklage der Beklagten zu entscheiden.
17 A. Die Klägerin hat gemäß § 615 Satz 1 BGB Anspruch auf Vergütung wegen
Annahmeverzugs für die Zeit vom 1. August bis zum 6. Dezember 2010. Für die Zeit vom
7. Dezember 2010 bis zum 16. Dezember 2010 ist die Klage unbegründet, weil die
Klägerin nicht leistungswillig war. Ob für den 17. Dezember 2010 vom Leistungswillen
auszugehen ist, hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen.
18 I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat über den 31. Juli 2010 hinaus fortbestanden.
Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses kraft tarifvertraglicher Befristung hatte die
Klägerin bereits vor Erreichen der Altersgrenze protestiert. Hierdurch trat Annahmeverzug
ein, ohne dass es eines tatsächlichen Angebots der Arbeitsleistung am 1. August 2010
bedurfte.
19 1. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene
Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der
Arbeitnehmer die Arbeitsleistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Streiten die Parteien
über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, genügt gemäß § 295 BGB ein wörtliches
Angebot des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit der Berufung auf das Ende des
Arbeitsverhältnisses erklärt, er werde keine weitere Arbeitsleistung mehr annehmen.
Dieses wörtliche Angebot kann darin liegen, dass der Arbeitnehmer gegen die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses protestiert oder eine Befristungskontrollklage
einreicht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 28 mwN). Lediglich nach einer
unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs
keines Angebots des Arbeitnehmers (st. Rspr., BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 -
Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 36).
20 2. Die Klägerin hat schon vor Erreichen der tariflichen Altersgrenze ihre Arbeitsleistung
hinreichend iSd. § 295 BGB angeboten, als sie mit Schreiben vom 1. Juni 2010 die
Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses beantragte.
21 II. Der Annahmeverzug ist nicht mit Abschluss des Prozessvergleichs am 23. November
2010 beendet worden.
22 1. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers endet nicht von selbst, sondern wenn die
Voraussetzungen des Gläubigerverzugs entfallen. Ist der Arbeitgeber mit der Annahme der
Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gekommen, muss er zur Beendigung des
Annahmeverzugs den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Allein die Beilegung des
Rechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall kann der Arbeitnehmer eine
Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten. Dies gilt vor allem dann, wenn dem
Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder
aufnehmen kann (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 615
Nr. 37; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 95 Rn. 63).
23 2. Ohne eine konkrete Arbeitsaufforderung durch die Beklagte war der Klägerin nicht
erkennbar, wo und wann sie ihre Arbeit als Flugbegleiterin tatsächlich aufnehmen konnte,
zumal sie regelmäßig aufgrund von Dienstplänen für bestimmte Flüge eingeteilt wurde
(vgl. § 20a Abs. 2 MTV).
24 III. Die Klägerin war bis einschließlich 6. Dezember 2010 leistungswillig. Für den Zeitraum
vom 7. bis zum 16. Dezember 2010 fehlt es hingegen am Leistungswillen der Klägerin,
was insoweit zur Unbegründetheit der Klage führt. Ob die Klägerin am 17. Dezember 2010
leistungswillig war, hat das Landesarbeitsgericht noch festzustellen.
25 1. Nach § 297 BGB kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der
Arbeitnehmer außerstande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen
oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich
genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer
sich selbst außerstande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive
Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und
dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten
Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 -
Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; 22. Februar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 16, EzA
BGB 2002 § 615 Nr. 36).
26 2. In der Zeit vom 7. bis zum 16. Dezember 2010 war die Klägerin nicht leistungswillig. Die
Beklagte hatte der Klägerin mit E-Mail vom 3. Dezember 2010 Arbeit zugewiesen, indem
sie sie aufforderte, ab dem 7. Dezember 2010 an einem Wiedereinsteigekurs
teilzunehmen. Die Antwort der Klägerin, sie habe am 8. Dezember 2010 einen Arzttermin
und für die Zeit vom 9. bis zum 16. Dezember 2010 einen Flug und ein Hotel gebucht,
dokumentierte den fehlenden Leistungswillen der Klägerin.
27 3. Sollte die Klägerin tatsächlich am 8. Dezember 2010 einen Arzt aufgesucht haben, um
sich persönlich behandeln zu lassen, würde dies nach § 41 Abs. 2 Buchst. d MTV oder
§ 616 BGB keinen Vergütungsanspruch für diesen Tag begründen, denn die Klägerin hat
die Voraussetzungen dieser Entgeltfortzahlungsregelungen nicht dargelegt (vgl. BAG
22. Januar 1986 - 5 AZR 34/85 - BAGE 50, 376).
28 4. Ob von der Fortdauer der Leistungsunwilligkeit am 17. Dezember 2010 auszugehen ist,
muss noch festgestellt werden.
29 5. Aus dem ab dem 7. Dezember fehlenden Leistungswillen kann nicht auf einen bereits
ab dem 1. August 2010 fehlenden Leistungswillen geschlossen werden. Der
Leistungswille fehlte ab dem 7. Dezember wegen des für den anschließenden Zeitraum
gebuchten Urlaubs. Die Beklagte hat aber keine Anhaltspunkte dargelegt, aus denen
geschlossen werden könnte, die Klägerin sei bereits zu einem früheren Zeitpunkt
leistungsunwillig gewesen.
30 IV. Die Beklagte kann sich für die Zeit bis zum 6. Dezember 2010 nicht auf eine fehlende
Auffrischungsschulung gemäß Anlage 1 zu OPS 1.1020 der Verordnung (EG)
Nr. 859/2008 und damit auf eine fehlende Leistungsfähigkeit der Klägerin berufen, denn
vom 1. August 2010 an gerechnet waren zum Zeitpunkt der Aufforderung noch keine
sechs Monate vergangen. Zudem lässt sich der OPS 1.1020 nicht entnehmen, dass eine
unterlassene Auffrischungsschulung das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit
begründet. Soll eine Rechtsnorm das rechtliche Unvermögen zur Berufstätigkeit
begründen, muss sie diese Rechtsfolge klar und deutlich zum Ausdruck bringen (vgl. BAG
18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, BAGE 130, 29).
31 V. In welcher Höhe der Klägerin im Rahmen der anzustellenden Gesamtberechnung (vgl.
BAG 22. November 2005 - 1 AZR 407/04 - Rn. 22 mwN, BAGE 116, 246; 12. Dezember
2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 33, BAGE 120, 308; 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 29, EzA
BGB 2002 § 615 Nr. 37) noch weitere Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs
zustehen, kann der Senat nicht entscheiden.
32 1. Die Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs sind für den gesamten
Streitzeitraum zu addieren. Sodann ist das bezogene Arbeitslosengeld in Abzug zu
bringen.
33 Der Klägerin stehen zunächst für die Monate August bis November jeweils 3.150,00 Euro
brutto (= 12.600,00 Euro brutto) und für die Zeit vom 1. bis zum 6. Dezember 2010 weitere
630,00 Euro brutto (6/30 von 3.150,00 Euro) zu. Bei der Berechnung ist insoweit nicht auf
die in diesem Monat anteilig zu leistenden Arbeitstage abzustellen, sondern die anteilige
Vergütung ist auf der Grundlage eines Tagessatzes von einem Dreißigstel des
Monatsentgelts zu berechnen (§ 24 Abs. 3 MTV, vgl. auch BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR
251/11 - Rn. 22 ff., EzA BGB 2002 § 615 Nr. 37). Sollte die Klägerin am 17. Dezember
2010 leistungswillig gewesen sein, wäre die Vergütung für diesen Tag hinzuzurechnen.
34 Hiervon in Abzug zu bringen ist der Betrag von 2.293,70 Euro brutto, mit dem die Beklagte
- noch ausgehend von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2010 - den
offenen Urlaubsanspruch der Klägerin abgelten wollte. Von dem Bruttoanspruch ist das
bezogene Arbeitslosengeld iHv. 8.401,20 Euro netto abzusetzen. Die Klägerin ist insoweit
nicht mehr aktiv legitimiert, § 115 Abs. 1 SGB X.
35 2. Hinsichtlich der Zinsansprüche wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob es
das zum Teil rechtskräftig gewordene arbeitsgerichtliche Urteil hinsichtlich des
Zinsausspruchs für die Zeit bis zum 23. November 2010 gemäß § 319 ZPO berichtigen
kann. Ist dies nicht möglich, hat das Landesarbeitsgericht § 308 Nr. 1 ZPO zu beachten.
36 VI. Noch offene Bruttoentgeltansprüche der Klägerin sind nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB
wegen der Auszahlung der Versicherungssumme durch die A Lebensversicherungs-AG
erloschen. Es fehlte insoweit bereits an einem Fremdleistungswillen der A
Lebensversicherungs-AG.
37 1. Zwar kann gemäß § 267 Abs. 1 BGB die Leistung auch durch einen Dritten bewirkt
werden, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat. Der Dritte muss dann aber mit
dem Willen leisten, die Verpflichtung des Schuldners zu tilgen, wobei es nicht auf seinen
inneren Willen ankommt, sondern darauf, wie der Gläubiger sein Verhalten bei objektiver
Betrachtung verstehen durfte (BGH 4. November 1997 - VI ZR 348/96 - zu II 3 a der
Gründe, BGHZ 137, 89; 8. April 2003 - XI ZR 423/01 - zu II 2 b der Gründe, BGHReport
2003, 885).
38 2. Wie die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben, wollte die A Lebensversicherungs-AG
durch Auszahlung der Versicherungsleistung eine eigene Schuld gegenüber der Klägerin
aus dem Versicherungsvertrag und keine für sie fremde Vergütungsschuld der Beklagten
tilgen. Gemäß § 6 des Gruppenversicherungsvertrags zwischen der Rechtsvorgängerin
der Beklagten und der M Lebensversicherungs-AG als Rechtsvorgängerin der A
Lebensversicherungs-AG war Versicherungsnehmer die versicherte Person, mithin die
Klägerin. Gemäß § 1 Ziff. 1 des Gruppenversicherungsvertrags war die
Versicherungsleistung mit Eintritt des 60. Lebensjahres fällig. Der
Gruppenversicherungsvertrag enthält gerade keine Regelungen dazu, dass die
Auszahlung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin und die
Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente voraussetzte. Die Klägerin konnte daher
bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, dass die A Lebensversicherungs-AG mit der
Auszahlung der Versicherungsleistung eine eigene Schuld aus dem Versicherungsvertrag
tilge. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird dies auch dadurch
untermauert, dass die A Lebensversicherungs-AG die Versicherungsleistungen an die
Klägerin ausgezahlt hat, obwohl die Beklagte versucht hatte, sie - mit der Begründung
eines fehlenden Anspruchs der Klägerin - von der Auszahlung abzuhalten.
39 VII. Die von der A Lebensversicherungs-AG ausgezahlten Versicherungsleistungen
stellen ebenso wenig wie die seitens der Beklagten an diese abgeführten Beiträge
Gehaltsvorschüsse dar, mit denen etwa offene Vergütungsansprüche verrechnet werden
könnten.
40 1. Eine Zahlung durch den Arbeitgeber ist dann ein Vorschuss, wenn sich beide Seiten bei
der Auszahlung darüber einig sind, dass es sich um eine Vorwegleistung handelt, die bei
Fälligkeit der Forderung verrechnet werde (BAG 11. Juli 1961 - 3 AZR 216/60 - BAGE 11,
188; 13. Dezember 2000 - 5 AZR 334/99 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 394 Nr. 31 =
EzA TVG § 4 Friseurhandwerk Nr. 1).
41 2. Die Übergangsversorgung sollte der Klägerin von der Zeit des Ausscheidens aus dem
Arbeitsverhältnis bis zum Beginn der Altersrente ein hinreichendes Auskommen sichern.
Zu diesem Zweck sollte die Versicherungsleistung mit Vollendung des 60. Lebensjahres
an die Klägerin ausgezahlt werden. Der Zweck der Leistung bestand somit nicht darin,
nach Eintritt der Altersgrenze zu erbringende Arbeitsleistungen der Klägerin (vorweg) zu
honorieren.
42 VIII. Die Bruttoentgeltansprüche der Klägerin für 2010 sind nicht durch die seitens der
Beklagten erklärte Aufrechnung mit Nettozahlungsansprüchen erloschen. Eine
Aufrechnung gegen Bruttolohnansprüche verstößt gegen § 394 BGB (BAG 13. November
1980 - 5 AZR 572/78 - zu II 2 b der Gründe).
43 B. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 34 Abs. 1 MTV Anspruch auf Zahlung
eines Teils eines 13. Gehalts iHv. 259,09 Euro brutto.
44 Nach dieser Tarifbestimmung steht dem Arbeitnehmer ein 13. Gehalt in Höhe des
Grundgehalts, welches bei der Klägerin 2.072,00 Euro brutto beträgt, zu. Da die Klägerin
bereits einen Betrag von 1.812,91 Euro brutto erhalten hat, besteht ein Anspruch auf
weitere 259,09 Euro brutto.
45 Dieser Anspruch ist nicht gemäß § 51 MTV verfallen, denn die Klägerin hat ihre Forderung
binnen sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht. Gemäß § 24 Abs. 6 MTV ist die
monatliche Vergütung am Ende eines Monats fällig. Somit wurde der zweite Teil des
13. Gehalts mit dem November-Gehalt am 30. November 2010 fällig (§ 34 Abs. 1 MTV).
Die Klägerin machte diesen Anspruch mit Schriftsatz vom 27. April 2011 geltend.
46 Auch dieser auf Bruttozahlung gerichtete Anspruch ist weder durch die Leistung der
Versicherungssumme durch die A Lebensversicherungs-AG noch durch die erklärte
Aufrechnung erloschen.
47 C. Der Senat kann nicht entscheiden, in welcher Höhe die Klägerin noch restliche
Vergütung für die Monate Februar bis April 2011 beanspruchen kann, denn es ist bislang
nicht geklärt, in welchem Umfang die unstreitig entstandenen Nettovergütungsansprüche
der Klägerin durch Aufrechnung mit einem Wertersatzanspruch der Beklagten aus
ungerechtfertigter Bereicherung erloschen sind.
48 I. Die Beklagte hat gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 818 BGB
Anspruch auf Erstattung der ausgezahlten Übergangsversorgung in Höhe von 63 Prozent,
mit dem sie gegen die Nettolohnansprüche der Klägerin aufrechnen konnte. Der
Rechtsgrund für die Gewährung der Übergangsversorgung ist entfallen, weil das
Arbeitsverhältnis der Parteien nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze fortbesteht.
49 1. Die Klägerin hat mit dem Beitritt zu der von der Beklagten finanzierten
Gruppenversicherung einen Versicherungsschutz in Form einer Versicherung für den
Erlebensfall mit Beitragsrückgewähr im Todesfall gemäß § 2 Nr. 1 TV-ÜV erlangt. Hierin
liegt ein „etwas“ iSv. § 812 BGB. Der erlangte Versicherungsschutz ist ein Vorteil, der das
wirtschaftliche Vermögen der Klägerin vermehrte (vgl. BGH 7. Januar 1971 - VII ZR 9/70 -
BGHZ 55, 128, 131; 7. Oktober 1994 - V ZR 4/94 - zu II 1 a der Gründe, NJW 1995, 53;
RGRK/ Heimann-Trosien BGB 12. Aufl. 1989 § 812 Rn. 1). Die Verschaffung eines
Versicherungsschutzes gehört zu den möglichen Bereicherungsgegenständen iSv. § 812
BGB (BGH 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81 - zu IV 1 b der Gründe, NJW 83, 1420;
Bamberger/Roth/Wendehorst BGB 3. Aufl. 2012 § 812 Rn. 41; Staudinger/Lorenz BGB
13. Aufl. 2007 § 812 Rn. 66; Schulze/Dörner/
Ebert/Hoeren/Kemper/Saenger/Schreiber/Schulte-Nölke/Staudinger Bürgerliches
Gesetzbuch 7. Aufl. 2012 § 812 Rn. 3).
50 2. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin haben der Klägerin diesen
Versicherungsschutz verschafft und ihr damit unmittelbar eine Leistung erbracht (zum
Leistungsbegriff, vgl. BGH 31. Oktober 1963 - VII ZR 285/61 - BGHZ 40, 272; 24. Februar
1972 - VII ZR 207/70 - BGHZ 58, 184; MünchKomm/ BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 812
Rn. 41; Bamberger/Roth/Wendehorst BGB 3. Aufl. 2012 § 812 Rn. 37; zum Fall der
Verschaffung eines Versicherungsschutzes, vgl. BGH 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81 -
zu IV 1 b der Gründe, NJW 1983, 1420).
51 3. Der rechtliche Grund für die Leistung des Versicherungsschutzes ist nachträglich
entfallen (condictio ob causam finitam, § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB).
52 Nach § 47 MTV endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf -
spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet
hat. Hieran anknüpfend bestimmt § 2 Nr. 1 TV-ÜV, dass die unter den Geltungsbereich
des TV-ÜV fallenden Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, im Rahmen eines
Gruppenversicherungsvertrags eine persönliche Übergangsversorgung für die Zeit von der
tarifvertraglichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit vollendetem
60. Lebensjahr bis zum Beginn der Altersrente bzw. der vorgezogenen Altersrente aus der
Angestelltenversicherung in Form einer Versicherung für den Erlebensfall mit
Beitragsrückgewähr im Todesfall abzuschließen. Nach § 2 Nr. 3 TV-ÜV werden nach dem
Beitritt zur Gruppenversicherung die Versicherungsprämien vom Arbeitgeber getragen und
an den Versicherer abgeführt. Die tarifliche Übergangsversorgung dient dazu,
Versorgungslücken zu überbrücken, die aus dem an sich tarifvertraglich vorgesehenen
Ausscheiden entstehen. Die Arbeitnehmer sollen abgesichert werden, weil ihnen durch
die Einführung einer tariflichen Altersgrenze die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
versagt wird (vgl. BAG 20. Februar 2002 - 7 AZR 748/00 - zu B II 3 b cc der Gründe,
BAGE 100, 292; 20. August 2002 - 9 AZR 235/01 - zu I 1 c cc der Gründe, AP TVG § 1
Tarifverträge: Lufthansa Nr. 28 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 6). Ungeachtet der
Unwirksamkeit dieser tariflichen Befristungsregelung (vgl. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR
1021/08 - AP TzBfG § 14 Nr. 76 = EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8) hätte die
Klägerin die wirksame Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Juli 2010
durch Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist (§ 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG)
herbeiführen können. Mit Erhebung der Befristungskontrollklage und die nachfolgende
vergleichsweise Einigung auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31. Juli
2010 hinaus entfiel die zu schließende Versorgungslücke der Klägerin und damit der
Rechtsgrund der Leistung des Versicherungsschutzes.
53 4. Die Beklagte hat gegen die Klägerin gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 iVm. § 818
Abs. 1, Abs. 2 BGB Anspruch auf Zahlung von 61.478,01 Euro.
54 a) Der Wert des durch die Leistung Erlangten ist für den Zeitpunkt der „grundlosen“
Erlangung zu bestimmen(BGH 27. Februar 1952 - II ZR 191/51 - zu I 2 der Gründe mwN,
BGHZ 5, 197; MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 102). Das ist im Streitfall
der Zeitpunkt des nachträglichen Wegfalls des Rechtsgrundes für die Gewährung einer
Übergangsversorgung. In diesem Zeitpunkt hatte sich der Versicherungsschutz bereits
durch den Eintritt des Versicherungsfalls realisiert. Da sich die Höhe des Wertersatzes
nach dem objektiven Wert des Erlangten bestimmt (vgl. BGH 14. Januar 1992 - VI ZR
186/91 - BGHZ 117, 29; MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 75;
RGRK/Heimann-Trosien BGB 12. Aufl. 1989 § 818 Rn. 18; Staudinger/Lorenz BGB
13. Aufl. 2007 § 818 Rn. 26), ist auf den Wert der Versicherung Anfang August 2010
abzustellen, wobei Nutzungen und Früchte - wie Zinserträge und
Überschussbeteiligungen - einzubeziehen sind, § 818 Abs. 1, §§ 99, 100 BGB (anders für
Pflichtteilergänzungsansprüche nach § 2325 Abs. 1 BGB, BGH 28. April 2010 - IV ZR
73/08 - BGHZ 185, 252). Deshalb entspricht der Wert der von der Beklagten geleisteten
Übergangsversorgung der an die Klägerin ausgezahlten Versicherungssumme.
55 b) Der Anspruch der Beklagten ist jedoch auf 63 Prozent der gesamten
Versicherungsleistung iHv. 97.584,15 Euro beschränkt. Dies folgt aus der tariflichen
Zuordnung des Wertes der Übergangsversorgung.
56 aa) Nach § 4 Nr. 3 TV-ÜV räumt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bei Abschluss des
Versicherungsvertrags ein unwiderrufliches Bezugs- und Kündigungsrecht in Höhe von
63 Prozent des Rückkaufswerts einschließlich der entsprechenden Gewinnanteile für den
Fall ein, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung des Arbeitnehmers oder
aufgrund einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers endet. Trotz
einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen der tariflichen Altersgrenze
verbleibt damit dem Arbeitnehmer ein Teil des Rückkaufswerts in Höhe von 37 Prozent.
Der Tarifvertrag weist insoweit dem Arbeitnehmer einen endgültigen Vermögenswert zu,
losgelöst vom Zweck der Übergangsversorgung und unabhängig davon, dass die bis
dahin geleisteten Beiträge allein vom Arbeitgeber getragen wurden. In dieser Aufteilung
kommt eine tarifliche Bewertung der wechselseitigen Vor- und Nachteile der
Übergangsversorgung zum Ausdruck. Der Arbeitnehmer muss auf die Beiträge des
Arbeitgebers anfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge tragen (zur Minderung
des Herausgabeanspruchs nach § 812 BGB in diesem Fall, vgl. BGH 30. September 1970
- VIII ZR 221/68 - NJW 1970, 2059; MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818
Rn. 135). Andererseits kann der Arbeitgeber seinerseits steuerliche Vorteile durch die
Erbringung der Beiträge erlangen.
57 bb) Diese tariflichen Maßstäbe lassen sich auf den bereicherungsrechtlichen Ausgleich
übertragen. Die Funktion des Bereicherungsrechts besteht in der Rückabwicklung
derjenigen Vermögensverschiebungen, die nach dem Gesamturteil der Rechtsordnung
„ohne rechtlichen Grund“ erfolgen und daher missbilligt sind (Bamberger/Roth/Wendehorst
BGB 3. Aufl. 2012 § 812 Rn. 3). Die §§ 812 ff. BGB dienen der Korrektur irregulärer
Vermögensverschiebungen (MünchKomm/BGB/Schwab 5. Aufl. 2009 § 818 Rn. 114
mwN). Der TV-ÜV bestimmt selbst das Ausmaß der irregulären und zu korrigierenden
Vermögensverschiebung. Der Zweck der tariflichen Übergangsversorgung kann bei einer
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der Altersgrenze - wie im Streitfall -
ebenso wenig erreicht werden wie bei Beendigung vor Erreichen der tariflichen
Altersgrenze. Die Zweckverfehlung ist in beiden Fällen die gleiche, denn eine
Versorgungssituation besteht (noch) nicht. Deshalb kann die Versicherungsleistung nach
Eintritt des Versicherungsfalls denselben Aufteilungsmaßstäben unterworfen werden wie
der Rückkaufswert vor Eintritt des Versicherungsfalls.
58 cc) Diese Auslegung des TV-ÜV bewirkt keine unzulässige Benachteiligung wegen des
Alters. Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.
Die Klägerin muss einen Teil der Versicherungsleistung nicht aus Gründen erstatten, die
auf ihrem Alter beruhen. Die Zweckbindung der Übergangsversorgung, die zu dem
Rückzahlungsanspruch führt, knüpft weder unmittelbar noch mittelbar an das Alter,
sondern lediglich an die Tatsache an, ob jeweils gleichaltrige Arbeitnehmer noch in einem
Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen oder nicht. Die Klägerin macht nach eigenem
Vorbringen eine Benachteiligung gegenüber solchen Arbeitnehmern geltend, die das
gleiche Alter wie sie aufweisen, aber mit Vollendung des 60. Lebensjahres das
Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beendet haben und deshalb mit Rechtsgrund die
Übergangsversorgung erhalten. Die Verpflichtung zur Rückzahlung beruht daher nicht auf
einem Kriterium, das untrennbar mit dem Alter verbunden ist (vgl. hierzu EuGH 12. Oktober
2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 17 = EzA Richtlinie
2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 17), noch mittelbar daran anknüpft (vgl. hierzu EuGH 7. Juni
2012 - C-132/11 - [Tyrolean Airways] Rn. 29, EzA Richtlinie 2000/75 EG-Vertrag 1999
Nr. 27), sondern ist lediglich Folge der von ihr selbst initiierten Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze.
59 dd) Die Klägerin ist nicht in ihrer Berufsfreiheit verletzt, Art. 12 Abs. 1 GG. Die Möglichkeit,
bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine
Übergangsversorgung beziehen zu können, weist keine berufsregelnde Tendenz auf.
Soweit die Klägerin meint, der Verlust der Übergangsversorgung zwinge sie mittelbar, ihr
Arbeitsverhältnis aufzugeben, verkennt sie, dass die Leistungen der
Übergangsversorgung gerade dazu dienen sollten, die finanziellen Folgen der vorzeitigen
Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzumildern. Die Klägerin hatte die Wahl, ob sie
das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden und sich als finanziellen Ausgleich die
Versicherungssumme auszahlen lassen wollte oder ob sie das Arbeitsverhältnis bis zur
gesetzlichen Regelaltersgrenze fortsetzt und im Gegenzug die vereinbarte Vergütung
erhält.
60 II. Das Landesarbeitsgericht wird feststellen müssen, in welcher Höhe die Beklagte mit
dem Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB gegen die Netto-
Entgeltansprüche der Klägerin im Rahmen der pfändbaren Beträge aufrechnen konnte,
§ 394 BGB.
61 D. Weil die Höhe der durch Aufrechnung erloschenen Ansprüche der Beklagten nicht
feststeht, kann der Senat nicht entscheiden, in welchem Maß die Eventualwiderklage
begründet ist.
Müller-Glöge
Laux
Biebl
Hromadka
Zoller