Urteil des BAG vom 12.09.2013

Vorsatzanfechtung - Inkongruenz - Halteprämie

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 12.9.2013, 6 AZR 980/11
Vorsatzanfechtung - Inkongruenz - Halteprämie
Leitsätze
1. Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Prämie zu, wenn er bis zu einem bestimmten
Stichtag keine Eigenkündigung erklärt (Halteprämie), und liegt der Stichtag nach
Insolvenzeröffnung, handelt es sich unabhängig davon, dass der Anspruch auf die Prämie
auflösend bedingt ist, um eine Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.
2. Eine inkongruente Deckung bildet in der Regel ein erhebliches Beweisanzeichen sowohl für
einen Benachteiligungsvorsatz des Schuldners iSd. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO als auch für die
nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz. Die
Arbeitsvertragsparteien können durch Abschluss einer Vereinbarung, die neue Ansprüche des
Arbeitnehmers begründet, keine Kongruenz herstellen.
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts München vom 20. September 2011 - 6 Sa 74/11 -
aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über den Anspruch auf die am 31. Mai 2009 und 30. September 2009
entstandenen Teilbeträge eines Retention Payment (künftig: Halteprämie), deren Zahlung
der Beklagte als Insolvenzverwalter in dem am 23. Januar 2009 beantragten und am
1. April 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Q AG (Schuldnerin)
verweigert.
2 Der Kläger war bei der Schuldnerin als Senior Director Legal Consolidation and
Subsidiaries beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die zeitgerechte Erstellung der
monatlichen, vierteljährlichen und jährlichen Geschäftsabschlüsse zu überwachen und die
Erstellung der Lageberichts- und Anhangsangaben nach internationalen
Rechnungslegungsvorschriften zu unterstützen. Außerdem war er verantwortlich für den
Gruppenkontenplan und Ansprechpartner für Gutachter und externe Abschlussprüfer. Sein
Jahresfixgehalt betrug zuletzt 92.250,00 Euro brutto, sein Jahreszielgehalt
132.200,00 Euro brutto.
3 Im Verlauf der Kalenderjahre 2007 und 2008 geriet die Schuldnerin in finanzielle
Schwierigkeiten, die - wie auch die Suche nach Investoren und Kreditgebern - ab Januar
2008 Gegenstand überregionaler Presseberichterstattung waren. Ihre Bemühungen, einen
Investor zu finden, hatten keinen Erfolg. Eine angedachte Finanzhilfe der I AG, der
Muttergesellschaft der Schuldnerin, konnte nicht realisiert werden. Auch Verhandlungen
mit dem Freistaat Sachsen über eine Finanzhilfe von 300 Millionen Euro, die im Sommer
2008 mit Sondierungsgesprächen begonnen hatten, scheiterten am 21./22. Januar 2009.
Im Zuge dieser Gespräche hatte die vom Freistaat Sachsen beauftragte P AG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (P) in einem Gutachten zur Plausibilität der mittelfristigen
Geschäftsplanung der Schuldnerin in ihrem Bericht vom 4. Dezember 2008
zusammenfassend festgestellt, dass „ein Engagement des Freistaates Sachsen …
möglich, aber mit hohen Risiken behaftet“ sei.
4 Ab August/September 2008 ließ die Schuldnerin von externen Beratern in
Zusammenarbeit mit einer internen Arbeitsgruppe („Rocky Project Group“) wöchentliche
Liquiditätsberichte erstellen. Der Kläger gehörte dieser Arbeitsgruppe nicht an.
Hinsichtlich der laufenden Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter der Schuldnerin kam es zu
keinen Verzögerungen oder Rückständen.
5 Die von der Schuldnerin beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K AG verweigerte
wegen mangelnder Fortführungsprognose und Existenzbedrohung der Schuldnerin das
Testat des Jahresabschlusses zum 30. September 2008. In einem Schreiben an den
Vorstand der Schuldnerin vom 14. Oktober 2008 wiesen die bestellten Prüfer gemäß § 321
Abs. 1 Satz 3 HGB auf eine Bestandsgefährdung des Unternehmens hin. Das
Geschäftsergebnis des 4. Quartals und der Jahresabschluss wurden nicht mehr
veröffentlicht.
6 Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 sagte die Schuldnerin dem Kläger eine Halteprämie,
die in ihrer Summe etwa einem Jahresfixgehalt des Klägers entsprach, wie folgt zu:
1
Sehr geehrter Herr …,
wir freuen uns, dass wir Ihnen zum 31. Januar 2009 einen einmaligen Betrag in
Höhe von
30.850,00 EUR brutto
und zum 31. Mai 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von
30.850,00 EUR brutto
sowie zum 30. September 2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von
30.850,00 EUR brutto
zusagen können.
2
Die Auszahlung des jeweiligen Betrages setzt voraus, dass Sie
zu dem jeweiligen Zeitpunkt Ihr Arbeitsverhältnis mit der Q AG nicht von sich aus
gekündigt haben. …
4
Wir bestätigen Ihnen, dass die zugesagten Retention Zahlungen zu 100 % auch im
Falle einer einseitigen Kündigung durch Ihren Arbeitgeber oder durch eine vom
Arbeitgeber veranlasste Auflösung Ihres Arbeitsvertrages ausbezahlt wird.
5
Die
Auszahlung findet in diesem Fall mit Wirksamwerden der Kündigung bzw. des
Auflösungsvertrags statt. …
7
An dieser Stelle möchten wir uns für die bisher erbrachte Leistung sehr herzlich
bei Ihnen bedanken!
8
Wir setzen auch in Zukunft auf Ihre Unterstützung und Ihr Engagement, um unser
Ziel zu erreichen, Q dauerhaft am Markt zu etablieren.
…“
7 Die Schuldnerin sagte im Oktober 2008 einer Vielzahl von anderen Mitarbeitern
Halteprämien in unterschiedlicher Höhe und mit unterschiedlichen Stichtagen zu.
8 Im Mai 2009 erhielt der Kläger ein standardisiertes Schreiben der Personalabteilung mit
einer Aufstellung der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Forderungen. Darin war auch
der zum 31. Januar 2009 geschuldete Teilbetrag der Halteprämie aufgeführt. Der Kläger
kündigte das Arbeitsverhältnis am 30. November 2009 zum 31. Dezember 2009.
9 Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm müssten die zum 31. Mai 2009 und
30. September 2009 zugesagten Teilbeträge der Halteprämie gezahlt werden.
10 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 61.700,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.850,00 Euro seit dem
1. Juli 2009 und aus weiteren 30.850,00 Euro seit dem 1. November 2009 zu
zahlen.
11 Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die
erfolgreiche Sanierung und Fortführung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin sei
Geschäftsgrundlage der Halteprämie gewesen. Jedenfalls sei die Vereinbarung vom
16. Oktober 2008 gemäß § 134 BGB bzw. § 119 InsO unwirksam, weil sie das Recht des
Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen, beeinträchtige und sein
Kündigungsrecht nach § 113 Satz 1 InsO beschränke. Die Vereinbarung vom 16. Oktober
2008 unterliege schließlich der Anfechtung nach § 134 InsO und § 133 Abs. 1 InsO.
12 Der Beklagte hat den Streithelfern zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2009 den
Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetreten.
13 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das
Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Erstmals hat er sich ausdrücklich auch auf § 133 Abs. 2 InsO berufen.
Entscheidungsgründe
14 Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die
Anfechtbarkeit der zu den Stichtagen 31. Mai und 30. September 2009 zugesagten
Halteprämie nach § 133 Abs. 1 InsO rechtsfehlerhaft verneint. Auf der Grundlage des
bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob dieser
Anfechtungstatbestand erfüllt ist. Dazu bedarf es noch weiterer Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
15 A. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage als zulässig angesehen.
Der Kläger beruft sich darauf, dass die streitbefangenen Teilbeträge der Halteprämie eine
Masseverbindlichkeit seien. Sollten diese Beträge demgegenüber - wie die Revision rügt -
tatsächlich als Insolvenzforderungen zu bewerten sein, führte dies nicht zur
Unzulässigkeit, sondern zur Unbegründetheit der Klage (BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR
406/11 - Rn. 17 f.).
16 B. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der zum 31. Mai und 30. September 2009
zugesagten Teilbeträge der Halteprämie erworben.
17 I. Der Kläger hat - soweit ersichtlich - auf das Schreiben vom 16. Oktober 2008 nicht
reagiert. Insbesondere hat er das darin liegende Angebot, eine Halteprämie zu den
dargelegten Konditionen zu zahlen, nicht ausdrücklich angenommen. Einer solchen
ausdrücklichen Annahme bedurfte es jedoch nicht. Er hat das Angebot einer Halteprämie
nicht ausdrücklich abgelehnt. Darin liegt der erforderliche unzweideutige Annahmewille.
Dadurch ist eine Vereinbarung über eine solche Prämie zu den Konditionen des
Schreibens vom 16. Oktober 2008 nach § 151 Satz 1 BGB zustande gekommen, weil die
Zusage einer Halteprämie für den Kläger lediglich rechtlich vorteilhaft war (vgl. BGH
22. Juli 2010 - I ZR 194/08 - Rn. 23). Er wurde dadurch in seiner Kündigungsfreiheit nicht
beeinträchtigt. Er behielt die volle Wahlfreiheit, ob und wann er das Risiko einer Insolvenz
mit den sich daraus ergebenden nachteiligen Entgeltfolgen und dem drohenden Verlust
des Arbeitsplatzes nicht länger eingehen, sondern die Verdienstchancen bei einem
Arbeitsplatzwechsel der Halteprämie vorziehen wollte. Auf die Gegenleistung für schon
erbrachte Arbeit musste er bei einer Entscheidung, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung
zu beenden, nicht verzichten (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 28,
BAGE 140, 231).
18 II. Die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 ist wirksam.
19 1. Die Revision nimmt zu Unrecht an, das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht
beachtet, dass die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 gemäß § 134 BGB bzw. § 119
InsO nichtig sei, weil sie das Recht der Schuldnerin bzw. des Beklagten zur
außerordentlichen Kündigung unzulässig beschränke.
20 a) Die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 ist nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Zwar darf
die Ausübung des Kündigungsrechts nicht durch die Verpflichtung zur Zahlung einer
Abfindung, die auch dann zu zahlen ist, wenn der Gekündigte selbst den
Kündigungsgrund schuldhaft gesetzt hat, unzumutbar erschwert werden (vgl. BAG
8. August 1963 - 5 AZR 395/62 - BAGE 14, 294; BGH 17. März 2008 - II ZR 239/06 -
Rn. 16; 3. Juli 2000 - II ZR 282/98 - zu 2 der Gründe; für eine Vertragsstrafe bereits RG
15. Februar 1911 - I 387/10 - RGZ 75, 234, 238; Bötticher Anm. AP BGB § 626
Kündigungserschwerung Nr. 2). Eine nach diesen Maßstäben unzumutbare
Kündigungserschwerung für die Schuldnerin oder den Beklagten enthielt die Regelung
vom 16. Oktober 2008 jedoch nicht. Der Anspruch auf die Halteprämie setzte allein voraus,
dass der Kläger bis zu den im Schreiben vom 16. Oktober 2008 genannten Stichtagen
keine Eigenkündigung erklärt hatte. Satz 4 der Zusage, der die Schuldnerin verpflichtete,
die Prämie auch bei einer von ihr erklärten Kündigung zu zahlen, war keine
Anspruchsvoraussetzung, sondern ein Einwendungsausschluss (BAG 14. November
2012 - 10 AZR 3/12 - Rn. 33). Die Halteprämie war also nicht zu zahlen, weil die
Schuldnerin bzw. der Beklagte kündigte, sondern auch, wenn sie oder der Beklagte
kündigte, sofern der Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die
Arbeitgeberkündigung betriebstreu blieb (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 3/12 -
Rn. 33). Es hing allein vom Willen des Klägers ab, ob die Halteprämie zu zahlen war. Die
Schuldnerin oder der Beklagte konnte das Entstehen des Anspruchs auf die Halteprämie
durch ihr bzw. sein eigenes Verhalten nicht verhindern. Kündigte der Kläger nicht,
entstand der Anspruch auf die Halteprämie unabhängig davon, ob die Schuldnerin oder
der Beklagte (außerordentlich) kündigte oder eine solche Erklärung unterließ. Ihre
Entschließungsfreiheit, das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu beenden, wurde durch
die Halteprämie nicht beeinträchtigt.
21 b) Entgegen der Annahme der Revision ist die Vereinbarung auch nicht gemäß § 119 InsO
unwirksam. Diese Bestimmung stellt sicher, dass gegenseitige Verträge in der Insolvenz
nach der Systematik der §§ 103 bis 118 InsO abgewickelt werden
(MünchKommInso/Huber 2. Aufl. § 119 Rn. 2; Uhlenbruck/Sinz 13. Aufl. § 119 InsO Rn. 1).
Anders als insolvenzabhängige Lösungsklauseln (dazu BGH 15. November 2012 - IX ZR
169/11 - Rn. 13 ff., BGHZ 195, 348) griff die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 in die
Gestaltungsrechte des Beklagten nach §§ 103 ff. InsO nicht ein. Sie beschränkte
insbesondere sein Kündigungsrecht rechtlich nicht und beeinträchtigte, wie ausgeführt,
auch seine Entschließungsfreiheit nicht, weil eine Kündigung des Beklagten den
Anspruch auf die Halteprämie nicht auslöste. Für die vorliegende Konstellation sieht die
Insolvenzordnung allein die Anfechtungsrechte der §§ 130 ff. InsO vor.
22 2. Auch die Kündigungsfreiheit des Klägers wurde durch die Vereinbarung vom
16. Oktober 2008 nicht unzulässig beeinträchtigt. Es kann daher dahinstehen, ob die
Vereinbarung insgesamt gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam wäre, wenn sie eine
unangemessene Benachteiligung des Klägers iSv. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthielte, weil
sie ohne eine Bindung des Klägers bis zu den genannten Stichtagen sinnentleert wäre.
23 a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob es sich bei den im Schreiben vom
16. Oktober 2008 enthaltenen Bestimmungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen
handelt. Dies ist jedoch offenkundig iSv. § 291 ZPO. Von einer Verwendungsabsicht für
eine Vielzahl von Verträge iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auszugehen, wenn ein Text in
mindestens drei Fällen zur Grundlage von Vertragsbedingungen gemacht wird (BAG
18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 14, BAGE 140, 231). Es ist ohne besondere
Fachkunde allein anhand allgemein zugänglicher, zuverlässiger Quellen (vgl. BAG
23. August 2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 53, BAGE 139, 69) festzustellen, dass die
Schuldnerin im Oktober 2008 vergleichbare Prämien in deutlich mehr als drei Fällen
zugesagt hat. Die einschlägigen Entscheidungen, insbesondere des
Landesarbeitsgerichts München, können über eine Recherche mit Hilfe allgemein
gebräuchlicher Suchmaschinen oder direkt auf der Homepage des Landesarbeitsgerichts
München ohne Weiteres ermittelt werden.
24 b) Sieht eine Allgemeine Geschäftsbedingung eine Bindungsklausel vor, die den
Anspruch auf eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung bereits erbrachter
Arbeitsleistung ist, daran knüpft, dass das Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt außerhalb
des Bezugszeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, fortbesteht, ist die
Klausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Eine solche Klausel steht im
Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem Arbeitnehmer
bereits erarbeitetes Entgelt entzieht. Sie verkürzt außerdem in nicht zu rechtfertigender
Weise die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, indem sie
die Ausübung seines Kündigungsrechts unzulässig erschwert. Seine entgegenstehende
Rechtsprechung (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 18) hat der Zehnte Senat des
Bundesarbeitsgerichts aufgegeben (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 22, 27 f.,
BAGE 140, 231; im Anschluss an BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 28, 39, 43; 7. Juni
2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 34).
25 Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (Mückl ZIP 2012, 1642, 1644 zu Fn. 17)
steht diese Rechtsprechung nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Senats vom
7. Dezember 1989 (- 6 AZR 324/88 - zu II 2 b und II 3 c der Gründe, BAGE 63, 385). Diese
Entscheidung betraf eine tarifliche Sonderzahlung. Einer AGB-Kontrolle unterliegen
Tarifnormen gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht. Ebenso wenig sind sie einer Kontrolle
unmittelbar am Maßstab von Art. 12 Abs. 1 GG zu unterziehen. Außerhalb von Verstößen
gegen Art. 3 und Art. 6 GG sind Tarifnormen nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen
elementare Gerechtigkeitsanforderungen aus den Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG
verstoßen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZR 144/08 - Rn. 29 f.).
26 c) Dem Arbeitgeber ist es dagegen durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht verwehrt,
Betriebstreue zu honorieren, so einen finanziellen Anreiz für den Verbleib im
Arbeitsverhältnis zu setzen und dem Arbeitnehmer deutlich zu machen, welchen Wert für
ihn dessen Verbleib im Arbeitsverhältnis und damit der Bestand des Arbeitsverhältnisses
als solcher darstellt (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 28, BAGE 140, 231;
18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 13, BAGE 140, 239; kritisch Mückl ZIP 2012, 1642,
1644, der diese Unterscheidung als gekünstelt bezeichnet).
27 d) Nach diesen Grundsätzen steht § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB der Wirksamkeit der
Vereinbarung einer Halteprämie nicht entgegen. Der Kläger sollte nach dem Verbleib im
Arbeitsverhältnis für jeweils (knapp) vier Monate jeweils rund ein Drittel seines
garantierten Jahresgehalts als Halteprämie erhalten. Dies beeinträchtigte ihn, wie
ausgeführt, in seiner Kündigungsfreiheit nicht. Ungeachtet ihrer Höhe war die Prämie auch
kein (verkapptes) Arbeitsentgelt, sondern sollte vor dem Hintergrund der schwierigen
wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin einen Anreiz für den Kläger schaffen, sein
Kündigungsrecht trotz der finanziellen Schwierigkeiten der Schuldnerin nicht auszuüben
und betriebstreu zu bleiben, also seine Betriebstreue honorieren. Die Halteprämie wurde
für den bloßen Verbleib des Klägers im Arbeitsverhältnis gezahlt (vgl. BAG 14. November
2012 - 10 AZR 3/12 - Rn. 32 für eine von der Schuldnerin erteilte Zusage einer
Halteprämie, die sich nur in der Höhe von der vorliegenden unterschied).
28 III. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis erst am 30. November 2009 zum 31. Dezember
2009 gekündigt.
29 IV. Das Landesarbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die
Halteprämie nicht nur für den Fall einer erfolgreichen Restrukturierung zugesagt worden
ist, so dass die Insolvenzeröffnung nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage iSd. § 313
Abs. 1 BGB geführt habe. Dagegen führt die Revision keine Angriffe.
30 C. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob infolge der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 1. April 2009 der Anspruch
des Klägers auf die am 31. Mai und 30. September 2009 entstandenen Teilbeträge der
Halteprämie nicht durchsetzbar ist.
31 I. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Landesarbeitsgericht habe die zum 31. Mai und
30. September 2009 entstandenen Teilansprüche auf die Halteprämie rechtsirrig als
Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO angesehen und es hätte sie
stattdessen als aufschiebend bedingte Abfindungszahlung und damit als
Insolvenzforderung einordnen müssen. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO unterfallen ua. die
Ansprüche, die sich aus dem bloßen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Dazu
gehören auch die streitbefangenen Teilbeträge. Die Revision sieht zu Unrecht einen
Widerspruch zwischen der insolvenzrechtlichen Einordnung der Halteprämie als
Masseverbindlichkeit und der insolvenzrechtlichen Behandlung bedingter Forderungen,
insbesondere aufschiebend bedingter Abfindungsansprüche, bei denen es sich um
Insolvenzforderungen handelt. Sie berücksichtigt dabei nicht, dass der Einzelanspruch auf
die Teilbeträge der Prämie im Rahmen des nach § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO
weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis an den vereinbarten
Stichtagen nur entstand, wenn der Kläger bis dahin nicht gekündigt hatte und insoweit die
verlangte Betriebstreue erwiesen hatte. Damit war der Anspruch auf die Halteprämie
abhängig vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, dh. eines auf den Austausch von
Leistung und Gegenleistung gerichteten Dauerschuldverhältnisses, und stand jedenfalls in
einem weiten Sinn im Synallagma. Dieses zumindest teilweise synallagmatische
Verhältnis bedingt die insolvenzrechtliche Einordnung der Halteprämie als
Masseverbindlichkeit iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.
32 1. Die Einordnung eines Entgeltanspruchs als Masseverbindlichkeit iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2
Alt. 2 InsO setzt voraus, dass eine Leistung mit Entgeltcharakter vorliegt. Das folgt aus
dem Zweck der Vorschrift, die sicherstellt, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse
leisten muss, auch die volle vereinbarte Gegenleistung erhält und nicht die Masse auf
seine Kosten bereichert wird (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 3/12 - Rn. 17), sowie aus
dem systematischen Zusammenhang des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO mit § 108 Abs. 3
InsO. Eine tatsächliche Arbeitsleistung ist dabei nicht zwingend erforderlich (BAG 19. Juli
2007 - 6 AZR 1087/06 - Rn. 19, BAGE 123, 269). Darüber hinaus muss der geltend
gemachte Anspruch erst nach Verfahrenseröffnung entstanden sein (BAG 19. Januar 2006
- 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1). Voraussetzung für die Anerkennung als
Masseverbindlichkeit ist demnach grundsätzlich, dass der Anspruch in einem zumindest
teilweise synallagmatischen Verhältnis zu der erbrachten Arbeitsleistung steht. Es muss
im weitesten Sinne Entgelt „für die Zeit“ nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
geschuldet sein. Es genügt nicht, dass die Forderung erst nach Eröffnung des Verfahrens
fällig wird, also erst „in der Zeit“ nach Verfahrenseröffnung erfüllt werden muss (BAG
21. Februar 2013 - 6 AZR 406/11 - Rn. 28 f.). Auch Leistungen, die nur vom Bestand des
Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängen, können danach
Masseverbindlichkeiten sein (vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 20,
BAGE 124, 150).
33 2. Nach diesen Grundsätzen waren die streitbefangenen Teilbeträge der Halteprämie
Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Ob Sonderleistungen, dh.
Zuwendungen zum laufenden Arbeitsentgelt (MünchKommInso/Hefermehl 3. Aufl. § 55
Rn. 180), als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten einzuordnen sind, hängt
vom Zweck der Leistungen ab (BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 19,
BAGE 124, 150). Die Halteprämie sollte stichtagsbezogen die erwiesene Betriebstreue
honorieren. Das bedingte ihre insolvenzrechtliche Einordnung als Masseverbindlichkeit.
34 a) Allerdings war die vom Kläger begehrte Halteprämie wegen der Anknüpfung an den
Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zu einem Stichtag auflösend bedingt (vgl. für die
st. Rspr. bei Gratifikationen BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 27, BAGE 140,
231). Die sofort mit der Annahme des Angebots vom 16. Oktober 2008 wirksam
gewordene Zahlungsverpflichtung der Schuldnerin sollte nur entfallen, wenn der Kläger
vor den Stichtagen das Arbeitsverhältnis kündigte. Bei einer solchen Bedingung tritt die
Rechtsänderung gemäß § 158 Abs. 2 BGB sofort ein (BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR
529/04 - Rn. 26, BAGE 117, 1). Das Rechtsgeschäft zeitigt zunächst uneingeschränkte
Rechtswirkungen und begründet Verpflichtungen der Parteien (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR
390/08 - Rn. 38).
35 aa) Ist der anspruchsbegründende Tatbestand schon vor Verfahrenseröffnung
abgeschlossen, liegt eine Insolvenzforderung iSd. § 38 InsO auch dann vor, wenn sich
eine Forderung des Gläubigers daraus erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt
(BGH 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11 - Rn. 15, BGHZ 192, 221). Aufschiebend bedingte
Forderungen sind danach auch dann Insolvenzforderungen, wenn die Bedingung erst
nach Verfahrenseröffnung eintritt, weil der Rechtsgrund für sie schon vor der Eröffnung
gelegt worden ist (BAG 27. April 2006 - 6 AZR 364/05 - Rn. 15, BAGE 118, 115). Das
aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft ist tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet.
Seine Wirksamkeit tritt mit dem Bedingungsfall ipso iure ein (BGH 21. September 1994 -
VIII ZR 257/93 - zu II 1 c der Gründe, BGHZ 127, 129). Eine Abfindung, die aufgrund einer
Abfindungsklausel im Fall einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers gezahlt
wird, ist deshalb auch dann als Insolvenzforderung einzuordnen, wenn die Klausel vor
Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner vereinbart worden ist und der Anspruch auf eine
solche Abfindung erst durch die Kündigung des Insolvenzverwalters ausgelöst wird (BAG
27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 21, BAGE 124, 150; 27. April 2006 - 6 AZR
364/05 - Rn. 15 f., aaO).
36 bb) Auflösend bedingte Forderungen, die schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
bestanden, sind Insolvenzforderungen (Uhlenbruck/Sinz 13. Aufl. § 38 InsO Rn. 33). Sie
werden gemäß § 42 InsO wie unbedingte Insolvenzforderungen behandelt, solange die
Bedingung nicht eingetreten ist (MünchKommInso/Ehricke 3. Aufl. § 38 Rn. 17). Bis zum
Eintritt der Bedingung erhält der Gläubiger einer solchen Forderung die volle Quote (Bitter
NZI 2000, 399, 400).
37 b) Bei Dauerschuldverhältnissen, die wie das Arbeitsverhältnis gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1
InsO zulasten der Masse zumindest zunächst fortbestehen, ist jedoch danach zu
unterscheiden, ob der Anspruch allein aus einem vor Verfahrenseröffnung begründeten
„Stammrecht“ resultiert oder ob es sich um nach der Eröffnung des Verfahrens neu
entstehende (Einzel-)Forderungen handelt, deren Anspruchsvoraussetzungen daran
gebunden sind, dass der Arbeitnehmer eine Leistung „für“ die Masse erbringt, und sei es
auch nur - wie im vorliegenden Fall - in Form von weiter erwiesener Betriebstreue. Im
ersten Fall sind die aus dem Stammrecht erwachsenden Ansprüche auch dann
Insolvenzforderungen, wenn sie erst in der Zeit nach Insolvenzeröffnung fällig werden. Im
letzteren Fall sind dagegen die nach Insolvenzeröffnung entstehenden Forderungen
Masseverbindlichkeiten bzw. gegen den Schuldner gerichtete Neuverbindlichkeiten
(Uhlenbruck/Sinz 13. Aufl. § 38 InsO Rn. 58). Das gilt auch für einzelne Forderungen aus
dem einheitlichen Arbeitsverhältnis, die (auflösend) bedingt sind (vgl. BAG 27. April 2006 -
6 AZR 364/05 - Rn. 15, BAGE 118, 115; vgl. allgemein zur insolvenzrechtlichen
Einordnung von stichtagsbezogenen Sonderzuwendungen BAG 14. November 2012 -
10 AZR 3/12 - Rn. 20).
38 c) Entgegen der Ansicht der Revision ist der Entscheidung des Senats vom 27. September
2007 (- 6 AZR 975/06 - BAGE 124, 150) keine andere Wertung zu entnehmen. Der Senat
hat in dieser Entscheidung die im Rahmen eines Altersteilzeitverhältnisses vor der
rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlenden monatlichen Raten allein
deshalb als Abfindungszahlung und damit als Insolvenzforderung eingeordnet, weil dieser
Anspruch kein Entgelt, sondern die Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers
zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Altersteilzeitvertrag war.
Mit der durch die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 zugesagten Halteprämie sollte dem
Kläger, anders als die Revision annimmt, keine Abfindung gewährt werden.
39 aa) Ein solcher Zweck der Halteprämie ließ sich Satz 4 der Zusage nicht entnehmen.
Dabei handelte es sich lediglich um einen Einwendungsausschluss (BAG 14. November
2012 - 10 AZR 3/12 - Rn. 33), der berücksichtigte, dass der Kläger bei einer berechtigten
betriebsbedingten Kündigung der Schuldnerin nicht ausreichend abgesichert gewesen
wäre. Satz 4 schloss diese Schutzlücke, versprach aber keine den Verlust des
Arbeitsplatzes ausgleichende und/oder die Zustimmung des Arbeitnehmers zur
vorzeitigen Vertragsauflösung honorierende Leistung und stellte damit keine Abfindung
dar (zu dieser Definition vgl. BAG 27. September 2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 21,
BAGE 124, 150). Die Zahlung war nicht für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern für
den Verbleib im Arbeitsverhältnis zugesagt (vgl. Mückl ZIP 2012, 1642, 1646).
40 bb) Auch der Hinweis der Revision auf die Einordnung des Abfindungsanspruchs nach
§ 1a KSchG als Insolvenzforderung trägt nicht. Die Abfindung nach § 1a KSchG entspricht
ihrem Charakter nach einer einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für
die Hinnahme der Kündigung vereinbarten Abfindung (BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR
423/09 - Rn. 19). Eine solche Abfindung ist nicht zugesagt worden.
41 d) Nach diesen Grundsätzen stand der Umstand, dass die Halteprämie durch die
Kündigung des Klägers auflösend bedingt war, der Einordnung der Prämie als
Masseverbindlichkeit nicht entgegen.
42 aa) Die Schuldnerin schuldete die zugesagten Teilbeträge der Halteprämie erst, wenn der
Kläger jeweils bis zu den drei in der Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 genannten
Stichtagen keine Eigenkündigung erklärt hatte. Die Prämie war als Gegenleistung für die
angestrebte Betriebstreue des Klägers zugesagt. Die Zusage dieser Prämie sollte den
Wert abbilden, den der bloße Bestand des Arbeitsverhältnisses für die Schuldnerin hatte
(vgl. BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 28, BAGE 140, 231). Einzige
Voraussetzung der Ansprüche auf die streitbefangenen Teilbeträge war, dass der Kläger
das Arbeitsverhältnis bis zu den zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
liegenden Stichtagen 31. Mai bzw. 30. September 2009 nicht kündigte und in vollem
Umfang die geschuldete Betriebstreue erwies. Der Kläger hatte diese als Voraussetzung
für die Ansprüche auf die streitbefangenen Teilbeträge der Halteprämie geforderte
Betriebstreue im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht voll geleistet.
Die Ansprüche auf diese Teilbeträge hingen nicht nur von einem reinen Zeitablauf ab,
sondern entstanden nach ihrer Zwecksetzung als Einzelansprüche nur dann am 31. Mai
bzw. 30. September 2009, wenn der Kläger bis zu diesen Stichtagen und damit „für“ die
Zeit nach Insolvenzeröffnung uneingeschränkt betriebstreu blieb (vgl. Lohmann Anm.
NZI 2013, 359, 360; vgl. MünchKommInso/Hefermehl 3. Aufl. § 55 Rn. 182). Der
Gegenwert für die erst an den Stichtagen entstehenden Ansprüche auf die Teilbeträge der
Halteprämie war weder bereits am 16. Oktober 2008 noch zum Zeitpunkt der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens, sondern erst jeweils an diesen Stichtagen erbracht. Die an den
Stichtagen entstehenden Ansprüche auf die Teilbeträge der zugesagten Halteprämie
waren das Äquivalent für die geleistete Betriebstreue im Rahmen des nach
Insolvenzeröffnung für die Masse fortgesetzten Arbeitsverhältnisses (vgl. zu diesen
Abgrenzungskriterien MünchKommInso/Ehricke 3. Aufl. § 38 Rn. 19 ff.; Henckel in Jaeger
InsO § 38 Rn. 158; Uhlenbruck/Sinz 13. Aufl. § 38 InsO Rn. 58).
43 bb) Der Kläger erfüllte hinsichtlich der streitbefangenen Teilbeträge die verlangte Leistung
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens voll zur Masse. Als dafür geschuldete
Gegenleistung erwarb er gegen die Masse Ansprüche auf diese Teilbeträge der
Halteprämie. Die an den Stichtagen 31. Mai und 30. September 2009 entstandenen, nicht
ratierlich verdienten Teilbeträge waren deshalb insolvenzrechtlich dem Zeitraum
zuzurechnen, in den die Stichtage fielen. Sie waren in vollem Umfang
Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO (vgl. Lohmann Anm. NZI 2013,
359, 360; MünchKommInso/Hefermehl 3. Aufl. § 55 Rn. 180, 182; Uhlenbruck/Sinz
13. Aufl. § 55 InsO Rn. 67; Mückl ZIP 2012, 1642, 1645 f.).
44 cc) Soweit die Revision geltend macht, es sei den Vertragsparteien jedenfalls ganz
überwiegend darauf angekommen, vor Insolvenzantragstellung liegende Arbeitsleistungen
für den Insolvenzfall zu sichern, weswegen die Stichtage von der Schuldnerin so gewählt
worden seien, dass sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegen hätten, wird dies
der Vereinbarung nicht gerecht. Durch sie ist ein Anreiz für den Kläger geschaffen worden,
sein Kündigungsrecht trotz der schwierigen finanziellen Lage der Schuldnerin nicht
auszuüben und betriebstreu zu bleiben. Wenn die Revision anführt, mit der Stellung des
Insolvenzantrags sei das Thema (gemeint sein dürfte: Sanierungsbeitrag des Klägers)
„vom Tisch“ gewesen, berücksichtigt sie nicht, dass gerade auch bei der Suche nach
einem Investor der Verbleib von Know-how-Trägern sinnvoll sein kann. Zudem sind diese
Behauptungen ohne Tatsachensubstanz.
45 II. Ob den Ansprüchen des Klägers die Einrede der Anfechtbarkeit entgegensteht, die
gemäß § 146 Abs. 2 InsO unverjährbar ist (vgl. Karsten Schmidt/Büteröwe 18. Aufl. § 146
InsO Rn. 14), kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
46 1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Erhebung der Einrede nicht
rechtsmissbräuchlich. Der Beklagte ist als Insolvenzverwalter gesetzlich verpflichtet,
Anfechtungsrechten zugunsten der Gläubiger nachzugehen. Die Anfechtung wäre deshalb
nur ausgeschlossen, wenn der Beklagte als vorläufiger Verwalter mit
Zustimmungsvorbehalt durch sein Handeln einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand
gesetzt hätte und der Kläger nach Treu und Glauben damit rechnen durfte, ein nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr entziehbares Recht erhalten zu haben
(BGH 25. April 2013 - IX ZR 235/12 - Rn. 36). Das ist nicht der Fall. Die im Mai 2009
übersandte Aufstellung der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Forderungen, in der der
erste Teilbetrag der Halteprämie aufgeführt war, enthielt weder inhaltliche Aussagen dazu,
ob diese Forderung zur Tabelle anerkannt werde, noch insbesondere zur Berechtigung
der streitbefangenen Masseforderungen.
47 2. Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden
sind, können nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO vom Insolvenzverwalter angefochten
werden, § 129 InsO. Anfechtbare Rechtshandlung ist hier die gemäß § 151 Satz 1 BGB
am 16. Oktober 2008 geschlossene Vereinbarung der Halteprämie. Diese Vereinbarung
verschaffte dem Kläger bereits eine gesicherte Rechtsstellung iSd. § 140 Abs. 1 InsO. Die
darin zugesagten Ansprüche konnten ihm von der Schuldnerin nicht mehr einseitig
entzogen werden. Ob die Anspruchsvoraussetzungen eintraten, hing nicht von der freien
Entscheidung der Schuldnerin ab (BGH 11. Dezember 2008 - IX ZR 194/07 - Rn. 12).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob Anfechtungstatbestände vorliegen, ist
demnach der 16. Oktober 2008. Dies beachtet das Landesarbeitsgericht nicht
durchgehend.
48 3. Die Zusage der Halteprämie benachteiligte die Insolvenzgläubiger iSd. § 129 Abs. 1
InsO. Sie verkürzte das Vermögen der Schuldnerin, indem ihre in der Insolvenz zu
befriedigenden Verbindlichkeiten vermehrt wurden. Durch die Begründung einer in der
später eingetretenen Insolvenz der Schuldnerin als Masseverbindlichkeit zu
befriedigenden Verbindlichkeit verringerte sich die Quote der Gesamtheit der
Insolvenzgläubiger und damit deren Befriedigungsmöglichkeit im Insolvenzverfahren
(BGH 8. November 2012 - IX ZR 77/11 - Rn. 18). Dies führte jedenfalls zu einer für die
Anfechtungstatbestände der §§ 134 und 133 Abs. 1 InsO ausreichenden mittelbaren
objektiven Gläubigerbenachteiligung. Hypothetische Kausalverläufe, die ebenfalls zu
einer Benachteiligung der Insolvenzmasse geführt hätten, sind grundsätzlich nicht
berücksichtigungsfähig (BGH 25. April 2013 - IX ZR 235/12 - Rn. 40). Deshalb ist es
unerheblich, ob der Kläger ohne Halteprämie gekündigt hätte und durch teure externe
Berater hätte ersetzt werden müssen.
49 4. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei den Anfechtungstatbestand des § 134
InsO verneint. Das hat der Senat im Verfahren - 6 AZR 913/11 - mit Urteil vom
12. September 2013 ausführlich begründet und nimmt darauf Bezug.
50 5. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft eine Anfechtbarkeit der
Prämienzusage nach § 133 Abs. 1 InsO verneint. Die Begründung, mit der es die
subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung abgelehnt hat, ist nicht tragfähig.
Insbesondere hat es die Beweisanforderungen zulasten des Beklagten überspannt, weil
es die Inkongruenz der dem Kläger zugesagten Halteprämie nicht erkannt und diesen
Umstand deshalb bei der erforderlichen Abwägung nach § 286 ZPO nicht als erhebliches
Beweisanzeichen zugunsten des Beklagten berücksichtigt hat. Zudem hat es nicht
festgestellt, ob die Schuldnerin zahlungsunfähig war oder deren Zahlungsunfähigkeit
drohte und der Kläger dies wusste. Es hat insoweit ein weiteres erhebliches
Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nicht
festgestellt. Darüber hinaus hat es die erforderliche abschließende Gesamtabwägung aller
Umstände unterlassen. Darum kann das Urteil keinen Bestand haben.
51 a) Der Schuldner handelt mit Vorsatz iSd. § 133 Abs. 1 InsO, wenn er die Benachteiligung
der Gläubiger als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt
und billigt (BGH 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12 - Rn. 14). Ein unlauteres Verhalten des
Schuldners, ein unlauteres Zusammenwirken mit dem Anfechtungsgegner oder irgendeine
Art von Treu- und Sittenwidrigkeit wird nach dem eindeutigen Wortlaut des § 133 InsO, der
nur einen (bedingten) Benachteiligungsvorsatz voraussetzt, nicht verlangt (vgl. BGH
5. Juni 2008 - IX ZR 17/07 - Rn. 20; aA Jensen NZI 2013, 471).
52 aa) Das Vorliegen dieses subjektiven Tatbestandsmerkmals kann als innere, dem Beweis
nur eingeschränkt zugängliche Tatsache regelmäßig nur mittelbar aus objektiven
Tatsachen hergeleitet werden. Soweit es dabei auf Rechtsbegriffe wie die
Zahlungsunfähigkeit ankommt, muss deren Vorliegen oft aus der Kenntnis von
Anknüpfungstatsachen erschlossen werden (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 -
Rn. 37, BAGE 139, 235; BGH 13. August 2009 - IX ZR 159/06 - Rn. 8; zur Stichhaltigkeit
dieser Anknüpfungstatsachen Hutschenreuther/Neugebauer ZInsO 2013, 1221, 1222 ff.).
53 bb) Der Bundesgerichtshof hat für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes
des Schuldners verschiedene Beweisanzeichen („Indizien“; vgl. BGH 17. Februar 1970 -
III ZR 139/67 - zu III 10 d der Gründe, BGHZ 53, 245; Huber FS Ganter S. 203, 206)
entwickelt.
54 (1) Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann daraus auf einen
Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden. Er weiß dann in aller Regel, dass sein
Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen. Auch die nur drohende
Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz
des Schuldners dar, wenn sie ihm bei der Vornahme der Rechtshandlung bekannt war. In
diesen Fällen handelt der Schuldner allerdings dann nicht mit Benachteiligungsvorsatz,
wenn er aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung bzw. Abwendung
der Krise rechnen kann (BGH 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12 - Rn. 14).
55 Diese Grundsätze gelten nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch
dann, wenn eine kongruente Leistung angefochten wird (seit Urteil vom 10. Januar 2013 -
IX ZR 13/12 - Rn. 15).
56 (2) Ein weiteres in der Regel erhebliches Beweisanzeichen für einen
Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ist es, wenn eine inkongruente Deckung vorliegt,
also der Gläubiger eine Befriedigung oder Sicherung erhalten hat, die er nicht, nicht in der
Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (BGH 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12 -
Rn. 19; zu den wesentlichen Tatbeständen der inkongruenten Deckung Kayser WM 2013,
293, 296 f.). Nach allgemeiner Erfahrung im Geschäftsverkehr sind Schuldner regelmäßig
nicht bereit, anderes oder gar mehr zu leisten, als sie schulden. Tun sie dies dennoch, so
müssen dafür im Allgemeinen besondere Beweggründe vorliegen. Eine solche
Begünstigung muss deshalb beim Leistungsempfänger in der Regel den entsprechenden
Verdacht wecken. Zugleich liegt auf der Hand, dass wegen der Bevorzugung einzelner
Gläubiger über das ihnen von Rechts wegen zustehende Maß hinaus die Masse zulasten
anderer Gläubiger entsprechend verkürzt wird. Nimmt allerdings der Schuldner trotz der
Gewährung einer inkongruenten Deckung aufgrund konkreter Umstände an, mit Sicherheit
alle seine Gläubiger befriedigen zu können, fehlt ihm der Benachteiligungsvorsatz (vgl.
BGH 30. Januar 1997 - IX ZR 89/96 - zu II 2 a der Gründe; Kayser WM 2013, 293, 296).
Zudem hängt die Bedeutung der Inkongruenz als Beweisanzeichen von deren Art und
Ausmaß ab. Je geringer das Ausmaß der Inkongruenz im Einzelfall ist, desto mehr tritt ihre
Bedeutung als Beweisanzeichen zurück (BGH 12. November 1992 - IX ZR 236/91 - zu
III 3 c aa der Gründe). Die Indizwirkung einer inkongruenten Deckung fällt auch umso
weniger ins Gewicht, je länger die Handlung vor der Verfahrenseröffnung liegt. Sie kann
sogar ganz entfallen, wenn die Handlung bereits zu einer Zeit vorgenommen wird, in
welcher noch keine ernsthaften Zweifel an der Liquidität des Schuldners bestehen oder
aus Sicht des Zahlungsempfängers zu bestehen scheinen (BGH 18. Dezember 2003 -
IX ZR 199/02 - zu II 2 b bb (4) und III 2 c der Gründe, BGHZ 157, 242).
57 (3) Beweisanzeichen von geringerer Bedeutung sind die unmittelbare
Gläubigerbenachteiligung (BGH 4. Dezember 1997 - IX ZR 47/97 - zu III 3 c bb der
Gründe), unentgeltliche Zuwendungen oder Verschleuderungsverträge
(MünchKommInso/Kirchhof 2. Aufl. § 133 Rn. 32).
58 (4) Die Indizwirkung von Inkongruenz und Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit
kann durch Umstände des Einzelfalles ausgeschlossen sein. Dies ist dann der Fall, wenn
Einzelfallumstände ergeben, dass die angefochtene Rechtshandlung von einem anderen,
anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet war und das Bewusstsein der
Benachteiligung anderer Gläubiger infolgedessen in den Hintergrund getreten ist. Das
kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die angefochtene Rechtshandlung
Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuches ist.
Es muss dann allerdings zur Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den
tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das zumindest
in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte
und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. Die bloße Hoffnung des Schuldners, die
Krise überwinden bzw. noch abwenden zu können, genügt nicht, den
Benachteiligungsvorsatz zu widerlegen (BGH 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12 - Rn. 17 f.;
8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 11).
59 b) Die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt weiter voraus, dass der
Anfechtungsgegner zur Zeit der angefochtenen Handlung den Vorsatz des Schuldners,
seine Gläubiger zu benachteiligen, kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der
Anfechtungsgegner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und die Handlung die
Gläubiger benachteiligte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO).
60 aa) Eine inkongruente Deckung bildet in der Regel ein Beweisanzeichen für die Kenntnis
des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners iSd. § 133 Abs. 1
Satz 1 InsO, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als
zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität
des Schuldners zu zweifeln (BGH 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11 - Rn. 13).
61 bb) Kennt der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (ausführlich zu dieser
Kenntnis für Arbeitnehmer BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 22 ff., BAGE 139,
235), so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die
Befriedigungsmöglichkeit anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren und
verzögern, und ist zugleich regelmäßig über den Benachteiligungsvorsatz im Bilde.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Schuldner gewerblich tätig ist und der
Gläubiger dies weiß. Dann muss er mit weiteren Gläubigern des Schuldners, deren
Ansprüche ungedeckt sind, rechnen (vgl. BGH 6. Dezember 2012 - IX ZR 3/12 - Rn. 15).
62 cc) Der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des
Schuldners steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen
gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit
hinweisen (BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 37, BAGE 139, 235).
63 (1) Die grob fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit genügt dafür nicht.
Erforderlich ist vielmehr, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände positiv
kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende)
Zahlungsunfähigkeit objektiv zweifelsfrei folgt, und dass er aus diesen Indiztatsachen
zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen muss. Das ist nur dann der Fall, wenn
sich ein redlich Denkender, der vom Gedanken an den eigenen Vorteil nicht beeinflusst
ist, angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen kann, der
Schuldner sei zahlungsunfähig. Dann kann der Anfechtungsgegner sich nicht mit Erfolg
darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen habe. Mischen sich dagegen in die
Vorstellungen des Anfechtungsgegners - wenn auch irrtümlich - Tatsachen, die bei einer
Gesamtbetrachtung den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht
zwingend nahelegen, fehlt ihm die für die Vorsatzanfechtung erforderliche Kenntnis (vgl.
BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 28, BAGE 139, 235; BGH 19. Februar 2009 -
IX ZR 62/08 - Rn. 13 f., BGHZ 180, 63). Das Indizanzeichen der Kenntnis von der
Zahlungsunfähigkeit entfällt ferner, wenn der Anfechtungsgegner, der zunächst die
(drohende) Zahlungsunfähigkeit gekannt hat, aufgrund einer ihm bekannten Veränderung
der Tatsachengrundlage es für möglich hält, dass die (drohende) Zahlungsunfähigkeit
nunmehr behoben ist (BGH 10. Januar 2013 - IX ZR 13/12 - Rn. 25, 34).
64 (2) Bei der Beurteilung, ob ein Arbeitnehmer die erforderliche positive Kenntnis von
Vermutungstatsachen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
schließen lassen, hatte, ist die Stellung oder Funktion des Arbeitnehmers im Unternehmen
nicht per se maßgebend. Unabhängig davon, ob er Einblick in die Liquiditäts- oder
Zahlungslage des Unternehmens hat, trifft den Arbeitnehmer auch keine Beobachtungs-
und Erkundigungspflicht. Der Insolvenzverwalter, der die Beweislast für die
Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO trägt, muss im Einzelfall nachweisen, dass der
Arbeitnehmer alle erforderlichen Informationen besaß (vgl. BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR
262/10 - Rn. 32, BAGE 139, 235; BGH 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08 - Rn. 17, 22, BGHZ
180, 63).
65 dd) Die nach § 133 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 InsO erforderliche Kenntnis der
Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn der Gläubiger weiß, dass werthaltiges
Schuldnervermögen, das dem Insolvenzbeschlag unterliegen würde, vermindert oder die
Schuldenmasse vermehrt wird, ohne dass das verbleibende Schuldnervermögen
ausreicht, um alle verbleibenden Verbindlichkeiten zu befriedigen. Das wird widerleglich
vermutet, wenn der Gläubiger Umstände kennt, die im oben genannten Sinn zwingend auf
eine drohende Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (vgl. BGH 20. November 2008 -
IX ZR 188/07 - Rn. 10). Auch für ein Eingreifen der Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2
InsO genügt es nach dieser Rechtsprechung in aller Regel allein, dass der
Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit bzw. die Umstände, aus denen
diese zwingend folgt, kennt (MünchKommInso/Kirchhof 2. Aufl. § 133 Rn. 24d). Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es damit praktisch nur auf den ersten Teil
der Vermutungsvoraussetzung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, die Kenntnis von der
(drohenden) Zahlungsunfähigkeit, an (vgl. BGH 20. November 2008 - IX ZR 188/07 -
Rn. 10). Der zweite Teil der Vermutungsgrundlage, die Kenntnis von der
Gläubigerbenachteiligung, wird aus dem ersten Teil des Vermutungstatbestands gefolgert.
Dreh- und Angelpunkt bei den meisten Anfechtungsprozessen ist damit der Nachweis,
dass Schuldner und Anfechtungsgegner von der zumindest drohenden
Zahlungsunfähigkeit oder den auf eine solche hindeutenden Tatsachen Kenntnis hatten
(Kayser WM 2013, 293, 294 f.).
66 c) Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und die übrigen Beweisanzeichen begründen
allerdings keine gesetzliche Vermutung iSd. § 292 ZPO dafür, dass die Voraussetzungen
der Vorsatzanfechtung erfüllt sind (Fischer NZI 2008, 588, 592; missverständlich BGH
24. Mai 2007 - IX ZR 97/06 - Rn. 25).
67 aa) Solche Tatsachen sind vielmehr nur mehr oder weniger gewichtige Beweisanzeichen,
die eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich machen und nicht schematisch im Sinne
einer vom anderen Teil zu widerlegenden Vermutung angewandt werden dürfen. Ob die
Voraussetzungen des § 133 InsO vorliegen, unterliegt der freien richterlichen
Beweiswürdigung des Tatsachengerichts. Es ist dabei seine Aufgabe, das Vorliegen des
Benachteiligungsvorsatzes und die Kenntnis des Anfechtungsgegners davon gemäß
§ 286 Abs. 1 ZPO unter Würdigung aller Beweisanzeichen und sonstigen Umstände des
Einzelfalles isoliert und in ihrer Gesamtheit auf der Grundlage des Gesamtergebnisses der
mündlichen Verhandlung sowie einer etwaigen Beweisaufnahme zu prüfen (vgl. BAG
6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 37, BAGE 139, 235; vgl. BGH 10. Januar 2013 -
IX ZR 13/12 - Rn. 25 unter ausdrücklicher Aufgabe von BGH 24. Mai 2007 - IX ZR 97/06 -
Rn. 25; Kayser WM 2013, 293, 294, 298).
68 bb) Der Anfechtungsgegner kann die von der Rechtsprechung anerkannten
Beweisanzeichen erschüttern, indem er gegenläufige Indizien geltend macht und
nötigenfalls beweist (Kayser WM 2013, 293, 298 ff., der von „Entkräften des
Vermutungstatbestands“ spricht; ausführlich zur Wirkungsweise von Indizien und zur
indizienrechtlichen Beweisführung Huber FS Ganter S. 203, 206, 211 ff.), oder er kann die
gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO widerlegen.
69 (1) Neben einem tragfähigen Sanierungskonzept gehört zu den gegenläufigen Indizien bei
kongruenter Deckung insbesondere der Nachweis, dass die angefochtene Leistung in
engem zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung in die künftige
Masse erfolgt ist. In letzterem Fall spricht viel dafür, dass der Schuldner die Leistung nur
wegen des im Gegenzug erhaltenen (gleichwertigen) Vermögensvorteils erbracht hat und
ihm eine damit verbundene mittelbare Gläubigerbenachteiligung selbst bei schon
eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit nicht bewusst geworden ist (Kayser
WM 2013, 293, 298; Fischer NZI 2008, 588, 593 f.). Das gilt insbesondere, wenn die
Leistung zur Fortführung des Betriebs bzw. Unternehmens notwendig ist und damit den
Gläubigern im Allgemeinen nützt (Kreft in HK-InsO 6. Aufl. § 142 Rn. 12).
70 (2) Darüber hinaus erscheint bei derartigen kongruenten Leistungen, sofern es sich dabei
um ein Bargeschäft handelt oder bei denen zumindest eine bargeschäftsähnliche Lage
vorliegt (vgl. Kayser WM 2013, 293, 298), die Erschütterung des Beweisanzeichens der
Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der daraus
folgenden Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung auf Seiten des Anfechtungsgegners
naheliegend. Wird eine Leistung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses in engem
zeitlichen Zusammenhang mit einer gleichwertigen Gegenleistung erbracht (zu der
insoweit maßgeblichen Zeitspanne BAG 6. Oktober 2011 - 6 AZR 262/10 - Rn. 16 bis 18,
BAGE 139, 235), spricht viel dafür, dass der Arbeitnehmer davon ausgeht und ausgehen
darf, dass sein Arbeitgeber noch liquide ist, er nur bekommen hat, was ihm zustand, die
Unternehmensfortführung erfolgsversprechend ist (vgl. MünchKommInso/Kirchhof 2. Aufl.
§ 133 Rn. 38b) und er die Erfüllung des Entgeltanspruchs deshalb als nicht
gläubigerbenachteiligend ansieht.
71 d) Ausgehend davon halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts einer rechtlichen
Prüfung nicht stand.
72 aa) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft die Vereinbarung der Halteprämie als
Gewährung einer kongruenten Deckung angesehen und deshalb das Beweisanzeichen
der Inkongruenz im Rahmen seiner Prüfung der Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO
nicht in seine Abwägung nach § 286 ZPO einbezogen. Die Zusage der Halteprämie stellte
eine inkongruente Deckung dar.
73 (1) Inkongruenz liegt vor, wenn die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des
Schuldverhältnisses abweicht, das zwischen Insolvenzgläubiger und Schuldner besteht
(BGH 11. März 2004 - IX ZR 160/02 - zu II 1 c aa (3) der Gründe). Die Feststellung der
Inkongruenz erfordert demnach den Abgleich von rechtlich geschuldetem Vorgehen und
tatsächlichem Vorgehen des Schuldners (Schoppmeyer in Bork Handbuch des
Insolvenzanfechtungsrechts Kap. 8 Rn. 30). Maßgeblich ist die materiell-rechtliche
Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung iSv. § 140 Abs. 1 InsO (vgl.
BGH 29. September 2005 - IX ZR 184/04 - zu II 2 der Gründe; Schoppmeyer aaO Rn. 31),
hier am 16. Oktober 2008. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger für den Fall, dass er weiter
betriebstreu blieb, lediglich Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Gegenleistung,
nicht aber auf die ihm mit der Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 zugesagte Halteprämie.
Das arbeitsvertragliche Leistungsprogramm wurde durch die Zusage einer Halteprämie
nachträglich zugunsten des Klägers abgeändert, ohne dass dieser darauf einen Anspruch
hatte. Dies begründet die inkongruente Deckung (vgl. Schoppmeyer aaO Rn. 35).
74 (2) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist es unerheblich, dass die Parteien
über die Halteprämie eine eigene Vereinbarung geschlossen haben. Zum einen hätte
diese allenfalls die Kongruenz der Halteprämie selbst begründen können. Zum anderen
übersieht das Landesarbeitsgericht, dass die Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 kein
kongruenzbegründender Schuldgrund sein kann, weil sie ihrerseits inkongruent ist (vgl.
BGH 2. Februar 2006 - IX ZR 67/02 - Rn. 38 bis 40, BGHZ 166, 125). Die
Arbeitsvertragsparteien können nicht durch den Abschluss einer Vereinbarung, die neue
Ansprüche des Arbeitnehmers begründet, die Anfechtungstatbestände des § 131 InsO und
§ 133 Abs. 1 InsO umgehen.
75 (3) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch entscheidungserheblich. Das
Landesarbeitsgericht hat zwar im Rahmen seiner Ausführungen zur Widerlegung der
Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO durch den Kläger angenommen, er habe
schlüssig ein Restrukturierungskonzept der Schuldnerin dargelegt. Diese Annahme ist
aber ihrerseits nicht frei von Rechtsfehlern. Die bisherigen Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts tragen die Annahme des Vorliegens eines schlüssigen
Sanierungskonzepts nicht. Das rügt die Revision mit Recht.
76 (a) Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich schon der wesentliche
Inhalt des Sanierungskonzepts nicht entnehmen. Das Landesarbeitsgericht hat seine
Annahme, die Voraussetzungen eines schlüssigen Sanierungskonzepts lägen vor, auf
den auf fünf Jahre angelegten Businessplan der Schuldnerin gestützt. Aus dem Vortrag
der Parteien hat das Landesarbeitsgericht gefolgert, im Businessplan sei geregelt, mit
welcher Personalstärke und welcher unternehmerischen Ausrichtung die Schuldnerin
habe fortgeführt werden sollen. Dieses Konzept sei durch P geprüft und für durchführbar
erachtet worden. Aus diesen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass spätestens am
16. Oktober 2008 ein in sich geschlossenes Konzept zur Bereinigung sämtlicher
Verbindlichkeiten der Schuldnerin entwickelt worden war oder dass der Kläger dies
zumindest annehmen durfte. Es ist zum einen nicht erkennbar, auf welchen tatsächlichen
Grundlagen ein solches Sanierungskonzept beruhen sollte und was bei einer
unvoreingenommenen, fachkundigen Prüfung der Lage der Schuldnerin die Annahme
rechtfertigte, bei einer Realisierung des Konzepts würden die übrigen Gläubiger
vollständig befriedigt werden können. Zum anderen hat das Berufungsgericht nicht
beachtet, dass das Gutachten von P erst am 4. Dezember 2008 vorlag. Die Indizwirkung
der Inkongruenz entfiele nur, wenn bereits am 16. Oktober 2008 ein tragfähiges
Sanierungskonzept existiert hätte oder wenn jedenfalls der Kläger davon aufgrund
konkreter Umstände hätte ausgehen dürfen, was dieser allerdings - soweit ersichtlich -
bisher nicht geltend gemacht hat.
77 (b) Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen auch nicht den Schluss zu, dass
die Schuldnerin am 16. Oktober 2008 begründete Aussicht auf den Erhalt staatlicher
Finanzhilfen zur Überbrückung der Liquiditätsprobleme hatte. Das Landesarbeitsgericht
hat insoweit unter Bezug auf die Gespräche mit dem Freistaat Sachsen angenommen, es
sei nicht unwahrscheinlich gewesen, dass die Schuldnerin weitere Mittel erhalten werde.
Die am 21. Dezember 2008 verkündete Einigung mit dem Freistaat Sachsen spreche
gegen eine unverbrüchlich ablehnende Haltung des Freistaats im Oktober 2008,
öffentliche Mittel zu gewähren. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht berücksichtigt,
dass der Freistaat Sachsen die Bewilligung der Finanzhilfe vom Ergebnis der von ihm in
Auftrag gegebenen Due-Diligence-Prüfung abhängig machen wollte. Es hat nicht
festgestellt, dass die Schuldnerin aufgrund belastbarer Tatsachen bereits vor dem
Ergebnis dieser Prüfung, also vor dem 4. Dezember 2008, die Prognose stellen durfte, sie
werde Staatshilfen erhalten. Nach den bisher getroffenen Feststellungen waren die
Bemühungen der Schuldnerin um eine Sanierung auch nach dem Vortrag des Klägers
über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht
hinausgekommen. Dies reicht für ein Ausräumen des durch die Inkongruenz indizierten
Benachteiligungsvorsatzes nicht aus (BGH 8. Dezember 2011 - IX ZR 156/09 - Rn. 11).
78 (c) Ein Sanierungskonzept kann schließlich nur dann geeignet sein, den indizierten
Benachteiligungsvorsatz auszuschließen, wenn die inkongruente Leistung auch
Bestandteil des Sanierungskonzepts ist. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch keine
Feststellungen dazu getroffen, ob die zahlreichen Mitarbeitern zugesagten Halteprämien
Bestandteil des Sanierungskonzepts der Schuldnerin waren.
79 bb) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Schuldnerin am 16. Oktober
2008 bereits zahlungsunfähig war oder jedenfalls ihre Zahlungsunfähigkeit drohte und die
Schuldnerin sowie der Kläger davon Kenntnis hatten, was ein weiteres wesentliches
Beweisanzeichen für die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung wäre. Der
Beklagte hat behauptet, die drohende Zahlungsunfähigkeit habe sich aus der
Liquiditätsplanung der Schuldnerin ergeben. Er hat für seine Behauptung, die Schuldnerin
sei spätestens am 16. Oktober 2008 drohend zahlungsunfähig gewesen, die Vorlegung
eines Privatgutachtens vom 30. Dezember 2010 angeboten. Diesen Vortrag durfte das
Landesarbeitsgericht nicht außer Acht lassen.
80 (1) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe aus den vom
Beklagten vorgetragenen Anknüpfungstatsachen nicht zwingend auf die drohende
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen müssen. Es hat weiter angenommen, der
Beklagte habe nicht behauptet, dass der Kläger positive Kenntnis des
Benachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin gehabt habe. Auch diese Würdigung, nach
der es auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht ankäme, ist nicht
rechtsfehlerfrei. Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass der Beklagte stets
auf die Inkongruenz der Vereinbarung vom 16. Oktober 2008 hingewiesen hatte. Dies rügt
die Revision mit Recht. Die Inkongruenz ist, wie ausgeführt, in der Regel ein
Beweisanzeichen für eine Kenntnis des Anfechtungsgegners vom
Benachteiligungsvorsatz des Schuldners iSd. § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO, wenn der
Empfänger Anlass hatte, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln. Der Beklagte hat
unter Beweisantritt behauptet, der Kläger habe nicht nur derartige Zweifel haben müssen,
er habe vielmehr Kenntnis von der zumindest drohenden Zahlungsunfähigkeit der
Schuldnerin gehabt. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht als unzulässigen Antritt
eines Ausforschungsbeweises angesehen. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge hat
Erfolg.
81 (a) Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 31. März 2011 vorgetragen, der Kläger habe die
Cashflow-Entwicklung auf Monatsbasis geprüft und Kenntnis von der drohenden
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt. Er habe Einblick in alle maßgeblichen
Zahlen und Fakten des Konzerns gehabt. Ihm sei bei Übergabe der Zusage der
Halteprämie die Auffassung der K AG zum Jahresabschluss 2008 und deren Schreiben
vom 14. Oktober 2008 bekannt gewesen. Zum Beweis dieser Behauptungen hat er das
Zeugnis des Vorgesetzten des Klägers und der Ansprechpartner des Klägers bei der K AG
angeboten. Dieser Vortrag ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts streitig
geblieben, wie sich aus II 3 b des Berichtigungsbeschlusses vom 8. März 2012 ergibt. Das
Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe nicht nachvollziehbar
vorgetragen, weswegen der Kläger Kenntnis von der Auffassung der K AG und deren
Schreiben vom 14. Oktober 2008 gehabt habe. Er habe keine Anknüpfungstatsachen für
diese Kenntnis des Klägers vorgetragen. Er habe insbesondere nicht ausgeführt, welchen
Inhalt die regelmäßigen Gespräche zwischen dem Kläger und dem benannten Zeugen
Herrn Kl gehabt hätten und welche Informationen der Kläger darin erhalten habe.
82 (b) Damit hat das Landesarbeitsgericht die Anforderungen an einen ausreichenden
Beweisantritt überspannt. Die beweisbelastete Partei muss keinen „Vorbeweis“ führen,
indem sie Anhaltspunkte für - gegebenenfalls von ihr nur vermutete - Tatsachen
konkretisiert und unter Beweis stellt (BAG 28. April 2004 - 10 AZR 370/03 - zu II 2 c der
Gründe). Vielmehr genügt sie ihrer Darlegungslast bereits dadurch, dass sie Tatsachen
vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, die geltend gemachte
Rechtslage als entstanden erscheinen zu lassen. Hat eine Partei - wie hier der Beklagte
als Insolvenzverwalter - keinen Einblick in die Geschehensabläufe und ist ihr deshalb die
Beweisführung erschwert, kann sie auch solche Umstände unter Beweis stellen, die sie
nur vermutet, aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Nähere Einzelheiten sind
vom Tatsachengericht durch entsprechende Nachfrage bei der Beweisaufnahme zu
klären. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird ein Beweisantrag unter
solchen Umständen erst dann, wenn die beweispflichtige Partei Behauptungen „aufs
Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, ohne wenigstens greifbare Anhaltspunkte für
das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts aufzuzeigen (BAG 27. September 2012 -
2 AZR 516/11 - Rn. 30; BGH 24. Mai 2007 - III ZR 176/06 - Rn. 15; vgl. für die
Anforderungen an den Beweisantritt eines Konkursverwalters BGH 20. Juni 2002 - IX ZR
177/99 -). Angesichts der (Mit-)Zuständigkeit des Klägers für die Erstellung der
monatlichen Konzernabschlüsse und des vom Beklagten behaupteten ständigen
Austausches zwischen dem Kläger und den Wirtschaftsprüfern der K AG einerseits und
seinem Vorgesetzten andererseits bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass in diesen
Gesprächen die Liquidität und Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin sowie die Einschätzung
der Wirtschaftsprüfer, die am 14. Oktober 2008 zu dem Hinweis an die Schuldnerin nach
§ 321 Abs. 1 Satz 3 HGB auf eine Bestandsgefährdung des Unternehmens geführt hatte,
angesprochen worden sind, zumal hier offensichtlich wegen der Dringlichkeit ein
Vorabbericht erstellt worden ist (vgl. Habersack/Schürnbrand in Großkomm. HGB 5. Aufl.
§ 321 Rn. 22).
83 (2) Soweit das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer Hilfsbegründung angenommen hat,
der Kläger habe die gesetzliche Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO durch seinen
Vortrag zum Sanierungskonzept der Schuldnerin widerlegt, tragen die insoweit von ihm
getroffenen Feststellungen, wie ausgeführt, seine Annahme, es habe ein tragfähiges
Sanierungskonzept vorgelegen, nicht.
84 cc) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht die erforderliche abschließende
Gesamtwürdigung aller Umstände nicht vorgenommen.
85 D. Der Beklagte hat sich erstmals in der Revisionsinstanz ausdrücklich hilfsweise auf das
Anfechtungsrecht nach § 133 Abs. 2 InsO berufen. Danach wird bei Abschluss
entgeltlicher Verträge mit Nahestehenden, die zu einer unmittelbaren
Gläubigerbenachteiligung führen, unterstellt, dass der Schuldner mit
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelte und der Gläubiger dies wusste. § 133 Abs. 2
InsO führt also zu einer Beweislastumkehr (MünchKommInso/Kirchhof 2. Aufl. § 133
Rn. 45, 39). Das Landesarbeitsgericht hat zu den Voraussetzungen dieses
Anfechtungstatbestands keine Feststellungen getroffen. Die Zurückverweisung der Sache
gibt den Parteien Gelegenheit, zu den bisher nicht festgestellten Voraussetzungen des
§ 133 Abs. 2 InsO, insbesondere dem Vorliegen einer unmittelbaren
Gläubigerbenachteiligung unter Einbeziehung der Gegenleistung des Klägers (dazu BGH
8. November 2012 - IX ZR 77/11 - Rn. 20 ff.) sowie eines Näheverhältnisses iSd. § 138
Abs. 2 Nr. 2 InsO aufgrund dienstvertraglicher Verbindung (dazu BGH 15. November 2012
- IX ZR 205/11 - Rn. 10 f., BGHZ 195, 358), vorzutragen. Gegebenenfalls wird das
Landesarbeitsgericht unter Beachtung vorstehend dargelegter Maßstäbe, insbesondere
der vorliegenden Inkongruenz prüfen müssen, ob eine Vorsatzanfechtung in Betracht
kommt, und dabei unter Umständen das Vorliegen einer (drohenden) Zahlungsunfähigkeit
festzustellen haben.
86 E. Es bestand kein Anlass, wie von der Revision angeregt, von der Möglichkeit des § 563
Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG Gebrauch zu machen.
Fischermeier
Gallner
Spelge
Wollensak
Lorenz