Urteil des BAG vom 15.10.2013

Altersteilzeit - Aufstockungsleistung - Nebentätigkeit

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 15.10.2013, 9 AZR 256/12
Altersteilzeit - Aufstockungsleistung - Nebentätigkeit
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 2011 -
3 Sa 464/11 - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen
teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 1. März 2011 - 10 Ca
8532/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
teilweise mit der Maßgabe abgeändert, dass die Beklagte an
die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz nicht ab dem 1. Juli 2010, sondern ab dem
1. September 2010 zu zahlen hat.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, die Aufstockungsleistung im
Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Altersteilzeitarbeitsverhältnisses wegen
Nebentätigkeit der Klägerin zu kürzen.
2 Die Klägerin ist seit dem 15. Oktober 1990 in einer Kindertagesstätte der Beklagten
beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom 8. Dezember 2008 vereinbarten die Parteien, ihr
Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell fortzusetzen. Danach
sollte die Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf die Hälfte der
bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit herabgesetzt werden. Die Arbeitsphase sollte vom
18. Dezember 2009 bis zum 24. April 2015, die sich anschließende Freistellungsphase vom
25. April 2015 bis zum 31. August 2020 dauern. Nach dem Altersteilzeitarbeitsvertrag
erfolgte die Vereinbarung über Altersteilzeit
„… auf der Grundlage
a) des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG),
b) des Tarifvertrages zur Regelung der
Altersteilzeitarbeit (TV ATZ)
- in den jeweils geltenden Fassungen -
…“
3 Der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des
Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000 (TV ATZ) enthält auszugsweise folgende
Bestimmungen:
§ 5
Aufstockungsleistungen
(1) Die dem Arbeitnehmer nach § 4
zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf
entfallenden sozialversicherungspflichtigen
Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden
Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung
werden um 20 v. H. dieser Bezüge aufgestockt
(Aufstockungsbetrag). …
(2) Der Aufstockungsbetrag muss so hoch
sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. H. des
Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgelts
erhält (Mindestnettobetrag). …
§ 6
Nebentätigkeit
Der Arbeitnehmer darf während des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keine Beschäftigungen
oder selbstständigen Tätigkeiten ausüben, die die
Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten, es
sei denn, diese Beschäftigungen oder selbstständigen
Tätigkeiten sind bereits innerhalb der letzten fünf Jahre
vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ständig
ausgeübt worden. Bestehende tarifliche Regelungen über
Nebentätigkeiten bleiben unberührt.
§ 8
Nichtbestehen bzw. Ruhen der
Aufstockungsleistungen
(3) Der Anspruch auf die
Aufstockungsleistungen ruht während der Zeit,
in der der Arbeitnehmer eine unzulässige
Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit
im Sinne des § 6 ausübt oder über die
Altersteilzeitarbeit hinaus Mehrarbeit und
Überstunden leistet, die den Umfang der
Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV
überschreiten. Hat der Anspruch auf die
Aufstockungsleistungen mindestens 150 Tage
geruht, erlischt er; mehrere Ruhenszeiträume
werden zusammengerechnet.“
4 Die Klägerin führt seit 1999 neben ihrem Arbeitsverhältnis pädagogische
Fortbildungsveranstaltungen für Erzieherinnen in selbstständiger Tätigkeit durch. Diese
Nebentätigkeiten zeigt sie der Beklagten zuvor an. Die von der Beklagten genehmigten
Fortbildungsveranstaltungen nahmen in der Vergangenheit jeweils zwischen einem und
drei Tagen in Anspruch. Von 2004 bis 2009 gestalteten sich ihr Umfang und die Vergütung
wie folgt:
Jahr
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Anzahl der Tätigkeiten
3
6
3
3
3
2
Anzahl der Tage insgesamt 8
14
8
7
7
5
Honorar insgesamt in Euro 2.660,00 5.330,00 2.930,00 2.450,00 2.410,00 1.650,00
5 Am 10. Mai 2010 moderierte die Klägerin als Nebentätigkeit einen Workshop und erzielte
ein Honorar in Höhe von 300,00 Euro. Vom 10. bis zum 11. Juni 2010 leitete sie eine
Fortbildungsveranstaltung gegen ein Honorar in Höhe von 660,00 Euro. Eine geplante
dreitätige Nebentätigkeit vom 20. bis zum 22. September 2010 kam wegen der Absage des
Veranstalters nicht zustande. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 teilte die Beklagte der Klägerin
mit, dass diese ihre Nebentätigkeit nicht ständig, sondern unregelmäßig ausübe. Die
Ausnahmeregelung in § 6 Satz 1 TV ATZ könne deshalb bei ihr nicht greifen. In der
Entgeltabrechnung für August 2010 brachte die Beklagte die im Juni 2010 an die Klägerin
ausgezahlte Aufstockungsleistung in Höhe von 721,23 Euro in Abzug. Nach der Bitte um
Überprüfung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin korrigierte die Beklagte die
Abrechnung. Sie kürzte die Aufstockungsleistung nicht mehr für den ganzen Monat des
Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV, sondern nur für die Dauer der
Nebentätigkeit. Dies ergab einen Betrag in Höhe von 48,08 Euro. Die Differenz zwischen
721,23 Euro und 48,08 Euro zahlte die Beklagte mit der Abrechnung für den Monat Oktober
2010 an die Klägerin aus.
6 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei ihrer Nebentätigkeit handele es sich trotz des
Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV um eine privilegierte
Nebentätigkeit iSd. § 6 Satz 1 TV ATZ. Sie habe diese selbstständige Tätigkeit bereits
während der letzten fünf Jahre vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ständig
ausgeübt. Die Kürzung der Aufstockungsleistung sei deshalb unberechtigt.
7 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 48,08 Euro nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2010 zu zahlen und ihr eine
entsprechende Abrechnung zu erteilen.
8 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten,
aufgrund der starken Schwankungen sei nicht von einer ständigen Ausübung der
Nebentätigkeiten im Sinne des § 6 Satz 1 TV ATZ auszugehen.
9 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht
zugelassenen Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
10 A. Die zulässige Revision der Beklagten ist in der Hauptsache unbegründet. Die
Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte war nicht berechtigt,
die Aufstockungsleistung an die Klägerin für den Monat Juni 2010 nachträglich um
48,08 Euro zu kürzen. Sie ist deshalb gemäß § 5 TV ATZ verpflichtet, diesen Betrag an die
Klägerin zu zahlen.
11 I. Der Zahlungsanspruch folgt aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag der Parteien iVm. § 5
TV ATZ.
12 1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TV ATZ muss der Arbeitgeber die dem Arbeitnehmer nach § 4
TV ATZ zustehenden Bezüge um 20 vH aufstocken. Der Aufstockungsbetrag muss nach
§ 5 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ so hoch sein, dass der Arbeitnehmer mindestens 83 vH des
Nettobetrags des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Für den Monat
Juni 2010 betrug die Aufstockung unstreitig 721,23 Euro. Darauf zahlte die Beklagte
wegen der nachträglichen unberechtigten Kürzung um 48,08 Euro lediglich 673,15 Euro.
Diese Differenz hat sie an die Klägerin nachzuzahlen.
13 2. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Aufstockungsleistung für Juni 2010 wegen der
Einnahmen der Klägerin aus Nebentätigkeiten gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ zu
kürzen. Nach dieser Tarifvorschrift ruht der Anspruch auf Aufstockungsleistungen ua.
während der Zeit, in der der Arbeitnehmer eine Beschäftigung oder selbstständige
Tätigkeit im Sinne des § 6 TV ATZ ausübt. Gemäß § 6 Satz 1 TV ATZ darf der
Arbeitnehmer während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses keine Beschäftigungen oder
selbstständigen Tätigkeiten ausüben, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV
überschreiten, es sei denn, diese Beschäftigungen oder selbstständigen Tätigkeiten sind
bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
ständig ausgeübt worden.
14 a) Die Klägerin erzielte mit ihrer selbstständigen Tätigkeit im Juni 2010 ein Honorar in
Höhe von 660,00 Euro und überschritt damit die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1
Nr. 1 SGB IV in der maßgeblichen Fassung vom 12. November 2009. Diese betrug
400,00 Euro. Entgegen der Auffassung der Revision durfte die Klägerin jedoch mit ihrer
selbstständigen Tätigkeit ein solches, die Geringfügigkeitsgrenze überschreitendes
Einkommen erzielen, da sie diese selbstständige Tätigkeit bereits in den letzten fünf
Jahren vor Beginn ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (Referenzzeitraum) ständig
ausübte.
15 aa) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff „ständig“ im Sinne von „regelmäßig
wiederkehrend“ zutreffend ausgelegt. Demgegenüber ist es entgegen der Revision nicht
Voraussetzung, dass zumindest in der Mehrzahl der Monate des Referenzzeitraums die
Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschritten wird. Das folgt aus der Auslegung
der tariflichen Vorschriften.
16 bb) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts entspricht der Wortbedeutung des Begriffs
„ständig“. Darunter wird im Sprachgebrauch ua. „sehr häufig“, „regelmäßig“ oder
„wiederkehrend“ verstanden (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
3. Aufl. Stichwort: „ständig“; vgl. auch BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 19,
BAGE 134, 34). Aus dem Wortlaut lässt sich deshalb die einschränkende Auslegung der
Revision nicht ableiten. „Ständig“ bezeichnet lediglich jedes Ereignis, dass sich in einer
gewissen Regelmäßigkeit wiederholt. Welche Voraussetzungen dieses wiederkehrende
Ereignis erfüllen muss, kann sich nur aus anderen Umständen ergeben, insbesondere aus
dem Sinn und Zweck der Regelung.
17 cc) § 6 Satz 1 TV ATZ entspricht der Regelung in § 5 Abs. 3 AltTZG. Die tarifliche
Anspruchsgrundlage des § 2 TV ATZ, die die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein
Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes“ vorsieht,
bezieht das öffentlich-rechtliche System der an bestimmte Erfordernisse gebundenen
Refinanzierung durch Erstattungsleistungen der öffentlichen Hand nach dem AltTZG in die
privatrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen mit ein (vgl. BAG 18. Oktober 2011 - 9 AZR
225/10 - Rn. 26). Gemäß § 5 Abs. 3 AltTZG ruht der Anspruch des Arbeitgebers auf die
Förderleistungen - ua. vergleichbar der Regelung in § 6 Satz 1 TV ATZ - während der Zeit,
in der der Arbeitnehmer neben seiner Altersteilzeitarbeit selbstständige Tätigkeiten
ausübt, die die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschreiten, es sei denn, der
Arbeitnehmer übte sie bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der
Altersteilzeitarbeit ständig aus. Die Tarifvertragsparteien haben damit der Regelung in § 6
Satz 1 TV ATZ keinen eigenständigen, vom AltTZG abweichenden Regelungszweck
beigemessen. Sie wollten lediglich mit dem zum Ruhen der Förderleistungen parallelen
Ruhen des Anspruchs auf die Aufstockungsleistung verhindern, dass der Arbeitgeber trotz
Wegfalls der Förderleistungen an den Arbeitnehmer die Aufstockung zahlen muss
(Koppelung). Maßgebend ist deshalb die Auslegung der Ruhensregelung in § 5 Abs. 3
AltTZG. Damit geht der Hinweis der Revision fehl, der Begriff „ständig“ sei für alle
Tarifvorschriften des öffentlichen Dienstes gleich auszulegen, weshalb eine gelegentliche
Tätigkeit nicht reiche (vgl. zu dieser Auslegung für ständige Wechselschichtarbeit gemäß
§ 8 Abs. 5 TVöD: BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 19 f., BAGE 134, 34).
18 dd) Der Ruhenstatbestand des § 5 Abs. 3 AltTZG verfolgt den Zweck, dass die
Arbeitnehmer durch die Altersteilzeit dauerhaft zur Entlastung des Arbeitsmarkts beitragen
sollen (BT-Drucks. 13/4336 S. 19). Dieser Zweck würde vereitelt, wenn der Arbeitnehmer
neben der Altersteilzeit anderweitig tätig wird und damit in diesem Umfang die
Erwerbstätigkeit eines Arbeitssuchenden verhindert. Soweit § 5 Abs. 3 Satz 4 AltTZG
selbstständige Tätigkeiten, die bereits in den letzten fünf Jahren vor Beginn der
Altersteilzeitarbeit ständig ausgeübt wurden, privilegiert, soll dies insbesondere der
besonderen Situation derjenigen Erwerbstätigen Rechnung tragen, die hauptberuflich als
Arbeitnehmer beschäftigt waren und daneben ua. eine selbstständige Tätigkeit ausübten
(BT-Drucks. 13/4336 aaO). Hierbei handelt es sich um eine Bestandsschutzregelung
zugunsten dieser Altersteilzeitarbeitnehmer. Diese sollen nicht gezwungen werden, durch
die Vereinbarung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen auf ihre bisherigen, ihren
Lebensstandard prägenden Nebeneinnahmen verzichten zu müssen. Dieser Zweck
gebietet eine weite Auslegung des Begriffs „ständig“. Damit sind allenfalls bisherige
Tätigkeiten ausgeschlossen, die nur vereinzelt und damit nicht den Lebensstandard
prägend ausgeübt wurden. Der Hinweis auf die bisherigen ständigen Tätigkeiten dient
darüber hinaus dem Ziel, eine Ausweitung dieser Tätigkeiten während der Altersteilzeit zu
verhindern (vgl. Rittweger/Petri/Schweikert Altersteilzeit 2. Aufl. § 5 Rn. 21) und damit nicht
den Zweck der Entlastung des Arbeitsmarkts zu konterkarieren.
19 ee) Diese Auslegung harmonisiert § 5 Abs. 3 AltTZG mit § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Diese
sozialrechtliche Regelung zur Geringfügigkeitsgrenze erfasst nur regelmäßige
Beschäftigungen. Das erfordert die ständige Wiederholung im Referenzzeitraum.
Unerheblich ist entgegen der Ansicht der Revision dabei, ob die Beschäftigungen von Mal
zu Mal vereinbart werden (vgl. BSG 23. Mai 1995 - 12 RK 60/93 -). Deshalb hat das
Bundessozialgericht bei einer Kursleiterin an eine Volkshochschule, deren Kurse über
mehrere Jahre hinweg dreimal im Jahr stattfanden, wenn sich genügend Teilnehmer
meldeten, eine ständige Wiederholung und damit eine regelmäßige Beschäftigung
angenommen (BSG 1. Februar 1979 - 12 RK 7/77 - zu II der Gründe; vgl. auch BSG
11. Mai 1993 - 12 RK 23/91 -).
20 ff) Die Privilegierung der selbstständigen Tätigkeiten durch § 6 Satz 1 TV ATZ und § 5
Abs. 3 Satz 4 AltTZG setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer mit diesen Tätigkeiten im
Referenzzeitraum ständig die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 SGB IV überschritten hatte.
Ein solches Erfordernis lässt sich dem Wortlaut der Vorschriften nicht entnehmen. Dieser
stellt nur darauf ab, dass die selbstständigen Tätigkeiten überhaupt im Referenzzeitraum
ständig ausgeübt wurden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen,
dass selbstständige Nebentätigkeiten typischerweise Auftragsschwankungen unterliegen
können. Dies kann dazu führen, dass in einem Monat die Geringfügigkeitsgrenze
überschritten wurde, in einem anderen Monat aber nicht. Von solchen Zufälligkeiten kann
die Privilegierung nach ihrem Schutzzweck nicht abhängen. Maßgebend ist nach Sinn
und Zweck der Privilegierung vielmehr, dass die Tätigkeit nicht während der Altersteilzeit
ausgeweitet wird. Das gebietet der Bestandsschutz nämlich nicht. Ohne Erfolg verweist
die Revision insoweit auf eine Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu
§ 5 AltTZG (Stand 1. Januar 2007). Dort heißt es unter Ziff. 5.2 Abs. 2, die Geringfügigkeit
hänge allein von der Höhe des Arbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung ab, das
regelmäßig 400,00 Euro im Monat nicht überschreiten dürfe. Unabhängig davon, dass die
Durchführungsanweisung ohnehin nur die Rechtsauffassung der Bundesagentur für Arbeit
widerspiegelt, widerspricht sie nicht der hier vorgenommenen Auslegung. Sie bezieht sich
lediglich auf die Auslegung der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 3 Satz 1 AltTZG iVm.
§ 8 SGB IV, nicht aber auf die Besitzstandsregelung in § 5 Abs. 3 Satz 4 AltTZG.
21 b) Die Klägerin übte im Referenzzeitraum regelmäßig wiederkehrend ihre selbstständige
Nebentätigkeit im vergleichbaren Umfang aus, ohne sie auszuweiten. In den Jahren 2004
sowie 2006 bis 2009 war der Umfang der Nebentätigkeiten mit fünf bis acht Tagen relativ
konstant. Lediglich im Jahr 2005 erhöhte er sich einmalig auf 14 Tage. Das
Landesarbeitsgericht hat deshalb zutreffend angenommen, dass diesem einmaligen
Ausschlag nach oben keine die Regelmäßigkeit verhindernde Aussagekraft zukomme.
Der Umfang von drei Tagen Nebentätigkeit im Jahr 2010 hält sich in diesem Rahmen und
stellt insbesondere keine Ausweitung im Verhältnis zum Referenzzeitraum dar.
22 II. Der Anspruch auf Abrechnung folgt aus § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach ist dem
Arbeitnehmer bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen.
Die Beklagte hat der Klägerin deshalb über die erstrittene Nachzahlung eine eigene
Abrechnung zu erteilen (vgl. BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 122/09 - Rn. 28).
23 III. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Da
die Beklagte die Aufstockungsleistung erst anlässlich der Entgeltzahlung für August 2010
kürzte, schuldet die Beklagte entgegen der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Verzugszinsen nicht bereits ab dem 1. Juli 2010, sondern erst ab dem 1. September 2010.
24 B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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