Urteil des BAG vom 10.02.2015

Anspruch auf Teilnahme an einem Stellenbesetzungsverfahren im öffentlichen Dienst - Anforderungsprofil einer Stellenausschreibung - Grenzen der Gestaltungsfreiheit

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 10. Februar 2015
Neunter Senat
- 9 AZR 554/13 -
ECLI:DE:BAG:2015:100215.U.9AZR554.13.0
I. Arbeitsgericht Jena
Urteil vom 12. Januar 2012
- 5 Ca 280/11 -
II. Thüringer Landesarbeitsgericht
Urteil vom 11. April 2013
- 2 Sa 51/12 -
Für die Amtliche Sammlung: Nein
Entscheidungsstichwort:
Anspruch auf Teilnahme an einem Stellenbesetzungsverfahren im öffent-
lichen Dienst
Bestimmung:
GG Art. 33 Abs. 2
ECLI:DE:BAG:2015:100215.U.9AZR554.13.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
9 AZR 554/13
2 Sa 51/12
Thüringer
Landesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
10. Februar 2015
URTEIL
Brüne, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,
pp.
Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsbeklagte,
hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 10. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesar-
beitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Suckow und
Klose sowie die ehrenamtlichen Richter Dipper und Anthonisen für Recht er-
kannt:
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9 AZR 554/13
ECLI:DE:BAG:2015:100215.U.9AZR554.13.0
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Thü-
ringer Landesarbeitsgerichts vom 11. April 2013 - 2 Sa
51/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, sie am Auswahlverfahren für
die Stelle einer
„Sachbearbeiterin nach Eintragung in der Markenabteilung“ teil-
nehmen zu lassen.
Die Parteien verbindet seit dem 1. Oktober 1998 ein Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte beschäftigt die Klägerin, die Diplom-Ingenieurin der Fachrichtung
„Polygraphische Technik“ ist, im Deutschen Patent- und Markenamt, einer dem
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nachgeordneten Zent-
ralbehörde auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Die Klägerin war
zunächst als Bürosachbearbeiterin in der Abteilung 3.1 (Eintragung und Verwal-
tung Marken) der Hauptabteilung 3 in Jena tätig.
Seit dem Jahr 2002 setzte die Beklagte auf acht von insgesamt neun
Stellen „Sachbearbeiter/in II“ Mitarbeiter ein, die wie die Klägerin den „Ange-
stelltenlehrgang II
“ nicht absolviert hatten. Die wesentlichen diesen Stellen zu-
gewiesenen Arbeitsaufgaben änderten sich in der Folgezeit - abgesehen von
rechtlichen Neuerungen des Markengesetzes und der einschlägigen Verord-
nungen - nicht.
Vom 14. Oktober 2002 bis zum 30. Juni 2005 war die Klägerin vorüber-
gehend als „Sachbearbeiterin Eintragung (Widerspruchsverfahren)“ tätig. Die
von der Klägerin in dieser Zeit ausgeübte Tätigkeit entspricht der einer
„Sach-
bearbeiterin nach Eintragung in der Markenabteilung
“. In der Folgezeit setzte
die Beklagte die Klägerin überwiegend als
„Sachbearbeiterin Qualitätssiche-
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rung
“ ein. Seit dem 1. November 2009 erhält die Klägerin eine Vergütung nach
der Entgeltgruppe 9 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD).
Unter dem 29. Dezember 2010 schrieb die Beklagte in den Hausnach-
richten 49/2010 unter der Nummer
13/2010 die Stelle „Sachbearbeiter/in nach
Eintragung in der Markenabteilung
3.1“ aus. Die Tätigkeit entspricht den Tarif-
merkmalen der Entgeltgruppe 9 TVöD. In der Ausschreibung heißt es ua.:
„Für eine erfolgreiche Bewerbung wird zwingend voraus-
gesetzt:
- Laufbahnbefähigung für den gehobenen nichttechni-
schen Verwaltungsdienst oder der Nachweis gründlicher
und umfassender Fachkenntnisse (einschlägiger Fach-
hochschulabschluss bzw. erfolgreiche Teilnahme am
Angestelltenlehrgang II)
…“
Mit Schreiben vom 5. Januar 2011 bewarb sich die Klägerin um die
Stelle
Insgesamt gingen bei der Beklagten fünf Bewerbungen ein. Unter dem
12. September 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihre Bewerbung habe
nicht berücksichtigt werden können. Mit Urteil vom 10. Januar 2012 untersagte
das Landesarbeitsgericht der Beklagten, die ausgeschriebene Stelle bis zum
Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu besetzen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie erfülle die in der Aus-
schreibung genannten Bewerbungsvoraussetzungen. Mit der Vorlage ihrer
dienstlichen Beurteilungen habe sie die geforderten gründlichen und umfassen-
den Fachkenntnisse nachgewiesen.
Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, sie in dem Stellenbesetzungs-
verfahren für die in den Hausnachrichten 49/2010, Stel-
lenausschreibung Nr. 13/2010, ausgeschriebene Stelle als
Sachbearbeiterin nach Eintragung in der Markenabtei-
lung 3.1 als gleich einem Bewerber mit der Laufbahnbefä-
higung für den gehobenen nichttechnischen Verwaltungs-
dienst oder mit dem Nachweis gründlicher und umfassen-
der Fachkenntnisse als fachlich geeignet zu berücksichti-
gen.
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Die Beklagte, die die Abweisung der Klage beantragt hat, ist der An-
sicht gewesen, die Klägerin erfülle nicht das Anforderungsprofil. Die dort be-
schriebenen formalen Anforderungen seien gerechtfertigt. Wegen der Auswir-
kungen des Projekts „Elektronische Schutzrechtsakte ‚ElSA Marke’“ werde es
zu Veränderungen der Aufgaben und Tätigkeiten aller Arbeitsplätze kommen.
Die daraus resultierenden organisatorischen und personellen Konsequenzen
seien im Einzelnen allerdings noch nicht absehbar. Im Rahmen des Projekts
„Probeteams“ werde zurzeit geprüft, ob der Arbeitsplatz eines sog. „For-
malsachbearbeiters“ geschaffen werden könne, der die Tätigkeiten des „Sach-
bearbeiters II
“ mit jenen des „Sachbearbeiters I“ vereine. Dieser Arbeitsplatz
werde neben den Tätigkeiten des
„Sachbearbeiters II“ die Klärung der Waren-
und Dienstleistungsverzeichnisse im markenrechtlichen Anmeldeverfahren und
die Klärung der formellen Anmeldevoraussetzungen
umfassen.
Es sei ihr jedoch nicht möglich, zum jetzigen Zeitpunkt darzulegen, in welchem
Umfang sich der Aufgabenzuschnitt und die Anforderungen des von der Kläge-
rin begehrten Arbeitsplatzes ändern werden. Es liege aber in ihrem berechtigten
Interesse, Beschäftigte zu gewinnen, die die für die jeweilige Funktionsebene
erforderliche fachliche und methodische Qualifikation mitbrächten. Soweit sie in
der Vergangenheit Stellen als
„Sachbearbeiter II“ an Bewerber vergeben habe,
die nicht den
„Angestelltenlehrgang II“ erfolgreich absolviert hätten, sei dies al-
lein dem Umstand geschuldet gewesen, dass sich keine höher qualifizierten
Bewerber auf die Ausschreibung gemeldet hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert
und der Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - stattgegeben.
Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzli-
chen Urteils.
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Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landes-
arbeitsgericht hat das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht ab-
geändert und der Klage stattgegeben. Die Beklagte ist gemäß Art. 33 Abs. 2
GG verpflichtet, die Klägerin in dem Stellenbesetzungsverfahren zu berücksich-
tigen. Die Voraussetzungen, unter denen Art. 33 Abs. 2 GG einem Stellenbe-
werber einen Anspruch auf Teilnahme am Auswahlverfahren gewährt, liegen im
Streitfall vor.
I.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung,
Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen
Amt. Jede Bewerbung muss nach diesen Kriterien beurteilt werden. Die Geltung
des Grundsatzes der Bestenauslese wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbe-
schränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Dies gilt nicht nur für Einstellungen,
sondern auch für den beruflichen Aufstieg innerhalb des öffentlichen Dienstes
.
Art. 33 Abs. 2
GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Beset-
zung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und recht-
liche Integrität gewährleistet werden sollen
. Zum anderen trägt die Bestimmung dem berech-
tigten Interesse der Bediensteten an einem angemessenen beruflichen Fort-
kommen dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf ermes-
sens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl be-
gründet. Öffentliche Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstel-
len, sondern auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden kön-
nen. Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst steht nach Art. 33 Abs. 2
GG bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes ein Bewerbungs-
verfahrensanspruch zu. Daraus folgt angesichts der Kriterien Eignung, Befähi-
gung und fachliche Leistung in Art. 33 Abs. 2 GG ein subjektives Recht jedes
Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren
.
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II.
Die Beklagte darf die Klägerin nicht deshalb vom Auswahlverfahren
ausschließen, weil sie weder über den im Anforderungsprofil für die ausge-
schriebene Stelle geforderten einschlägigen Fachhochschulabschluss verfügt
noch am
„Angestelltenlehrgang II“ erfolgreich teilgenommen hat. Die Nichtbe-
rücksichtigung der Klägerin widerspricht dem Leistungsgrundsatz aus Art. 33
Abs. 2 GG und verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin.
1.
Grundsätzlich steht es dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im
Rahmen seiner Organisationsgewalt frei, für zu besetzende Stellen ein Anforde-
rungsprofil aufzustellen, dessen Erfüllung Voraussetzung für die Teilnahme am
Bewerbungsverfahren ist
.
a)
Durch die Bestimmung eines Anforderungsprofils für eine Stelle legt der
öffentliche Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber im Voraus
fest. Das Anforderungsprofil stellt damit die Verbindung zwischen dem vom
öffentlichen Arbeitgeber zu bestimmenden Charakter der Stelle und den von
den Bewerbern zu erfüllenden Voraussetzungen her
. Die im Anforderungsprofil genannten
leistungsbezogenen Auswahlkriterien müssen deshalb in einem engen
inhaltlichen Zusammenhang mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle
stehen. Durch das Anforderungsprofil sollen ungeeignete Bewerber aus dem
Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausge-
schlossen werden. Mit dem Anforderungsprofil wird somit die Zusammenset-
zung des Bewerberfelds gesteuert und eingeengt. Fehler im Anforderungsprofil
führen grundsätzlich zur Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens, weil die Aus-
wahlerwägungen dann auf sachfremden, nicht am Leistungsgrundsatz orientier-
ten Gesichtspunkten beruhen
.
b)
Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des öffentlichen Arbeitgebers bei
der Festlegung des Anforderungsprofils und der Eignungsmerkmale ergeben
sich daraus, dass das Prinzip
der „Bestenauslese“ für die zu besetzende Stelle
gewährleistet werden soll. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss des-
halb im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich
nachvollziehbar sein, dh. es dürfen keine sachfremden Erwägungen zugrunde
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liegen. Insoweit unterliegt das Anforderungsprofil auch trotz eines dem Arbeit-
geber des öffentlichen Dienstes von Verfassungs wegen gewährten Beurtei-
lungsspielraums einer gerichtlichen Kontrolle
.
2.
Hieran gemessen erweist sich das Anforderungsprofil der Beklagten für
die ausgeschriebene Stelle als rechtswidrig und verstößt gegen Art. 33 Abs. 2
GG. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die von der
Beklagten genannten Erwägungen rechtfertigten es nicht, als zwingende
Voraussetzung für die zu besetzende Stelle einen einschlägigen Fachhoch-
schulabschluss oder die erfolgreiche Teilnahme am
„Angestelltenlehrgang II“ zu
verlangen.
a)
Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, sie habe die Stelle mit ei-
ner Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 TVöD, die der Vergütungsgruppe Vb
des Teils I der Anlage 1a zum BAT entspricht, ausgeschrieben. Diese Eingrup-
pierung erfordere einen einschlägigen Fachhochschulabschluss oder die erfolg-
reiche Teilnahme am
„Angestelltenlehrgang II“. Allein aus der angestrebten
Eingruppierung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die zu besetzen-
de Stelle tatsächlich die in der Ausschreibung genannten formalen Qualifikati-
onsmerkmale erfordert. Der Festlegung einer formalen Ausbildungsqualifikation
kommt die Aufgabe zu, die durch eine Prüfung nachgewiesene Befähigung zur
Erledigung bestimmter Aufgaben abstrakt zu beschreiben. Die Eingruppierung
richtet sich grundsätzlich nach der zu verrichtenden Tätigkeit, nicht aber die zu
verrichtende Tätigkeit nach der Eingruppierung
.
b)
Die Beklagte hat keine Umstände dargelegt, aus denen entnommen
werden könnte, dass die zu besetzende Stelle Kenntnisse und Fähigkeiten er-
fordert, wie sie ein Fachhochschulabschluss oder der
„Angestelltenlehrgang II“
vermittelt. Dies gilt umso mehr, als die Mitarbeiter, die bislang die Stelle - wenn
auch nur vorübergehend - innehatten, weder über einen entsprechenden Ab-
schluss an einer Fachhochschule verfügten noch den
„Angestelltenlehrgang II“
erfolgreich absolviert hatten und dem Vortrag der Beklagten nicht zu entneh-
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men ist, dass und mit welchen konkreten Auswirkungen sie den Zuschnitt des
Aufgabengebiets vor der Erstellung des Anforderungsprofils änderte.
aa)
Soweit die Beklagte auf die Auswirkungen des Projekts „Elektronische
Schutzr
echtsakte ‚ElSA Marke’“ verweist, infolge dessen es zu Veränderungen
der Aufgaben und Tätigkeiten aller Arbeitsplätze kommen werde, zeigt sie nicht
auf, worin diese Veränderungen bestehen. Die Beklagte räumt vielmehr selbst
ein, die aus dem Projekt resultierenden organisatorischen und personellen
Konsequenzen seien im Einzelnen noch nicht absehbar.
bb)
Ähnliches gilt für das Projekt „Probeteams“, in dessen Verlauf die Be-
klagte prüft, ob die Tätigkeiten des
„Sachbearbeiters II“ mit jenen des bisheri-
gen
„Sachbearbeiters I“ zusammengefasst werden können und so der Arbeits-
platz eines sog. „Formalsachbearbeiters“ geschaffen werden kann. Auch hier
räumt sie ein, es sei ihr nicht möglich, bereits jetzt darzulegen, in welchem Um-
fang sich der Aufgabenzuschnitt und die Anforderungen des von der Klägerin
begehrten Arbeitsplatzes ändern werden.
cc)
Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch
auf rechtliches Gehör verletzt, indem es
ihren Vortrag „zum Erfordernis der um-
fassenden Ausbildung“ und zur „Besetzung von Stellen mit Personen, die das
Anforderungsprofil nicht erfüllten,
“ übergangen habe, erachtet der Senat für
nicht durchgreifend und sieht gemäß § 564 Satz 1 ZPO von einer Begründung
ab.
c)
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, sie habe in Ausübung der ihr
zukommenden Organisationshoheit festgelegt, bei Ausschreibungen von Stel-
len des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes stets den Abschluss
eines Fachhochschulstudiums oder die erfolgreiche Teilnahme am
„Angestell-
tenlehrgang II
“ zu verlangen. Für diese Festlegung fehlt jeglicher Bezug zu den
tatsächlichen Anforderungen der zu besetzenden Stelle. Art. 33 Abs. 2 GG ge-
währt dem öffentlichen Arbeitgeber nicht das Recht, ohne nachvollziehbare
Gründe Stellen mit überqualifizierten Bewerbern zu besetzen
.
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d)
Der Wunsch der Beklagten, mit den in der Ausschreibung geforderten
formalen Qualifikationsmerkmalen das Bewerbungsverfahren zu objektivieren,
rechtfertigt den Ausschluss der Klägerin nicht. Eine mögliche Objektivierung
des Bewerbungsverfahrens ist kein Selbstzweck, sondern muss sich selbst an
Art. 33 Abs. 2 GG messen lassen. Die Beklagte legt einen dem Grundsatz der
Bestenauslese genügenden Bezug zu der zu besetzenden Stelle nicht dar. Ein
solcher ist auch nicht ersichtlich.
e)
Es kann dahinstehen, ob die Möglichkeit, Mitarbeiter mit den von der
Beklagten geforderten formalen Qualifikationsmerkmalen flexibler einsetzen zu
können, das Anforderungsprofil sachlich rechtfertigen kann. Die Beklagte hat
nicht dargelegt, dass eine solche Flexibilität für die ausgeschriebene Stelle auf-
grund der auszuübenden Tätigkeiten überhaupt notwendig ist, wie sie ggf. ge-
staltet sein könnte und warum diese Flexibilität konkret einen Fachhochschul-
abschluss oder die erfolgreiche Teilnahme am
„Angestelltenlehrgang II“ erfor-
dert.
f)
Soweit die Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz behauptet, sie
beabsichtige, der Stelle eines
„Sachbearbeiters II“ zusätzliche Prüfungsschritte
zuzuweisen, und unterschiedliche Verwendungen in ihrem Dienstbereich be-
schreibt, kann der Senat diesen Sachvortrag bei seiner Entscheidungsfindung
nicht berücksichtigen. Als Revisionsgericht ist ihm die Aufgabe zugewiesen, zu
prüfen, ob die Vorinstanz über die Klage rechtsfehlerfrei entschieden hat
. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt der jeweilige
Streitstoff so, wie er sich aus dem Berufungsurteil sowie dem Sitzungsprotokoll
ergibt
. Die Urteilsgrundlage ist mit dem Schluss der
mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abgeschlossen
. Neues tat-
sächliches Vorbringen darf in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht berück-
sichtigt werden
.
Das trägt dem Charakter der Revisionsinstanz Rechnung, die keine Tatsachen-,
sondern eine Rechtsinstanz ist, und dient zugleich der Entlastung des Revisi-
onsgerichts von dem mit der Feststellung von Tatsachen, insbesondere einer
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Beweiserhebung, verbundenen zusätzlichen Arbeitsaufwand. Neues Tatsa-
chenvorbringen kann in der Revisionsinstanz allerdings berücksichtigt werden,
wenn es unstreitig ist. Daran fehlt es.
III.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen
.
Brühler
Suckow
Klose
Matth. Dipper
H. Anthonisen
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