Urteil des ArbG Limburg vom 29.10.2008

ArbG Limburg: wichtiger grund, fristlose kündigung, treu und glauben, kündigungsfrist, widerklage, arbeitslosigkeit, kausalität, beendigung, schadenersatz, vertragsverletzung

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Gericht:
ArbG Limburg 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ca 461/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 275 Abs 4
BGB, § 283 BGB, § 119 Abs 3
SGB 3, § 626 Abs 1 BGB
(Kündigungsfrist - Nichteinhaltung - Schadenersatz)
Leitsatz
Beendet ein langfristig arbeitslos Gemeldeter ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
eine geringfügige Beschäftigung, weil die Agentur für Arbeit ihm einen
Dauerarbeitsplatz vermittelt und der neue Arbeitgeber einen sofortigen Beginn des
Arbeitsverhältnisses verlangt, kann der Arbeitgeber des geringfügigen
Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer keinen Schadensersatzanspruch wegen
Nichteinhaltung der Kündigungsfrist geltend machen.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 362,00 EUR netto zu zahlen nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
16.05.2008.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.277,33 EUR festgesetzt.
Die Berufung wird für die Beklagte in Bezug auf die Geltendmachung von 108,00
EUR zugelassen, im Übrigen wird die Berufung für beide Parteien nicht gesondert
zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche der Klägerin und
Schadensersatzansprüche der Beklagten. Die Beklagte betreibt ein
Reinigungsunternehmen. Die Klägerin war im Rahmen eines Arbeitsvertrags für
geringfügig Beschäftigte seit dem 13.03.2008 bei der Beklagten als
Reinigungskraft eingestellt. Hinsichtlich des näheren Inhalts des zwischen den
Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags wird auf Bl. 12 bis 14 d. Akte verwiesen.
Die Klägerin wurde der Beklagten von der Agentur für Arbeit vermittelt. Sie war
auch in der Zeit der Beschäftigung bei der Beklagten bei der Agentur für Arbeit in
Limburg als arbeitslos und arbeitssuchend gemeldet. Bis zum 22.04.2008 leistete
die Klägerin im Monat April 2008 für die Beklagte 45,25 Stunden. Auf Basis einer
behaupteten Nettovergütung von 8,00 Euro pro Stunde verlangt die Klägerin mit
der vorliegenden Klage die Bezahlung von 362,00 Euro netto nebst Zinsen.
Nach dem 22.04.2008 erschien die Klägerin nicht mehr zur Arbeit. Sie stellte sich
am 22.04.2008 auf Veranlassung der Agentur für Arbeit im Krankenhaus in
Limburg vor. Die schwerbehinderte Klägerin erhielt bei dieser Besprechung eine
Zusage einer auf Dauer angelegten Tätigkeit mit der Aufforderung, diese am
23.04.2008 zu beginnen. Die Klägerin arbeitet seit diesem Zeitpunkt im
Krankenhaus in Limburg, ohne jemals eine schriftliche Kündigung gegenüber der
Beklagten ausgesprochen zu haben.
Mit der Widerklage macht die Beklagte Kosten geltend, die ihr nach ihrem Vortrag
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Mit der Widerklage macht die Beklagte Kosten geltend, die ihr nach ihrem Vortrag
durch das Fernbleiben der Klägerin entstanden sein sollen.
Die Klägerin behauptet, sie habe am 18.04.2008 den Mitarbeiter der Beklagten
und Schwiegersohn der Geschäftsführerin der Beklagten, E dahingehend
informiert, dass sie am 22.04.2008 einen Vorstellungstermin im Krankenhaus in
Limburg habe. Sie habe ihn darüber hinaus darüber informiert, dass sie
möglicherweise die Kündigungsfrist nicht einhalten könne, weil sie dort ihren Dienst
relativ schnell antreten müsse. Daraufhin habe dieser sinngemäß geantwortet,
dass dies kein Problem sei. Da sie nach dem Vorstellungstermin bereits am
nächsten Tag ihre Arbeit im Krankenhaus habe aufnehmen müssen, habe sie
keine Möglichkeit gehabt, die Kündigungsfrist einzuhalten. Dies habe sie
telefonisch auch der Beklagten mitgeteilt.
Die Klägerin bestreitet, dass die Kollegin der Klägerin, die mit ihr im Rewe-Markt L
gearbeitet habe, nicht in der Lage gewesen sei, dort die Reinigungsarbeiten alleine
zu absolvieren. Die Kollegin hätte bloß etwas früher anfangen und etwas später
aufhören müssen. Außerdem müsse die Beklagte für solche Fälle wie für
Krankheitsfälle Personal vorhalten. Besondere Maschinenkenntnisse zur Reinigung
seien nicht notwendig. Der Zeuge … habe die Klägerin auch nur am 13.03.2008
bei Arbeitsbeginn eingewiesen, nicht darüber hinaus.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 362,00 Euro netto zu zahlen nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
16.05.2008.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen;
widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 915,33 Euro zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
22.04.2008 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe durch ihr Fernbleiben vom Arbeitsplatz
am 22.04.2008 den Kundenauftrag stark gefährdet. Aufgrund dessen habe sie
vom 23.04. bis 07.05.2008 Herrn E für die Vertretungszeit sowie für die wiederum
anfallende Einarbeitung einer neuen Arbeitnehmerin in dem Objekt Rewe L
einsetzen müssen. Der hierfür anzusetzenden Lohnkosten hat die Beklagte
zunächst (Bl. 9 d. A.) mit 327,26 Euro, dann mit 384,93 Euro (Bl. 23 d. A.) und
zuletzt mit 365,74 Euro (21 Stunden à 14,66 Euro brutto zuzüglich
Arbeitgeberleistung zur Sozialversicherung) beziffert. Darüber hinaus macht die
Beklagte Fahrtkosten mit dem Firmen-Pkw für 12 Tage à 30 Kilometer à zunächst
0,33 Euro (Bl. 23 d. A.) mit 118,80 Euro und später à 0,30 Euro mit 108,00 Euro
(Bl. 36 d. A.) geltend. Außerdem habe der Zeuge E durch seine
Vertretungstätigkeit andere Arbeiten nicht voll verrichten können. Dadurch sei ein
Umsatzverlust aus dem Verrechnungsstundensatz bei anderen Kunden
entstanden, den die Beklagte mit 30,00 Euro pro Stunde angibt, somit für 21
Stunden mit 630,00 Euro. Im Schriftsatz vom 24.10.2008 beziffert die Beklagte
diesen Schaden mit 711,81 Euro zuzüglich Zinsen (Bl. 36 d. A.). Da die Firma Rewe
die vorzunehmenden Reinigungsarbeiten auf die Zeit zwischen 7:00 Uhr und 9:00
Uhr festgelegt habe, hätte nicht die ehemalige Kollegin der Klägerin die Arbeit von
ihr mit erledigen können. Um 9:00 Uhr müsse die Marktfläche sauber und für die
Kunden sicher zugänglich sein. Geschultes anderes Personal habe nicht zur
Verfügung gestanden. Sie habe erst neue Bewerber einbestellen und auf ihre
Eignung prüfen und zur Probe einarbeiten müssen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im vollen Umfang begründet, die Widerklage unbegründet.
1. Der Klägerin steht gemäß § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag ein
Anspruch auf Zahlung von Lohn in Höhe von 362,00 Euro netto nebst Zinsen zu.
Diese Vergütung betrifft die Bezahlung der Arbeitszeiten der Klägerin, die diese
vom 01.04.-22.04.2008 für die Beklagte erbracht hat. Da die Beklagte im
Kammertermin die Höhe des Klageanspruchs als solches unstreitig gestellt hat,
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Kammertermin die Höhe des Klageanspruchs als solches unstreitig gestellt hat,
geht die Kammer von den genannten Berechnungsgrundlagen (45,25 Stunden à
8,00 Euro netto = 362,00 Euro) aus, die die Klägerin in der Klage genannt hat,
auch wenn der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag eine andere
Berechnung nahe legt. Der Betrag von 362,00 Euro ist wegen Verzugs ab dem
16.05.2008 gemäß §§ 286, 288 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz zu verzinsen. Der Zeitpunkt des Beginns ergibt sich aus Ziffer 4
Absatz 3 des Arbeitsvertrags, nach dem die Auszahlung des Nettolohns zum 15.
des Folgemonats erfolgt.
2. Die Widerklage der Beklagten ist nicht begründet.
a) Zwar ist die Klägerin ab dem 23.04.2008 der Arbeit bei der Beklagten
ferngeblieben, ohne eine formwirksame schriftliche (§ 623 BGB) Kündigung
auszusprechen. Dies stellt objektiv eine Verletzung der arbeitsvertraglichen
Pflichten dar. Die schuldhafte Nichterfüllung der Arbeitspflichten durch den
Arbeitnehmer löst grundsätzlich Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers nach
§§ 280 Abs. 1, 275 Abs. 4, 283 BGB aus (vgl. näher Schaub/Linck,
Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl., § 51 Rn. 12 ff.). Ein Arbeitnehmer, der einfach
seiner Arbeit fernbleibt, um ein für ihn günstigeres Arbeitsangebot anzunehmen,
muss deshalb grundsätzlich damit rechnen, von seinem bisherigen Arbeitgeber
auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.
Im vorliegenden Fall scheidet jedoch ein Schadensersatzanspruch der Beklagten
aus, da die Beklagte zum einen den Schaden bezüglich des entgangenen Gewinns
und bezüglich der Kosten für die Ersatzkraft nicht hinreichend detailliert begründet
hat. Zum anderen wären die Kosten der Beklagten auch entstanden, wenn die
Klägerin sich rechtmäßig verhalten hätte. Darüber hinaus spricht viel dafür, dass
sich die Klägerin in einem schuldausschließenden Verbotsirrtum befunden hat.
b) Hinsichtlich der Kosten der Ersatzkraft und des entgangenen Gewinns aufgrund
eines entstandenen Umsatzverlustes hat die Beklagte den ihr entstandenen
Schaden nicht so genau beschrieben, dass die Klägerin den Tatsachenvortrag der
Beklagten hätte gegebenenfalls hinsichtlich einzelner Tatsachen bestreiten können
und damit das Gericht vor die Notwendigkeit gestellt hätte, über den
Wahrheitsgehalt einzelner vorgetragener Tatsachen Beweis zu erheben. Der
Vortrag ist insoweit nicht substantiiert genug. Hierauf hat das Gericht bereits in
seinem Auflagenbeschluss vom 01.09.2008 hingewiesen. Zwar hat die Beklagte
daraufhin präzisiert, dass der Zeuge E vom 23.04. bis 07.05.2008 an 21 Stunden
für die Beklagte tätig war und hat unter Vorlage der Lohnabrechnung für Herrn E
die Klageforderung errechnet auf Basis eines Stundenlohns von 14,66 Euro brutto.
Sie hat insoweit den Lohn für 21 Stunden mit 307,86 Euro brutto und zuzüglich der
Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung mit von 365,74 Euro errechnet (Bl. 36
d. A.) und ihre vorherigen Angaben damit korrigiert. Sie hat jedoch nicht erläutert,
wie sie zu der Annahme von 21 Arbeitsstunden kommt. An welchen Tagen ist Herr
E mit welchen Arbeiten beschäftigt worden? Bereits die Zahl von 21 Stunden ergibt
jedenfalls nicht an jedem der behaupteten 12 Tage eine Arbeitszeit von 2 Stunden,
so dass bereits die Höhe der angesetzten Arbeitsstunden nicht nachvollziehbar ist.
Außerdem hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass ein Teil der Arbeitszeit für die
Einarbeitung einer neuen Arbeitnehmerin verwandt werden musste. Hier wäre es
erforderlich gewesen, dass die Beklagte angegeben hätte, ab wann die neue
Arbeitnehmerin von der Beklagten eingestellt wurde und welche Einarbeitungszeit
von Herr E hierfür aufgewandt wurde, und zwar an welchen Tagen und zu welcher
Zeit. Nur dann wäre der Vortrag der Beklagten im Einzelnen nachvollziehbar und
gegebenenfalls von der Klägerin bestreitbar gewesen.
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte zwar im Schriftsatz vom
07.08.2008 bereit ist, sich den ersparten Arbeitslohn für die Klägerin im Wege der
Vorteilsausgleichung auf den entstandenen Schaden durch Zahlung des Lohns für
Herrn E anrechnen zu lassen, sie später jedoch diesen ersparten Lohn nicht mehr
berücksichtigt.
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass durch die Beschäftigung von Herrn E auf
dem Arbeitsplatz der Klägerin der Beklagten ein Schaden in der genannten Höhe
entstanden ist. Herr E erhält ein festes Bruttogehalt von 2.472,00 Euro. Mehrarbeit
ist im April und im Mai 2008 nur in Höhe einer Vergütung von 150,70 Euro (April
2008, Bl. 52 d. A.) und für Mai 2008 in Höhe von 61,65 Euro (Bl. 53 d. A.)
angefallen. Die Grundvergütung hätte die Beklagte aber auch Herrn E zahlen
müssen, wenn die Klägerin sich vertragsgemäß verhalten hätte und ihre Arbeit bei
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müssen, wenn die Klägerin sich vertragsgemäß verhalten hätte und ihre Arbeit bei
der Beklagten fortgesetzt hätte. Insofern ergibt sich aus den vorgelegten
Lohnabrechnungen für den Zeugen E gerade nicht, dass der Beklagten ein
Schaden in der von ihr geltend gemachten Höhe entstanden ist. Ob die an den
Zeugen E gezahlten Mehrarbeitsstunden gerade auf dem Einsatz auf dem
ehemaligen Arbeitsplatz der Klägerin entstanden sind, hat die Beklagte nicht
vorgetragen.
Wie sich der entgangene Gewinn wegen des anderweitigen Einsatzes des Zeugen
E errechnet, hat die Beklagte überhaupt nicht vollziehbar dargestellt. Sie hat
einfach zunächst im Schriftsatz vom 07. August 2008 für 21 Stunden 30,00 Euro
angesetzt, und zwar als Umsatzverlust. Dabei ist der entgangene Gewinn nicht
gleichzusetzen mit dem Verlust eines Umsatzes, da nicht der komplette Umsatz
gleich dem Gewinn ist. Soweit die Beklagte dann im Schriftsatz vom 24.10.2008
behauptet hat, der Schaden belaufe sich 711,81 Euro zuzüglich Zinsen, hat sie
diesen Betrag ebenfalls nicht nachvollziehbar erläutert. Wie sich dies aus den
beigelegten Rechnungen ergeben soll, ist für die Kammer nicht erkennbar.
c) Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten ist außerdem deshalb
ausgeschlossen, weil entsprechende Kosten für die Beklagte auch entstanden
wären, wenn die Klägerin sich rechtmäßig verhalten hätte. Insofern scheitert der
Schadensersatzanspruch an der fehlenden Kausalität zwischen Vertragsverletzung
durch die Klägerin und dem eingetretenen Schaden. Nach der Aufforderung durch
die Agentur für Arbeit, sich aufgrund der fortbestehenden Arbeitslosigkeit der
Klägerin auf eine Arbeitsstelle im Krankenhaus in Limburg zu bewerben und des
vom Krankenhaus unbestritten angebotenen unbefristeten Arbeitsplatzes ab dem
kommenden Tag, hätte für die Klägerin ein wichtiger Grund im Sinne des § 626
BGB bestanden, das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus wichtigem Grund
fristlos zu kündigen. Zwar hat die Klägerin eine derartige fristlose Kündigung
formwirksam nicht ausgesprochen. Der von der Beklagten hier geltend gemachte
Schaden wäre jedoch auch dann eingetreten, wenn die Klägerin am 22. oder
23.04.2008 ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fristlos gekündigt hätte.
Zwar ist nach ganz herrschender Auffassung, der die Kammer folgt, jemand nicht
dann schon zu einer fristlosen Kündigung berechtigt, wenn er ein anderes
Arbeitsverhältnis mit erheblich besseren Bedingungen nur dann eingehen kann,
wann er sein bestehendes Arbeitsverhältnis, für das eine längere Kündigungsfrist
gilt, vorzeitig löst (grundlegend BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, EzA Nr. 2 zu § 60
HGB = AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht; KR/Fischermeier 8. Aufl, § 626 BGB Rn.
152; Hako-Kündigungsschutzgesetz/Griebeling, 2. Aufl., § 626 BGB Rn. 88;
APS/Dörner, 3. Aufl., § 626 BGB Rn. 397). Ein wichtiger Grund wird von der
Rechtsprechung auch dann verneint, wenn einem Arbeitnehmer ein Arbeitsplatz
mit einem erheblich höheren Gehalt angeboten wird (BAG 01.10.1970 – 2 AZR
542/69, AP Nr. 59 zu § 626 BGB) oder wenn ihm im Gegensatz zum bisherigen
Arbeitsverhältnis ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angeboten wird (LAG
Schleswig-Holstein 30.01.1991 – 3 AZR 430/90, LAGE Nr. 55 zu § 626 BGB). Selbst
die Möglichkeit des Wechsels in ein Beamtenverhältnis ist von der Rechtsprechung
als wichtiger Grund nicht anerkannt worden (BAG 24.10.1986 – 2 AZR 845/95, NZA
1997, 597). Dagegen wird in der Literatur eine fristlose Kündigung für möglich
gehalten, wenn dem Arbeitnehmer eine ganz außergewöhnliche Lebenschance
geboten wird, so dass dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben eine Zustimmung
zu einer vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen wäre
(KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 152; KDZ/Däubler, 4. Aufl, § 626 BGB Rn. 192).
Für zulässig wird teilweise eine fristlose Kündigung auch gehalten bei dem
kurzfristigen Angebot eines Studienplatzes oder wenn jemand im Rahmen einer
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme angestellt ist und ihm eine andere Arbeit
angeboten wird (Münchener Kommentar zum BGB/Henssler, 4. Aufl., § 626 BGB
Rn. 267; Staudinger/Preis, § 626 BGB Rn. 31).
Für die Klägerin bestand aufgrund des angebotenen Arbeitsplatzes im
Krankenhaus in Limburg ein wichtiger Grund zur fristlosen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Hierbei ist zu Gunsten der Klägerin zu
berücksichtigen, dass die Klägerin bei der Beklagten nur ein geringfügiges
Arbeitsverhältnis eingegangen war, das sie weiter im Status der
Beschäftigungslosigkeit ließ, weil ihre Arbeitszeit weniger als 15 Stunden
wöchentlich umfasste (§ 119 Abs. 3 SGB III). Sie ist darüber hinaus
schwerbehindert und war seit längerer Zeit arbeitslos. Die Beschäftigung in einem
Krankenhaus bei Zusage einer auf Dauer angelegten Tätigkeit bedeutete damit für
die Klägerin, den Status ihrer Arbeitslosigkeit endlich beseitigen zu können. Da
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die Klägerin, den Status ihrer Arbeitslosigkeit endlich beseitigen zu können. Da
andererseits Reinigungskräfte auf dem Arbeitsmarkt für ein
Reinigungsunternehmen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, wäre es
der Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar gewesen, das
Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, da sonst für die
Klägerin die Gefahr bestanden hätte, das sie den angebotenen Arbeitsplatz bei
Einhaltung der Kündigungsfrist nicht mehr erhalten hätte. Insofern hätte die
Klägerin ihr Arbeitsverhältnis am 22.04.2008 rechtmäßig fristlos kündigen können.
Wegen dieser fehlenden Kausalität zwischen Vertragsverletzung und
eingetretenem Schaden, scheidet deshalb nach Auffassung der Kammer auch der
Anspruch der Beklagten auf Ersatz der von der Beklagten hinreichend präzise mit
108,00 € bezifferten Forderung für die Fahrten des Zeugen E zu dem bisherigen
Arbeitsplatz der Klägerin in L aus.
d) Selbst wenn man einen wichtigen Grund zur fristlosen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin verneint und damit entgegen der soeben
referierten Auffassung der Kammer eine haftungsbegründende Kausalität
zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht verneint, scheitert ein
Schadensersatzanspruch der Beklagten am Verschulden der Klägerin. Ein
Geschädigter kann von einem Schädiger nur dann einen bei ihm eingetretenen
Schadenersatz verlangen, wenn der Schadenseintritt auf einem Verschulden des
Schädigers beruht (§ 276 BGB). Die Klägerin befand sich jedoch in einem
schuldausschließenden Verbotsirrtum. Dieser lässt den Vorsatz entfallen. Handelt
es sich um einen vermeidbaren Irrtum, haftet der Schuldner stattdessen für
Fahrlässigkeit. War der Irrtum unvermeidbar, ist die Verschuldenshaftung
insgesamt ausgeschlossen (Hk-BGB/Schulze, § 276 Rn. 7). An das Bewusstsein
der Pflichtwidrigkeit sind keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Zu
berücksichtigen sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles. Hier hat die
Klägerin vorgetragen, dass sie den neuen Arbeitsplatz gerade wegen ihrer
Arbeitslosigkeit antreten musste und befürchtete, den ihr von der Agentur für
Arbeit angebotenen Arbeitsplatz auch deshalb antreten zu müssen, weil ihr sonst
eine Sperrzeit gemäß § 144 SGB III gedroht hätte. Auch wenn dies rechtlich falsch
ist (vgl. Gagel § 144 Rn. 155), ist eine derart detaillierte Rechtskenntnis von einer
Arbeitslosen nicht zu erwarten. Diese Ansicht schließt jedenfalls das Verschulden
bezüglich der Arbeitsvertragspflichtverletzung gegenüber der Beklagten bei der
Klägerin aus.
3. Die Beklagte trägt gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits. Der Wert des
Streitgegenstandes wird gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG mit der Summe aus
Klageforderung und Widerklageforderung in Höhe von 1.277,33 Euro festgesetzt.
Soweit die Beklagte ihre Widerklageforderung nicht substantiiert begründet hat,
sieht das Gericht keine Veranlassung zur Zulassung der Berufung im Sinne des §
64 Abs. 3 ArbGG. Lediglich bezüglich der geltend gemachten Fahrkostenerstattung
von 108,00 € lässt das Gericht die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG für
die Beklagte zu, da die Frage, ob für einen arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer
ein wichtiger Grund für die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht,
wenn ihm von der Agentur für Arbeit ein die Arbeitslosigkeit beendender
Arbeitsplatz vermittelt wird, höchstrichterlich nicht geklärt ist. Im übrigen wird
hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung auf die nachfolgende
Rechtsmittelbelehrung verwiesen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.