Urteil des AG Kerpen vom 11.07.2000

AG Kerpen: sanierung, balkon, zustand, eingriff, wiederherstellung, umgestaltung, verfahrenskosten, duldung, kostenbefreiung, vorrang

Amtsgericht Kerpen, 15 II 46/99
Datum:
11.07.2000
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 15
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 II 46/99
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Verfahrenskosten werden dem Antragsteller auferlegt.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten findet
nicht statt.
G R Ü N D E :
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Der Antragsteller ist Mitglied der im Rubrum näher bezeichneten
Wohnungseigentumsanlage.
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In den 70er Jahren wurden von vielen Wohnungseigentümern ein Fliesenbelag auf
"ihre" Balkone aufgebracht. Teilweise wurde dabei zuvor die Zustimmung der
damaligen Verwalterin, der E (L), eingeholt, die fernmündlich oder auch schriftlich erteilt
wurde. Ohne eine entsprechende Beschlußfassung der Gemeinschaft wurde auch auf
dem Balkon des Antragstellers im 5. Obergeschoß ein Fliesenbelag aufgebracht.
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Seit Mitte der 90er Jahre besteht zwischen dem Antragsteller und den Antragsgegnern
eine Auseinandersetzung über Fragen der Sanierung des Balkons. Dort war ein
Feuchtigkeitsschaden aufgetreten. Die Beteiligten stritten dabei vornehmlich über die
Ursache des Schadens. Während die Antragsgegner der Ansicht waren, daß der vom
Antragsteller selbst verlegte Fliesenbelag für den Schaden ursächlich sei, ging der
Antragsteller von einem bauseits bedingten Schaden aus. Über diese Frage wurde ein
Beweissicherungsverfahren eingeholt (AG Kerpen, 15 II 37/97).
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Der Antragsteller meint, daß sich aus dem Gutachten ergebe, daß die Ursache der
Feuchtigkeitsschäden bauseits bedingt waren.
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Zwischenzeitlich wurden im Rahmen der Sanierung des Balkons die vom Antragsteller
verlegten Fliesen entfernt. Nach Abschluß der Arbeiten wurde der Fliesenbelag nicht
wieder aufgebracht. Mit Schreiben vom 15.6.1999 (Bl. 24 GA), welches an den
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner gerichtet wurde (der auch schon in
Vorverfahren für die Antragsgegner bzw. die Verwalterin tätig geworden war), verlangte
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der Antragsteller unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung die Wiederherstellung
des Fliesenbelages. Nachdem die Fliesen nicht wieder aufgebracht wurden, meint der
Antragsteller nun, daß ihm die Antragsgegner zur Zahlung eines entsprechenden
Vorschusses verpflichtet seien. Nachdem er zunächst Zahlung in Höhe von 7.089,85
DM nebst Zinsen verlangt hat, hat er seinen Antrag sodann um den auf seinen
Miteigentumsanteil entfallenden Teilbetrag (von 36,51 DM) reduziert.
Er behauptet, daß der Betrag von 7.089,85 DM aufgewendet werden müsse, um den vor
der Sanierung bestehenden Zustand wiederherzustellen.
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Er beantragt sinngemäß,
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die Antragsgegner zu verpflichten, an ihn 7.053,34 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 9.11.1999 zu zahlen.
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Die Antragsgegner beantragen,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Die Antragsgegner halten den Antrag für unzulässig, weil zunächst die
Wohnungseigentümergemeinschaft mit der Forderung habe befaßt werden müssen. Da
der Antragsteller auf diesem Weg (möglicherweise) einfacher sein Ziel erreichen könne,
fehle ihm das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
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Weiter meinen sie, daß sich der Antragsteller unter dem Blickwinkel "neu für alt" einen
Abzug gefallen lassen müsse, weil die verlegten Fliesen bei der Vornahme der
Sanierung (im Jahre 1999) schon 22 Jahre alt waren.
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Da die bauliche Veränderung ohne Zustimmung der Antragsgegner vorgenommen
wurde (was unstreitig ist), könne der Antragsteller wegen der Substanzverletzung
keinen Schadensersatz verlangen. Außerdem seien die Fliesen nicht fachgerecht
verlegt worden, so daß sich Feuchtigkeit unter den Fliesen ansammeln konnte. Dies sei
auch letztlich die Ursache für die Schäden am Balkon gewesen.
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Auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf den
Hinweisbeschluß des Gerichts vom 30.3.2000 (Bl. 60 ff. GA) sowie auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 27.6.2000 wird Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig.
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Das Gericht teilt nicht die Bedenken der Antragsgegner bezüglich der Zulässigkeit des
Verfahrens. Dabei kann dahinstehen, ob grundsätzlich einem Wohnungseigentümer,
der einen solchen Ersatzanspruch geltend macht, zunächst zugemutet werden kann, die
Eigentümergemeinschaft mit seinem Anliegen zu befassen. Dies kann hier offenbleiben,
weil zumindest bei der vorliegenden Konstellation dem Antragsteller ein solches
Zuwarten nicht zugemutet werden kann. Denn zwischen den Beteiligten besteht seit
Jahren Streit wegen der Sanierung des Balkons. Selbst wenn daher die Gemeinschaft
jetzt im Sinne des Antragstellers einen Beschluß fassen sollte - was dem Gericht mehr
als unwahrscheinlich erscheint -, so wäre zu erwarten, daß ein solcher Beschluß erst
noch angefochten und eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt wird. Dies ist um so
mehr zu erwarten, als die Antragsgegner durch den Beschluß des Gerichts vom
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30.3.2000 (Bl. 60 ff. GA) darauf hingewiesen wurden, daß der Antrag wohl unbegründet
sein dürfte. Nach alledem steht hier zu vermuten, daß eine vorherige Befassung der
Wohnungseigentümergemeinschaft allenfalls zu einer jahrelangen Verzögerung des
Vorganges führen würde.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
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Dem Antragsteller steht kein Anspruch darauf zu, daß der zu seiner Wohnung
gehörende Balkon nach der Sanierung wieder in einen Zustand versetzt wird, der von
der Verfliesung her dem Zustand vor der Sanierung entspricht.
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Allerdings sieht § 14 Nr. 4 WEG vor, daß Wohnungseigentümern ein
Schadensersatzanspruch zusteht, soweit ihnen Nachteile daraus erwachsen, daß sie
"das Betreten und die Benutzung" der in ihrem Sondereigentum stehenden
Gebäudeteile zu gestatten haben. Diese Vorschrift wird zu Recht auch dann als
einschlägig angesehen, wenn es um Sanierungsarbeiten geht, welche an Balkon- oder
Terrassenflächen vorzunehmen sind (vgl. BayObLG, Beschluß vom 6.2.1987 - 2Z 93/86
-, ZMR 1987, 227 f. sowie Beschluß vom 19.5.1994 - 2Z BR 135/93 -, ZMR 1994, 420 ff.;
ebenso Kreuzer, in: Staudinger, 1997, § 14 Rdn. 41 m.w. Nachw.).
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Soweit ersichtlich ist dabei allerdings in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht
der Fall problematisiert worden, in welchem - wie hier - ein Wohnungseigentümer vor
der Sanierung die Balkonfläche ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer
umgestaltet hat. Solche Maßnahmen können eine Wertverbesserung darstellen mit der
Folge, daß sodann auch die Sanierungskosten weit höher liegen mögen, als wenn der
Balkon in seinem ursprünglichen Zustand belassen wurde. Bei dieser Sachlage
erscheint aber fraglich, ob der Wohnungseigentümer gemäß § 14 Nr. 4 WEG eine
Wiederherstellung des von ihm erst geschaffenen Zustandes verlangen kann.
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Nach Auffassung des Abteilungsrichters ist diese Frage jedenfalls dann zu verneinen,
wenn - wie hier - die zunächst vorgenommene Umgestaltung ohne einen zustimmenden
Beschluß der Gemeinschaft erfolgte.
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Dies folgt mittelbar aus den §§ 22 Abs. 1, 16 Abs. 3 WEG.
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Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG können bauliche Veränderungen und Aufwendungen,
die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des
gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, nicht gemäß § 21 Abs. 3 WEG
beschlossen oder gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangt werden. Nach Satz 2 der
genannten Vorschrift ist jedoch die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu
solchen Maßnahmen insoweit nicht erforderlich, als durch die Veränderung dessen
Rechte nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.
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Diese Regelung des § 22 Abs. 1 WEG setzt sich in § 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG für die
Kostentragung fort: danach ist ein Wohnungseigentümer, der der baulichen
Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG nicht zugestimmt hat, auch nicht verpflichtet,
"Kosten, die durch eine solche Maßnahme verursacht sind, zu tragen".
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Dieser Regelung kommt nun nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall die
entscheidende Bedeutung zu. Denn unstreitig hat der Antragsteller die Veränderung der
Balkonfläche ohne Wissen und ohne Zustimmung der Antragsgegner vorgenommen. Zu
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einem solchen Verhalten mag der Antragsteller nach § 22 Abs. 1 WEG berechtigt
gewesen sein, da vermutlich die übrigen Wohnungseigentümer durch die Verbesserung
des Balkonbelages nicht nachteilig betroffen waren. Dies kann aber letztlich
dahinstehen. Denn in jedem Fall folgt unmittelbar aus § 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG, daß
den Antragsgegnern durch die bauliche Veränderung, welche ohne ihre Zustimmung
vorgenommen worden ist, kein wirtschaftlicher Nachteil entstehen darf. Denn die
Bestimmung des § 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG soll die Wohnungseigentümer auch von
etwaigen Folgekosten freistellen, die sich aus der Baumaßnahme ergeben können (vgl.
ebenso Bub, in: Staudinger, a.a.O., § 16 Rdn. 254 m.w. Nachw.).
Damit steht aber zugleich fest, daß der Antragsteller von den Antragsgegnern nicht
verlangen kann, daß der Bodenbelag wiederhergestellt wird. Denn die zunächst
vorgenommene Umgestaltung der Balkonoberfläche kann nach § 22 Abs. 1 WEG nur
dann als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Antragsgegner gleichzeitig in den
Genuß der Kostenbefreiung gemäß § 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG kommen. Der
Antragsteller verhält sich daher widersprüchlich, wenn er einerseits die
Balkonoberfläche nach seinen persönlichen Vorstellungen gestaltet hat (ohne zuvor die
Zustimmung der Antragsgegner einzuholen) und er jetzt von den Antragsgegnern
verlangt, daß nach der Sanierung auf Kosten der Gemeinschaft der verbesserte Zustand
wieder hergestellt werden soll. Denn wegen § 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG hat der
Antragsteller auf eine solche Wiederherstellung gerade keinen Anspruch.
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Im Ergebnis kommt somit der Regelung der §§ 22 Abs. 1, 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG
der Vorrang gegenüber § 14 Nr. 4 WEG zu.
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Dies erscheint auch in sich gerechtfertigt. Würde man nämlich die Gemeinschaft für
verpflichtet halten, nach der Sanierung den alten Fliesenbelag (bzw. einen dem
entsprechenden Bauzustand) wieder herzustellen, so würde über § 14 Nr. 4 WEG die
Vorschrift des § 16 Abs. 3 2. Halbsatz WEG "ausgehebelt". Damit erwiese sich aber
zugleich, daß die Veränderung an der Balkonoberfläche doch mit einem Nachteil für die
Antragsgegner verbunden wäre, welcher das Maß des § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG
übersteigt. Dann hätten aber die Antragsgegner der Baumaßnahme wiederum
zustimmen müssen - die ohne Zustimmung von dem Antragsteller durchgeführte
Veränderung wäre also als rechtswidrig anzusehen. Für den Bestand einer in
rechtswidriger Weise vorgenommene bauliche Veränderung könnte der Antragsteller
aber wiederum nicht den in § 14 Nr. 4 WEG geregelten Aufopferungsanspruch für sich
reklamieren.
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Soweit sich der Antragsteller zur Stützung seiner Rechtsauffassung auf eine
Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 28.10.1994 (ZMR 1995, 84 ff.) beruft, kann dem
nichts Gegenteiliges entnommen werden. Denn dieser Beschluß des OLG Düsseldorf
befaßt sich gar nicht mit dem Spannungsverhältnis der § 14 Nr. 4 und §§ 22 Abs. 1, 16
Abs. 3 WEG.
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Steht dem Antragsteller somit kein (verschuldensunabhängiger) Anspruch aus § 14 Nr.
4 WEG zu, so kann er seinen Antrag auch nicht mit Erfolg auf § 823 BGB stützen. Selbst
wenn man dabei zugunsten des Antragstellers davon ausgeht, daß der Fliesenbelag in
seinem Sondereigentum steht, liegt zumindest keine rechtswidrige Eigentumsverletzung
vor. Denn zwischen den Beteiligten war und ist unstreitig, daß der Balkon einer
Sanierung bedurfte. Es ist auch in keiner Weise dargetan, daß der Balkon ohne einen
Eingriff in den Fliesenbelag hätte saniert werden können. Damit fehlt es aber an einer
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schuldhaften Eigentumsverletzung. Außerdem ist der Eingriff nicht rechtswidrig, da - wie
oben ausgeführt - der Antragsteller den Fliesenbelag ohne die erforderliche Zustimmung
der Antragsgegner aufgebracht hatte. Schließlich ist zu bedenken, daß der Antragsteller
in dem Verfahren AG Kerpen, 15 II 38/96 (Beschluß vom 7.11.1996) - entsprechend
seinem "Anerkenntnis" - rechtskräftig auf Duldung der Sanierungsarbeiten in Anspruch
genommen wurde. Auch dies schließt es aus, den Eingriff in den Bodenbelag als
rechtswidrige Eigentumsverletzung anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
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Es entsprach billigem Ermessen, dem Antragsteller als dem Unterlegenen die
Verfahrenskosten aufzuerlegen.
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Demgegenüber bestand keine Veranlassung, die Erstattung von außergerichtlich
angefallenen Kosten anzuordnen, vgl. § 47 Satz 2 WEG.
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Geschäftswert nach § 48 WEG: bis 8.000 DM
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