Urteil des AG Kerpen vom 18.07.2000

AG Kerpen: abgabe, ordentliche kündigung, begründung der kündigung, zugang, mietvertrag, willenserklärung, werktag, aufhebungsvertrag, geschäftsfähigkeit, klageerweiterung

Amtsgericht Kerpen, 22 C 25/00
Datum:
18.07.2000
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 22
Entscheidungsart:
Teilurteil
Aktenzeichen:
22 C 25/00
Tenor:
Die auf Räumung des Einfamilienhauses C-Straße, #### G gerichtete
Klage wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
T a t b e s t a n d :
1
Die Kläger vermieteten dem Beklagten das Einfamilienhaus C-Straße, #### G , mit
Mietvertrag vom 23.7.1996 befristet bis zum 31.7.2001. Der Grundmietzins betrug bis
zum 31.1.1999 3.450 DM und seitdem 3.650 DM. Betriebskostenvorschüsse sind in
Höhe von 200 DM im voraus zu entrichten. Nach § 4 Ziff. 1 des Mietvertrages ist die
Miete im voraus "spätestens zum dritten Werktag eines Monats" zusammen mit den
Nebenkostenvorauszahlungen zu zahlen. Nach § 4 Ziff. 3 kommt es dabei für die
Rechtzeitigkeit der Zahlung auf den Eingang des Geldes an. Eine Aufrechnungsklausel
enthält der Mietvertrag nicht.
2
Der Beklagte, der das Haus zusammen mit der Beklagten bewohnt, kam nach dem
Abschluß des Mietvertrages in finanzielle Schwierigkeiten. Nachdem die Miete für
Januar und Februar bis zum 3.2.1999 nicht bei den Klägern eingegangen war,
kündigten die Kläger mit Schreiben vom 3.2.1999, welches spätestens am 5.2.1999
beim Beklagten eintraf, das Mietverhältnis fristlos, "ersatzweise zum nächstmöglichen
Termin gemäss Mietvertrag und Gesetz" (vgl. die Anlage K 2 = Bl. 26 GA).
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Zwischen der Absendung und dem Zugang des Kündigungsschreibens ging ein Betrag
in Höhe von 3.450 DM bei den Klägern ein; der Restbetrag in Höhe von 3.850 DM ging
am 10.2.1999 ein.
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Zu einem weiteren Zahlungsrückstand kam es Ende 1999 bzw. Anfang des Jahres
2000. Nachdem die Miete für Dezember 1999 und Januar 2000 bis zum 5.1.2000 nicht
bei den Klägern eingegangen war, kündigten diese erneut mit Schreiben ihrer Anwälte
vom 5.1.2000 (Anlage K 4 = Bl. 28 GA). Dieses Schreiben erhielt der Beklagte
spätestens am 8.1.2000; die Mietzahlung ging am 14.1.2000 bei den Klägern ein.
5
Unter dem 28.1.2000 schrieb der Beklagte an die Kläger, daß er den Vertrag vorsorglich
6
fristlos, hilfsweise zum nächst möglichen Termin kündige (vgl. Anlage K 6 = Bl. 39 GA).
Mit Schreiben vom 1.2.2000 teilte der Kläger dem Beklagten mit, daß die Kündigung
"ins Leere" gehe, weil bereits die Kündigung ausgesprochen worden sei. Weiter heißt
es sodann in dem Schreiben: "Wir halten hierzu jedoch fest, daß Sie und wir uns einig
sind, daß das Mietverhältnis beendet ist."
Die Kläger beantragen,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das Einfamilienhaus C-
Straße in G nebst dem dazugehörenden Grundstück zu räumen und an die
Kläger als Gesamtgläubiger herauszugeben.
8
Die Beklagten beantragen,
9
die Klage abzuweisen.
10
Die Beklagten meinen, daß die Kündigung vom 5.1.2000 durch die Zahlung des
ausstehenden Mietzinses für die Monate Dezember 1999 und Januar 2000 gemäß §
554 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 BGB geheilt worden sei. Der Heilung stehe auch nicht entgegen,
daß es innerhalb der Zweijahresfrist des § 554 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB schon einmal zu
einer Kündigung gekommen sei. Denn die Kündigung vom 3.2.1999, welche am
4.2.1999 zugegangen sei, sei von Anfang an unwirksam gewesen. Denn die
Teilzahlung über 3.450 DM sei bereits vor dem Zugang der Kündigung erbracht worden
- das Konto des Beklagten sei am 3.2.1999 belastet worden. Die nach der Zahlung
verbliebene Forderung sei für eine Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 554 Abs.
2 Nr. 1 BGB nicht ausreichend gewesen.
11
Weiter meinen die Beklagten, daß die Kündigung vom 5.1.2000 treuwidrig gewesen sei,
weil sich die Kläger ohne weiteres aus der Kaution hätten befriedigen können.
12
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel der Parteien sowie auf das
Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.6.2000 Bezug genommen.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
14
Die Klage ist nur zum Teil entscheidungsreif, weil bislang nur der Räumungsantrag
gestellt wurde (vgl. dazu noch am Ende der Entscheidungsgründe).
15
Den Klägern steht gegenüber den Beklagten kein Räumungsanspruch zu. Das
Mietverhältnis zwischen den Klägern und dem Beklagten hat keine Beendigung
gefunden.
16
Der Mietvertrag wurde befristet bis zum 31.7.2001 abgeschlossen. Durch Zeitablauf hat
der Vertrag bislang noch nicht seine Beendigung gefunden.
17
Der Vertrag ist auch nicht durch die Kündigung vom 3.2.1999 oder vom 5.1.2000
beendet worden. Denn weder bei der Kündigung vom 3.2.1999 noch bei der Kündigung
vom 5.1.2000 stand den Klägern ein Kündigungsgrund zur Seite.
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Bei der Kündigung handelt es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht. Es ist daher
einhellige Meinung, daß die Kündigung eines befristeten Vertrages nur dann wirksam
19
erklärt werden kann, wenn sich der Kündigende auf einen Kündigungsgrund berufen
kann. Umstritten ist demgegenüber, ob der Kündigungsgrund bereits bei der Abgabe der
Kündigungserklärung vorliegen muß oder ob es als ausreichend anzusehen ist, wenn
der Kündigungsgrund (nur) beim Zugang der Erklärung vorliegt.
Soweit ersichtlich, hat sich dazu bislang noch keine feststehende Rechtsprechung
entwickelt.
20
Die 1. Zivilkammer des LG Köln ist in einem Urteil vom 18.10.1990 (1 S 215/90, WuM
1991, 263) davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für die Kündigung nur in
dem Zeitpunkt vorliegen müssen, zu welchem die Kündigung zugeht (ebenso:
Sonnenschein, in: Staudinger, 1997, § 564 Rdn. 69; Blank, in: Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 7. Aufl., § 554 Rdn. 35). Begründet wird dies im wesentlichen damit, daß die
Kündigung gemäß § 130 Abs. 1 BGB erst mit dem Zugang wirksam werde. Damit sei es
aber auch ausreichend, wenn im Zeitpunkt des Wirksamwerdens die Voraussetzungen
für die Kündigung vorlägen.
21
Nach Ansicht der 10. Zivilkammer des LG Köln (10 S 207/91, WuM 1992, 123) soll es
demgegenüber erforderlich sein, daß der Kündigungsgrund bereits bei der Abgabe der
Kündigung vorliegt (ebenso: Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rdn. IV 23; wohl auch
Emmerich, in: Staudinger, 1995, § 554 Rdn. 44: "Die Kündigung wird wirksam mit dem
Zugang beim Mieter (§ 130). ... Der Verzug muß außerdem bis zum Augenblick des
Zugangs fortbestehen; ..." - Hervorhebung durch Kursivschrift nur hier -).
22
Der letztgenannten Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an.
23
Die von der 1. Zivilkammer des LG Köln favorisierte Ansicht vermag nicht zu
überzeugen. Sie übersieht, daß durch § 130 Abs. 1 BGB nur die Verteilung des
Übermittlungsrisikos geregelt werden soll. So kann das Wirksamwerden einer
empfangsbedürftigen Willenserklärung an vier unterschiedliche Zeitpunkte gekoppelt
werden. Es kann abgestellt werden
24
- auf den Zeitpunkt der Äußerung des Erklärenden,
25
- auf den der Absendung durch Brief oder Boten,
26
- auf den des Empfangs durch den Erklärungsgegner oder
27
- auf den der Kenntnisnahme
28
(vgl. Hefermehl, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 130 Rdn. 2 m.w. Nachw).
29
Durch § 130 Abs. 1 BGB ist nun das Risiko des Verlustes der Erklärung dahingehend
geregelt worden, daß die Erklärung dann wirksam wird, wenn sie so in den Bereich des
Empfängers gelangt ist, daß dieser sie üblicherweise alsbald wahrnehmen kann (vgl.
Hefermehl, a.a.O., Rdn. 8). Das Gesetz hat sich daher in § 130 Abs. 1 BGB für die oben
beim dritten Spiegelstrich dargestellte Regelung ausgesprochen. Bei dieser Festlegung
ging es dem Gesetzgeber daher nicht darum, festzulegen, wann materiell-rechtlich die
Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Willenserklärung für wirksam halten zu
können; vielmehr sollte nur geregelt werden, zu welchem Zeitpunkt das Risiko des
Zugangs der Erklärung vom Erklärenden auf den Erklärungsempfänger übergeht (vgl.
30
dazu auch Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 130 Rdn. 2). Schon vor diesem
historischen Hintergrund kann der Regelung des § 130 Abs. 1 BGB keine Bedeutung für
die Frage beigemessen werden, wann materiell-rechtlich die Voraussetzungen für eine
Kündigung vorliegen müssen.
Kann somit bei einer an Sinn und Zweck des § 130 Abs. 1 BGB orientierten Auslegung
dieser Vorschrift keine Bedeutung für die hier zu entscheidende Frage beigemessen
werden, so kommt den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen entscheidendes
Gewicht zu. Danach ist aber festzuhalten, daß eine Willenserklärung nur dann rechtliche
Folgen auslösen kann, wenn schon bei der Abgabe der Erklärung die erforderlichen
Voraussetzungen vorlagen.
31
Gibt etwa ein beschränkt Geschäftsfähiger am Tage vor dem Erreichen der Volljährigkeit
ein Vertragsangebot ab, welches am Tage der Volljährigkeit dem Erklärungsempfänger
zugeht, so kann das Angebot (selbstverständlich) nur unter den Einschränkungen der §§
106 bis 113 BGB zu einem wirksamen Vertragsschluß führen. Denn maßgeblich ist
alleine, daß das Vertragsangebot noch zu einem Zeitpunkt gemacht wurde, als nur eine
beschränkte Geschäftsfähigkeit vorlag. Jedes andere Ergebnis würde den Schutz
beschränkt Geschäftsfähiger unterlaufen.
32
Nichts anderes kann aber bei der Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts gelten.
So kann es keinen Unterschied machen, ob die Kündigung deshalb unwirksam ist, weil
der Kündigende bei der Abgabe noch in der Geschäftsfähigkeit beschränkt war (und erst
erst vor dem Zugang der Erklärung volljährig wurde etc.) oder ob die Kündigung deshalb
als unwirksam anzusehen ist, weil im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung noch gar kein
Kündigungsgrund vorlag. Denn da das Rechtsgeschäft in der Abgabe der Erklärung
liegt, muß auch zu diesem Zeitpunkt das Recht vorliegen. Denn andernfalls ließe man
gleichsam die Kündigung auf Verdacht zu, weil ja zwischen der Abgabe der Erklärung
und dem Zugang derselben die Kündigungsvoraussetzungen noch einstellen könnten.
33
Nach der hier vertretenen Ansicht ist daher vom Gesetz gleichsam als selbstverständlich
vorausgesetzt worden, daß es bei der Abgabe einer Willenserklärung für die materiellen
Voraussetzungen auf den Zeitpunkt ihrer "Entäußerung" ankommen muß. Die
Richtigkeit dieser Ansicht wird durch § 130 Abs. 2 BGB untermauert. So wird dort
bestimmt, daß es für die Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Einfluß ist, wenn der
Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. Dies ist deshalb
berechtigt, weil der Inhalt der Erklärung ohnehin mit ihrer Abgabe feststeht, der Zugang
die Erklärung daher lediglich wirksam werden läßt (vgl. ebenso Hefermehl, a.a.O., Rdn.
30 m.w. Nachw.). Die Vorschrift des § 130 Abs. 2 BGB stellt daher nur klar, daß es für
die materiell-rechtlichen Voraussetzungen - insbesondere eben für die
Geschäftsfähigkeit - nur auf den Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung ankommen
kann.
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Die 1. Zivilkammer des LG Köln müßte demgegenüber zu einer differenzierten
Betrachtung kommen: Während unzweifelhaft bei der Abgabe der Willenserklärung
bereits die Geschäftsfähigkeit vorhanden sein muß, soll es für die übrigen
Voraussetzungen der Kündigung ausreichen, daß sich diese bis zum Zugang der
Erklärung noch einstellen. Für eines solche Differenzierung bietet indes das Gesetz
keinen Anhalt. Ergibt sich daher, daß erst nach der Abgabe der Kündigungserklärung
ein Kündigungsgrund entsteht, so kann dieser Umstand nicht auf den Zeitpunkt der
Erklärung zurückbezogen werden.
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Die gegenteilige Ansicht kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß bei einer
fristlosen Kündigung kein Anspruch auf eine Begründung der Kündigung bestehe (so
aber die 1. Zivilkammer des LG Köln). Denn maßgeblich ist nicht, ob eine Begründung
für die Kündigung mitzuteilen ist, sondern, ob bei der Abgabe der Erklärung überhaupt
schon ein Kündigungsgrund vorlag. Dazu mag etwa daran gedacht werden, daß der
Vermieter grundlos fristlos kündigt und nach dem Einwurf des Kündigungsschreibens in
den Briefkasten massiv von dem Mieter beleidigt wird. Auch hier kann kein Zweifel
daran bestehen, daß die Kündigungserklärung wiederholt werden muß, weil bei der
Abgabe der Kündigung (Einwurf des Briefes in den Briefkasten) noch gar kein
Kündigungsgrund vorlag.
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Es widerspräche im übrigen auch der Privatautonomie, wenn man annähme, daß eine
Willenserklärung, welche bei ihrer Abgabe unwirksam war, alleine durch das
Hinzutreten von Umständen, die nicht in der Sphäre des Erklärenden liegen, gleichsam
per Zufall wirksam werden könnte. Ergibt sich daher erst nach der Abgabe einer
Kündigungserklärung ein Kündigungsgrund, so muß es dem Kündigenden vorbehalten
bleiben, dies zum Anlaß für eine erneute Kündigung zu nehmen oder es bei der
(unwirksamen Erst-)Kündigung zu belassen.
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Gemessen daran konnte weder die Kündigung vom 3.2.1999 noch die Kündigung vom
5.1.2000 das Mietverhältnis beenden.
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Denn nach dem Mietvertrag war der Beklagte verpflichtet, die Miete "spätestens bis zum
dritten Werktag des Monats an den Vermieter" zu zahlen.
39
Bei der Abgabe der Kündigungserklärung vom 3.2.1999 befand sich der Beklagte daher
nur mit der Zahlung der Miete für den Monat Januar in Verzug. Denn der dritte Werktag
fiel im Februar 1999 auf den 3.2., einen Mittwoch. Gemäß § 188 Abs. 1 BGB endete die
Frist zur Zahlung der Februar-Miete (Eingang des Geldes auf dem Konto, vgl. § 4 Ziffer 3
des Mietvertrages) daher am 3.2. um 24.00 Uhr. Wenn die Kläger daher schon unter
dem 3.2. ihre Kündigungserklärung abgaben - was unstreitig ist -, so kann der
Zahlungsverzug mit der zweiten Monatsrate noch nicht vollendet gewesen sein. Der
Zahlungsverzug mit der Februar-Miete trat vielmehr erst am 4.2. um 0.00 Uhr ein.
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Nichts anderes gilt für die Kündigung vom 5.1.2000. Denn der Neujahrstag ist en
gesetzlicher Feiertag und scheidet damit als Werktag aus. Der 2.1. fiel in diesem Jahr
auf einen Sonntag, so daß als erster Werktag des Monats Januar der 3.1.2000
anzusehen ist. Der Beklagte hätte somit noch bis zum 5.1.2000 (einschließlich) die
Miete auf das im Mietvertrag angegebene Konto überweisen können. Wenn die
Klägervertreter somit schon am 5.1.2000 für die Kläger die Kündigung des Mietvertrages
erklärten, so war die Erklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben, zu welchem die Frist zur
Zahlung noch nicht abgelaufen war (vgl. oben).
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Das Mietverhältnis ist auch nicht aufgrund einer ordentlichen Kündigung beendet
worden. Eine solche hat der Kläger zwar "hilfsweise" in seinem Schreiben vom 3.2.2000
ausgesprochen; eine ordentliche Kündigung ist jedoch aufgrund der Befristung des
Mietvertrages ausgeschlossen. Denn das Vertragsverhältnis wurde fest auf einen
Zeitraum vom 1.8.1996 bis zum 31.7.2001 geschlossen. Damit war aber eine
ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses (etwa nach § 564b Abs. 1 BGB)
ausgeschlossen. Die Kläger konnten den Vertrag vielmehr nur durch einen
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Aufhebungsvertrag oder eine außerordentliche Kündigung beenden (vgl. dazu Blank, in:
Schmidt-Futterer, § 564 Rdn. 7; vgl. zur außerordentlichen Kündigung auch ). Da jedoch
der Verzug des Beklagten mit jeweils einer vollen Monatsmiete eine (außerordentliche)
Kündigung aus wichtigem Grund nicht zu rechtfertigen vermag und kein Grund für eine
außerordentliche (befristete) Kündigung ersichtlich ist, konnte die hilfsweise
vorgenommene Kündigungserklärung ebenfalls nicht zu einer Vertragsbeendigung
führen.
Der Mietvertrag ist auch nicht durch einen Aufhebungsvertrag beendet worden.
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Soweit die Kläger in der Kündigungserklärung des Beklagten vom 28.1.2000 das
Angebot zu einem Mietaufhebungsvertrag sehen, kann dem nicht gefolgt werden.
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So hat BGH mit Urteil vom 24.9.1980 (VIII ZR 299/79, NJW 1981, 43) entschieden, daß
gerade bei Miet- und Pachtverhältnissen in aller Regel in einer Kündigungserklärung
kein Antrag auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages gesehen werden kann (ebenso
Hefermehl, a.a.O., § 140 Rdn. 18). Dies verbietet sich regelmäßig schon deshalb, weil
dem Kündigenden gewöhnlich schon das Bewußtsein fehlen wird, ein solches Angebot
zu unterbreiten. Denn wer mit einer Kündigung ein Vertragsverhältnis beenden will, der
möchte nicht ohne weiteres "hilfsweise" mit der Zustimmung des Vermieters aus dem
Vertrag.
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Hier verbietet sich die Annahme eines Aufhebungsvertrages aber auch noch aus zwei
weiteren Gründen.
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Als erstes steht der Annahme eines Aufhebungsvertrages entgegen, daß selbst nach
dem Schreiben des Klägers vom 1.2.2000 (Anlage K 7 = Bl. 40 GA) noch längst nicht
alle Punkte, über die eine Verständigung erzielt werden mußte, einer vertraglichen
Regelung zugeführt worden waren. So spricht der Kläger dazu in seinem Schreiben
vom 1.2.2000 namentlich die Frage an, wann das Objekt von den Beklagten geräumt
werden könne und wie die Renovierung "der Wohnung" und die Wiederherstellung des
alten Zustandes vorgenommen werden könne. Zumindest über diese Punkte sollte
daher nach Auffassung der Kläger noch eine Vereinbarung getroffen werden. Dies wird
auch deutlich, wenn man den Schlußsatz des Schreibens vom 1.2.2000 liest. Denn dort
heißt es: "In Erwartung Ihrer Vorschläge verbleiben wir ..."
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Damit lag aber bezüglich der Frage eines Mietaufhebungsvertrages zumindest ein
offener Einigungsmangel im Sinne von § 154 Abs. 1 BGB vor. Nach § 154 Abs. 1 Satz 1
war damit aber ein Aufhebungsvertrag "im Zweifel" noch nicht geschlossen.
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Weiter kann auch deshalb nicht von einem Mietaufhebungsvertrag ausgegangen
werden, weil die Schriftform nicht eingehalten wurde. Dabei kann dahinstehen, ob
Mietaufhebungsvereinbarungen generell der Schriftform bedürfen, was umstritten ist
(vgl. dazu Blank, in: Schmidt-Futterer, a.a.O., Nach § 564 Rdn. 6). Hier war die
Schriftform schon deshalb einzuhalten, weil der Mietvertrag in § 26 Satz 1 vorsah, daß
"Änderungen und Ergänzungen" des Mietvertrages der Schriftform bedürfen (vgl. hier Bl.
20 GA). Damit hätte aber auch für die Aufhebungsvereinbarung die Schriftform
eingehalten werden müssen. Dazu gehört bei einem Vertrag nach § 126 Abs. 2 BGB,
daß die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgt (Satz 1) oder - falls
mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen werden - , daß jede Partei die für die
andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (Satz 2). Hier ist weder die eine, noch
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die andere Form eingehalten worden. Denn die Kläger haben nicht etwa das "Angebot"
des Beklagten auf dessen Schreiben vom 28.1.2000 angenommen, sondern lediglich
ihrerseits schriftlich (unter dem 1.2.2000) geantwortet. Damit ist aber auch die
Schriftform nicht eingehalten worden. Denn die Form wird nicht bereits dadurch
eingehalten, daß jede Seite über die (schriftliche) Erklärung der anderen Partei
(Angebot bzw. Annahme) verfügt.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß die Parteien die Schriftformabrede
einvernehmlich hätten aufheben wollen. Dafür sprechende Umstände haben die Kläger
in keiner Weise dargetan.
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Da somit der Mietvertrag nicht (wirksam) gekündigt und auch kein Aufhebungsvertrag
geschlossen wurde, besteht das Recht des Beklagten auf Nutzung des
Einfamilienhauses weiter fort.
51
Soweit die Kläger dadurch nunmehr in ihrer Lebensplanung gestört sind (vgl. dazu das
Fax, Bl. 70 GA), gibt dies Veranlassung zu dem Hinweis, daß der Beklagte unstreitig
(zeitlich nach seiner Erklärung vom 28.1.2000) über Monate hinweg keinen Mietzins
mehr gezahlt hatte (der inzwischen nach seinen Angaben vollständig ausgeglichen ist,
was aber streitig ist). Bei ordnungsgemäßer Prozeßführung hätte daher ohne weiteres
nach dem 5.1.2000 eine wirksame Kündigung ausgesprochen werden können. Weshalb
es zu einer solchen Kündigung nicht mehr gekommen ist, entzieht sich der Kenntnis des
Gerichts.
52
Weiter wurde im Verhandlungstermin vom 27.6.2000 eingehend die Problematik, in
welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Kündigung vorzuliegen haben,
erörtert. Die Beklagten hatten dazu im Vergleichswege angeboten, die Räume zum
31.11.2000 zur Verfügung stellen zu wollen (insoweit nicht protokolliert). Angesichts der
detaillierten Schilderung der rechtlichen Bedenken an der Wirksamkeit der
Kündigung(en) hielt der Unterbevollmächtigte der Kläger einen solchen
Vergleichsschluß für angeraten. Eine mit den Hauptbevollmächtigten der Kläger
geführte Rücksprache ergab jedoch sodann die Weisung, keinen Räumungsvergleich
zu schließen, sondern den Antrag aus der Klageschrift zu stellen. Bei einer solchen
Sachlage erscheint es dem Gericht nicht unbedingt angemessen zu sein, dem
Beklagten eine "Ausnutzung der Sozialgesetzgebung" vorzuwerfen (vgl. das Fax);
vielmehr hätte dem Beklagten entweder wirksam gekündigt werden müssen oder aber
im Termin ein Vergleich geschlossen werden sollen. Wenn es die Kläger - vertreten
durch ihre Hauptbevollmächtigten - statt dessen bei der schwierigen Rechtslage
vorziehen, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, können sich natürlich
Kollisionen mit der persönlichen Lebensplanung ergeben, die bei einem vernünftigen
Vergleichsschluß vermeidbar gewesen wären.
53
Schließlich konnte noch keine abschließende Entscheidung ergehen, da mit Schriftsatz
vom 23.3.2000 zwar eine Klageerweiterung vorgenommen wurde, der Antrag aber (vom
Gericht und dem Unterbevollmächtigten) in der Sitzung vom 27.6.2000 übersehen
wurde. Da somit nur der Antrag aus der Klageschrift gestellt wurde, konnte auch nur
über diesen Antrag eine Entscheidung ergehen.
54
Der Streitwert beläuft sich auf 53.900 DM (3.650 DM + 200 DM mal 12 Monate zzgl.
7.700 DM). Das Gericht geht dabei davon aus, daß bei Räumungsklagen die
Bruttomiete zugrundezulegen ist (ebenso OLG Düsseldorf, ZMR 1998, 692 und 2000,
55
211; OLG München, ZMR 1999, 172 - mit Anm. Schmid -; LG Cottbus, ZMR 1999, 829).
Dies erscheint dem Gericht zumindest dann zutreffend zu sein, wenn - wie hier - in den
Nebenkosten keine Vorauszahlungen für die Beheizung des Objektes enthalten sind (so
auch OLG München, a.a.O.). Die gegenteilige Auffassung, die insbesondere vom OLG
Köln vertreten wird (vgl. ZMR 1998, 697) vermag nicht zu überzeugen (vgl. dazu auch
die Anm. Rau zur Entscheidung OLG Köln, ZMR 1998, 698).
Neben dem Räumungsstreitwert ist auch der Zahlungsanspruch zu berücksichtigen.
Denn auch wenn dazu noch kein Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde,
so liegt gleichwohl eine wirksame Klageerweiterung vor.
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