Urteil des AG Kerpen vom 18.05.2000

AG Kerpen: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gütliche einigung, anfechtung, kostenverteilung, abgrenzung, nichtigkeit, versammlung, vollstreckbarkeit, verwalter, verwaltung

Amtsgericht Kerpen, 15 II 9/00
Datum:
18.05.2000
Gericht:
Amtsgericht Kerpen
Spruchkörper:
Abteilung 15
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 II 9/00
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin 4.021 DM
nebst
- 4 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz - mindestens jedoch 8
% Zinsen - aus jeweils 333 DM seit dem 6.1. und seit dem 4.2.2000
sowie aus 3.330 DM seit dem 16.2.2000 sowie nebst
- 4 % Zinsen aus 25 DM seit dem 9.4.2000
zu zahlen.
Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Verfahrenskosten - einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Antragstellerin - werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung wird angeordnet.
G R Ü N D E :
1
Die Antragstellerin ist Verwalterin der im Rubrum näher bezeichneten
Wohnungseigentumsanlage. Mit dem vorliegenden Verfahren nimmt sie die
Antragsgegnerin auf Zahlung von rückständigem Wohngeld (sowie Nebenforderungen)
in Anspruch.
2
Die Teilungserklärung sieht dabei eine Vorauszahlung der "Abschlagszahlungen" bis
zum Dritten eines jeden Monats vor und eine Verzinsung in Höhe von "vier von Hundert
über dem jeweiligen Diskontsatz der Bundesbank, mindestens jedoch acht von Hundert
Zinsen im Jahr" (vgl. § 12 Ziffer 5 der Teilungserklärung) vor. Weiter regelt die
Teilungserklärung, daß dem Verwalter für berechtigte Mahnungen (näher festgelegte)
Kosten zu erstatten sind.
3
In der Eigentümerversammlung vom 5.10.1987 wurde schließlich ein
Mehrheitsbeschluß gefaßt, der eine andere Fälligkeit des Wohngeldes vorsah. Wegen
der Einzelheiten der Beschlußfassung wird auf diesen Bezug genommen.
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Nachdem die Antragsgegnerin für Januar und Februar 2000 ihr Wohngeld nicht im
voraus geleistet hat, beantragt die Verwalterin,
5
die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie 4.025 DM nebst
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a. Zinsen in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch 8 % per
anno, aus jeweils 333 DM seit dem 5.1.2000 und seit dem 3.2.2000 sowie aus
3.330 DM seit dem 16.2.2000 sowie
7
a. 4 % Zinsen per anno aus 29 DM seit dem 9.10.1999
8
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zu zahlen.
10
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
11
Der Antrag ist - bis auf einen Teil der Zinsen und der Nebenforderungen - begründet.
12
Aufgrund des Wirtschaftsplanes ist die Antragsgegnerin verpflichtet, ein monatliches
Wohngeld in Höhe von 333 DM für die von ihr gehaltene Wohnung zu zahlen (vgl. Bl. 7
GA). Für den Monat Januar und Februar 2000 hat die Antragsgegnerin daher insgesamt
666 DM zu entrichten.
13
Die Antragsgegnerin kam jedoch mit dem Wohngeld für den Monat Januar erst mit dem
6.1. und mit dem Wohngeld für den Monat Februar erst mit dem 4.2. in Verzug. Soweit
die Antragstellerin daher schon ab dem 5.1. bzw. ab dem 3.2.2000 Verzugszinsen
geltend gemacht hat, unterliegt der Antrag der Abweisung.
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Auch wenn somit jeweils nur der Zinslauf für einen Tag betroffen ist, bedarf dies deshalb
der näheren Darlegung, weil die Teilungserklärung in § 12 Ziffer 3 Abs. 2 (= Bl. 23 der
Teilungserklärung) eine Regelung vorsieht, nach welcher die Abschlagszahlungen "im
voraus, spätestens am Dritten jeden Monats kosten- und spesenfrei an den Verwalter zu
leisten sind". Danach wäre die Antragsgegnerin mithin schon jeweils am 4. eines jeden
der beiden vorstehenden Monate mit der Zahlung des Wohngeldes in Verzug
gekommen.
15
Neben der Regelung in der Teilungserklärung ist jedoch hier von Bedeutung, daß die
Wohnungseigentümergemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 5.10.1987
folgenden Mehrheitsbeschluß gefaßt hat:
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"Die Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft beschließt, daß künftig alle
Zahlungen zum Wirtschaftsplan als Jahressumme fällig sind. Es wird jedoch monatliche
Ratenzahlung bis zum 3. Werktag eines jeden Monats entsprechend den
Einzelwirtschaftsplänen gewährt, solange die sich monatlich aus dem
Einzelwirtschaftsplan ergebende volle Summe gezahlt wird. Bei einem
Zahlungsrückstand in Höhe von zwei Hausgeldraten entfällt die Stundung, der gesamte
Jahresbetrag ist sofort fällig."
17
Diese Beschlußfassung nötigt zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein
solcher Beschluß die Teilungserklärung "außer Kraft setzen" kann. Denn nach der
Teilungserklärung hätte sich die Antragsgegnerin schon am 4.1. in Zahlungsverzug
befunden, während sie - bei Gültigkeit des vorstehenden Beschlusses - erst mit dem
6.1.2000 in Verzug gekommen wäre. Denn der Neujahrstag ist gesetzlicher Feiertag
und der 2.1. fiel im Jahre 2000 auf einen Sonntag. Der 3. Werktag kann daher erst mit
dem 5.1. angenommen werden, so daß sich die Antragsgegnerin erst mit dem Beginn
des 6.1.2000 in Verzug befunden hätte.
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Die Diskussion dazu, wie das Verhältnis einer Regelung in der Teilungserklärung (bzw.
Gemeinschaftsordnung) zu einem Mehrheitsbeschluß zu verstehen ist, kann dabei nicht
losgelöst von den Thesen betrachtet werden, die der Vorsitzende des für WEG-
Verfahren zuständigen Senats beim BGH, Joachim Wenzel, im Anschluß an die
Ausführungen von Buck (WE 1998, 90 ff.) in der Festschrift für Horst Hagen (dort S. 231
ff.) vertreten hat (auf die daran angelehnten Ausführungen in NZM 2000, 257 ff. = ZWE
200, 2 ff. soll im folgenden - wegen zu großer Redundanz - nicht eingegangen werden).
Die Ausführungen von Wenzel haben dabei eine rege Diskussion entfacht, aus welcher
sich allerdings die Gerichte bislang wohl herausgehalten haben (vgl. den zutreffenden
Hinweis von Riecke/Ormanschick, ZMR 2000, 273 bei Fußnote 7. So hat etwa das
BayObLG, mit Beschluß vom 5.8.1999 - 2Z BR 32/99 -, ZMR 1999, 778 [779] rechte
Spalte nur ein "a.A. Wenzel, Festschrift für Horst Hagen S. 231 [240 f.]" für den Kollegen
Vorsitzenden vom BGH übrig).
19
Da es jedoch kaum ausreichend sein dürfte, die von Wenzel vertreten Thesen nur mit
"a.A. Wenzel" abzuhandeln, soll zu diesen wie folgt Stellung genommen werden:
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Nichtig sind nach allgemeiner Meinung solche Beschlüsse, die gegen ein gesetzliches
Verbot (einschließlich der "guten Sitten") oder gegen zwingende Vorschriften verstoßen.
Weiter sind Beschlüsse nichtig, die den "dinglichen Kernbereich" des
Wohnungseigentums verletzen (vgl. BGH, Beschluß vom 16.9.1994 - V ZB 2/93 -, BGHZ
127, 99 [105] = ZMR 1995, 34 [36] = ZIP 1994, 1605 = NJW 1994, 3230 = WE 1995, 55 =
WPM 1994, 1986 - bis auf die ZMR-Fundstelle wurden die Parallelfundstellen der
Fußnote 3 des Aufsatzes von Wenzel entnommen).
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Sehr umstritten ist nun, ob auch die "Regelungskompetenz" der Wohnungseigentümer
zu den "zwingenden Normen" gehört. Der Theorie liegt dabei die Vorstellung zugrunde,
daß dem Gesetz die Bereiche entnommen werden können, in welchen die
Wohnungseigentümer im Wege der Beschlußfassung Regelungen treffen können.
Neben dem Gesetz sollen die Wohnungseigentümer auch in der Teilungserklärung
(genauer: in der Gemeinschaftsordnung, die ja vielfach Teil der Teilungserklärung ist)
spezielle Bereiche festlegen können, in welchen Beschlüsse zugelassen sind.
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Befaßt sich der Beschluß aber mit einem Inhalt, der weder vom Gesetz noch von der
Gemeinschaftsordnung zur Beschlußfassung "freigegeben" ist, so soll der Beschluß
nach Ansicht von Wenzel a priori nichtig sein.
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Als Beispiel für ein vom Gesetz erlaubtes "Feld" zur Beschlußfassung der
Wohnungseigentümer wird dabei von Wenzel der Bereich der Gebrauchsregelung (§ 15
Abs. 2 WEG) genannt (vgl. a.a.O. S. 236). Außerdem ist an die Kompetenz zur
"ordnungsgemäßen Verwaltung" im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG sowie an Beschlüsse
zur Instandhaltung und Instandsetzung (vgl. § 22 Abs. 1 WEG) zu denken (vgl. ebenfalls
a.a.O.). Außerhalb der Bereiche, für welche danach das WEG - oder die
Gemeinschaftsordnung - eine Beschlußfassung vorsieht, sollen nach Ansicht von
Wenzel "die das Grundverhältnis der Gemeinschaft" betreffende Änderungen des
(Wohnungseigentums-)Gesetzes oder der Gemeinschaftsordnung dem Mehrheitsprinzip
verschlossen sein (vgl. a.a.O. S. 240). Dieses Grundverhältnis soll lediglich durch
"Vereinbarungen" (im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG), nicht aber durch Beschlüsse
neu geregelt werden können.
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Damit stellt sich aber zunächst die Frage, ob der Kreis der Gegenstände, die "nur zum
Inhalt einer Vereinbarung, nicht aber zum Gegenstand eines Beschlusses gemacht
werden können" (so Wenzel, a.a.O. S. 236) in nachvollziehbarer Weise umschrieben
und abgegrenzt werden können? Denn diese von Buck bzw. Wenzel vertretene
Differenzierung macht nur dann Sinn, wenn sie eine zureichende "Trennschärfe"
aufweist.
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Schon dies kann aber nun nach Auffassung des hier zur Entscheidung berufenen
Gerichts nicht festgestellt werden. Denn Beschlüsse können in vielfältiger Weise gegen
das (WEG-)Gesetz oder gegen die jeweilige Gemeinschaftsordnung verstoßen. Diese
Verstöße genügen aber in aller Regel nicht, um von einer nichtigen Beschlußfassung
auszugehen, was der Gesetzgeber durch die Regelung § 23 Abs. 4 WEG zum Ausdruck
gebracht hat. Denn durch das Erfordernis der Anfechtung von rechtswidrigen
Beschlüssen stellt der Gesetzgeber klar, daß die Rechtsverletzung nicht per se zur
Nichtigkeit des Beschlusses führen soll. Denn sonst würde die Abgrenzung zwischen
"bloß rechtswidrigen" und "nichtigen" Beschlüssen keinen Sinn mehr machen.
26
Dies wird offenbar auch von Wenzel so gesehen. Denn gleichsam zur "Verfeinerung"
des von ihm vorgeschlagenen Instrumentariums wird sodann noch zwischen der
"Gesetzesverletzung" und der "Gesetzesabänderung" unterschieden (vgl. a.a.O. auf S.
241). Fälle einer bloßen Gesetzesverletzung sollen dabei dann vorliegen, wenn nur
"punktuell" gegen das Gesetz (oder die Gemeinschaftsordnung) verstoßen wird; für die
"Gesetzesabänderung" soll charakteristisch sein, daß eine dauerhafte (und auch für
andere Fälle gültige) Regelung gefunden werden sollte.
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Gemessen daran - so Wenzel - sei auch der vom V. Zivilsenat unter dem 16.9.1994
entschiedene "Kostenverteilungsbeschluß" (- V ZB 2/93 -, BGHZ 127, 99 = ZMR 1995,
34 ff. - weitere Parallelfundstellen s.o.) "im Ergebnis richtig". Denn dort habe die
Gemeinschaft letztlich nur eine in der Gemeinschaftsordnung vorhandene Klausel
"auffüllen" wollen; eine "Änderung der Gemeinschaftsordnung" sei demgegenüber nicht
bezweckt gewesen (vgl. a.a.O. S. 243).
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Spätestens hier wird indes klar, daß Wenzel die bisherige Rechtsprechung des BGH
"ergebnisorientiert" betrachtet und in seinem Aufsatz nicht davor halt macht, die
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Grundlagen der Entscheidungen zu "quetschen". Denn festzuhalten bleibt, daß die
Gemeinschaft in dem "Kostenverteilungsfall" gerade keine punktuelle Regelung (etwa
für die Abrechnung eines Jahres), sondern eine dauerhafte Neuregelung der
Kostenverteilung erreichen wollte und dies auch so umgesetzt hat. Dazu sei der Fall -
nur mit den hier entscheidenden Details - noch einmal dargestellt:
Unter dem 30.4.1985 beschlossen die Wohnungseigentümer, daß die Beteiligte zu 1
von den Kosten der Reinigung und Beleuchtung des Treppenhauses und den
Aufzugskosten 7,5 % vorab tragen solle. Im Jahre 1991 - also sechs Jahre später (!) -
beschloß die Gemeinschaft die Beibehaltung dieser Regelung. Beim BGH scheiterte die
Beteiligte zu 1 sodann unter anderem mit ihrem Begehren, daß "hilfsweise" die
Rechtswidrigkeit der Vorabkostenbeteiligung festgestellt werden sollte. Soweit der stark
gekürzte Sachverhalt.
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Da die Beteiligte zu 1 daher mit ihrem Feststellungsantrag (welchem das LG noch
stattgegeben hatte) scheiterte, muß davon ausgegangen werden, daß die
Wohnungseigentümergemeinschaft bereits durch den ersten Beschluß dauerhaft in die
Kostenverteilung eingreifen wollte.
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Damit kann aber auch nicht mehr die Rede davon sein, daß der Beschluß vom
30.4.1985 (an welchem die Gemeinschaft dann mit Beschluß vom 21.8.1991
festgehalten hat) nur eine gleichsam einmalige "Verletzung" des Gesetzes bzw. der
Gemeinschaftsordnung dargestellt habe. Vielmehr ist das Gegenteil richtig: Es sollte
dauerhaft eine abweichende Kostenverteilung gefunden werden. Und eben dies ist vom
BGH in der Entscheidung vom 16.9.1994 mit der Begründung "gehalten" worden, daß
Beschlüsse der Wohnungseigentümer auch dann bestandskräftig werden, "wenn
Einstimmigkeit - also eine Vereinbarung - notwendig gewesen wäre" (so wörtlich die
Bezugnahme des V. Zivilsenats auf die vom VII. Zivilsenat entwickelte Rechtsprechung,
an welcher festgehalten werde - vgl. ZMR 1995, 34 [35] unter II 2a) und [36] unter II. 2b).
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Kann daher in dem (ersten) Beschluß vom 30.4.1985 keine bloß "punktuelle
Rechtsverletzung" gesehen werden, so bleibt die Frage, ob die Entscheidung - von
Wenzels Standpunkt her betrachtet - aus anderen Gründen zutreffend ist. Denn Wenzel
verteidigt das vom BGH gefundene Ergebnis in seinen Ausführungen auf S. 241. Dort
führt er gegen die Kritiker an, diese übersähen, "die in der maßgeblichen
Gemeinschaftsordnung enthaltene Klausel, nach der ein Wohnungseigentümer die
durch einen das gewöhnliche Maß übersteigenden Gebrauch verursachten
Bewirtschaftungkosten allein zu tragen hatte".
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Damit will Wenzel offenbar den Bogen spannen zu seinen einleitenden Ausführungen,
wonach die Regelungskompetenz der Wohnungseigentümer nicht nur durch das
Gesetz, sondern auch durch die Gemeinschaftsordnung eröffnet werden könne. In die
Anlehnung an die "Terminologie Bucks" meint er sodann, daß die
Wohnungseigentümer mit der Beschlußfassung aus dem Jahre 1985 nicht die die
Grenze des rechtlichen "Könnens", sondern allenfalls die des rechtlichen "Dürfens"
überschritten hätten (vgl. a.a.O. S. 241 unten).
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Aber, dem kann nun ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn nach dem (veröffentlichten)
Text der BGH-Entscheidung sah die Gemeinschaftsordnung gar keine Öffnungsklausel
für eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels vor. Die Wohnungseigentümer
"konnten" (frei nach Buck) daher auch gar keinen Beschluß fassen, der dauerhaft eine
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andere Kostenverteilung ermöglichte. Es ging daher auch nicht darum, daß die
Wohnungseigentümer von einer solchen Öffnungsklausel einen nicht rechtmäßigen
Gebrauch gemacht hätten (bloße Überschreitung des rechtlichen "Dürfens"); vielmehr
hatten die Wohnungseigentümer im Bereich der Änderung der Kostenverteilung
überhaupt nichts zu suchen. Bei einer stringenten Verfolgung seiner Thesen hätte
Wenzel damit aber an sich das vom BGH in dem Beschluß vom 16.9.1994 gefundene
Ergebnis ablehnen müssen.
Über diesen Befund darf auch nicht der von Wenzel hervorgehobene Aspekt
hinwegtäuschen, daß die Gemeinschaftsordnung (dort in § 14) vorsah, daß "ein
Wohnungseigentümer Bewirtschaftungskosten, die er durch einen das gewöhnliche
Maß übersteigenden Gebrauch verursacht, alleine tragen muß".
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Denn diese Regelung kann nur dahingehend verstanden werden, daß bei den
jeweiligen Jahresabrechnungen die tatsächlichen Mehrkosten dem
Wohnungseigentümer hätten "zugeschlagen" werden können. So haben dies dann
auch übereinstimmend das Beschwerdegericht und der BGH ausgelegt. Bei diesem
Verständnis bleibt aber nur festzuhalten, daß in der Gemeinschaftsordnung keine
Öffnungsklausel vorhanden war, die einen Zugriff der Wohnungseigentümer auf die
Kostenverteilung erlaubt hätte. Damit fehlte aber der Gemeinschaft vollkommen die
"Regelungskompetenz" (vgl. dazu Wenzel, a.a.O. S. 236). Wenn die
Wohnungseigentümer gleichwohl einen Beschluß faßten, der in "das Grundverhältnis
der Gemeinschaft" (Wenzel, a.a.O. S. 240) eingreifen sollte, so hätte Wenzel in seinem
Beitrag wenigstens konsequent feststellen müssen, daß sich seine dort vertretenen
Thesen nicht mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH in Einklang bringen lassen.
Statt dessen vertritt Wenzel die Ansicht, daß mit dem Beschluß zur dauerhaften
Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels nur eine "Ausfüllung" der
Gemeinschaftsordnung bezweckt gewesen sei. Daß diese Auffassung auch vom BGH
nicht geteilt wird, mag ein kurzes Zitat aus der BGH-Entscheidung vom 16.9.1994
belegen. So formuliert der BGH dort (vgl. in ZMR 1995, 34 [36] im ersten großen Absatz
unter II. 2b):
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"Entscheidet die Mehrheit, wie hier, ohne eine dazu ermächtigende Vereinbarung, so
sind die Interessen der überstimmten oder der bei der Beschlußfassung nicht
anwesenden Wohnungseigentümer durch die Möglichkeit der Anfechtung und bei
schuldloser Fristversäumung durch das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gewahrt (BGHZ 54, 65 [70])."
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Damit hat sich der BGH aber eindeutig gegen die These Wenzels ausgesprochen, der
in seinem Aufsatz (a.a.O. S. 240 f.) formuliert hat:
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"Wer zustimmen muß, darf nicht darauf verwiesen werden, seine Interessen durch ein
Anfechtungsverfahren zu wahren."
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Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, daß die von Wenzel (im Anschluß an
Buck) propagierte Lösung eindeutig nicht mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH
konform geht (was den Ansatz von Wenzel ja nicht falsch machen muß, aber gleichwohl
nicht durch juristische "Quetschungen" übertüncht werden sollte).
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Befindet sich Wenzel somit nicht in Übereinstimmung mit der BGH-Rechtsprechung, so
erscheinen seine Thesen auch im übrigen nicht geeignet, die Grenzziehung zwischen
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der bloßen Anfechtbarkeit von Beschlüssen und ihrer Nichtigkeit besser ziehen zu
können, als dies bislang der Fall ist.
Denn das Problem besteht schlicht darin, daß der Gesetzgeber durch die Regelung des
§ 23 Abs. 4 WEG begrenzte Rechtsverletzungen zuläßt und diese mit der Bestandskraft
sanktioniert, wenn es nicht zu einer fristgerechten Anfechtung kommt. Jeder Versuch,
die Kategorien von "bloßer Anfechtbarkeit" und "Nichtigkeit" voneinander abzuheben,
stößt dabei auf die Schwierigkeit, daß die Abgrenzung nach dem "Regelungsinhalt"
häufig genug keine klare Trennung erlaubt.
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So enthalten z.B. Gebrauchsregelungen (etwa zur Waschküchenbenutzung) in aller
Regel gebrauchsgewährende und gebrauchsentziehende Momente. So mag etwa
festgelegt werden, daß nur bestimmte Wohnungseigentümer zu bestimmten Zeiten die
Einrichtung nutzen dürfen - sie dafür zu anderen Zeiten vom Gebrauch ausgeschlossen
sind. Überwiegt nun aber in krasser Form die den Wohnungseigentümer von dem
Gebrauch ausschließende Komponente, so kann sich die Gebrauchsregelung für den
davon begünstigten Wohnungseigentümers einem Sondernutzungsrecht annähern.
Mögen sich daher (wenn überhaupt) in der Theorie vielleicht noch recht klare Grenzen
zwischen "Gebrauchsregelungen" und "Sondernutzungsrechten" aufstellen lassen, so
können diese Grenzen zumindest in ihren Auswirkungen stark angenähert sein. Dabei
sei - erneut nur beispielhaft - auch an den Fall gedacht, in dem bei einer
Mehrhausanlage die Wohnungseigentümer beschließen, daß die Waschküche jeweils
nur von den Wohnungseigentümern benutzt werden dürfen, die in dem jeweiligen Haus
wohnen. Liegt darin ein Sondernutzungsrecht zugunsten dieser Wohnungseigentümer?
Oder handelt es sich nur um eine zulässige Gebrauchsregelung?
44
Sollen aber nun rechtswidrige Gebrauchsregelungen, die in ihren Auswirkungen der
Begründung eines Sondernutzungsrechtes zumindest sehr nahe kommen können, der
Anfechtung bedürfen, so bleibt die Frage, ob die Einräumung eines
Sondernutzungsrechtes immer und ausnahmslos zur Nichtigkeit der Beschlußfassung
führen muß.
45
Als Zwischenergebnis ist daher wohl doch festzuhalten, daß vielfach die Frage der
Eingriffsintensität wichtiger sein dürfte, als die rechtliche Qualifizierung des
Regelungsinhalts. Dieser Gedanke macht dann auch deutlich, daß nicht jede
Beschlußfassung, welche eine vom (WEG-)Gesetz geregelte Frage anderweitig lösen
will, bedeutungsvoll sein muß.
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So sieht (wiederum nur beispielhaft) das WEG in §§ 25 Abs. 3 und 4 eine Regelung für
den Fall vor, daß sich die Wohnungseigentümer bei einer Eigentümerversammlung nur
in einer Anzahl einfinden, die eine Beschlußfassung nicht erlaubt. Für diesen Fall muß
nach § 25 Abs. 4 Satz 1 WEG eine "neue Versammlung mit dem gleichen Gegenstand"
einberufen werden, die dann ohne Rücksicht auf die Höhe der vertretenen Anteile
beschlußfähig ist (§ 25 Abs. 4 Satz 2 1. HS WEG).
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Dieser Formalismus des Gesetzes erlaubt es nicht, die Einberufung zu einer zweiten
Versammlung (die meist etwa eine halbe Stunde nach der ursprünglich angesetzten
Versammlung stattfinden soll) bereits eventualiter für den Fall vorzunehmen, daß die
erste Versammlung beschlußunfähig sein sollte (vgl. Merle, in: Bärmann/Pick/Merle,
WEG, 8. Aufl., § 25 Rdn. 87). Unzweifelhaft können die Wohnungseigentümer jedoch
eine abweichende Vereinbarung treffen und sog. Eventualeinberufungen für zulässig
48
erklären (vgl. die Nachweise bei Merle, a.a.O., Rdn. 88).
Können sich aber die Wohnungseigentümer nun auch im Beschlußwege von dem
"WEG-Zopf" des § 25 Abs. 3 und 4 trennen?
49
Nach Auffassung von Wenzel dürfte dies wohl nicht möglich sein, weil die Geltung des
WEG nicht durch Beschlüsse soll unterhöhlt werden können. Durch eine
Beschlußfassung könnte die Zulässigkeit von Eventualeinberufungen daher nur dann
noch erreicht werden, wenn die Gemeinschaftsordnung dafür eine entsprechende
Öffnungsklausel vorsieht.
50
So würde Wenzel wohl bei der Beschlußfassung zur Eventualeinberufung einen
"vereinbarungsändernden" Beschluß annehmen wollen (obwohl dieser gar keine
Vereinbarung, sondern das Gesetz ändert, was schon die gebrauchte Terminologie
äußerst verwirrend erscheinen läßt). Ein solcher Beschluß wäre also nichtig, selbst
wenn die tatsächliche Wirkung kaum einen Wohnungseigentümer (oder seinen
Rechtsnachfolger) erheblich beeinträchtigen dürfte.
51
Bereits die vorstehenden Ausführungen lassen nach Ansicht des Abteilungsrichters
deutlich werden, daß die Abgrenzung von bloß anfechtbaren und nichtigen
Beschlüssen unter dem Blickwinkel der Beschlußkompetenz allenfalls in sehr
begrenztem Umfang weiter helfen dürfte (vgl. etwa Köhler, in: ZMR 1998, 249 - Anm. zu
OLG Köln vom 21.10.1997 - 16 Wx 255/97 -, ZMR 1998, 248).
52
Weiter bleibt zu kritisieren, daß ohne weiteres Fälle denkbar sind, bei denen unklar ist,
ob sie nur einer "ordnungsgemäßen Verwaltung" dienen oder ob sie "contra legem"
sind.
53
So mag - wie in dem hier zu entscheidenden Fall - ein Beschluß vorsehen, daß das auf
das ganze Jahr entfallende Wohngeld dann fällig wird, wenn ein Wohnungseigentümer
mit (ein oder zwei) Wohngeldzahlungen in Verzug kommt. Handelt sich dabei um eine
Regelung, die das WEG nicht vorsieht? Ist ein solcher Beschluß daher contra legem? In
diesem Sinne hat für die "Jahresfälligkeit" das AG Bergheim (WuM 1998, 749)
entschieden. Wörtlich heißt es in dem Beschluß (vgl. a.a.O.):
54
"Denn in der Sache handelt es sich um die Ahndung gemeinschaftswidrigen Verhaltens
durch Schaffung einer Regelung, die das Gesetz als solche nicht vorsieht. Zur
Schaffung einer solchen Regelung bedarf es generell einer Vereinbarung und nicht
lediglich eines Mehrheitsbeschlusses."
55
Sollte die Beurteilung des AG Bergheim zutreffen, so wäre eine Anfechtung des
Beschlusses nach der von Wenzel vertretenen Ansicht aber wohl nicht einmal
erforderlich. Denn dann wäre der Beschluß wiederum "vereinbarungsändernd" im oben
umschriebenen Sinn; es träte also automatisch Nichtigkeit ein.
56
Aber: Stimmt die Überlegung des AG Bergheim? Oder liegt in dem Beschluß nicht
vielmehr nur eine Konkretisierung der Zahlungsverpflichtung, welche die
Wohnungseigentümer ohnehin trifft? So regelt das WEG nicht in verbindlicher Weise,
wann von den Wohnungseigentümern Vorauszahlungen zur Lasten- und Kostentragung
zu erbringen sind. Mit Bub (in: Staudinger, WEG, 12. Aufl., § 28 Rdn. 48 ff.) kann daher
auch gut davon ausgegangen werden, daß die Wohnungseigentümer im Beschlußwege
57
die näheren Einzelheiten zur Vorauszahlungsverpflichtung innerhalb der Grenzen
ordnungsgemäßer Bewirtschaftung festlegen können.
Dem entsprechend hat der auch hier zur Entscheidung berufene Abteilungsrichter mit
Beschluß vom 8.12.1998 (AG Kerpen - 15 II 44/98 -, ZMR 1999, 126 [133 f.]) festgestellt,
daß die Regelung selbst auf eine erklärte Anfechtung hin nicht für unwirksam zu
erklären ist (vgl. zur näheren Begründung a.a.O.).
58
Nach alledem kann der von Wenzel vertretenen Theorie zur Abgrenzung von bloß
anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen nicht gefolgt werden (zu Recht kritisch daher
auch: Deckert, in: WE 2000, 52 ff. und ders., in: NZM 2000, 361 ff.; Riecke/Ormanschick,
in: ZMR 2000, 273 ff.).
59
Kann aber der von Wenzel vertretenen Abgrenzung zwischen bloß anfechtbaren und
nichtigen Beschlüssen nicht gefolgt werden, so hat das Gericht auch keine Bedenken,
die hier unter dem 5.10.1987 zu TOP 2 vorgenommene Beschlußfassung für wirksam zu
erachten. Danach ist die Antragsgegnerin einerseits für die Monate Januar und Februar
jeweils erst mit dem Ablauf des 3. Werktages in Verzug gekommen; andererseits ist das
Jahreswohngeld fällig geworden, nachdem die Antragsgegnerin das Wohngeld für die
Monate Januar und Februar 2000 nicht entrichtet hat. Denn die dort getroffene Regelung
ist nach Ansicht des Gerichts keinesfalls nichtig - vielmehr hält sich eine solche
Bestimmung der Fälligkeit des Wohngeldes sogar im Rahmen einer ordnungsgemäßen
Verwaltung des Wohnungseigentums (vgl. eingehender AG Kerpen, 1999, 126 [133 f.]).
60
Da der Antragsgegnerin sodann zur Entrichtung des fällig gewordenen Wohngeldes
eine Frist bis zum 15.2.2000 gesetzt wurde, befindet sie sich seit dem 16.2.2000 mit
dem noch offenen Restbetrag des Wohngeldes in Höhe von 3.330 DM in Verzug.
61
Weiter hat die Antragsgegnerin die in der Teilungserklärung vorgesehenen Mahnkosten
zu entrichten. Die Bestimmung in der Teilungserklärung lautet dazu (§ 12 Ziffer 5 Abs.
2):
62
"Der säumige Wohnungseigentümer hat dem Verwalter als zusätzlichen
Kostenausgleich für die erste Mahnung DM 5,--, für die zweite und jede weitere
Mahnung DM 10,-- zu erstatten, soweit die Mahnungen berechtigt waren."
63
Dieser Passus in der Teilungserklärung kann jedoch nach Auffassung des Gerichts
entgegen der der Ansicht der Antragstellervertreter nicht dahingehend ausgelegt
werden, daß der gemahnte Wohnungseigentümer neben den genannten Beträgen noch
die Mehrwertsteuer in Höhe von (zur Zeit) 16 % zahlen müßte. Dabei ist zu bedenken,
daß Teilungserklärungen nach objektiven Gesichtspunkten wie Grundbucherklärungen
ausgelegt werden müssen (vgl. näher zur Frage der Auslegung von
Gemeinschaftsordnungen bzw. Teilungserklärungen: Kreuzer, in: Staudinger, WEG, 12.
Aufl., § 10 Rdn. 72 ff.). Bei verständiger Würdigung wird aber als Inhalt der Erklärung nur
angesehen werden können, daß es sich bei den angegebenen Mahnkosten, die an den
Verwalter zu leisten sind, jeweils um Brutto- und nicht um Nettokosten handeln sollte.
Für die drei Mahnungen, welche die Antragstellerin gegenüber der säumigen
Antragsgegnerin ausgebracht hat, können daher auch nur 25 DM und nicht 29 DM (= 25
DM zzgl. 16 % MWSt.) verlangt werden.
64
Die Antragstellerin ist schließlich auch berechtigt, das Wohngeld im Namen der übrigen
65
Wohnungseigentümer geltend zu machen (vgl. § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG). Dies ergibt sich
aus Ziffer 2.4. des (gerichtsbekannten) Verwaltervertrages.
Gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Hausgeldvorschüssen hat die
Antragsgegnerin keine Einwendungen erhoben.
66
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
67
Es entsprach billigem Ermessen, der Antragsgegnerin als der Unterlegenen die
Verfahrenskosten aufzuerlegen. Gleiches gilt für die außergerichtlichen Kosten der
Antragstellerin, da es sich - bis auf einen verschwindend geringen Teil der Zinsen und
der Nebenkosten - um einen begründeten Antrag auf Zahlung von Wohngeld gehandelt
hat und seitens der Antragsgegnerin kein Grund für die Nichtzahlung vorgebracht
wurde.
68
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 44 Abs. 3 Satz 1 WEG.
Wohnungseigentümergemeinschaften sind auf den regelmäßig Fluß von Wohngeld
angewiesen, ohne die eine Bewirtschaftung der Objekte nicht aufrecht erhalten werden
kann. Da vorliegend nicht ersichtlich ist, weshalb die Antragsgegnerin ihrer
Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt, hat das Gericht von Amts wegen die vorläufige
Vollstreckbarkeit der Forderung angeordnet. Dadurch soll auch verhindert werden, daß
die Antragsgegnerin möglicherweise alleine deshalb ein Rechtsmittel gegen die
Entscheidung einlegt, um die Rechtskraft des Beschlusses - und damit die
Vollstreckbarkeit (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG) - hinauszuzögern.
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Das Gericht hat im schriftlichen Verfahren entschieden, nachdem die Antragsgegnerin
mit Verfügung vom 14.3.2000 - zugestellt am 8.4.2000 - auf eine solche Möglichkeit
hingewiesen wurde und von ihr innerhalb der gesetzten Frist von 3 Wochen nicht um
eine mündliche Verhandlung nachgesucht wurde. Außerdem erscheint das Verfahren
vollständig aufgeklärt; da es sich um einen Antrag auf Zahlung von Wohngeld handelt,
kommt im übrigen auch eine gütliche Einigung der Beteiligten über die
Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin nicht in Betracht.
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Geschäftswert nach § 48 WEG: 4.025 DM
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