Urteil des AG Düsseldorf vom 22.07.2008

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Amtsgericht Düsseldorf, 21 C 7347/07
Datum:
22.07.2008
Gericht:
Amtsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
21 C 7347/07
Tenor:
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 01. Juli 2008
durch den Richter am Amtsgericht X
für R e c h t erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen
Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer Deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls in
Anspruch, der sich am 16. April 2007 gegen 16:25 Uhr auf der Hstraße in X ereignete.
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Zum damaligen Zeitpunkt stand der Kläger mit seinem Fahrzeug, Fabrikat Daimler
Crysler, Typ XX XX, amtliches Kennzeichen X-X XXXX, richtungsverkehrt vor dem
Hause Hstraße Nr. X auf dem dortigen Bürgersteig. Hinter dem Fahrzeug des
Klägers lag der Einfahrtsbereich zu einer Tiefgarage. Vor dem Wagen befand sich
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ein Baum. Der Kläger beabsichtigte, vom Gehweg aus auf den Fahrbahnbereich
der Hstraße in Fahrtrichtung Bstraße einzufahren. Wegen des vor ihm
befindlichen Baumes war er gehalten, vor dem Befahren der Hstraße zunächst
zurückzusetzen. Der Zeuge B befuhr seinerzeit mit dem bei der Beklagten
haftpflichtversicherten Pkw der Firma XXXX GmbH, Fabrikat Opel, amtliches
Kennzeichen X-XX XXX, die Hstraße – aus Fahrtrichtung Bstraße kommend – in
Fahrtrichtung Xstraße. Er beabsichtigte damals, von der Hstraße nach rechts in
die Tiefgarage des Hauses Hstraße XXX einzufahren. Im Bereich der
Tiefgarageneinfahrt kam es auf dem Bürgersteig zum Zusammenstoß mit dem
klägerischen Fahrzeug. An beiden Wagen entstanden Sachschäden.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger einen Ersatzanspruch in Höhe von
1.941,80 € geltend. Die Klageforderung setzt sich wie folgt zusammen:
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1. Reparaturkosten: 1.551,80 €
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2. Sachverständigengebühren: 365,00 €
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3. Unkostenpauschale: 25,00 €.
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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
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Der Unfall sei darauf zurückzuführen, dass der Zeuge B infolge von
Unaufmerksamkeit bzw. einer Fehleinschätzung beim Rechtsabbiegen in die
Tiefgarageneinfahrt gegen sein – des Klägers – stehendes Fahrzeug gestoßen sei.
Er – der Kläger – habe im Zusammenhang mit dem Ausparkmanöver zuvor
zunächst auf dem Fußweg gehalten, um zwei Fahrradfahrer vorbeizulassen. Für
ihn stelle daher der Unfall ein unabwendbares Ereignis dar.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.941,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 22. Mai
2007 zu zahlen.
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Die Beklagte stellt den Antrag,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie u.a. Folgendes vor:
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Das Unfallverschulden liege in vollem Umfang auf der Seite des Klägers. Der
Zeuge B sei verkehrsgerecht in den Bereich der Tiefgarageneinfahrt eingefahren,
als der Kläger unvermittelt mit seinem Wagen zurückgesetzt sei. Damit habe der
Zeuge B nicht rechnen können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Anhörung des Klägers als Partei, durch
Vernehmung der Zeugen B und J sowie durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens und dessen mündlicher ergänzender Erläuterung.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschriften vom 19. Oktober 2007 und vom 01. Juli 2008 (Blatt 81 bis
86 und 156 bis 162 d.A.) sowie das Gutachten des Sachverständigen S vom 10.
März 2008 (Blatt 103 bis 157 d.A.) verwiesen.
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Die beigezogene Akte, Aktenzeichen: 325 OWi 90 Js 2706/07, Amtsgericht
Düsseldorf, war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger stehen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 16. April 2007
keine Ansprüche auf Ersatz seiner unfallbedingten Schäden in Höhe von 1.941,80
€ gegen die Beklagte zu.
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Zwar ergibt sich im vorliegenden Fall eine grundsätzliche Haftung der Beklagten
für die eingeklagten Schäden gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 PflVG. Dies folgt daraus,
dass diese Schäden bei dem Betrieb des bei ihr haftpflichtversicherten
Fahrzeuges der Firma XXXX GmbH entstanden sind und die Beklagte nicht den
Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 7 Abs. 2 StVG führen kann.
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Aber auch der Kläger als Halter und Führer des anderen unfallbeteiligten
Kraftfahrzeuges haftet grundsätzlich gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG für die
Unfallfolgen. Denn auch er hat nicht nachweisen können, dass der Unfall aus
seiner Sicht durch höhere Gewalt verursacht wurde.
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Steht somit die grundsätzliche Haftung der Parteien fest, so hängt in ihrem
Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang
des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG von den Umständen,
insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder
anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist
ausschlaggebend, mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit ein Umstand
allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Hierbei
richtet sich die Schadensverteilung auch nach dem Grad eines etwaigen
Verschuldens eines Beteiligten. Jedoch können im Rahmen dieser Abwägung zu
Lasten einer Partei nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die als
unfallursächlich feststehen. Ist das Maß der Verursachung auf der einen Seite so
groß, dass demgegenüber die von der anderen Partei zu verantwortende
Mitverursachung nicht ins Gewicht fällt, so kann der Schaden ganz der einen
Partei auferlegt werden. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall zum
Nachteil des Klägers gegeben.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme belastet den Kläger nämlich neben der
Betriebsgefahr seines Fahrzeuges ein unfallursächliches Verschulden. Ihm ist
insoweit anzulasten, zur Unfallzeit gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen zu haben.
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Nach dieser Bestimmung muss sich ein Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so
verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Diesem Gebot ist der Kläger nicht gerecht geworden, als er im Zusammenhang mit
dem Ausparkmanöver auf dem Bürgersteig vor dem Hause Hstraße XXX mit
seinem Fahrzeug zurücksetzte, obwohl sich unmittelbar hinter ihm der Zeuge B
mit dem Pkw der Firma XXXX GmbH befand und gerade in die Tiefgarageneinfahrt
einfahren wollte. Dadurch kam es zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge.
Dass sich der vom Kläger geführte Wagen zum Zeitpunkt der Kollision in einer
Rückwärtsbewegung befand, ergibt sich aus den übereinstimmenden
Bekundungen der Zeugen B und J sowie der Unfallanalyse des Sachverständigen
S. Die Zeugen B und J, die zur Unfallzeit im Fahrzeug der Firma XXXX GmbH
saßen, haben übereinstimmend bekundet, dass der vom Zeugen B geführte Pkw
nach dem Rechtsabbiegen schon hinter dem Fahrzeug des Klägers im Bereich
der Tiefgarageneinfahrt war, als der Kläger plötzlich zurückgesetzt sei. Dadurch
sei es – so die Zeugen weiterhin – zur Kollision gekommen. Das Gericht hat keine
Veranlassung, den Aussagen der Zeugen nicht zu glauben. Sie haben das
Unfallgeschehen damals aus nächster Nähe mitbekommen. Diese Nähe zum
Unfallgeschehen gewährleistet eine sichere und verlässliche Wahrnehmungs- und
Erinnerungsleistung. Die Bekundungen der Zeugen finden zudem durch die
Unfallanalyse des Sachverständigen ihre Bestätigung. Der Sachverständige hat
zusammenfassend festgestellt, es sei im Hinblick auf die wechselseitigen
Beschädigungen und Kontaktspuren an den Unfallfahrzeugen einerseits sowie
die örtlichen Gegebenheiten andererseits völlig auszuschließen, dass das
Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt der Kollision gestanden habe. Nach seiner
Analyse müsse vielmehr das Klägerfahrzeug über eine Strecke von mindestens 1
bis 2 m unachtsam zurückgesetzt worden sein, so dass es mit einer
Geschwindigkeit von ca. 3 bis 4 km/h mit der hinteren rechten Ecke gegen die
hintere rechte Tür des Fahrzeuges der Firma XXXX GmbH gestoßen sei. Der
Sachverständige hat klargestellt, dass es aus technischer Sicht völlig
auszuschließen sei, dass die dynamische Annäherung der Fahrzeuge auf eine
Unachtsamkeit des Zeugen B beim Rechtsabbiegen in die Tiefgarage
zurückzuführen sei. Wegen der näheren Einzelheiten wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die fachlich fundierten und in nachvollziehbarer Weise
erläuterten Feststellungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen
Gutachten Bezug genommen. Soweit der Kläger zunächst Einwendungen gegen
die Feststellungen des Sachverständigen erhoben hat, wurden diese durch die
ergänzenden mündlichen Angaben des Sachverständigen überzeugend und
wohlbegründet ausgeräumt. Auf den Inhalt des entsprechenden
Sitzungsprotokolls wird insoweit ergänzend verwiesen.
Dagegen belastet die Beklagte lediglich die Betriebsgefahr des auf ihrer Seite
beteiligten Fahrzeuges. Zwar hat sie im Rahmen der Beweisaufnahme nicht
nachweisen können, dass der Unfall aus Sicht des Zeugen B durch höhere Gewalt
verursacht wurde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme trifft den Zeugen B
aber kein unfallursächliches (Mit-)verschulden.
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Nach alledem ist es unter Berücksichtigung der vorliegenden Gesamtumstände im
Rahmen der umfassenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und
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Verschuldensanteile gemäß §§ 17, 18 Abs. 3 StVG geboten, die Betriebsgefahr des
bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeuges völlig zurücktreten zu lassen
und ausschließlich den Kläger mit der Haftung für die Unfallfolgen zu belasten.
Damit trägt das Gericht zum einen dem Umstand Rechnung, dass den Kläger die
zur Unfallzeit höhere Betriebsgefahr trifft. Denn ein Fahrzeug, das im Zuge eines
Ausparkmanövers auf einem Gehweg zurücksetzt, stellt gegenüber den übrigen
Verkehrsteilnehmern ein höheres Gefährdungspotential dar, als ein Fahrzeug, das
ordnungsgemäß nach rechts in den Bereich einer Tiefgarageneinfahrt einfährt.
Darüber hinaus belastet den Kläger wegen seines Verkehrsverstoßes gegen § 9
StVO das alleinige unfallursächliche Verschulden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 11, 711 und 108 ZPO.
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Streitwert: 1.941,80 €.
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