Urteil des AG Darmstadt vom 12.02.2009

AG Darmstadt: gehweg, fahrrad, radweg, kollision, anhörung, geschwindigkeit, parkplatz, schmerzensgeld, vollstreckung, fahrbahn

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Gericht:
AG Darmstadt
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
304 C 181/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 StVO, § 2 Abs 4
StVO, § 10 StVO, § 7 StVG, §
11 StVG
Verkehrsunfallhaftung: Kollision eines den Gehweg
befahrenden Fahrradfahrers mit einem aus einer
Parkplatzausfahrt kommenden Kraftfahrzeug
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagten
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert beträgt 4.561,39 Euro.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten materiellen und immateriellen
Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.
Der Kläger befuhr mit seinem Fahrrad am 26.06.2007 links von der Fahrbahn der
Neckarstraße das in nördlicher Richtung parallel verlaufende Teilstück zwischen der
Adelungstraße und Rheinstraße. Ob es sich bei diesem Teilstück um einen Fußweg,
einen gemeinsamen Fuß- und Radweg oder um einen getrennten Rad- und Fußweg
handelt, ist zwischen den Parteien streitig. Auf der gegenüberliegenden Seite
rechts von der Neckarstraße befindet sich auf gleicher Höhe ein in Fahrtrichtung
des Fahrverkehrs verlaufender Radweg. Im weiteren Verlauf kollidierte der Kläger
mit seinem Fahrrad mit dem den Parkplatz des ehemaligen Finanzamtes mit
seinem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... herausfahrenden Beklagten zu 1).
Der weitere Unfallher-gang ist zwischen den Parteien streitig. Wie sich der mit der
Klage geltend gemachte materielle Schaden in Höhe von 2.061,39 Euro
zusammensetzt ergibt sich aus Seiten 3 bis 5 der Klageschrift. Hierauf wird Bezug
genommen. Darüber hinaus verlangt der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von
nicht unter 2.500,00 Euro sowie 489,45 an außergerichtlichen Anwaltskosten.
Der Kläger trägt vor, er sei mit einer Geschwindigkeit von rund 20 km/h einen
"Fußgänger-/Radweg" gefahren, als der Unfall passiert sei. Der Beklagten zu 1) sei
aus dem Parkplatz herausgefahren, ohne auf den Personenverkehr zu achten und
ohne seine Geschwindigkeit zu verringern. Hierbei sei er unmittelbar vor ihm, dem
Kläger, über den Bürgersteig gefahren. Trotz einer sofortigen Vollbremsung seines
Fahrrades habe er eine Kollision nicht verhindern können und sei mit dem Fahrrad
und mit dem Kopf gegen die rechte Beifahrertür gestoßen. Hierdurch habe er
Verletzungen erlitten wie sie auf Seite 2 f der Klageschrift beschrieben seien.
Wegen der hierzu behaupteten Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. In dem
auf Seite 3 der Klageschrift geschilderten Umfang und Zeitraum – hierauf wird im
Einzelnen Bezug genommen – habe er unter den Schmerzen gelitten. Ihm sei ein
Haushaltsführungsschaden in Höhe von 1.069,454 Euro und ein Schaden wegen
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Haushaltsführungsschaden in Höhe von 1.069,454 Euro und ein Schaden wegen
entgangener Zulagen in Höhe von 832,39 Euro, wegen Zerstörung eines
Silberbandes in Höhe von 80,00 Euro, wegen unfallbedingter Fahrten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln in Höhe von 39,60 Euro, wegen Medikamenten in
Höhe von 14,95 Euro und wegen einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro
entstanden. Wegen der hierzu behaupteten Einzelheiten wird auf Seiten 3 bis 5 der
Klageschrift Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld von
nicht unter 2500 Euro, dessen endgültige Höhe in das Ermessen des Gerichts
gestellt wird, sowie weitere 2061,39 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.105,00 Euro seit dem 27.07.2007,
im Übrigen seit Rechtshängigkeit sowie 489,45 Euro außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, der Kläger sei mit einer hohen Geschwindigkeit auf
einem Gehweg gefahren. Der Beklagte zu 1) habe vor Überqueren des Gehwegs
nach links und nach rechts geschaut. Er sei mit seinem Pkw dann auf den Gehweg
gefahren und habe dort gestanden, als der Kläger mit seinem Fahrrad gegen sein
stehendes Fahrzeug gefahren sei. Dass die Rechtsanwaltskosten entstanden seien
und vom Kläger bezahlt worden seien, werde bestritten. Wegen der weiteren zum
Vortrag der Beklagten behaupteten Einzelheiten wird auf den Inhalt des
Schriftsatzes vom 27.05.2008 Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie hinsichtlich der persönlichen
Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) auf den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 11.12.2008 Bezug genommen. Die VerkehrsOWi-Akten
982.515778.3 des Regierungspräsidenten in Kassel hat das Gericht zu
Beweiszwecken beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf materiellen und
immateriellen Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, 115 VVG zu.
Bei dem Betrieb des Pkws des Beklagten zu 1) der Körper des Klägers verletzt
worden.
Zwar haben die Beklagten den ihnen obliegenden Nachweis des unabwendbaren
Ereignisses nach § 17 Abs. 3 StVG nicht geführt.
Gleichwohl kommt eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht, da der gemäß §§
9 StVG, 254 Abs. 1 BGB dem Kläger anzurechnende Mitverursachungs- und
Mitverschuldensanteil so erheblich ist, dass die vom Pkw des Beklagten zu 1)
ausgehende Betriebsgefahr außer Betracht zu bleiben hat (so auch OLG Karlsruhe
NJW-RR 1991, 547 und OLG Schleswig r + s 1991, 261). Nach dem Ergebnis der
informatorischen Anhörung der Parteien und der Auswertung der in den
VerkehrsOWi-Akten steht fest, dass der Kläger grob verkehrswidrig unter Verstoß
gegen § 2 Abs. 1 StVO auf dem Gehweg entgegen der Fahrtrichtung des
Fahrverkehrs auf der Neckarstraße gefahren ist und bei seinem verbotenen Tun
auch nicht etwa in Schrittgeschwindigkeit gefahren ist. Dies ergibt sich
eindrucksvoll aus der eigenen Unfallschilderung des Klägers im Rahmen seiner
mündlichen Anhörung, wonach er zunächst nur eine leichte Bremsung vollführt
hat, als der den Pkw des Beklagten zu 1) im Augenwinkel sah, dann aber eine
Vollbremsung, als dieser "herausgeschossen" sei, und dann von seiner Fliehkraft
angetrieben nach vorne "geschossen" sei. Hätte der Kläger sich einer
Schrittgeschwindigkeit befleißigt wie diese Fußgänger auf einem Gehweg
einzuhalten pflegen, dann wäre es nicht zu einer Kollision gekommen. Dass bei
dem Ausfahrvorgang des Beklagten zu 1) Fußgänger oder wenn auch
verkehrsordnungswidrig dann zumindest mit Schrittgeschwindigkeit fahrende
Radfahrer gefährdet worden sind, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dass
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Radfahrer gefährdet worden sind, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dass
der Beklagte zu 1) beim Ausfahren die ihm gemäß § 10 StVO obliegende Sorgfalt
nicht gewahrt hätte, ist indes nicht erwiesen. Zwar hat der Kläger ausgesagt, der
Beklagte zu 1) sei "herausgeschossen", der Beklagte zu 1) hat dies aber
bestritten. Objektive Anknüpfungstatsachen, die die Version des Klägers
glaubhafter erscheinen lassen könnte als die des Beklagten zu 1), gibt es nicht.
Dass der Kläger einen Gehweg benutzte und nicht etwa einen gemeinsamen Fuß-
und Radweg (Zeichen 240 der StVO) oder einen getrennten Rad- und Fußweg
(Zeichen 241 der StVO) mit Richtungsfreigabe in seiner Fahrtrichtung, ergibt sich
eindrucksvoll aus dem polizeilichen Vermerk vom 26.08.2007 in den VerkehrsOWi-
Akten und den zu diesem beigefügten Lichtbildern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr.
11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.