Urteil des AG Bensheim vom 04.12.2007

AG Bensheim: einstellung des verfahrens, freispruch, vertreter, strafverfahren, fahrverbot, geldstrafe, gebühr, quelle, zivilrichter, wartezeit

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Gericht:
AG Bensheim
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
52 Ds 130 Js
19869/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 4108
RVG, § 14 Abs 1 RVG
Rechtsanwaltskosten im Strafverfahren: Voraussetzungen
für eine durchschnittliche Terminsgebühr
Tenor
wird auf Erinnerung von Rechtsanwalt ... der Kostenfeststellungsbeschluss vom
17.09.07 aufgehoben.
Die Sache wird dem Rechtspfleger zur Neubescheidung zurückgegeben.
Gründe
Die Erinnerung ist begründet.
Der Bezirksrevisorin war es versagt die vom Erinnerungsführer errechnete
Terminsgebühr zu korrigieren. Das ist nur bei einer im Sinne des § 14 I 1 RVG
unbilligen Gebührenberechnung durch den Rechtsanwalt möglich. Dies kann hier
allerdings nicht bejaht werden. Davon kann nur bei einer 20 %igen Überschreitung
des zulässigen Gebührenrahmens durch den Rechtsanwalt ausgegangen werden.
Die vom Erinnerungsführer errechnete Gebühr war aber billig. Sie ist nämlich auch
dann noch als billig anzusehen, wenn sie an den oberen Rand des durch die
Umstände bestimmten Rahmens geht (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-
Rabe, RVG, § 14 Rn 9). Die Voraussetzungen für die Erhebung der
durchschnittlichen Terminsgebühr von 230,– Euro gemäß VV 4108 Anlage 1 RVG
sind erfüllt.
Die Bedeutung des Falles war überdurchschnittlich. Der Angeklagten drohte nicht
nur Geldstrafe von mindestens 50 Tagessätzen, sondern darüber hinaus noch ein
Fahrverbot gemäß § 44 StGB von mindestens einem Monat (in der Regel sogar
drei Monaten). Gerade auch im Hinblick auf einen eventuellen zivilrechtlichen
Prozess auf Grund des Schadens am PKW des Geschädigten, der eventuell von der
Angeklagten hätte verursacht worden sein können, hat der Fall eine erhöhte
Bedeutung (Gerold/Schmidt/von Eicken/ Madert/Müller-Rabe, RVG, § 14 Rn 89).
Zwar ist der Zivilrichter nicht an das Urteil gebunden, wird sich aber sicherlich
gründlich damit auseinandersetzen.
Die Länge der Verhandlung ist entgegen der Bezirksrevisorin nicht als deutlich
unterdurchschnittlich anzusehen. Die angegebene durchschnittliche
Verhandlungsdauer ist zu hoch angesetzt worden. Bei einem Amtsrichter ist eine
Hauptverhandlungsdauer von einer Stunde keinesfalls als unterdurchschnittlich
anzusehen (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/ Müller-Rabe, RVG, § 14 Rn 41). Der
Erinnerungsführer war hier jedoch annähernd so lange beschäftigt. Die
Verhandlung dauerte 25 Minuten zuzüglich 10 Minuten Wartezeit, die in jedem Fall
berücksichtigt werden müssen. Hinzu kamen noch 10 bis 15 Minuten aus
Vorgesprächen zwischen dem Vorsitzenden, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft
und dem Erinnerungsführer als Verteidiger. Dies kann im Verhältnis zur
durchschnittlichen Hauptverhandlungsdauer am Amtsgericht nur als minimal
unterdurchschnittlich gewertet werden und deswegen nicht ins Gewicht fallen.
Im Übrigen kann dem Erinnerungsführer die zügige Verhandlungsführung des
Vorsitzenden nicht zur Last gelegt werden. Es wäre geradezu widersinnig einen
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Vorsitzenden nicht zur Last gelegt werden. Es wäre geradezu widersinnig einen
Verteidiger auch noch für eine langsame Verhandlungsführung durch den
Vorsitzenden zu "belohnen". Dem Verteidiger darf gerade kein Vorteil dadurch
entstehen, dass er eine Verhandlung bewusst in die Länge zieht beziehungsweise
eine langsame Verhandlungsführung des Vorsitzenden noch durch dies
begünstigendes Verhalten unterstützt.
Die Schwierigkeit des Falls muss ebenfalls als durchschnittlich eingestuft werden.
Auf Grund der Aussageverweigerung der Angeklagten musste vor allem die
Belastungszeugin genauestens vernommen werden. Zwischen dem Vorsitzenden,
dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und dem Erinnerungsführer als Verteidiger
der Angeklagten kam es danach noch zu kontrovers geführten Diskussionen über
das rechtliche Problem wie der Fall letztlich zu lösen sei. Hierbei wurden sehr
unterschiedliche Auffassungen vertreten. Zumal die Staatsanwaltschaft auf eine
Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO drängte.
Eine andere Bewertung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass letztlich der
Vertreter der Staatsanwaltschaft Freispruch beantragte und der Erinnerungsführer
sich diesem anschloss (LG Osnabrück AnwBl 84, 263). Die Aufklärung des
Sachverhalts durch die Zeugin beruhte eben auch auf der Tätigkeit des
Erinnerungsführers. Außerdem musste er hier im Plädoyer gerade Ausführungen
zum Freispruch machen, da der Vertreter der Staatsanwaltschaft (zulässigerweise)
nur Freispruch beantragte ohne größere Ausführungen dazu zu machen.
Einzig und allein die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten sind mit einem
Einkommen von durchschnittlich 900,– Euro als unterdurchschnittlich anzusehen.
Dies allein genügt jedoch nicht, um in der Gesamtbewertung von einer
unterdurchschnittlichen Terminsgebühr für den Erinnerungsführer auszugehen.
Des Weiteren war hier nach § 14 I 2+3 RVG ein besonderes Haftungsrisiko für den
Erinnerungsführer positiv zu berücksichtigen. Er hat dem Einstellungsvorschlag der
Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren gerade nicht zugestimmt und
stattdessen weiter auf einen Freispruch hingewirkt. Hätte er sich hier geirrt und
wäre es entgegen seiner Vorstellung zu einer Verurteilung gekommen, hätte der
Erinnerungsführer in jedem Fall haften müssen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.