martina heck

27.07.2015

WEG darf spielende Hunde im Garten erlauben …

… und das ganz ohne Leine.

Darf eine Wohnungseigentümergemeinschaft einen Beschluss dahingehend fassen, dass Hunde (soweit dies nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstösst) auch unangeleint auf einer Rasenfläche des Gemeinschaftseigentums spielen dürfen?

Mit dieser Frage hatte sich nun der Bundesgerichtshof auseinanderzusetzen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies grundsätzlich möglich ist, aber nicht generell bejaht oder verneint werden kann, sondern sich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall bilden die Parteien eine Wohnungseigentümergemeinschaft in Schleswig-Holstein. Diese besteht aus sechs Wohneinheiten, von denen eine im Sondereigentum des Klägers steht. Am 15.01.2013 fand eine Eigentümerversammlung statt. Die mit der Einladung zu dieser Versammlung übersandte Tagesordnung führte unter TOP 4

Klarstellung der Beschlüsse zur Hundehaltung

auf.

Hierzu fassten die Wohnungseigentümer in der Versammlung mehrheitlich folgenden Beschluss:

Hunde der Eigentümer und Mieter dürfen bis auf Widerruf auf den Rasenflächen spielen. Die Rasenflächen sind jedoch kein Hundeklo, sollten Hunde dennoch versehentlich auf dem Rasen koten, so ist dieser Kot unverzüglich und sorgfältig durch den Hundebesitzer zu entfernen. In keinem Fall dürfen Hunde der Bewohner Gäste oder Mitbewohner z.B. durch Anspringen belästigen.

Diese Erlaubnis gefiel dem Kläger nicht.

Die von ihm gegen diesen Beschluss erhobene Beschlussmängelklage (darauf gerichtet, den betreffenden Beschluss für nichtig, hilfsweise für ungültig zu erklären) hat das Amtsgericht Pinneberg abgewiesen; die Berufung des Klägers zum Landgericht Itzehoe blieb ohne Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision zugelassen, jedoch die angefochtene Entscheidung bestätigt.

Der Beschluss ist zunächst einmal nicht wegen Fehlens der gemäß § 23 Abs. 1 WEG erforderlichen Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig (§ 23 Abs. 4 Satz 1 WEG). Die Berechtigung, die Nutzung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Rasenfläche durch Mehrheitsbeschluss zu regeln, folgt aus § 15 Abs. 2 WEG. Hiernach können die Wohnungseigentümer, soweit nicht eine Vereinbarung nach Absatz 1 der Vorschrift entgegensteht, durch Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsgemäßen Gebrauch beschließen.

Der Aufteilungsplan, der der Teilungserklärung beigefügt ist und eine Rasenfläche mit Spielgeräten ausweist, stellt keine bindende, das Spielen von Hunden ausschließende Nutzungsbeschränkung dar, von der nur durch eine Vereinbarung aller Miteigentümer abgewichen werden könnte. Es handelt sich um einen Plan im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG, der lediglich den Zweck hat, die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe der im Sondereigentum und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich zu machen. Seiner sachenrechtlichen Abgrenzungsfunktion entsprechend regelt der Aufteilungsplan grundsätzlich nur die räumliche Abgrenzung und nicht die Nutzung der Räumlichkeiten. Soweit eine Nutzung angesprochen ist, handelt es sich in aller Regel – und so auch hier – um einen bloßen Nutzungsvorschlag, mit dem keine bindende Nutzungsbeschränkung verbunden ist.

Die Beschlusskompetenz fehlt auch nicht deshalb, weil sich der Beschluss nicht auf eine Gebrauchsregelung beschränkt, sondern – in den Auswirkungen mit einem Sondernutzungsrecht vergleichbar – mit einem Ausschluss vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums einhergeht. Der Umstand, dass Hunde auf den im Gemeinschaftseigentum stehenden Rasenflächen spielen dürfen, führt nicht zu einem faktischen Ausschluss des Mitgebrauchs durch solche Wohnungseigentümer, die Angst vor freilaufenden Hunden haben oder sich in deren Nähe nicht wohl fühlen. Auch solche Eigentümer können die Rasenflächen jedenfalls in den Zeiten nutzen, in denen sich dort keine Hunde aufhalten. Selbst wenn jedoch Hunde unangeleint auf dem Rasen sind, ist ein gleichzeitiger Aufenthalt von Wohnungseigentümern objektiv nicht ausgeschlossen. Ob das Interesse von Eigentümern, nicht von unangeleinten Hunden belästigt oder gar verletzt zu werden, die Wohnungseigentümergemeinschaft daran hindert, das Spielen von frei laufenden Hunden auf den Rasenflächen zu erlauben, ist keine Frage der Beschlusskompetenz, sondern richtet sich danach, ob eine entsprechende Regelung sich noch im Rahmen des ordnungsmäßigen Gebrauchs im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG hält.

Das in der Hausordnung enthaltene Verbot der Tierhaltung außerhalb der Wohnung steht der Beschlusskompetenz bereits deshalb nicht entgegen, weil mit dem Beschluss nicht eine solche Tierhaltung, sondern lediglich das Spielen von Hunden auf den Rasenflächen erlaubt wird.

Der Beschluss ist auch nicht für ungültig zu erklären (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG).

Er verstößt nämlich nicht gegen die formellen Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 WEG.

Ob der Gegenstand eines Beschlusses bei der Einberufung im Sinne der Vorschrift hinreichend bezeichnet ist, bestimmt sich nach ihrem Zweck, den Wohnungseigentümer in die Lage zu versetzen, sich anhand der Tagesordnung auf die Versammlung vorzubereiten und zu entscheiden, ob er daran teilnehmen will. Regelmäßig reicht insoweit eine schlagwortartige Bezeichnung aus.

Diesen Anforderungen genügt die Einladung zu TOP 4. Nach den Feststellungen des Landgerichts Itzehoe war die Hundehaltung auf vorangegangenen Eigentümerversammlungen mehrfach Thema, unter anderem auf einer Versammlung vom 04.01.2010. Demnach war für die Wohnungseigentümer erkennbar, um welches Thema es ging.

Die angegriffene Regelung hat auch einen ordnungsmäßigen Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG zum Inhalt.

Ordnungsmäßig ist der Gebrauch, den § 14 WEG gestattet und der nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. Die Einzelheiten sind anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums bei Beachtung des Gebots der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen zu ermitteln. Hierbei steht den Wohnungseigentümern ein Ermessenspielraum zu.

Vorliegend hält sich der Beschluss in den Grenzen des den Wohnungseigentümern eingeräumten Ermessensspielraums.
Die Regelung, dass Hunde der Eigentümer und Mieter auf den Rasenflächen spielen dürfen, wäre nicht mehr ordnungsmäßig, wenn hiermit gegen zwingende Vorschriften des Schleswig-Holsteinischen Gefahrhundegesetzes (GefHG) vom 28.01.2005 verstoßen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der angefochtene Beschluss, den der Bundesgerichtshof in vollem Umfang ohne Bindung an die Auslegung durch das Berufungsgericht selbst auslegen kann, wobei die Auslegung „aus sich heraus“ objektiv und normativ zu erfolgen hat, erlaubt zwar grundsätzlich auch das Spielen mit nicht angeleinten Hunden. Der in § 2 Abs. 2 Nr. 4 GefHG hinsichtlich aller Hunde bei Mehrfamilienhäusern angeordnete allgemeine Leinenzwang erstreckt sich jedoch nur auf Zuwege, Treppenhäuser, Aufzüge, Flure und sonstige von der Hausgemeinschaft gemeinsam genutzte Räume, nicht jedoch auf die hier in Rede stehenden Rasenflächen.

Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es in der Wohnanlage gefährliche Hunde im Sinne des § 3 Abs. 2 und 3 GefHG gibt, liegt ein Verstoß gegen den für solche Hunde in § 10 Abs. 3 GefHG angeordneten Leinenzwang ebenfalls nicht vor.

Auch im Übrigen ist der Beschluss nicht ermessenswidrig.
Die Erlaubnis, Hunde der Eigentümer und Mieter auf den Rasenflächen spielen zu lassen, trägt dem Umstand Rechnung, dass tierhaltende Mitei-gentümer oder Mieter einer Eigentumswohnung ihre Freizeit gemeinsam mit ihren Hunden gestalten möchten. Dies erstreckt sich auch auf die Nutzung von im Gemeinschaftseigentum stehenden Rasenflächen und ist damit Bestandteil des grundsätzlich bestehenden Rechts des Wohnungseigentümers zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigen-tums gemäß § 13 Abs. 2 WEG.
Auf der anderen Seite ist der tierhaltende Miteigentümer gemäß § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Diesem Gesichtspunkt wird in dem Beschluss zunächst dadurch Rechnung getragen, dass eine Nutzung der Rasenfläche als Hundetoilette untersagt und der Hundehalter verpflichtet wird, Hundekot unverzüglich und sorgfältig zu entsorgen. Darüber hinaus dürfen Hunde der Bewohner Gäste oder Mitbewohner nicht durch Anspringen belästigen. Dies bedeutet wiederum, dass bei dem Spielen der Hunde der Hundehalter oder eine vertraute Person anwesend sein muss, um ein Anspringen zu verhindern.

Dass in dem Beschluss auch das Spielen mit nicht angeleinten Hunden erlaubt wird, ist nicht zu beanstanden.
In den Grenzen des Schleswig-Holsteinischen Gefahrhundegesetzes obliegt die Entscheidung, ob und wenn ja in welchem Umfang eine Anleinpflicht für Hunde gelten soll, grundsätzlich den Miteigentümern im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens. Maßgeblich sind insoweit die Umstände des jeweiligen Einzelfalls, die sich einer generalisierenden Betrachtung entziehen. Für die Ermessensausübung von Bedeutung können unter anderem die örtlichen Verhältnisse der Wohnungseigentumsanlage, die Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft, die Anzahl der Hunde einschließlich ihres Verhaltens gegenüber Dritten sowie das Freizeitverhalten der Wohnungseigentümer sein. In diesem Zusammenhang kann auch die grundsätzliche Angst oder Besorgnis einzelner Eigentümer, ein Hund könnte sie anspringen oder sonst belästigen und der Hundehalter oder Hundeführer könne seinen Hund mangels Leine nicht mehr zurückhalten, der Mehrheit der Wohnungseigentümer Veranlassung geben, im Rahmen einer Gebrauchsregelung eine generelle Anleinpflicht anzuordnen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass nur eine solche Regelung ordnungsmäßigem Gebrauch im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG entspricht. Vielmehr kann die Mehrheit der Wohnungseigentümer auch dem Interesse der Hundehalter, die Hunde beim Spielen nicht anzuleinen, den Vorrang einräumen gegenüber dem Interesse anderer Wohnungseigentümer, durch frei laufende Hunde nicht beeinträchtigt zu werden. Vorauszusetzen ist hierbei aber, dass etwaige Beeinträchtigungen für die anderen Miteigentümer zumutbar sind. In diesem Rahmen ist einer Wohnungseigentümergemeinschaft auch die Möglichkeit zu eröffnen, eine Regelung zunächst einmal auf ihre Praktikabilität zu erproben und sie je nach gewonnener Erfahrung wieder zu ändern.
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass das Absehen von einer generellen Anleinpflicht für Hunde zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer führt. Nach den Feststellungen des Landgerichts Itzehoe ist die in Rede stehende Rasenfläche zuletzt lediglich von dem Mieter einer der Wohneinheiten zum Spielen mit seinem kleinen Hund genutzt worden. Dass es hierbei konkret zu Belästigungen anderer Miteigentümer gekommen ist, ist nicht festgestellt und wird von dem Kläger auch mit der Revision nicht geltend gemacht. Es wird lediglich auf das allgemeine Risiko hingewiesen, dass nicht angeleinte Hunde auf Bewohner und Besucher zulaufen, diese anspringen, anbellen oder gar beißen können. Diese abstrakte Gefahr steht der hier getroffenen Gebrauchsregelung jedoch nicht entgegen.
Sollte sich an der aktuellen Situation etwas ändern, haben die Wohnungseigentümer die Möglichkeit, hierauf mit einem Widerruf der Erlaubnis – auch ungeachtet der in dem Beschluss vorgesehenen Widerrufsmöglichkeit – zu reagieren. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn es zu einer dauernden Verdrängung von Nichthundehaltern von der Rasenfläche durch frei herumlaufende und tobende Hunde kommen würde.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2015 -V ZR163/14