martina heck

15.11.2013

Das Hundegebell aus dem Tierheim und der Nachbar

Über die Frage, welche Anforderungen an die Beurteilung und Ermittlung von Lärm durch ein noch zu errichtendes Tierheim zu stellen sind, hatte das Verwaltungsgericht Minden zu entscheiden.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Außenbereichsgrundstücks G. in M..

Die Beklagte genehmigte dem beigeladenen Verein die Errichtung eines Tierheims auf dem Grundstück Gemarkung M. Flur … Flurstück …. Dieses Grundstück liegt südöstlich des Wohngrundstücks des Klägers. Zu dem Vorhaben gehören zwei Hundehäuser nebst Hundequarantänestation, zwei Katzenhäuser, ein Verwaltungsgebäude sowie ein Wohnhaus, das nach der Betriebsbeschreibung von einer Tierpflegerin genutzt werden soll, um Betreuung und Überwachung der Tiere sowie einen Notdienst über 24 Stunden zu gewährleisten. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus und den Einrichtungen des Tierheims beträgt mehr als 300 m. Gemäß Nebenbestimmung UAIS 01 sind die von der Genehmigung erfassten Anlagenteile schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von diesen Anlagen einschließlich aller Nebeneinrichtungen verursachten Geräuschimmissionen am Wohnhaus des Klägers Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts nicht überschreiten. Laut Nebenbestimmung UAIS 04 werden sogenannte Zwingerhunde, die nachts nicht in geschlossenen Räumen gehalten werden können, im Zwinger außerhalb der Gebäude untergebracht, und zwar bis zu vier Tiere im Bereich der Quarantänestation sowie bis zu 3 Tiere im Bereich des Hundehauses 1. Weitere Bestandteile der Baugenehmigung sind ein schalltechnisches Gutachten der B. GmbH sowie eine ergänzende Begutachtung, die sich auf die nächtliche Unterbringung der sog. Zwingerhunde außerhalb der Gebäude bezieht.

Gegen diese Baugenehmigung hat der Kläger Klage erhoben.

Er meint, die Baugenehmigung verstoße zu seinen Lasten gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Die Begutachtung der zu erwartenden Lärmbelastung durch die B. GmbH sei mangelhaft. Damit sei nicht hinreichend sichergestellt, dass die in der Baugenehmigung festgeschriebenen Immissionsrichtwerte beim Betrieb des Tierheims eingehalten werden. Der den Berechnungen zu Grunde gelegte Schallleistungspegel für Hundegebell sei nicht nachvollziehbar. Die eigene Messung, auf die sich der Gutachter berufe, sei nicht in einer überprüfbaren Weise dokumentiert worden. Gleiches gelte für dessen Behauptung, die in den Berechnungen nicht berücksichtigte Abschirmungswirkung der Gebäude sei mit wenigstens 5 dB(A) zu veranschlagen. Im Übrigen dürfe die Prognose, um auf der sicheren Seite zu liegen, keinen Mittelwert unterschiedlich lauter Hunde zu Grunde legen. Sie müsse vielmehr von dem maximalen Schallleistungspegel bellender Hunde ausgehen. Außerdem bedürfe es eines Zuschlags für Ton- und Informationshaltigkeit von 3 dB(A) bzw. 6 dB(A).

Das Verwaltungsgericht Minden hat die Klage abgewiesen.
Ein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Aufhebung besteht nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Hinzukommen muss, dass der Nachbar durch die rechtswidrige Baugenehmigung zugleich in eigenen Rechten verletzt wird. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen Rechtsnormen verstößt, die nachbarschützenden Charakter haben und der jeweilige Nachbar auch tatsächlich in seinen eigenen Rechten, deren Schutz die Vorschriften zu dienen bestimmt sind, verletzt wird.

Einen solchen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften vermochte das Verwaltungsgericht Minden nicht festzustellen. Insbesondere verletzt die Baugenehmigung nicht das insoweit hier allein in Betracht zu ziehende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

Welche Anforderungen konkret bestehen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Es kommt wesentlich auf eine Abwägung an zwischen dem, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist.

Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen kann im Rahmen der Genehmigung von Bauvorhaben in Form von – wie hier – nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne von § 22 BImSchG grundsätzlich auf die TA Lärm abgestellt werden. Dies gilt auch in Bezug auf die hier in Rede stehenden Immissionen durch Hundegebell.

Die Beklagte hat den beim Betrieb des Tierheims einzuhaltenden Immissionsrichtwert in der Nebenbestimmung UAIS 01 zutreffend festgelegt. Für das im Außenbereich gelegene Wohngrundstück des Klägers sind in Ermangelung einer eigenständigen Regelung die nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm für Kern-, Dorf- und Mischgebiete maßgeblichen Werte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts heranzuziehen.

Die schalltechnischen Untersuchungen der B. GmbH sind hinreichend aussagekräftig. Sie tragen die sichere Erwartung, dass bei genehmigungskonformem Betrieb des Tierheims die festgesetzten Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers eingehalten werden.

Dies gilt insbesondere auch für die nächtliche Unterbringung von maximal sieben sog. Zwingerhunden außerhalb der Gebäude. Die schalltechnische Berechnung gelangt für diese spezielle Konstellation zu einem Beurteilungspegel am Wohnhaus des Klägers von 44 dB(A).

Der in Ansatz gebrachte Schallleistungspegel für Hundegebell ist nicht zu beanstanden. Der Gutachter hat erläutert, dass der Wert auf Messungen vor einem Hundezwinger mit neun Hunden basiere, die zum Zweck der Messung ständig zum Bellen animiert worden seien. Hierbei habe sich ein Schallleistungspegel vom 101 dB(A) sowie ein Impulszuschlag von 8 dB(A) ergeben. Dieses auf eigener Erfahrung des Sachverständigen beruhende Ergebnis wird gestützt durch die Ermittlungen der Sächsischen Freizeitlärmstudie des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie vom April 2006 betreffend die Beurteilung von Lärm, der von einem Hundedressurplatz ausgeht. Mit dem dortigen, ebenfalls auf Messungen beruhenden Schallleistungspegel für die Lärmquelle „Hunde im Zwinger“ stimmt der hier in Ansatz gebrachte Wert in etwa überein.

Der Verwendung dieses Schallleistungspegels hat der Kläger nichts Substantiiertes entgegen gehalten. Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Schallleistungspegels sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit der Kläger meint, die Berechnung müsse von der maximalen Lautstärke eines bellenden Hundes ausgehen, steht dem entgegen, dass der an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 TA Lärm zu messende Beurteilungspegel nach Nr. 2.10 TA Lärm die mittlere Geräuschbelastung während jeder Beurteilungszeit kennzeichnet. Folglich ist bei der Berechnung des Beurteilungspegels gemäß Nr. A.2.3.2 der Anlage zur TA Lärm vom mittleren Schallleistungspegel jeder zu berücksichtigenden Schallquelle auszugehen.

Der Kläger dringt im Ergebnis auch nicht mit dem Einwand durch, der mittlere Schallleistungspegel für Hundegebell hätte um einen Zuschlag für Ton- bzw. Informationshaltigkeit erhöht werden müssen. Das Verwaltungsgericht Minden konnte diese Frage im vorliegenden Verfahren offen lassen, weil die gewählte konservative Vorgehensweise in der Berechnung des Gutachters so weitreichende Sicherheiten enthält, dass die Einhaltung der Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers selbst bei Berücksichtigung eines solchen Zuschlags von 3 dB gewährleistet ist. So ist zum Einen die Abschirmwirkung der Gebäude, die den Zwingern in Richtung des Wohnhauses des Klägers unmittelbar vorgelagert sein werden, unberücksichtigt geblieben. Der Gutachter hat diese Abschirmwirkung mit wenigstens 5 dB(A) veranschlagt. Konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit dieser sachverständigen Angabe liegen nicht vor. Allein dieser Aspekt würde einen etwaigen Zuschlag wegen Ton-bzw. Informationshaltigkeit ausgleichen. Eine weitere erhebliche Sicherheit liegt in dem für die lauteste Nachtstunde veranschlagten Anteil von 100 % Hundegebell. Die Annahme eines kontinuierlichen Hundegebells über den Zeitraum einer ganzen Nachtstunde hinweg übersteigt das, was bei dem Betrieb des Tierheims realistischerweise zu erwarten ist, bei Weitem. Denn die Baugenehmigung sieht eine 24-stündige Betreuung und Bewachung der Tiere durch geschultes Personal vor, das regelmäßig in der Lage sein wird, anschlagende Hunde innerhalb eines deutlich kürzeren Zeitraums zu beruhigen.

Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 22.10.2013 – 1 K 1448/13