martina heck

12.05.2014

Die Rettung des Finanzgerichts auch bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit

Der Bundesfinanzhof hat sich mit den Voraussetzungen einer Sachaufklärungsrüge beschäftigt, wenn das Finanzgericht seine Entscheidung auf mehrere Gründe gestützt hat.

Hat das Finanzgericht sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, ist hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund in der von § 116 Abs. 3 S. 3 FGO geforderten Form geltend zu machen. Um eine kumulative Begründung handelt es sich auch dann, wenn das Finanzgericht seine Entscheidung auf eine Hauptbegründung sowie auf eine Hilfsbegründung stützt.

In dem entschiedenen Fall hat das Finanzgericht die Klageabweisung zum einen damit begründet, dass die Rechnung, aus der die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend macht, nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Zum anderen hat das Finanzgericht seine Entscheidung darauf gestützt, dass es sich bei der in der Rechnung ausgewiesenen Lieferung um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Ein Zulassungsgrund liegt dabei nur im Hinblick auf die erste, nicht aber auch hinsichtlich der zweiten Begründungsalternative vor.

In Bezug auf die Rechtsauffassung des Finnzgerichts, dass die im Streitjahr 1999 erteilte Rechnung nicht ordnungsgemäß gewesen sei, macht die Klägerin inhaltlich zu Recht geltend, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zugelassen werden könnte.

Besonders schwerwiegende Fehler des Finanzgerichts bei der Anwendung materiellen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, können die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO ermöglichen.

Das Urteil des Finanzgrichts ist in diesem Sinne greifbar gesetzwidrig und nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur alten Rechtslage auch unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar.

Nach dem Urteil des Finanzgerichts ist der Vorsteuerabzug im Streitjahr 1999 zu versagen, da die der Klägerin erteilte Rechnung vom 23.02.1999 kein Lieferdatum ausweise.

Rechnungen ohne Angaben zum Leistungszeitpunkt berechtigten zwar nicht zum Vorsteuerabzug, wie das Finanzgericht entschieden hat. Dies gilt aber entgegen dem Urteil des Finanzgerichts nicht im Streitjahr, sondern erst für die Rechtslage ab 2004.

Zu der im Streitjahr maßgeblichen Rechtslage hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 27.07.2000 ausdrücklich entschieden, dass § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG mit den Worten “Rechnungen im Sinne des § 14″ an die Regelung der Rechnung in § 14 Abs. 4 UStG anknüpfte, nicht aber an diejenige in § 14 Abs. 1 UStG. Deshalb brauchte eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage nicht sämtliche der in § 14 Abs. 1 UStG aufgeführten Merkmale aufweisen.

Das Vorliegen des Zulassungsgrundes vermag der Beschwerde aber nicht zum Erfolg zu verhelfen, da in Bezug auf die zweite Begründungsalternative kein Zulassungsgrund vorliegt.

Die von der Klägerin behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung (§ 96 Abs. 2 FGO) in Bezug auf die vom Finanzgericht angenommene Steuerhinterziehung liegt nicht vor, da sich der Hinterziehungsvorwurf bereits aus dem angefochtenen Steuerbescheid ergab, wie das beklagte Finanzamt zutreffend anmerkt. Das Finanzamt hatte zum Vorliegen einer Steuerhinterziehung zudem ausdrücklich in der Einspruchsentscheidung Stellung genommen.

Ein Verstoß gegen die von Amts wegen vorzunehmende Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) ist nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die bereits im Verfahren vor dem Finanzgericht durch einen Rechtsanwalt fachkundig vertretene Klägerin berücksichtigt insoweit nicht hinreichend, dass die Rüge, das Finanzgericht habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, voraussetzt, dass der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, aus welchen – genau bezeichneten – Gründen sich dem Finanzgericht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des – ggf. auch unrichtigen – materiell-rechtlichen Standpunkts des Finanzgerichts zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und warum ein fachkundig vertretener Kläger nicht von sich aus entsprechende Anträge gestellt oder das Unterbliebene der Beweiserhebung in sonstiger Weise gemäß § 295 ZPO i.V.m. § 155 FGO gerügt hat. Dem genügt der Vortrag der Klägerin nicht.

Das Finanzgericht hat keinen Tatsachenvortrag unberücksichtigt gelassen.

Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 S. 1 FGO kann zwar gegeben sein, wenn das Finanzgericht seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde gelegt hat. Im Kern behauptet die Klägerin im Streitfall nur einen materiell-rechtlichen Fehler der Vorentscheidung. Ein Verstoß des Finanzgerichts gegen § 96 Abs. 1 S. 1 FGO kann aber nicht vorliegen, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, das Finanzgericht habe den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend seinen Vorstellungen gewürdigt oder wenn dem Beschwerdeführer die Würdigung des Finanzgericht fehlerhaft erscheint.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.03.2014 – V B 24/13