martina heck

05.05.2014

Das Hundegebell aus dem Tierheim und der Nachbar vor dem Oberverwaltungsgericht

In dem bereits hier besprochenen Urteil hatte das Verwaltungsgericht Minden die Klage eines Nachbarn gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Tierheim im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften sei nicht festzustellen. Insbesondere verletze die Baugenehmigung nicht das hier allein in Betracht zu ziehende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hatte beim Oberverwaltungsgericht NRW nun ebenfalls keinen Erfolg.

Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch folgt aus ihnen ein der Beurteilung des beschließenden Senats unterliegender Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann (2.), so das Oberverwaltungsgericht NRW.

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.

Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts NRW vorliegend nicht gegeben.

Der Kläger zeigt nämlich nicht auf, dass der genehmigte Betrieb des Tierheims in Bezug auf sein Grundstück voraussichtlich schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB in Gestalt von Geräuschimmissionen verursachen wird.

Wie das Verwaltungsgericht Minden ausgeführt hat, kann der Kläger für sein Außenbereichsgrundstück das Lärmschutzniveau entsprechend Nr. 6.1 c) TA Lärm von 60 dB(A) am Tag und 45 dB(A) in der Nacht in Anspruch nehmen. Dies legt zudem die Nebenbestimmung UAIS 01 zur Baugenehmigung vom 11.03.2013 fest.

Dass die vorgenannten Immissionsrichtwerte am Grundstück des Klägers voraussichtlich nicht hinreichend sicher eingehalten werden, lässt der Zulassungsantrag auch insoweit nicht hervortreten, als die Nebenbestimmung UAIS 04 es gestattet, in einzelnen Fällen (bei sog. Zwingerhunden) die Tiere nachts nicht in geschlossenen Räumen zu halten, wenn diese Tiere dann im Bereich der Quarantänestation mit maximal vier Hunden und im Bereich des Hundehauses 1 mit maximal drei Hunden außerhalb der Gebäude untergebracht werden.

Diesen besonderen Betriebszustand hat die ergänzende Immissionsberechnung der B. GmbH vom 08.11.2012 betrachtet, die – ebenso wie das schalltechnische Gutachten vom 18.10.2012 – durch die Nebenbestimmung UAIS 02 zum Genehmigungsbestandteil gemacht worden ist. Nachdem die Prognose vom 18.10.2012 für das Grundstück des Klägers – den Immissionsort I2 – Beurteilungspegel von tags 49 dB(A) und nachts 34 dB(A) vorhergesagt hatte, kam die Nachberechnung vom 08.11.2012 für den Sonderbetrieb einer nächtlichen Haltung der wie vorstehend festgelegten Anzahl von Zwingerhunden im Freien zu einer – gleichfalls nachbarschaftsverträglichen – Belastung des Immissionsorts I2 von 44 dB(A) am am stärksten betroffenen Geschoss.

Das Verwaltungsgericht hat sich, so das Oberverwaltungsgericht NRW, zu Recht auf den Standpunkt gestellt, diese Prognose sei valide.

Der in Ansatz gebrachte Schallleistungspegel für Hundegebell sei – so das Verwaltungsgericht – nicht zu beanstanden. Die B. GmbH habe mit Schreiben vom 25.06.2013 erläutert, dass der Wert auf Messungen vor einem Hundezwinger mit neun Hunden basiere, die zum Zweck der Messung ständig zum Bellen animiert worden seien. Hierbei hätten sich ein Schallleistungspegel von 101 dB(A) sowie ein Impulszuschlag von 8 dB(A) ergeben. Dieses auf eigenen Erfahrungen des Sachverständigen beruhende Ergebnis werde gestützt durch die Ermittlungen der Sächsischen Freizeitlärmstudie des Sächsischen Landesamts für Umwelt und Geologie von April 2006 betreffend die Beurteilung von Lärm, der von einem Hundedressurplatz ausgehe. Mit dem dortigen, ebenfalls auf Messungen beruhenden Schallleistungspegel für die Lärmquelle „Hunde im Zwinger“ stimme der von der B. GmbH angesetzte Wert in etwa überein.

Diese Annahme stellt der Zulassungsantrag, der auf eine Stellungnahme des Sachverständigen für Schall und Geruch Dipl.-Ing. M1. vom 18.10.2013 Bezug nimmt, nicht durchgreifend in Frage. Zugleich kommt deswegen der im Zulassungsantrag angesprochene nachbarrechtsrelevante Bestimmtheitsmangel wegen fehlender Nachweiseignung der vorgelegten Immissionsprognose nicht in Betracht.

Das Verwaltungsgericht Minden hat nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO verstoßen, weil es die Aussage der B. GmbH, der eingestellte Emissionswert für Hundegebell beruhe auf eigenen Messungen, ohne weitergehende Überprüfung hingenommen habe.

Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss der Rechtsmittelführer substantiiert ausführen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22.10.2013 keinen Beweisantrag gestellt. Ein weitergehender Aufklärungsbedarf hinsichtlich des für das Gebell von Hunden im Zwinger in der gegebenen Genehmigungssituation zugrunde zu legenden Emissionspegels musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht anderweitig aufdrängen.

Abgesehen davon, dass die B. GmbH den von dem Kläger eingeforderten Messbericht zwischenzeitlich mit seiner neuerlichen Stellungnahme vom 15.01.2014 nachgereicht hat, welcher der Kläger nicht entgegengetreten ist, bestand für das Verwaltungsgericht Minden – und bestand für das Oberverwaltungsgericht NRW – kein Anlass, im Ausgangspunkt plausible und erläuterte gutachterliche (Emissions-)Ansätze eines fachlich anerkannten und aus zahlreichen Verfahren bekannten Gutachterbüros wie der B. GmbH ohne substantiellen Grund anzuzweifeln und eigens nachzuprüfen. Es entspricht weiterhin guter fachlicher Praxis, Emissionsquellen, zu denen – wie zu Hundegebell im Zwinger – noch nicht so viele Erfahrungswerte vorliegen wie zu anderen gängigen Emissionsquellen wie z. B. Parkplätzen oder bestimmten Anliefervorgängen und/oder die sich wegen heterogener Lärmcharakteristik nicht ohne Weiteres mathematisch-technisch greifen lassen, anhand eigener gutachterlicher Erfahrungen abzubilden oder dazu anderes verfügbares Datenmaterial – insbesondere von Fachbehörden wie Landesumweltämtern – heranzuziehen, um darüber ein möglichst realistisches Betriebsgeschehen ableiten zu können.

An diese Vorgaben hat sich die B. GmbH – und mit ihr die Beklagte – gehalten. Verbleibende Unsicherheiten hat die B. GmbH – wie das Verwaltungsgericht richtig gewürdigt hat – durch eine möglichst pessimale Vorgehensweise aufgefangen, um auf diese Weise eine Prognose zu erstellen, die auf der sicheren Seite liegt.

Wie die B. GmbH auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Januar 2014 hervorhebt, hat sie ein kontinuierliches Gebell der Hunde – also eine Bellzeit aller sieben Hunde im Zwinger von 100 % – in ihrer Berechnung unterstellt, um dadurch die Stresssituation der Hunde im Zwinger nach Möglichkeit realistisch zu modellieren. Dabei hat sie außer Acht gelassen, dass die Zwinger der Quarantänestation und der Hundehäuser so aufgebaut sind, dass sie teilweise überdacht sind und durch die Quarantänestation und das Hundehaus in nördlicher Richtung – und damit in Richtung des Wohnhauses des Klägers – abgeschirmt sind. Des Weiteren trifft der Hinweis des Verwaltungsgerichts zu, dass nach der genehmigten Betriebsbeschreibung das mitgenehmigte Wohnhaus von einer Tierpflegerin genutzt wird, damit die Betreuung und Überwachung der Tiere sowie ein Notdienst über 24 Stunden gewährleistet sind. Daran durfte das Verwaltungsgericht Minden die lebensnahe Erwartung knüpfen, das geschulte Personal, das nach der Baugenehmigung ständig vor Ort sei, werde regelmäßig dazu in der Lage sein, anschlagende Hunde innerhalb eines deutlich kürzeren Zeitraums zu beruhigen, als er als Bellzeit in das schalltechnische Gutachten eingegangen ist.

Sieht man die Abschirmwirkung der Gebäude der B. GmbH zufolge bei >= 5 dB(A), ist es aufgrund all dieser Rahmenbedingungen nachvollziehbar, dass die B. GmbH den Beurteilungspegel von 44 dB(A) als hinreichend sicher für den Befund erachtet, dass der für das klägerische Grundstück maßgebende Nachtrichtwert von 45 dB(A) beim genehmigte Betrieb des Tierheims nicht überschritten wird. Dies gilt im Übrigen selbst dann, wenn man zusätzlich die Vergabe eines Zuschlags für Ton- bzw. Informationshaltigkeit nach Nr. A.3.3.5 des Anhangs der TA Lärm von 3 dB(A) für geboten hielte.

Dem Zulassungsantrag ist schließlich nicht darin zuzustimmen, dass die Geräuschimmissionsprognose für den Kläger nicht überprüfbar ist. Das schalltechnische Gutachten vom 18.10.2012 und die ergänzende Berechnung vom 08.11.2012 sind Bestandteil der Baugenehmigungsakte. Der Gutachter Dipl.-Ing. M1. etwa hätte – mit oder ohne eingezeichnete Isophonenverläufe – eigene Berechnungen mit ggf. abweichenden Emissionseingaben oder divergierenden Einschätzungen zur Größenordnung der Abschirmwirkung erstellen und der Prognose der B. GmbH entgegenhalten können. Dies hat er indessen nicht getan.

Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 08.04.2014 – 2 A 2761/13