Rechtsanwalt Wolf J. Reuter

Jacobsen Rechtsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
10707, Berlin
29.06.2012

Schleckerschlacht in Heilbronn, Papa Staat im Abseits

Das kleine Arbeitsgericht der Vollbeschäftungsregion Heilbronn steht jetzt im Mittelpunkt der Arbeitsgerichtswelt. Es hat nämlich das „erste Schlecker-Urteil“ gesprochen (das auch die Blogs beschäftigt, hier Dan Fehlberg bei Arbeitsrecht Chemnitz).

Damit ist gemeint: Insolvenzverwalter Gleiwitz hatte bekanntlich tausenden Mitarbeiterinnen des Schlecker-Kerngeschäfts gekündigt, um den Unternehmensrest zu verkaufen. Ebenso bekanntlich misslang das. Eine der Begründungen war, dass kein Investor das Risiko eingehen wollte, tausende nicht entschiedener Kündigungsschutzklagen und damit die Katze im Sack gleich mitzukaufen. Das wieder löst die kontroverse These aus, dass – so paradox es klingt – die Mitarbeiterinnen mit ihren Klagen die Rettung verhindert oder zum Ende jedenfalls entscheidend beigetragen haben; was deshalb so scharfkantig behauptet werden kann, weil die Klagen kaum die Aussicht auf mehr als ein Stück Papier in Form eines Urteils erreichen konnten – Geld und Arbeitsplätze jedoch mit Sicherheit nicht. Sie waren unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt sinnlos.

Jetzt liegt mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn so ein sinnloses Stück Papier vor. Die Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) sei grob fehlerhaft erfolgt, die Kündigung unwirksam. Praktische Auswirkung? Voraussichtlich keine. Arbeit ist keine mehr da, dass theoretisch ein Lohnanspruch besteht, ist eben nur Theorie. Der SWR fasst das in seinem Bericht ganz gut zusammen:

Im Extremfall hätten die klagenden Mitarbeiterinnen drei Monate länger Anspruch auf Lohn. Die Lohn- und Gehaltsansprüche der Mitarbeiter werden aus der Insolvenzmasse gezahlt. Somit könnte die Arbeitsagentur das vorgestreckte Insolvenzgeld für diese Mitarbeiter vom Insolvenzverwalter zurückfordern. Doch dafür dürfte die Insolvenzmasse bei Schlecker Experten zufolge zu gering sein.

Anders ausgedrückt: Die Katze beißt sich in den Schwanz. Die öffentliche Hand zahlt alles und letztlich auch noch die Gerichte, die sich damit befassen müssen. Der Rechtsstaat hat sicher seinen Preis, aber hier ist er zum Fenster heraus geworfen worden.

Bei Schlecker XL und „Ihr Platz“ bahnt sich jetzt dasselbe Trauerspiel an, siehe FOCUS Online.