Sönke Nippel

Rechtsanwalt Sönke Nippel
42857, Remscheid
30.01.2013

keine fiktive Terminsgebühr gemäß VV-Nr. 3106 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach dem auch ein Anerkenntnis im Eilverfahren ein fiktive Verfahrensgebühr gemäß VV-Nr. 3106 Nr. 3 begründen kann (Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 2011, L 7 B 275/08AS, Rdnr. 20):


[20] … Eine fiktive Terminsgebühr fällt in Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht an. Der Senat gibt seine abweichende Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 26.04.2007, L 7 B 36/07 AS) insoweit auf. Zwar lässt sich zur Überzeugung des Senats die Rechtsfolge nicht unmittelbar dem Wortlaut der Nr. 3 entnehmen. Dementsprechend wird zum Teil in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass auch ein Anerkenntnis in einem Eilverfahren eine fiktive Terminsgebühr begründet.(vgl. LSG NRW, Beschluss vom 14.07.2010, L 1 AS 57/10 B unter Aufgabe seiner abweichenden Rechtsprechung; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 26.11.2008, L 6 B 130/08 SF, Rn. 25; LSG NRW, Beschluss vom 18.09.2008, L 5 B 43/08 KR; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 19. Aufl. 2010, Nr. 3106 VV RVG Rn. 6). Der Wortlaut der Nr. 3 lässt jedoch durchaus auch die Auslegung zu, dass hier nur eine Regelung in Bezug auf solche Verfahren getroffen wurde, die regelmäßig aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werden. Jedenfalls Sinn und Zweck der Norm sprechen dafür, dass Verfahren, die eine mündliche Verhandlung nicht zwingend erfordern und im Regelfall durch Beschluss entschieden werden, einen Anspruch auf die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG nicht auslösen (LSG NRW, Beschluss vom 03.01.2011, L 6 AS 1399/10 B, Beschluss vom 22.12.2010, L 19 AS 1138/10 B; Beschluss vom 24.11.2010, L 9 AS 878/10 B; Beschluss vom 03.03.2010, L 12 B 141/09 AS; Beschluss vom 21.01.2010; Beschluss vom 20.10.2008, L 20 B 67/08 AS; Sächsisches LSG, Beschluss vom 7.2.2008, L 6 B 33/08 AS-KO, Rn. 48; VG Bremen, Beschluss vom 20.4.2009, S 4 E 518/09; SG Berlin, Beschluss vom 30.1.2009, S 165 SF 5/09 E; Curkovic in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, Kommentar zum RVG, 3. Aufl. 2009, Nr. 3106 VV RVG Rn. 7; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 5.12.2007, 4 KSt 1007/07 bezogen auf Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG; BGH, Beschluss vom 25.9.2007, VI ZB 53/06). Nach Nr. 3 soll vermieden werden, dass der Rechtsanwalt von einer schriftlichen Annahmeerklärung absieht, damit ein Termin durchgeführt wird. Er soll bei einer schriftlichen Annahmeerklärung nicht um eine Terminsgebühr gebracht werden, die im Klageverfahren grundsätzlich anfällt. Anders als in Klageverfahren (§ 124 Abs. 1 SGG) ist in den Verfahren nach § 86b SGG eine mündliche Verhandlung jedoch nicht vorgeschrieben. Im Regelfall ergeht eine Entscheidung nach § 86b SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 3 i. V. m. § 86b Abs. 4 SGG). Dies bedeutet, dass das Gericht nach Ermessen entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird oder nicht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 124 Rn. 5). Die Beteiligten können eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht verhindern, so dass keine Notwendigkeit besteht, eine (fiktive) Terminsgebühr zu gewähren, um prozessökonomisches Verhalten des Rechtsanwalts nicht zu benachteiligen (VG Bremen, Beschluss vom 20.4.2009, S 4 E 518/09). Diese Auslegung entspricht dem gesetzgeberischen Willen, der mit der Regelung bezweckte, Rechtsanwälte, die an sich erwarten können, im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit eine Terminsgebühr zu verdienen, nicht gebührenrechtlich schlechter zu stellen, wenn sie durch eine bestimmte Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichten (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 209).