Urteil des VG Wiesbaden vom 27.08.2008

VG Wiesbaden: wiederaufnahme des verfahrens, bundesamt für migration, politische verfolgung, neue beweismittel, pass, aufenthaltserlaubnis, demonstration, eritrea, internet, flüchtlingseigenschaft

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Gericht:
VG Wiesbaden 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 129/08.WI.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 2 AufenthG 2004, §
60 Abs 1 AufenthG 2004, § 60
Abs 2 AufenthG 2004, § 60
Abs 3 AufenthG 2004, § 60
Abs 5 AufenthG 2004
(Gleichwertigkeit von Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7
Satz 1 AufenthG 2004 und subsidiärem Schutz nach der
Qualifikationsrichtlinie (EGRL 83/2004))
Leitsatz
Alle Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sind gleichwertig und führen
nach § 25 Abs. 3 AufenthG zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der (nationale)
humanitäre Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht weniger Wert als die
subsidiäre Schutzberechtigung nach der Qualifikationsrichtlinie.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Er verließ
sein Heimatland im Mai 1997 und reiste am 21.08.1997 in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Am 26.08.1997 stellte er Asylerstantrag mit der Begründung, er
habe seit 1994 bei verschiedenen Mitgliedern der ELF gelebt. Alle hätten der ELF-
RC angehört und ihn in der Folgezeit politisch geschult. Ende Mai 1997 sei das
Haus, in dem er mit mehreren anderen ELF-RC-Familien gelebt habe, von EPLF-
Soldaten umstellt worden. Er habe sich in der Nähe des Hauses aufgehalten und
den Vorgang beobachtet. Da er damit habe rechnen müssen, durch die
Inhaftierten verraten zu werden, habe er sich zur Flucht entschlossen. Außerdem
sei er Zeuge Jehovas, dies sei die Religion seiner Mutter. Mit Bescheid vom
28.11.1997 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und
festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 noch
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen. Dem Kläger wurde die
Abschiebung nach Eritrea angedroht. Das dagegen eingeleitete Klageverfahren 7 E
31901/97.A wurde nach nicht beachteter Weiterbetreibensaufforderung durch
Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19.12.2000 eingestellt. Am
11.07.2005 stellte der Kläger Asylfolgeantrag. Bei der Anhörung am 11.07.2005
begründete er diesen wie folgt: Bis 2004 sei er Mitglied der ELF-RC gewesen, dann
habe er sich offiziell von dieser Partei getrennt. Nunmehr gehöre er der EPM an.
Diese sei ein Teil der EDP gewesen und habe sich von dieser Organisation
abgespalten. Die EPM existiere seit 19.01.2004. Er habe sich im Februar 2004 der
neuen Partei angeschlossen. E. habe ihn über die neue Partei aufgeklärt und ihn
von dem Programm überzeugt. Die Mitglieder träfen sich regelmäßig 14-tägig und
spendeten Geld. Es werde sich über die Situation in Eritrea unterhalten und
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spendeten Geld. Es werde sich über die Situation in Eritrea unterhalten und
Aufklärung betrieben. Wie sich aus der beigefügten Bescheinigung des
Generalsekretärs der EPM Deutschland vom 11.06.2005 ergebe, sei der Kläger ein
Gründungsmitglied und Vorsitzender der Gruppe im F.-Raum. Er leite die
Versammlungen der Gruppe und koordiniere die Aktionen. Zu seiner Gruppe
gehörten etwa 20 Personen. Die Gruppe sei auch im Vereinsregister eingetragen,
der Auszug befinde sich bei dem Vorsitzenden. Die Wahl der für die Gruppe
Verantwortlichen habe am 26.02.2005 stattgefunden. Seine - des Klägers -
Aktivitäten seien auch dem Regime in Asmara bekannt geworden. Mit Bescheid
vom 01.11.2005 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Ziff. 1), ebenso die Abänderung
der Feststellungen zu § 53 Abs. 1 - 6 AuslG (Ziff. 2). Gegen diesen ihm am
04.11.2005 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 18.11.2005 Klage (5 E
1849/05.A). Er trug zur Begründung noch vor, er habe auf der Homepage der
eritreischen Exil-Opposition einen regminekritischen Text in Gedichtform
veröffentlicht. Zu Beginn des Textes befinde sich auch ein Lichtbild des Klägers
und das Entstehungsdatum des Gedichts vom 00.00.0000. Außerdem sei er auf
im Internet veröffentlichten Bildern als Teilnehmer an der Versammlung der
Nationalen Rettungsfront Eritreas zu sehen. Wegen seiner exilpolitischen
Tätigkeiten befürchte er bei einer Rückkehr menschenrechtswidrige Behandlung.
Der sowohl vom Bundesamt als auch vom Gericht angeforderte Auszug aus dem
Vereinsregister betreffend die Gruppierung EPM wurde vom Kläger ebenso wenig
vorgelegt wie eine Originalbescheinigung mit Unterschrift. Ergänzend trug der
Kläger noch vor, Mitglied der noch zu gründenden ENSF zu sein. Dazu legte er eine
Bescheinigung vom 31.07.2006 vor. Nachdem er die Klage gegen Ziff. 1 des
angefochtenen Bescheides vom 01.11.2005 zurückgenommen hatte, wurde das
Bundesamt mit Urteil vom 06.09.2006 verpflichtet festzustellen, dass bei dem
Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Eritreas
vorliegen. In der Urteilsbegründung zu der auf das Vorliegen von
Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG beschränkten Klage führte das
Gericht aus, dem Kläger drohe als aktivem Mitglied mit dauerhafter oppositioneller
Betätigung mit dem Ziel der Bekämpfung und Ablösung des derzeit herrschenden
Regimes bei einer Rückkehr nach Eritrea Verfolgung und eine konkrete Gefahr für
Leib und Leben. Das Urteil ist rechtskräftig.
Am 29.03.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme des
Verfahrens. Es müsse festgestellt werden, dass die Voraussetzungen des § 60
Abs. 1 AufenthG, hilfsweise die des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, in seiner Person
vorlägen. Er sei weiterhin Mitglied der ENSF, dazu überreiche er eine
Bescheinigung vom 13.03.2007. Er nehme an Sitzungen der Organisation, an
Festivals, deutschlandweiten Vollversammlungen und Versammlungen seiner
Ortsgruppe teil. Weiterhin habe er sich an der Demonstration der eritreischen
Opposition in Berlin am 28.04.2006 beteiligt. Ein entsprechender Internetauszug
sei beigefügt. Ein Foto zeige ihn anlässlich der Teilnahme am Festival der ENSF in
Kassel zusammen mit führenden Oppositionspolitikern. Außerdem habe er ein
Gedicht im Internet veröffentlicht, in dem er unter Namensnennung die eritreische
Regierung kritisiere, die das Land diktatorisch regiere. Er habe damit seine
kritische Haltung gegenüber der eritreischen Regierung fortgesetzt und sei mit
seinem Vortrag zu § 60 Abs. 1 AufenthG nicht ausgeschlossen, weil im
Erstverfahren die Mitgliedschaft in der ELF nicht angezweifelt worden sei. Auch die
Auskunftslage habe sich aufgrund verschiedener Auskünfte vom 30.10., 02.11.
und 21.12.2006 geändert. Unter dem 20.06.2007 überreichte der Kläger eine
Bescheinigung des Vorstandes der Ortsgruppe G. der ENSF und wies darauf hin,
dass er an einer öffentlichen Veranstaltung am 19.05.2007, von der Fotos im
Internet zu sehen seien, teilgenommen habe. Dasselbe gelte für das Festival in
Kassel im Jahre 2007, eine Demonstration, die anlässlich des Festivals
stattgefunden habe, sowie für eine Demonstration der eritreischen Opposition am
22.09.2007 anlässlich des Jahrestages der Verhaftung der sogenannten G 15.
Bei der informatorischen Anhörung am 01.11.2007 in Gießen erklärte der Kläger
weiter, er gehöre seit ihrer Gründung im August 2006 der ENSF an. Früher sei er
Mitglied der ELF-RC gewesen. Nach deren Spaltung sei er 2004 ausgetreten und
der EPM beigetreten. Diese Partei habe sich im Jahre 2006 mit der ELF und der
EDM zu einem Bündnis zusammengeschlossen und sich von nun an ENSF
genannt.
Mit Bescheid vom 01.02.2008 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab.
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Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Der Kläger
habe in seinem zweiten Folgeverfahren keinen neuen Sachverhalt vorgetragen.
Die exilpolitischen Aktivitäten seien bereits Gegenstand des ersten
Folgeverfahrens gewesen. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen der
Feststellungen zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Da
das Bundesamt bereits ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG
(aufgrund des Urteils des VG Wiesbaden vom 06.09.2006) festgestellt habe, fehle
dem Kläger das notwendige Rechtsschutzbedürfnis.
Gegen diesen ihm am 07.02.2008 zugestellten Bescheid hat der Kläger am selben
Tag Klage erhoben.
Er trägt zur Begründung noch vor, es sei nunmehr zwingend zu prüfen, ob die
Voraussetzungen des subsidiären Schutzes i.S.d. Qualifikationsrichtlinie (QLR)
i.V.m. § 60 Abs. 2 und 5 AufenthG vorlägen. § 60 Abs. 7 AufenthG sei eine
Sonderregelung, die politische Verfolgung nicht zum Inhalt habe. Da die bereits
genannten neuen Beweismittel vorlägen, müsse nach § 51 VwVfG auch geprüft
und festgestellt werden, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG beim
Kläger vorliegen. Aus dem sogenannten subsidiären Schutzstatus der QLR könne
der Kläger Rechte für sich und seine Familie ableiten, die weiter gingen als solche
nach nationalem Recht. Dies gelte insbesondere für die Erteilung von
Reisedokumenten, die Vorrangstellung bei der Berücksichtigung der
Arbeitsmarktlage im Rahmen der Prüfung der Arbeitserlaubnis, der
Vergünstigungen beim Familiennachzug und dem gesamten familienrechtlichen
Status eines Flüchtlings. Der Kläger habe ein minderjähriges nicht-eheliches Kind.
Derzeit könne er weder den Umzug von Mutter und Kind zu sich herbeiführen noch
eine Veränderung der aufenthaltsrechtlichen Situation. Ergänzend werde darauf
hingewiesen, dass der Kläger am ersten Augustwochenende 2008 an dem Festival
der ENSF teilgenommen habe, ein entsprechender Zeitungsausschnitt und
Internetausdrucke würden überreicht. Darauf sei der Kläger im Bereich der
Essensversorgung zu sehen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 01.02.2008
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die
Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und
hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis Abs. 5
AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Darlegungen in dem angefochtenen Bescheid.
Für die erneute (hilfsweise) Feststellung zu § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe kein
Rechtsschutzbedürfnis. Das gelte auch für die übrigen Abschiebungsverbote nach
§ 60 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG. Die vom Gesetzgeber durch § 60 Abs. 7 AufenthG
getroffene Entscheidung stehe in Einklang mit supranationalem Recht auch nach
Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und
Behördenakten (auch der der vorangegangenen Verfahren) Bezug genommen.
Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört. Insoweit wird
auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens und
Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 13
QLR. Er hat im nunmehr zweiten Folgeverfahren keine neuen
verfolgungsrelevanten Umstände vorgetragen. Der Kläger fordert vielmehr die
Neubewertung seiner politischen Betätigung und die Zuerkennung eines
"besseren" Schutzstatus. Die in der Klageschrift zitierten Gutachten und Auskünfte
sind weder neue Tatsachen noch neue Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2
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sind weder neue Tatsachen noch neue Beweismittel im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2
VwVfG i.V.m. § 71 AsylVfG, abgesehen davon, dass die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG
nicht durchgängig eingehalten wurde. Das Gericht hat das exilpolitische
Engagement des Klägers bereits im ersten Folgeverfahren bewertet und als
politisch motivierte Verfolgungsmaßnahmen auslösend eingestuft. Diese
Einschätzung wird durch die in der Klageschrift zitierten Gutachten und Auskünfte
bestätigt. Insoweit fehlt es an der Eignung der neuen Beweismittel, eine für den
Betroffenen günstigere Beurteilung herbeizuführen.
Unabhängig von der Frage, ob im (zweiten) Folgeverfahren nicht ohnehin § 28 Abs.
2 AsylVfG i.V.m. Art. 5 Abs. 3 QLR eingreift, hat der Kläger auch deshalb keinen
Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG,
weil er sowohl im Erstverfahren (durch Nichtbetreiben) als auch im ersten
Folgeverfahren (durch Klagebeschränkung) auf die Geltendmachung und
Durchsetzung dieses Anspruchs verzichtet hat.
Was den hilfsweise gestellten Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach
§ 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG i.V.m. Art. 15 und 18 QLR betrifft, ist die Klage
unzulässig. Denn insoweit besteht - unabhängig von der Frage, ob überhaupt neue
Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung gebieten - kein
Rechtsschutzbedürfnis. Alle Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
sind gleichwertig und führen nach § 25 Abs. 3 AufenthG zur Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis (vgl. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 21.01.2008, Az.: A
11 K 552/07 - Juris -; VG Augsburg, Urteil vom 20.08.2007, Az.: Au 2 K 07.30174 -
Juris -). Es gibt insoweit keinen Unterschied zwischen dem humanitären Schutz
nach § 60 Abs. 7 Satz 1 (und ggf. in verfassungskonformer Auslegung des Satzes
3) AufenthG und dem Schutzstatus, der durch § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 Satz 2 i.V.m.
Art. 15 QLR vermittelt wird (vgl. Art. 24 Abs. 2 QLR). Der Kläger ist auch tatsächlich
bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis und eines Ausweisersatzpapiers.
Als subsidiär Schutzberechtigter nach der QLR hätte der Kläger keinen Anspruch
auf Ausstellung eines Reiseausweises nach der GFK (wie er ihn als "Blauen Pass"
erstrebt), sondern (nur) auf Ausstellung eines Dokuments, mit dem er reisen
kann, falls er keine nationalen Pass erhalten könnte (Art. 25 Abs. 2 QLR). Auch
nach nationalem Recht kann der Kläger, wenn er keinen Pass erlangen kann, einen
Pass- oder Ausweisersatz erhalten (§ 48 AufenthG). Einen Ausweisersatz hat er
bereits. Einen Reiseausweis kann er über § 4 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 5 AufenthV
erhalten, wenn er keinen Pass auf zumutbare Weise erlangen kann. Das Kriterium
der Zumutbarkeit ist keine Verschärfung gegenüber den Regelungen der QLR,
sondern eine selbstverständliche Voraussetzung auch bei der Prüfung, ob
Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, keinen
nationalen Pass "erhalten können" (Art. 25 Abs. 2 1.HS QLR). Sollte die
Ausländerbehörde im konkreten Fall die Zumutbarkeitsschwelle aus der Sicht des
Klägers höher legen als bei einem subsidiär Schutzberechtigten, wäre dies in
einem gesonderten Verfahren, nicht aber im Asyl- und Folgeschutzverfahren, in
dem es in erster Linie um zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote geht, zu
klären.
Auch im Übrigen gibt es keine maßgeblichen Unterschiede zwischen den
Auswirkungen des subsidiären Schutzstatus und denen des humanitären Schutzes
nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dass § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG über den
Wortlaut der Qualifikationsrichtlinie hinaus dem subsidiären Schutz vergleichbaren
(nationalen) Abschiebungsschutz auch dann bietet, wenn die Gefahr für Leib und
Leben nicht auf willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen bewaffneten Konflikts oder unmenschlicher Behandlung durch die
in Art. 6 QLR genannten Akteure beruht, kann nicht dazu führen, diesen
weitergehenden Schutz als anders und insbesondere geringer anzusehen, als den
nach dem Wortlaut der Qualifikations-richtlinie i.V.m. § 60 Abs. 2 bis 7 Satz 2
AufenthG. Die Mindestnormen der Richtlinie fließen in das nationale Recht ein,
stehen aber günstigeren Regelungen des Mitgliedsstaates nicht entgegen. Der
Abschiebungsschutz vor politisch motivierten Nachstellungen ist nicht mehr wert
als derjenige, der aus humanitären Gründen zum Schutz von Leib und Leben
gewährt wird. So räumt zum Beispiel Art. 26 Abs. 3 QLR den Personen mit
subsidiärem Schutzstatus keine grundsätzliche Vorrangstellung auf dem
Arbeitsmarkt ein, sondern erlaubt den Mitgliedsstaaten eine Vorrangprüfung nach
nationalem Recht. Im konkreten Fall wurde dem Kläger bereits die
Arbeitsaufnahme erlaubt, so dass sich hier eine weitere Prüfung erübrigt. Dasselbe
gilt für die von ihm aufgeworfene Frage der Beschränkungen nach dem AsylbLG.
Weil der Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist,
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Weil der Kläger im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ist,
sind die Voraussetzungen der Leistungsberechtigung nach § 1 AsylbLG nicht mehr
gegeben (§ 1 Abs. 2 AsylbLG). Vielmehr erhält der Kläger Zugang zu
Sozialleistungen (§ 23 SGB XII), wie ihn auch Art. 28 QLR gewährt. Soweit der
Kläger sein nicht-eheliches Kind ins Feld führt, hat dieses mittlerweile über die
Mutter eine eigene Rechtsstellung erhalten. Im Übrigen entspricht Art. 23 Abs. 1
QLR dem grundrechtlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG)
und überlässt die Ausformung im Einzelnen den Mitgliedsstaaten (Art. 23 Abs. 2
und 5 QLR).
Da der erstrebte subsidiäre Schutzstatus keinen anderen Schutzumfang hat als
der bereits gewährte humanitäre (nationale) Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG fehlt dem Kläger für die darauf gerichtete Klage das
Rechtsschutzbedürfnis. Im Übrigen gilt auch hier, dass der Kläger durch die
(fingierte) Klagerücknahme im Asylerstverfahren, die teilweise Rücknahme im
ersten Folgeverfahren und die dortige Beschränkung des Klageantrags auf die
Geltendmachung von - aus seiner heutigen Sicht weitergehenden - Ansprüchen
verzichtet hat.
Die Klage ist daher in vollem Umfang mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
und § 83 b AsylVfG abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.