Urteil des VG Wiesbaden vom 22.04.2008

VG Wiesbaden: versetzung, altersgrenze, besoldungsstufe, lebenshaltungskosten, beihilfe, minderung, verantwortlichkeit, beamter, versorgung, abschlag

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Gericht:
VG Wiesbaden 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 720/07 (2)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 14 Abs 3 S 1 Nr 3 BeamtVG
Zur Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsabschlags bei
vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden
Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der am 06.11.1947 geborene Kläger war seit dem Jahr 1972 Beamter. Während
seiner Dienstzeit wurde er als Schwerbehinderter anerkannt. Schließlich wurde er
wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 01.11.2005 in den vorzeitigen
Ruhestand versetzt. Anhaltspunkte für einen Dienstunfall oder Verantwortlichkeit
des Dienstherrn, die zur Dienstunfähigkeit geführt haben könnten, sind nicht
erkennbar.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 24.11.2005 die Versorgungsbezüge fest.
Als zu zahlender Betrag wurden auf der Grundlage der Besoldungsstufe A 13 und
einem Ruhegehaltssatz von 75 % der letzten Dienstbezüge 2.760,02 Euro
ausgewiesen. Dabei war bereits ein Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 Satz 1
Nr. 3 BeamtVG in Höhe von 10,8 %, was 320,80 Euro entspricht, berücksichtigt.
Am 23.12.2005 hat der Kläger mit mehreren Anträgen Klage erhoben. Teilweise
hat er die Klage zurückgenommen, infolgedessen ist insoweit das Verfahren mit
Beschluss vom 12.06.2007 - 6 E 2083/05 - eingestellt worden. Im Übrigen hat das
Gericht das Verfahren zunächst ausgesetzt, weil die Beteiligten davon ausgingen,
das Bundesverfassungsgericht würde sich nochmals mit der Frage der
Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsabschlages befassen, was aber nicht
geschehen ist.
Der Kläger ist der Ansicht, der Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG
sei verfassungswidrig. Er nimmt Bezug auf die Ausführungen der Klägerin eines
Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes - 3 K 374/06 - (vgl. Urteil
vom 13.11.2007, juris).
Daneben ist er u. a. der Ansicht, im Hinblick auf gestiegene Lebenshaltungskosten
stelle die derzeitige Höhe der Beamtenversorgung keine amtsangemessene
Alimentation mehr dar, insbesondere unter Berücksichtigung von Kürzungen,
weiteren Verschlechterungen im Beihilfe- und Versorgungsrecht und gerade im
Falle des Klägers wegen eines aufgrund seiner bestehenden Schwerbehinderung
erhöhten finanziellen Bedarfs. Der Kläger ist der Ansicht, der Versorgungsabschlag
nach § 14 Abs. 3 BeamtVG sei aus denselben Gründen verfassungswidrig, aus
denen das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 19.04.2004 - 9 E 6486/03 -
beschlossen habe, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber
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beschlossen habe, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber
einzuholen, ob § 69 e Abs. 2 bis 4 BeamtVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG
mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar seien.
Weiter ist der Kläger der Ansicht, das Gesetz diskriminiere in verfassungswidriger
Weise Schwerbehinderte. Unter Hinweis auf § 42 Abs. 4 Nr. 1 BBG ist er der
Auffassung, bei schwerbehinderten Bediensteten sei als Bemessungsgrenze die
Vollendung des 60. Lebensjahres heranzuziehen.
Schließlich sei mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar, dass die
Ruhegehaltsminderung linear erfolge, aber nur die letzten drei Jahre vor Erreichen
der Altersgrenze berücksichtigt würden.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 24.11.2005 den Beklagten
zu verpflichten, keinen Abschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG in Höhe von 10,8 %
vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt.
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
einverstanden erklärt.
Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die
Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Zur Vervollständigung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Inhalts der Akte des ursprünglichen
Verfahrens 6 E 2083/05 nebst der Personalakte, der Besoldungsakte über den
Kläger und einen Vorgang, der die Festsetzung der Versorgungsbezüge enthält.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig, verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten und ist daher nicht aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO).
§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG ist verfassungsmäßig. Nach dieser Regelung
vermindert sich das Ruhegehalt um 3,6 % für jedes Jahr, um das der Beamte vor
Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, wegen
Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in Ruhestand versetzt
wird; die Minderung des Ruhegehalts darf dabei 10,8 % nicht übersteigen.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 120, 154) und auch das
Bundesverfassungsgericht (1. Kammer des 2. Senats, NVwZ 2006, S. 1280) haben
festgestellt, dass § 14 Abs. 3 BeamtVG verfassungsmäßig ist. Auf die Begründung
der bezeichneten Entscheidungen wird Bezug genommen (vgl. daneben z.B. OVG
Saarland, Beschluss vom 31.03.2008 - 1 A 14/08 -, juris).
Von Bedeutung ist nicht, ob der Beamte freiwillig in den Ruhestand getreten ist
oder "unverschuldet zwangsweise" wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen
Ruhestand versetzt worden ist. Der den Versorgungsabschlag verfassungsrechtlich
rechtfertigende Grund ist vielmehr dann gegeben, wenn der Beamte aus Gründen,
die nicht in der Verantwortungssphäre des Dienstherrn liegen, vorzeitig aus dem
Dienst ausscheidet und es somit im synallagmatischen Verhältnis zwischen
Alimentation und dienstlicher Hingabe zu einem Ungleichgewicht kommt.
Vorliegend haben gerade kein Dienstunfall oder keine Verantwortlichkeit des
Dienstherrn zur Dienstunfähigkeit geführt.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden
Gestaltungsspielraumes unterschiedliche Regelungen für diejenigen getroffen, die
freiwillig oder "unverschuldet" in den vorzeitigen Ruhestand treten. Der Beamte,
der mit dem Ende des Monats in den Ruhestand tritt, in dem er das 65. Lebensjahr
vollendet (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 BBG), erhält seine Versorgungsbezüge
ungekürzt. Wird er auf eigenen Wunsch nach Vollendung des 63. Lebensjahres in
den Ruhestand versetzt, werden die Versorgungsbezüge gemäß § 14 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 BeamtVG gekürzt. Bei einer Versetzung in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit wird hingegen nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG ein
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Dienstunfähigkeit wird hingegen nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG ein
Versorgungsabschlag nur für solche Zeiten vorgenommen, die vor Ablauf des
Monates liegen, in dem der Beamte das 63. Lebensjahr vollendet, d.h. zwei Jahre
vor Vollendung des 65. Lebensjahres werden insoweit nicht bei einem
Versorgungsabschlag berücksichtigt. Das Gleiche gilt außerdem nach § 14 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 BeamtVG für einen Schwerbehinderten, der sich nach Vollendung des
60. Lebensjahres ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit in den Ruhestand
versetzen lässt.
Nicht ersichtlich ist auch, dass die Beamtenbesoldung wegen gestiegener
Lebenshaltungskosten generell nicht mehr amtsangemessen sein könnte oder
jedenfalls die Kürzung dazu führt, dass der Kläger nicht mehr amtsangemessen
alimentiert ist. Die Kürzung ist gerade gewollt und führt nicht dazu, dass die dem
Kläger zustehende Versorgung mit monatlich 2.760,02 Euro, auf der Grundlage
der Besoldungsstufe A 13, einem Ruhegehaltssatz von noch 75 % der letzten
Dienstbezüge und Zahlen des Jahres 2005, nicht mehr amtsangemessen ist.
Soweit der Kläger pauschal auf weitere Verschlechterungen im Beihilfe- und
Versorgungsrecht hinweist, bietet dies ebenfalls keinen Anlass, eine
amtsangemessene Versorgung in Zweifel zu ziehen oder von Amts wegen weiter
aufzuklären.
Der Versorgungsabschlag führt auch nicht zu einer verfassungswidrigen
Diskriminierung Schwerbehinderter. Der Gesetzgeber hat vielmehr im Rahmen des
ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes den Versorgungsabschlag auch für
Schwerbehinderte geregelt. Wie bereits dargestellt wird bei Schwerbehinderten
nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 BeamtVG ein Versorgungsabschlag nur für solche Zeiten
vorgenommen, die vor Ablauf des Monates liegen, in dem der Beamte das 63.
Lebensjahr vollendet.
Soweit ein schwerbehinderter Beamter auf Lebenszeit trotz bestehender
Dienstfähigkeit auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt werden kann, wenn er
das 60. Lebensjahr vollendet hat, weil er schwerbehindert ist (vgl. § 42 Abs. 4 Nr. 1
BBG), führt das nicht dazu, dass insoweit auch bei der Anwendung des § 14 Abs. 3
Nr. 1 BeamtVG entgegen seinem Wortlaut auf das 60. Lebensjahr abgestellt
werden müsste.
Vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist schließlich gedeckt, dass ein
Versorgungsabschlag in Höhe von 3,6 % für jedes Jahr vorgesehen ist, die
Minderung des Ruhegehalts aber 10,8 % nicht übersteigen darf. Soweit dies zur
Folge hat, dass derjenige, der drei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze
ausscheidet, "nur" einen Versorgungsabschlag in Höhe von 10,8 % hinnehmen
muss, derjenige, wie im Übrigen auch der Kläger, der aber 5 Jahre vor dem
Erreichen der für ihn maßgeblichen Altersgrenze ausscheidet, ebenso nur einen
Abschlag von 10,8 % hinnehmen muss, stellt keine von vornherein willkürliche
Begrenzung des Versorgungsabschlages dar, sondern dient vielmehr der
Sicherung einer amtsangemessenen Alimentation.
Da der Kläger unterlegen ist, hat er nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits
entschieden, dass der Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 3 BeamtVG
verfassungsgemäß ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.